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Arterielle Verschlusskrankheit viszeraler Gefäße

Letzte Aktualisierung: 1.7.2022

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Die systemischen Veränderungen im Rahmen einer Arteriosklerose betreffen neben den peripheren Gefäßen (pAVK), Herzkranz- (KHK) und Hirngefäßen auch Arterien des Bauchraums. Bei Einengung der Mesenterialgefäße kommt es dadurch typischerweise im Anschluss an Nahrungsaufnahme zu rezidivierenden, dumpfen Bauchschmerzen. Durch Fortschreiten des chronischen Verschlusses oder durch akute thromboembolische Ereignisse (meist kardialer Genese) kann zudem ein akuter Mesenterialinfarkt entstehen.

Der Mesenterialinfarkt ist ein höchst bedrohliches Krankheitsbild und nimmt einen typischen stadienhaften Verlauf: Im etwa sechs Stunden andauernden Initialstadium beklagt der Patient stärkste (ischämiebedingte) Abdominalschmerzen, woran sich eine meist symptomarme Phase des „faulen Friedens“ anschließt, in der nach Absterben des Darms eine Durchwanderungsperitonitis entsteht. Im Spätstadium (>12h) entwickelt sich dann ein akutes Abdomen mit stärksten Schmerzen, blutigen Durchfällen und paralytischem Ileus.

Diagnostisch steht die bildgebende Darstellung der Stenose oder des Verschlusses im Vordergrund - z.B. per Angiografie, Duplexsonografie oder Kontrastmittel-Computertomografie. Weiterhin zeigen sich beim akuten Infarkt erhöhte Laktatwerte und im Verlauf ansteigende Entzündungsparameter. Die Therapie bei der chronischen Verschlusskrankheit besteht zum einen in einer schonenden Diät, zum anderen kann eine interventionelle oder operative Revaskularisationstherapie indiziert sein (z.B. PTA oder Bypass-OP). Beim akuten Mesenterialinfarkt hingegen ist ein schnelles Vorgehen indiziert, da die Ischämietoleranz des Darms bei etwa sechs Stunden liegt. Ein Verdacht sollte also zügig durch bildgebende Verfahren bestätigt oder ausgeschlossen werden - ein Mesenterialarterieninfarkt stellt eine absolute operative Notfallindikation dar und hat selbst bei schneller Versorgung eine schlechte Prognose.

Die Ischämietoleranz des Darms beträgt ca. 6 Stunden!

Chronischer Mesenterialarterienverschluss

Stadien beim chronischen Mesenterialarterienverschluss
Stadium Beschreibung
I Symptomlose Stenose
II Angina abdominalis (intermittierender, postprandialer Schmerz)
III Dauerschmerz und Malabsorptionssyndrom, evtl. ischämische Kolitis
IV Akuter Mesenterialverschluss mit Mesenterialinfarkt

Leitsymptom: Angina abdominalis = Hypoxisch bedingter Bauchschmerz im Anschluss an Nahrungsaufnahme!

Akuter Mesenterialinfarkt

Stadien beim akuten Mesenterialinfarkt
Stadium Beschreibung
Initialstadium (0–6 h)
  • Stärkster, diffuser, krampfartiger Abdominalschmerz
  • Abnorme Peristaltik
  • Palpatorisch weiches Abdomen (meist ohne Abwehrspannung)
  • Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö
Latenzstadium (6–12 h)
  • Nachlassen der Schmerzen und Abnahme der Peristaltik
  • „Fauler Frieden“ → Stadium der Wandnekrose
  • Blut im Stuhl
Spätstadium (>12 h)

Typischer IMPP-Patient: Tachyarrhythmia absoluta mit Vorhofflimmern (bzw. Herzrhythmusstörungen) → Plötzliche Bauchschmerzen!

Anamnese

Körperliche Untersuchung

Blut

Apparative Diagnostik

  • EKG: Evtl. Vorhofflimmern
  • Bildgebung
    • Sonografie des Abdomens: Suche nach freier Flüssigkeit im Abdomen, Darmwandödem, Motilitätsstörung, distendierte Darmschlingen
    • Farbduplexsonografie: Gefäßabgangsstenosen
    • Abdomenröntgen: Erweiterte Dünndarmschlingen mit Luft-Flüssigkeitsspiegeln , ggf. intramurale Lufteinschlüsse
    • Angio-CT oder -MRT: Nachweis von Gefäßstenosen
    • Angiografie : Nachweis von Gefäßstenosen
  • Endoskopie
    • Koloskopie bei ischämischer Kolitis: Schleimhautödem, Ulzera mit livide verfärbter Umgebung

Bei Verdacht auf akuten Mesenterialinfarkt ist eine zügige Gefäßdarstellung (Angiografie, CT, MRT oder Duplexsonografie) entscheidend - bei Peritonitis oder Schockgefahr kann jedoch auch eine Notfall-OP ohne apparative Diagnostik notwendig sein!

(Akute) Mesenterialvenenthrombose

Nicht-okklusive Mesenterialischämie (NOMI)

Weitere Differenzialdiagnosen

  • Entzündliche Veränderungen im Sinne einer Kolitis
  • Andere Ursachen eines akuten Abdomens

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Leichte ischämische Kolitis

Chronische mesenteriale Ischämie/Angina abdominalis

  • Diät (häufige kleine Mahlzeiten, ballaststoffarme Kost)
  • Interventionelle Aufdehnung (PTA/Stent)
  • Elektive operative Revaskularisation

Akuter Mesenterialinfarkt: Notfallindikation [1][2][3]

Interventionelle Therapie

  • Indikation: Verschlüsse ohne Peritonitis oder Darmwandnekrose
  • Verfahren
    • Pharmakospülperfusion: Intraarterielle Gabe von Prostaglandinen plus Heparin über einen transfemoralen Katheter
    • Katheterlyse: Fraktionierung des Thrombus mittels Führungsdraht und anschließende lokale Verabreichung von rt-PA
    • Katheter-Aspirations-Embolektomie: Angiografisch gesteuerte Bergung des Embolus mittels spezieller Katheter über transfemoralen Zugang
    • PTA mit Stentimplantation: Bei Veränderungen der Gefäßwand

Chirurgische Therapie [4]

Indikation

Ablauf

  1. Revaskularisierung: Mögliche Verfahren je nach betroffenem Gefäß
  2. Resektion
    • Nach Wiederherstellung der Perfusion: Entscheidung über die Resektion avitaler und nicht revitalisierbarer Darmabschnitte
    • Resektionsausmaß: Abhängig von der Ischämiedauer
    • Bei intraoperativer Minderperfusion: Resektion der Anastomose
  3. Rekonstruktion
  4. Ggf. Second-Look-OP innerhalb von 12–24 Stunden zur Beurteilung der Vitalität

Therapiebegleitende intensivmedizinische Behandlung

Bei V.a. einen Mesenterialinfarkt muss rasch gehandelt werden – die Ischämietoleranz des Darms liegt bei ca. sechs Stunden!

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Letalität des akuten Mesenterialinfarkts: 60–80%
  • Prognostische Faktoren
    • Behandlungszeitpunkt: Entscheidend ist v.a. die schnelle Behandlung, die Prognose ist abhängig von der Dauer der Ischämie [3]
      • Unter 2 h: Vollständige Abheilung ohne Resektion wahrscheinlich (Letalität 10%)
      • Bis 12 h: Abheilung auch ohne Resektion möglich (Letalität >30%)
      • Bis 24 h: Notwendigkeit der Darmresektion wahrscheinlich (Letalität >60%)
      • Über 24 h: Hohes Risiko für ausgedehnte Darmwandnekrosen (Letalität 80–100%)
    • Lokalisation: Periphere Verschlüsse sind aufgrund der besseren „Restblutversorgung“ des Darmes über Kollateralen im Vergleich zu zentralen Verschlüssen mit einer besseren Prognose verbunden
    • Verschlussart: Nicht-okklusive Form (NOMI) ist im Vergleich zur okklusiven Form mit höherer Letalität verbunden, da die eher unspezifischen Symptome zu einer verzögerten Diagnose und Behandlung führen

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Klar et al.: Akute mesenteriale Ischämie – ein vaskulärer Notfall In: Deutsches Ärzteblatt Online. Band: 109, Nummer: 14, 2012, doi: 10.3238/arztebl.2012.0249 . | Open in Read by QxMD .
  2. Michels, Kochanek: Repetitorium Internistische Intensivmedizin. 3. Auflage. Auflage Springer 2017, ISBN: 978-3-662-53182-2 .
  3. Lippert: Fehler in der Allgemein- und Viszeralchirurgie. Georg Thieme Verlag 2017, ISBN: 978-3-131-99481-3 .
  4. Obermaier: Breitner - Chirurgische Operationslehre. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH 2008, ISBN: 978-3-437-24830-6 .
  5. Siewert: Chirurgie. 8. Auflage Springer 2006, ISBN: 978-3-540-30450-0 .
  6. Flasnoecker (Hrsg.): TIM, Thieme's Innere Medizin. 1. Auflage Thieme 1999, ISBN: 978-3-131-12361-9 .
  7. Schwarz et al.: Allgemein- und Viszeralchirurgie essentials. 8. Auflage Georg Thieme Verlag 2017, ISBN: 978-3-131-26348-3 .
  8. Kogel: Akute Verschlüsse der Viszeralgefäße In: DoctorConsult - The Journal. Wissen für Klinik und Praxis. Band: 2, Nummer: 1, 2011, doi: 10.1016/j.dcjwkp.2011.03.008 . | Open in Read by QxMD p. 49-56.