Abstract
Die postinfektiöse Glomerulonephritis ist eine Entzündung der Glomeruli infolge einer Infektionskrankheit, die am häufigsten Kinder nach einer Streptokokken-Tonsillitis betrifft. Ursächlich ist ein immunologisches Geschehen, das zu Immunkomplexablagerungen an der Basalmembran der Glomeruli führt und auf diese Weise eine Schädigung mit nephritischem Sediment hervorruft. Klinische Zeichen sind grippale Beschwerden, Hämaturie und ggf. Ödeme und Hypertonie - diese Symptome zeigen sich jedoch nur in der Hälfte der Fälle. Bei entsprechender Anamnese kann die Diagnose mittels charakteristischer Laborwerte wie einem erhöhten ASL-Titer und einem erniedrigten C3-Komplement im Blut sowie einem nephritischen Sediment im Urin gesichert werden. Eine symptomatische Therapie mit Überwachung der Nierenfunktionen ist bei Kindern meist ausreichend und führt zur folgenlosen Abheilung. Erwachsene weisen eine schlechtere Prognose auf.
Epidemiologie
- Betrifft insbesondere Kinder
- Aufgrund konsequenter Antibiotikabehandlung und verbesserten Hygienemaßnahmen in den westlichen Ländern selten geworden
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
-
Ca. 1–3 Wochen nach Infekt
- Vor allem bei β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A
- Mund-Rachenraum (Angina tonsillaris, Pharyngitis)
- Weichteile (Erysipel, Impetigo, ggf. Osteomyelitis, etc.)
- Seltener nach anderen bakteriellen oder viralen Infektionen sowie Malaria
- Vor allem bei β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A
- Anmerkung! Es kann auch während einer Infektion zur Ausbildung einer Immunkomplex-Glomerulonephritis kommen: Bspw. bei Endokarditis (Löhlein-Herdnephritis) oder Weichteilabszessen
Pathophysiologie
- Infektion → Vermutlich durch molekulares Mimikry ausgelöste Antikörperbildung gegen Strukturen der Glomeruli → Destruktion führt zu immunkomplexvermittelter Glomerulonephritis mit nephritischem Sediment (genauere Erläuterung → Glomeruläre Erkrankungen)
Symptome/Klinik
- Etwa die Hälfte der Fälle bleibt asymptomatisch
- Mögliche Symptome
- Grippale Beschwerden
- Flankenschmerzen
- Blutiger Urin, Oligurie
- Hypertonie (teilweise symptomatisch durch Kopfschmerzen)
-
Ödeme
- Dyspnoe bei Lungenödem
- Neurologische Symptome bei Hirnödem (z.B. epileptische Anfälle)
Diagnostik
- Blut
- Evtl. erhöhte Retentionsparameter (oftmals passager)
- Antistreptolysin-Titer↑ (insb. nach Streptokokkeninfektion im Rachenraum)
- ADB-Titer↑ (insb. nach Streptokokkeninfektion der Weichteile)
- C3-Komplement↓
- Urin → Nephritisches Sediment
- Mikro- oder Makrohämaturie (Akanthozyten, Erythrozytenzylinder)
- Unselektiv-glomeruläre Proteinurie (in der Regel unterhalb eines nephrotischen Niveaus)
- Weitere mögliche Befunde: Leukozytenzylinder
- Sonographie
- Vergrößerte Nieren
Pathologie
- Nierenbiopsie
- Indikation: Verdacht auf Rapid-progressive Glomerulonephritis
- Befund
- Diffus endokapilläre Glomerulonephritis: „Humps“ = Antigen-Antikörper-Komplexe (granuläre Immunkomplexe) lagern sich zwischen Kapillarendothel und der Basalmembran ab
- Zusätzlich C3-Komplement-Einlagerung und granulozytäre Infiltrate
Therapie
- Überwachung der Elektrolyte, Retentionswerte und Blutdruck
- Weitere Therapie nach Klinik
- Ödeme: Diuretische Therapie
- Hypertonie: Einsatz von ACE-Hemmern oder Sartanen
- Persistierender Streptokokkeninfekt: Antibiotische Therapie (Penicillin V)
- Schwerer Verlauf/Komplikationen: Glucocorticoide, ggf. intermittierende Dialyse
Komplikationen
Komplikationen sind eher bei Erwachsenen zu erwarten.
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Ausheilung in der Regel innerhalb von 6–8 Wochen
- Bei Kindern in >90% Ausheilung (Restitutio ad integrum)
- Tlw. persistieren Urinauffälligkeiten (Proteinurie, Hämaturie) deutlich länger → Verlaufsbeobachtung daher wichtig!
- Bei Erwachsenen verbleibt in ca. 50% der Fälle eine Einschränkung der Nierenfunktion
Prävention
- Frühzeitige und ausreichend lange antibiotische Therapie bei Infektionen mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
- N08.-:* Glomeruläre Krankheiten bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- N08.0*: Glomeruläre Krankheiten bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.