Abstract
Durch aus der Vagina aufsteigende Keime (häufig Streptokokken der Gruppe B) kann es im Rahmen der Schwangerschaft zu einer intrauterinen Inflammation und/oder Infektion, dem sog. „Triple I“, kommen. Der Begriff ersetzt seit 2019 die Bezeichnungen „Amnioninfektionssyndrom“ und „Chorioamnionitis“. Klinisch zeigt sich dabei typischerweise ein Auffiebern der Mutter neben anderen Infektzeichen wie einer Leukozytose oder purulentem Fluor. Patientinnen mit vorzeitigem Blasensprung sind besonders gefährdet. Bei V.a. Triple I sollte eine antibiotische Therapie begonnen und eine zügige Entbindung angestrebt werden.
Auch das Neugeborene ist (im Rahmen des Geburtsvorgangs) bedroht, eine lokale oder systemische (meist bakterielle) Entzündung zu entwickeln. Während lokale Infektionen wie z.B. eine Omphalitis dabei anhand des klinischen Bildes meist leicht zu diagnostizieren sind, ist die Diagnostik systemischer Erkrankungen kompliziert. Grund dafür ist das verminderte Auftreten klassischer Entzündungssymptome (wie sie bei älteren Kindern oder Erwachsenen zu finden sind). Daher muss verstärkt auf charakteristische Warnsignale der Neugeboreneninfektion wie Sättigungsabfall, Temperaturinstabilität oder verändertes Trinkverhalten geachtet werden.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind (P35-P39)
- Inklusive: Infektionen, die in utero oder unter der Geburt erworben wurden
- Exklusive: Angeboren: Gonokokkeninfektion (A54.‑), Pneumonie (P23.‑), Syphilis (A50.‑), Asymptomatische HIV-Infektion (Z21), HIV-Krankheit (B20-B24), Infektiöse Darmkrankheiten (A00-A09), Infektionskrankheit der Mutter als Ursache von Tod oder Krankheit des Fetus oder Neugeborenen ohne Manifestation dieser Krankheit beim Fetus oder Neugeborenen (P00.2), Laborhinweis auf HIV (R75), Nach der Geburt erworbene Infektionskrankheiten (A00-B99, J09-J11), Tetanus neonatorum (A33)
P35.-: Angeborene Viruskrankheiten
- P35.0: Rötelnembryopathie
- P35.1: Angeborene Zytomegalie
- P35.2: Angeborene Infektion durch Herpesviren [Herpes simplex]
- P35.3: Angeborene Virushepatitis
- P35.8: Sonstige angeborene Viruskrankheiten
- Angeborene Varizellen [Windpocken]
- P35.9: Angeborene Viruskrankheit, nicht näher bezeichnet
P36.-: Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen
- Inklusive: Angeborene Sepsis
- P36.0: Sepsis beim Neugeborenen durch Streptokokken, Gruppe B
- P36.1: Sepsis beim Neugeborenen durch sonstige und nicht näher bezeichnete
- P36.2: Sepsis beim Neugeborenen durch Staphylococcus aureus
- P36.3: Sepsis beim Neugeborenen durch sonstige und nicht näher bezeichnete
- P36.4: Sepsis beim Neugeborenen durch Escherichia coli
- P36.5: Sepsis beim Neugeborenen durch Anaerobier
- P36.8: Sonstige bakterielle Sepsis beim Neugeborenen
- P36.9: Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen, nicht näher bezeichnet
P37.-: Sonstige angeborene infektiöse und parasitäre Krankheiten
- Exklusive: Diarrhoe beim Neugeborenen: infektiös (A00-A09), nichtinfektiös (P78.3), o.n.A. (A09.9), Enterocolitis necroticans beim Fetus und Neugeborenen (P77), Keuchhusten (A37.‑), Ophthalmia neonatorum durch Gonokokken (A54.3), Syphilis connata (A50.‑), Tetanus neonatorum (A33)
- P37.0: Angeborene Tuberkulose
- P37.1: Angeborene Toxoplasmose
- Hydrozephalus durch angeborene Toxoplasmose
- P37.2: Neugeborenenlisteriose (disseminiert)
- P37.3: Angeborene Malaria tropica
- P37.4: Sonstige angeborene Malaria
- P37.5: Kandidose beim Neugeborenen
- P37.8: Sonstige näher bezeichnete angeborene infektiöse und parasitäre Krankheiten
- P37.9: Angeborene infektiöse oder parasitäre Krankheit, nicht näher bezeichnet
P38: Omphalitis beim Neugeborenen mit oder ohne leichte Blutung
P39.-: Sonstige Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind
- P39.0: Infektiöse Mastitis beim Neugeborenen
- Exklusive: Brustdrüsenschwellung beim Neugeborenen (P83.4), Nichtinfektiöse Mastitis beim Neugeborenen (P83.4)
- P39.1: Konjunktivitis und Dakryozystitis beim Neugeborenen
- Konjunktivitis durch Chlamydien beim Neugeborenen
- Ophthalmia neonatorum o.n.A.
- Exklusive: Konjunktivitis durch Gonokokken (A54.3)
- P39.2: Intraamniale Infektion des Fetus, anderenorts nicht klassifiziert
- P39.3: Harnwegsinfektion beim Neugeborenen
- P39.4: Hautinfektion beim Neugeborenen
- Pyodermie beim Neugeborenen
- Exklusive: Staphylococcal scalded skin syndrome [SSS-Syndrom] (L00.‑), Pemphigus neonatorum (L00.‑)
- P39.8: Sonstige näher bezeichnete Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind
- P39.9: Infektion, die für die Perinatalperiode spezifisch ist, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.
Systemische Neugeboreneninfektion
Ätiologie[1][2]
- Early-Onset-Sepsis: In den ersten 72 Lebensstunden
- Folgt meist auf Triple I, Erreger entstammen meist der mütterlichen Vaginalflora
- Häufigste Erreger sind Gruppe B-Streptokokken (Streptococcus agalactiae) und E. coli, seltener Listeria monocytogenes, Staphylococcus aureus und Enterokokken
- Late-Onset-Sepsis: Nach den ersten 72 Lebensstunden
- Erreger entstammen meist dem postnatalen Umfeld
- Häufig E. coli, koagulasenegative Staphylokokken, Klebsiella-Enterobacter-Spezies, Pseudomonas aeruginosa, Proteus-Spezies, Gruppe-B-Streptokokken und Candida albicans
- Risikofaktoren (u.a.)
- Mutter
- Triple I
- Fieber/Sepsis
- Vorzeitig beginnender Geburtsvorgang
- Kind
- Atemnotsyndrom
- Intravasale Zugänge
- Wunden
- Mutter
Klinik
- Allgemeine Symptome
- Sehr unspezifisch – ein genauer Fokus ist oft schwer zu finden, weshalb eine umfassende Fokussuche betrieben werden muss
- Apathie, Lethargie
- Veränderung des Hautkolorits
- Störung der Atmung: Apnoe, Dyspnoe, Stöhnen ("Knorksen")
- Temperaturschwankungen: Fieber, Hypothermie
- Schlechte Nahrungsaufnahme, Trinkschwäche
- Kreislaufstörung
- Zentralisierung mit verlängerter Rekapillarisierungszeit (>3 Sek.)
- Arterielle Hypotonie
- Tachykardie
- Spezielle Symptome
- Neugeborenenmeningitis
- Kein Meningismus!
- Frühphase: Erbrechen, Irritabilität
- Spätphase: Vorgewölbte Fontanelle, schrilles Schreien, Lethargie, Krampfanfälle
- Neugeborenenpneumonie
- Sättigungsabfälle bis Zyanose
- Tachypnoe mit interkostalen/sternalen Einziehungen und „Nasenflügeln“
- Neugeborenenmeningitis
Fieber bei Säuglingen unter 3 Monaten birgt immer die Gefahr einer Sepsis und muss umgehend diagnostisch abgeklärt werden! Gleichzeitig darf das Fehlen von Fieber die Differenzialdiagnose Sepsis nicht ausschließen, da die Temperaturregulation bei Säuglingen noch nicht ausgereift ist und Fieber daher fehlen und es sogar zum Abfall der Körpertemperatur kommen kann!
Diagnostik
- Klinischer Verdacht ist ausschlaggebend!
- Erregernachweis und Antibiogramm
- Blutkulturen
- Trachealsekret bei Beatmung
- Urinkultur bei Verdacht auf Harnwegsinfektion (Goldstandard: Suprapubische Punktion)
- Labor
- Leukozytopenie oder Leukozytose
- CRP↑
- Interleukin-6 (IL-6) und Interleukin-8 (IL-8)↑
- Röntgen-Thorax
- Lumbalpunktion bei Verdacht auf Meningitis
Therapie
- (Intensiv‑)Stationäre Überwachung
- Kreislaufstabilisierung (Flüssigkeitssubstitution, evtl. Katecholamine)
- Behandlung von Komplikationen (Hypoglykämie, DIC, Elektrolytverschiebungen)
- Gabe von Breitbandantibiotika (z.B. Ampicillin + Gentamicin)
- Indikation: Klinischer Verdacht
- Dauer der Therapie: Abhängig von den diagnostischen Ergebnissen
- Bei unauffälliger Diagnostik: Absetzen der Therapie nach 48 Stunden
- Bei laborchemisch bestätigter Diagnose
- 5–7 Tage bei blandem Verlauf ohne Erregernachweis
- 7–10 Tage bei Sepsis und positiver Blutkultur
- Mindestens zehn Tage bei Meningitis
Prophylaxe
- Indikation
- Nachweis von Gruppe-B-Streptokokken bei der Mutter
- Vorliegen von Risikofaktoren (z.B. Triple I, Fieber, CRP-Erhöhung, vorzeitige Wehen/Blasensprung)
- Durchführung: Intrapartale Antibiotikagabe (Penicillin G)
Prognose
- Innerhalb von Stunden kann es ohne adäquate Therapie zum septischen Schock kommen
- Je länger die Symptome bestehen, umso höher ist das Risiko einer ZNS-Beteiligung (Meningitis)
Omphalitis/Nabelinfektion
- Erreger
- Staphylococcus aureus, Streptokokken, tlw. auch gramnegative Erreger
- Klinik
- Periumbilikale Rötung, Schwellung, Induration
- Fieber (oft erst im Verlauf)
- Diagnostik
- Blickdiagnostik (lokale Entzündungszeichen)
- Blutkulturen (Erregernachweis und Antibiogramm)
- Therapie
- Breite, intravenöse antibiotische Therapie (z.B. Ampicillin und Gentamicin)
- Komplikationen
- Große Gefahr einer Sepsis
- Aufgrund anatomischer Gegebenheiten (direkter Gefäßzugang): Rasche Ausbreitung
- Prävention
- Trockenhalten des Nabels (häufiger Windelwechsel)
- Hygiene
Zur Beurteilung des Therapieerfolgs kann es hilfreich sein, die Umgebungsrötung zu Beginn der Behandlung zu markieren!