Informationen zur Leitlinie
AWMF Registernummer: 033-004
Federführende Fachgesellschaft
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC)
Federführender Autor
- Prof. Dr. J. Stöve
Beteiligte Fachgesellschaften
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU)
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU)
- Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA)
- Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh)
- Gesell. für Naturheilkunde (DGNHK)
- Vereinigung Technische Orthopädie e.V. (VTO)
- Deutsche Kniegesellschaft (DKG)
- Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS)
- Interdisziplinäre Gesellschaft für orthopädische/ unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie (IGOST)
- Berufsverband Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU)
- Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK)
- Rheumaliga Bundesverband e.V. & Patientenvertreter
- Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE)
Gremium
- Dr. F. Bock
- E. Böhle
- W. Dau
- Dr. J. Flechtenmacher
- Prof. Dr. H. Graichen
- Prof. Dr. B. Greitemann
- Prof. Dr. Dr. J. Grifka
- Prof. Dr. A. Halder
- Prof. Dr. J. Jerosch
- Dr. P. Klose
- Dr. L. Konrad
- Prof. Dr. C. Kopkow
- Prof. Dr. J. Langhorst
- Dr. B. Lembeck
- Prof. Dr. J. Lützner
- Prof. Dr. T. Pap
- V. Pulwitt
- Prof. Dr. J. Steinmeyer
- Prof. Dr. M. Tingart
- Prof. Dr. R. von Eisenhart-Rothe
Allgemeines
Synonyme
Arthrose des Kniegelenkes
Schlüsselwörter
Kniegelenk, Arthrose, Gonarthrose, Femoropatellararthrose, konservative Therapie, Hilfsmittel, gelenkerhaltende Operation, Umstellungsosteotomie, Endoprothese, Knieendoprothese
Definition
Unter Gonarthrose sind alle degenerativen Erkrankungen des Kniegelenkes (femoro-tibial und femoro-patellar) zu verstehen, die durch eine progressive Zerstörung des Gelenkknorpels unter Mitbeteiligung der Gelenkstrukturen wie Bänder, Knochen, synoviale und fibröse Gelenkkapsel sowie periartikuläre Muskulatur gekennzeichnet sind. Klinisch imponiert die Erkrankung mit entzündlichen und nicht-entzündlichen Phasen. Nur ein Teil der Patienten mit radiologischen Veränderungen hat Funktionsstörungen oder Schmerzen.
Häufige Differentialdiagnosen
- Rheumatoide Arthritiden
- Meniskusschaden
- Hüftgelenkserkrankungen
- Osteochondrosis dissecans
- Morbus Ahlbäck
- Tumoren und Metastasen
- Bakterielle Infektion
- Bursitiden
- Insertionstendopathien
- Pseudoradikuläre Syndrome
- Neurogene Störungen
- Gefäßbedingte Erkrankungen
- Subkutane Symptomenkomplexe
Übersicht - Allgemeines
Ziel
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.1: Diese Leitlinie soll Schlüsselempfehlungen geben und praktikabel sein.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Epidemiologie
DGOU-Gonarthrose-Statement 1.1: Die Gonarthrose ist eine im Alter häufige Erkrankung mit klinisch und radiologisch deutlich unterschiedlicher Prävalenz.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Pathogenese der Osteoarthrose
Klassifikation
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.2: Die Diagnose der Gonarthrose soll klinisch und radiologisch gestellt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.3: Das Ausmaß der Gelenkschädigung sollte nach radiologischen Kriterien klassifiziert werden.
89% Zustimmung (Konsens)
ICD-Codierung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.4: Es soll eine korrekte endstellige ICD-Codierung verwendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Begutachtung der Gonarthrose in der gesetzlichen Unfallversicherung
Ziel
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.1: Diese Leitlinie soll Schlüsselempfehlungen geben und praktikabel sein.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die Gonarthrose ist eine häufige Erkrankung. Der chronische Verlauf ohne Aussicht auf Heilung bedeutet eine Herausforderung für die Patienten und fordert in der Arzt-Patienten-Beziehung langfristiges Vertrauen. Die Therapieangebote sind für den einzelnen Patienten nicht mehr überschaubar. Auch der Arzt hat Schwierigkeiten, die verschiedensten Therapien nach den Maßstäben der evidenzbasierten Medizin zu beurteilen.
Diese Leitlinie soll Schlüsselempfehlungen geben und praktikabel sein. Kontrovers diskutierte Therapien sollen mit der verfügbaren Literatur transparent dargestellt werden.
Sie richtet sich an Ärzte sowie Angehörige nicht-ärztlicher Berufsgruppen, genauso wie an Patienten.
Der Therapeut sollte mit dem Patient die Therapieoptionen und deren Abfolge besprechen. Das Ziel dieser Leitlinie ist es nicht, eine Reihenfolge der konservativen und operativen Therapieoptionen festzulegen.
Epidemiologie
DGOU-Gonarthrose-Statement 1.1: Die Gonarthrose ist eine im Alter häufige Erkrankung mit klinisch und radiologisch deutlich unterschiedlicher Prävalenz.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die Gonarthrose ist eine häufige Erkrankung des Erwachsenen mit einer hohen Prävalenz (je nach Studie 27–90%) bei über 60-Jährigen. In der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2012“ (www.rki.de/geda) zeigte sich eine Gesamtprävalenz von 23,8%. In der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1), einem Befragungs- und Untersuchungssurvey des RKI[1] gaben 20,2% aller Befragten zwischen 18 und 79 Jahren an, jemals eine ärztlich diagnostizierte Arthrose gehabt zu haben (Frauen 22,3%, Männer 18,1%) (www.rki.de/geda). Daher hat sie eine hohe sozialmedizinische Bedeutung. In der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen zeigten 15–16% radiologische Zeichen einer Gonarthrose; in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen lag dieser Anteil bereits bei 36–40%.
In einer Bevölkerungsgruppe der über 70-Jährigen wird die Rate der Neuerkrankungen auf etwa 1% geschätzt[2], wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind.
Bis zum 80. Lebensjahr steigen die Prävalenzen einer radiographischen Osteoarthrose (OA) bei männlichen Probanden auf 33%, bei weiblichen Probanden auf 53% an. Die Prävalenz einer klinischen Beschwerdesymptomatik einer radiologisch gesicherten Gonarthrose liegt jedoch niedriger zwischen 10% und 15%[3].
Pathogenese der Osteoarthrose
Die Osteoarthrose ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine multifaktoriell bedingte, degenerative Erkrankung von Gelenken, die zu einem fortschreitenden Umbau der Gelenkstrukturen führt und mit schmerzhaften Funktionseinschränkungen bis hin zum weitgehenden Funktionsverlust betroffener Gelenke verbunden ist. Aufgrund der heterogenen Ätiologie der Arthrose ist eine einfache und einheitliche Beschreibung der resultierenden pathogenetischen Vorgänge nicht möglich. Zentrale, ätiologische Faktoren sind neben einer (in Bezug auf die verschiedenen Gelenke unterschiedlich stark ausgeprägten) genetischen Komponente altersbedingte Veränderungen in der Regenerationskapazität, (bio)mechanische Veränderungen bzw. Belastungen, metabolische Einflüsse sowie Mechanismen der lokalen Entzündung. Auch wenn die Arthrose alle Gewebe und Strukturen eines Gelenks betrifft und die Frage nach den letztlich ursächlichen Veränderungen nicht abschließend geklärt ist, stellt der strukturelle Aufbau des hyalinen Gelenkknorpels sowie die sich in diesem abspielenden Veränderungen einen zentralen Schlüssel zum Verständnis der Osteoarthrose dar. Der gesunde Gelenkknorpel besteht zu 95% aus einer extrazellulären Matrix mit einem Anteil von 5% Chondrozyten. Die wenige Millimeter messende Gewebeschicht besitzt weder Blut- noch Lymphgefäße oder Nerven. Die Struktur der extrazellulären Matrix wird von einem Kollagennetzwerk gebildet, in das andere strukturbildende Moleküle eingebettet sind. Dazu gehören vor allem Proteoglykane, die einerseits aufgrund ihrer biophysikalischen Eigenschaften den Schwelldruck sowie die prallelastischen Eigenschaften des Knorpelgewebes bestimmen, andererseits aber über ihre strukturbildende Funktion hinaus auch in der Lage sind, z.T. selbst Signalkaskaden zu initiieren bzw. andere Signalmoleküle (z.B. Wachstumsfaktoren und Chemokine) zu binden und so im Sinne einer bioaktiven Matrix zu fungieren.
Die Integrität, und damit die Eigenschaften der extrazellulären Matrix und der in sie eingebetteten Moleküle, wird durch anabole und katabole Stoffwechselvorgänge vor allem in den Chondrozyten gewährleistet. (Bio)Mechanische Veränderungen bzw. Schädigungen des Knorpels oder andere biologische „Stressfaktoren“ mit einem resultierenden Ungleichgewicht zwischen anabolem und katabolem Stoffwechsel der Chondrozyten führen zu einer Veränderung in der Zusammensetzung der Knorpelmatrix, der zu einem kontinuierlich fortschreitenden Knorpelverlust führen kann, wenn die Regenerationskapazität des Knorpels überschritten oder erschöpft ist. Morphologisch können diese Veränderungen im Verlauf über das Stadium einer Knorpelerweichung zu Knorpeleinrissen, die später bis auf den Knochen reichen können, und schließlich zu einem kompletten Verlust der Knorpelschicht führen. Begleitet werden diese Veränderungen von einer erhöhten Knochenneubildung sowohl an peripheren Gelenkanteilen (dort als Osteophyten imponierend) als auch subchondral (mit Manifestation als Sklerosierung).
Die morphologischen Veränderungen und ihre funktionellen Folgen in Bezug auf Knorpelverlust und Knochen(neu)bildung sind letztendlich vor allem Ausdruck biochemischer und molekularbiologischer Veränderungen der artikulären Chondrozyten. Diese zeigen im Prozess der osteoarthrotischen Degeneration distinkte phänotypische Reaktionen, die neben dem Tod der Knorpelzelle vor allem eine hypertrophe Proliferation/Differenzierung beinhalten. Die beobachteten Reaktionen der Chondrozyten, insbesondere die erhöhte Produktion Matrix-degradierender Enzyme, sind das Resultat dieser phänotypischen Veränderungen und der mit ihnen verbundenen Veränderungen im Genexpressionsmuster.
Die Frage nach den spezifischen Mediatoren der pathologischen Chondrozytenaktivierung bzw. –differenzierung ist nicht geklärt. Insbesondere die Frage, wie Chondrozyten mechanischen Stress wahrnehmen und in eine koordinierte Reaktion, entweder im Sinne einer regenerativen Antwort oder im Sinne einer pathologisch-katabolen Reaktion, übersetzen, sind nur ungenügend verstanden. Dennoch konnten in den vergangenen Jahren eine Reihe von Wachstumsfaktoren (z.B. TGF-β, BMPs, FGFs, IGF) und (inflammatorische) Zytokine (z.B. IL-1β) identifiziert werden, die bei der Osteoarthrose in verändertem Maße gefunden werden und deren gestörtes Expressionsmuster zumindest Teilaspekte des phänotypischen Wechsels der Chondrozyten (engl.: ‚phenotypic switch’) zu erklären vermögen.
Anders als bei entzündlichen Gelenkerkrankungen ist die Synovialmembran bei der Arthrose vor allem im Ergebnis der Knorpeldegeneration involviert. Durch die Zerstörung der Integrität der Knorpelmatrix kommt es zum Ablösen von Knorpelbestandteilen, die zu einer (reaktiven) Synovitis führen kann. Neuesten Erkenntnissen zufolge spielt dabei nicht nur die unspezifische Stimulation von Synovialzellen durch Knorpelabriebprodukte (Detritus) eine Rolle, sondern auch die spezifische und rezeptorvermittelte Stimulation synovialer Fibroblasten und Makrophagen durch einzelne (zuvor mit der extrazellulären Matrix assoziierten) Molekülen aus dem Knorpel. Die Synovialmembran reagiert dann mit der Produktion von entzündlichen Zytokinen. Durch dieses Reaktionsmuster wird der degradative Stoffwechselprozess im Knorpel verstärkt, so dass von einem Circulus vitiosus der Arthrose gesprochen werden kann.
Klassifikation
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.2: Die Diagnose der Gonarthrose soll klinisch und radiologisch gestellt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.3: Das Ausmaß der Gelenkschädigung sollte nach radiologischen Kriterien klassifiziert werden.
89% Zustimmung (Konsens)
Mögliche Klassifikationen der Gonarthrose
Radiologische Klassifikation
A) Radiologische Klassifikation der Gonarthrose nach Kellgren und Lawrence:
Stadium | Beschreibung |
---|---|
1 |
|
2 |
|
3 |
|
4 |
|
B) Radiologische Klassifikation der Gonarthrose nach Ahlbäck:
Typ | Beschreibung |
---|---|
1 | Gelenkspaltverschmälerung |
2 | Aufhebung des Gelenkspalts |
3 | Geringe Knochenarrosion |
4 | Mäßige Knochenarrosion |
5 | Massive Knochenarrosion, oft mit Subluxation und sekundärer lateraler Arthrose |
ICRS-Klassifikation von Knorpelschäden
In Erweiterung der 4-stufigen Outerbridge-Klassifikation von 1961 wurde 2003 durch die International Cartilage Research Society das „ICRS Hyaline Cartilage Lesion Classification System“ veröffentlicht, das als internationale Standardklassifikation angesehen werden kann.
Outerbridge | ICRS-Grad | ICRS-Beschreibung |
---|---|---|
0 | keine erkennbaren Defekte | |
1 | 1a | intakte Oberfläche, Fibrillationen und/oder leichte Erweichung |
1b | zusätzlich oberflächliche Risse / Fissuren | |
2 | 2 | Läsionstiefe <50% der Knorpeldicke (abnormaler Knorpel) |
3 | 3a | >50% Tiefe der Knorpeldicke, nicht bis zur kalzifizierenden Schicht (schwer abnormaler Knorpel) |
3b | >50% Tiefe der Knorpeldicke, bis zur kalzifizierenden Schicht | |
3c | >50% Tiefe der Knorpeldicke, bis zur subchondralen Platte | |
3d | >50% Tiefe der Knorpeldicke, mit Blasenbildung | |
4 | 4 a/b | vollständige Knorpelläsion mit Durchbruch der subchondralen Platte |
Klinische Scores
Für den wissenschaftlichen Vergleich empfehlen wir die Verwendung folgender Schemata:
- Oxford-Score 1998[4]
- Knee-Society-Score[5]
- KOOS (Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score)[6]
- WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index)[7]
ICD-Codierung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 1.4: Es soll eine korrekte endstellige ICD-Codierung verwendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
- Die Codierung der Arthrosen gemäß ICD-Codes aus M16-M19 setzt mit dem Zusatzkennzeichen „G“ eine bildgebende Diagnostik mindestens zur Sicherung der Erstdiagnose voraus.
- Posttraumatische Arthrosen
Arthrosen infolge von Traumata sind mit der ICD-10-GM spezifisch als posttraumatische Gelenkerkrankung zu verschlüsseln: M17.2 oder .3 posttraumatische Gonarthrose. Das Vorliegen einer isolierten Binnenschädigung des Kniegelenks rechtfertigt nicht die Codierung einer Gonarthrose.
Posttraumatische Arthrosen
Arthrosen infolge von Traumata sind mit der ICD-10-GM spezifisch als posttraumatische Gelenkerkrankung zu verschlüsseln:
M16.4/M16.5 | posttraumatische Koxarthrose |
---|---|
M17.2/M17/3 | posttraumatische Gonarthrose |
M19.1- | posttraumatische Arthrose sonstiger Gelenke |
Bei der Codierung von Schlüsselnummern aus M23.- Binnenschädigung des Kniegelenkes (internal derangement) sind die Ausschlusshinweise zu dieser Kategorie in der ICD-10-GM zu beachten.
M17.- | Gonarthrose [Arthrose des Kniegelenkes] |
---|---|
M17.0 | Primäre Gonarthrose, beidseitig |
M17.1 | Sonstige primäre Gonarthrose |
M17.2 | Posttraumatische Gonarthrose, beidseitig |
M17.3 | Sonstige posttraumatische Gonarthrose |
M17.4 | Sonstige sekundäre Gonarthrose, beidseitig |
M17.5 | Sonstige sekundäre Gonarthrose |
M17.9 | Gonarthrose, nicht näher bezeichnet |
M15.0 | Primäre generalisierte (Osteo‑)Arthrose |
Begutachtung der Gonarthrose in der gesetzlichen Unfallversicherung
Gonarthrose als Folge eines gesetzlich versicherten Unfalls
Bei jeder Gonarthrose muss ein möglicher Zusammenhang mit einer früheren Kniegelenksverletzung untersucht werden. Dabei ist zu prüfen, ob es sich um einen Arbeitsunfall, Wegeunfall oder einen anderen gesetzlich versicherten Unfall gehandelt hat. Ist das der Fall, so kann die Gonarthrose eine Unfallfolge oder Folgeerkrankung sein, die wie der Unfall gesetzlich versichert ist und Rentenansprüche begründen kann.
Bei allen Folgen gesetzlich versicherter Unfälle und Verletzungen ist die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) oder die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zu informieren. Das gilt auch für fragliche Zusammenhänge, die von der DGUV geprüft werden müssen.
In diesen Fällen muss der Patient einem von der DGUV zugelassenen Arzt (D-Arzt) vorgestellt werden, der einen Durchgangsarztbericht für die DGUV verfasst. Bestätigt sich der Zusammenhang mit einem gesetzlich versicherten Unfall, wird das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren wieder aufgenommen.
Begutachtung der Berufskrankheit
Die Begutachtung der Gonarthrose im Sinne einer Berufskrankheit (BK 2112) ist komplex und bedarf einer intensiven und individuellen Auseinandersetzung mit dem Patienten. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Gonarthrosen in der Endphase ein vergleichsweise monotones Aussehen haben, aber die Entstehung multifaktoriell sein kann. Aufgrund der Komplexität verweisen wir auf die Veröffentlichungen der DGUV.[8][9]
Übersicht - Beratung, Prophylaxe, allgemeine Maßnahmen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.1: Patienten sollen über die Erkrankung, Vorbeugung der Krankheitsprogression, Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität aufgeklärt werden (motivationale Beratung).
100% Zustimmung (starker Konsens)
Präventive Maßnahmen der Gonarthrose
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.2: Eine Kontrolle des Gewichts soll den Patienten empfohlen werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Anamnese
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.3: Eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung soll vor der Interpretation von Röntgenbildern stehen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Körperliche Untersuchung
Funktionstests
Therapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.4: Die Therapie sollte anhand eines individuellen Versorgungsplans mittels gemeinsamer Entscheidungsfindung durch Arzt und Patient erfolgen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Apparative Diagnostik
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.5: Die primäre bildgebende Diagnostik sind die konventionellen Röntgenaufnahmen. Zur besseren Auswertbarkeit der Röntgenaufnahme in der Frontalebene sollte diese im belasteten Zustand erfolgen. Eine weiterführende bildgebende Diagnostik soll speziellen Fragestellungen vorbehalten bleiben.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Biomarker
DGOU-Gonarthrose-Statement 2.1: Die derzeitige Beleglage ist nicht ausreichend, um den Einsatz von Biomarkern für die Diagnose, Prognose oder Therapiekontrolle der Gonarthrose zu empfehlen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Beratung, Prophylaxe, allgemeine Maßnahmen
Bestehende Leitlinien:
S3-Leitlinie „Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)“; AWMF-Registernummer: 003-001
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.1: Patienten sollen über die Erkrankung, Vorbeugung der Krankheitsprogression, Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität aufgeklärt werden (motivationale Beratung).
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Bei vielen muskuloskelettalen Erkrankungen, auch bei der Gonarthrose, ist die Motivierung der Betroffenen, sich an der Behandlung zu beteiligen und Behandlungsverantwortung zu übernehmen, mitentscheidend für den Beschwerde- und Krankheitsverlauf.
Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören Aufklärung, Information und Beratung zur Vorbeugung der Krankheitsprogression und Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität.
Mit präventiven Informationen und motivationalen Beratungen soll
- eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung aufgebaut werden,
- Selbstmanagement, Eigenverantwortung und Copingstrategien des Patienten zur Bewältigung bio-psycho-sozialer (Stress‑)Faktoren gefördert und unterstützt,
- Ängste und Vermeidungsverhalten abgebaut und
- Behandlungserwartungen gemeinsam besprochen werden (z.B. auch zur Vorsorge und Vermeidung weiterer Schäden/Fehl-Belastungen).
Patienteninformationen sollen Patienten in die Lage versetzen, das Krankheitsbild Arthrose, beziehungsweise die Symptome zu verstehen und einzuordnen[10]:
- sie sollen über Nutzen, Risiken und Nebenwirkungen informieren, aber auch vor nutzlosen, überflüssigen und schädlichen Maßnahmen warnen
- sie sollen sich insbesondere auf Behandlungsziele gründen, die für Patienten besonders wichtig sind, wie z.B. die Verbesserung der Lebensqualität
- Informationen spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Arzt-Patienten-Kommunikation im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung
Präventive Maßnahmen der Gonarthrose
(fallspezifisch)
- Vermeidung von unphysiologischen, kniebelastenden Aktivitäten in Alltag, Beruf und Sport
- Bewegungstraining / gelenkschonender Sport (Schwimmen / Radfahren)
- Gewichtsreduktion, wenn Übergewicht vorliegt
Anzustreben ist ein BMI von unter 25 (25–29,9 übergewichtig)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.2: Eine Kontrolle des Gewichts soll den Patienten empfohlen werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
In verschiedenen Studien konnte der Einfluss des Gewichts auf den Nachweis einer Knie-Osteoarthrose gezeigt werden[11][12][13][14]. Übergewicht führt zu einem 2,5-fach höheren Risiko, eine OA zu haben[13][14]. Oberhalb von einem BMI von 30 kg/m2 ist das Risiko für Sportler signifikant erhöht[12]. Das Risiko ist dosisabhängig und erhöht sich pro 5 kg/m2 BMI-Zuwachs um 35%[14].
Anamnese
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.3: Eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung soll vor der Interpretation von Röntgenbildern stehen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Erhebung der körperlichen Beschwerden und Funktionsfähigkeit sowie nicht-körperlicher Beschwerden und Ursachen, d.h. Gesprächsbereitschaft ohne allzu voreilige bildgebende oder invasive Diagnostik (sorgfältige Indikationsstellung für therapeutische Konsequenzen), außer in Notfällen bzw. Akutsituationen z.B.:
- Vorgeschichte, Vorerkrankungen, (Anfangs‑)Beschwerden, familiäre Krankheitsgeschichte, eigene Vorerkrankungen und Verletzungen, angeborene Leiden in der Verwandtschaft
- Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht(-verlust)
- Beruf, Familie, (Freizeit‑)Verhalten, Lebensgewohnheiten, Belastungen körperlich und seelisch, Einstellungen/Überzeugungen
- Zeitdauer, Lokalisation, Hergang und Charakter der aktuellen Beschwerden
- Schmerzfreie Gehstrecke, -dauer
- Schmerzanamnese: akut/chronisch – ausreichende medizinische Erklärbarkeit
- Neurologische Defizite, Fieber
- Medikamentenanamnese, Kontraindikationen, Allergien usw.
- Komorbiditäten
Biopsychosoziale Anamnese
Auf der Grundlage von Patienteninformationen und Beratungsgesprächen ist neben der körperlichen Untersuchung in der Anamnese die psychosoziale Lebenswelt des Patienten einzubeziehen (sog. biopsychosoziales Modell), das heißt die Arbeitswelt, die Freizeitgestaltung, psychologische Belastungen, sonstige körperliche und psychosoziale Risikofaktoren.
- Freizeitverhalten, körperliche Aktivitäten, ggf. Extremsportarten, Bewegungsmangel/Immobilität, Fehlbelastungen im Alltag
- Beruf (sitzend, kniend usw.)
- Komorbiditäten, Vorerkrankungen
- (Schmerz‑)Medikamente (Polypharmazie)
- Körpergröße, Gewicht (Body-Mass-Index)
- (v.a. schmerzbedingte) Krankenhausaufenthalte
- Operationen
- Unfälle, Traumata
- Gelenkersatz an anderen Gelenken
- Rehabilitationsmaßnahmen
- andere Therapieformen
- psychische Befindlichkeit, soziale Konstellationen
- Lebensqualität
- Allergien usw.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung ist bei Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems, nach dem sorgfältig eruierenden Gespräch wie o.g., von zentraler Bedeutung und gibt die entscheidenden Hinweise auf weitere eventuell erforderliche Diagnostik auch apparativer Art nach dem Ablaufschema Inspektion, Palpation bzw. manuelle Untersuchung wie u.g., ggf. z.B. Funktion und Neutral-Null-Methode auch mit Dokumentation aller erhobenen Befunde (z.B. Inspektion zu Haltung, Körperstatik, Bewegungsablauf, Gangbild, Bewegungsausmaß usw.). Untersuchungsbefunde sind strukturiert zu dokumentieren. Des Weiteren ist auch eine Übersicht zu den Beratungsthemen und -zielen (Risikofaktoren, motivationale Beratung, Empfehlungen) zu führen.
Wichtige Punkte sind:
- Inspektion (Knie rechts/links)
- Rötung/Schwellung/Ergussbildung/Überwärmung
- Palpation (Druckschmerzlokalisation, Überwärmung)
- Achsverhältnisse: im Stehen in Frontal- und Sagittalebene (varus, valgus, recurvatum, Beugekontraktur)
- Ausschluss einer Koxarthrose als Ursache der Beschwerden
- Umfangsveränderungen an Ober- und Unterschenkel
- Kniebandstabilität
- Patellaführung
- Beinlängendifferenz
- Beweglichkeit (Kontrakturen?), Funktionstests mit Dokumentation
- periartikuläre Schwellung, (präpatellar, Baker-Zyste)
- Gangbild
- Hautverfärbung (Rötung)
Leitsymptome der Schmerzen
- Belastungsschmerz
- Bewegungsschmerz
- Anlaufschmerz
- Ruheschmerz
- Nachtschmerz
- Schmerz
- Intensität
- Lokalisation
- Ausmaß
- Häufigkeit
- Qualität
- Bewegungseinschränkungen/Funktionsstörungen (z.B. Hinken, Schwierigkeiten beim Ankleiden) als Ausdruck der Dysbalance zwischen Belastung und Belastbarkeit
- ggf. Algofunktionsfragebogen (VAS)
Funktionstests
Durch die anamnestischen Hinweise kann bereits eine Verdachtsdiagnose stehen. Ggf. sind schmerzauslösende Untersuchungsschritte ans Ende der Untersuchung zu verschieben, um eine schmerzbedingte Verspannung und Abwehrhaltung bei anderen Tests zu vermeiden.
- Präpatellare Ergussbildung (Bursitis), i.a. Ergussbildung (tanzende Patella)
- Patellamobilität, Verschiebeschmerz (Zohlen-Zeichen), Krepitation
- Druckschmerz der Patellafacetten / Patellarand
- Druckschmerz Epikondylen, Gelenkspalt
- Plica mediopatellaris
- Beurteilung von Bewegungsumfang und Bewegungsschmerz (Streckhemmung / Beugehemmung)
- Bandstabilität (Varus-valgus-Instabilität: Prüfung in Streckstellung und in Flexion)
- A-P-Instabilitäten (vKB, hKB: Schubladen-Test, Lachman-Test, jeweils + (bis 5 mm), ++ (bis 10 mm) +++ (über 10 mm Verschieblichkeit) mit und ohne Anschlag
- Bei chronischen Instabilitäten: Pivot-Shift-Test
- Meniskuszeichen (Steinmann I, Steinmann II, Payr-Zeichen, Apley-Grinding-Zeichen)
Differentialdiagnosen z.B.
- Koxarthrose
- Neurologische Krankheitsbilder
- Insertionstendinosen
- Arterielle Verschlusskrankheit
- Arterielles Aneurysma
- Rheumatoide Arthritis
- Infektionskrankheiten
- Baker-Zyste
- Chronisches regionales Schmerzsyndrom
- Gicht
- Knochen- und Gelenktumor
- Degenerativer Meniskusschaden
- Durchblutungsstörungen des Knochens
Therapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.4: Die Therapie sollte anhand eines individuellen Versorgungsplans mittels gemeinsamer Entscheidungsfindung durch Arzt und Patient erfolgen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Veranlassung konservativer Maßnahmen und nichtoperativer Therapien z.B.
- Physiotherapie, ggf. manuelle Medizin (Chirotherapie)
- Rehabilitationssport oder Funktionstraining
- Verbände
- Ergotherapie
- Indikationsstellung zur Hilfsmittelversorgung sowie deren Kontrolle
- Hilfsmittelverordnung grundsätzlich unter Angabe einer 7-stelligen Positionsnummer des Hilfsmittelverzeichnisses oder durch Angabe der Produktart. Hilfsmittelverordnungen über die 10-stellige Positionsnummer erfordern gemäß Hilfsmittel-Richtlinie eine entsprechende medizinische Begründung.
- Empfehlung und Verordnung von wie auch Nachbetreuung nach medizinischer Rehabilitation, beruflicher Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 SGB IX; Zusatzinformation: Zugehörige Kostenträger lt. § 6 SGB IX)
Apparative Diagnostik
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 2.5: Die primäre bildgebende Diagnostik sind die konventionellen Röntgenaufnahmen. Zur besseren Auswertbarkeit der Röntgenaufnahme in der Frontalebene sollte diese im belasteten Zustand erfolgen. Eine weiterführende bildgebende Diagnostik soll speziellen Fragestellungen vorbehalten bleiben.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Im Einzelfall können folgende Optionen geprüft werden:
- Röntgen: Funktionsaufnahmen für Bandstabilität
- Spezialprojektionen (z.B. Tunnelaufnahmen nach Frik, Ganzbeinaufnahme)
- Sonographie
- CT
- MRT
- Serologisches Labor
- Punktion, ggf. mit Synoviaanalyse
Tabelle: Symptome mit möglicher apparativer Diagnostik
Symptom | apparative Diagnostik |
---|---|
| Röntgen Kniegelenk in zwei Ebenen (a.p. im Stehen oder Rosenberg-Aufnahme) und Patella tangential |
| Ganzbeinstandaufnahme |
| Sonographie, ggf. Punktion |
| Serologie |
| ggf. MRT |
Knochendefekte, einschließlich posttraumatisch | ggf. CT |
Biomarker
DGOU-Gonarthrose-Statement 2.1: Die derzeitige Beleglage ist nicht ausreichend, um den Einsatz von Biomarkern für die Diagnose, Prognose oder Therapiekontrolle der Gonarthrose zu empfehlen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die relativ langen, asymptomatischen, frühen Arthrosestadien mit ersten Gewebeschäden sind beim Menschen nicht oder nur schwierig feststellbar[15][16][17][18]. Molekulare Biomarker wären für die rechtzeitige Diagnose und Prognose in frühen Arthrosestadien sowie zur Kontrolle des Krankheits- und Therapieverlaufes von großer Wichtigkeit[17][19][20]. So wird heute davon ausgegangen, dass in frühen Arthrosestadien kausaltherapeutische und prophylaktische Maßnahmen besonders wirkungsvoll wären[15][20]. Weiterhin besteht großes Interesse an Biomarkern, die geeignete Patienten für klinische Studien identifizieren und den Behandlungserfolg messen können, um Umfang und Dauer dieser Studien zu reduzieren[20].
Jedoch ist zurzeit kein molekularer Biomarker für die Diagnose oder Prognose oder als Surrogatparameter zur Bestimmung des Therapieerfolges im klinischen Alltag validiert[17][21][22]. Zwar zeigen Studien mit Biomarkern deren diagnostisches Potential, jedoch wird auch gelegentlich über geringe Veränderungen im Niveau, von Überschneidungen mit der Kontrollgruppe sowie von etwas widersprüchlichen Ergebnissen berichtet[17][19]. Der routinemäßige Einsatz von Biomarkern setzt voraus, dass diese noch validiert werden, d.h. in verschiedenen Populationen und Laboratorien reproduzierbar sind und klinisch relevante Informationen liefern[21][22]. Derzeit laufen entsprechende Forschungen mit bekannten sowie neu identifizierten Biomarkern, deren Ergebnisse noch abgewartet werden müssen[15][19][21][22].
Indikation zur Knie-Totalendoprothese
Nähere Informationen zur Indikation entnehmen Sie bitte der DGOU S2k-Leitlinie Indikation Knieendoprothese (#033-052)
Medikamentöse Therapie
Der dargestellte Algorithmus zeigt einen Vorschlag für eine sinnvolle medikamentöse Therapieabfolge. Das bedeutet weder, dass der Algorithmus die erste Therapieoption sein sollte, noch dass er vor Einleitung weiterer Maßnahmen komplett durchlaufen werden muss. Sollte eine NSAR-Gabe nicht zum gewünschten Erfolg führen, sind ebenso andere operative und konservative Maßnahmen mit dem Patienten zu besprechen.
Analgetika, Chondroprotektion, Injektion
NSAR
Topische Behandlung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.1: Die topische Applikation von NSAR bei Kniearthrose sollte vor deren oraler Anwendung zur Analgesie und Funktionsverbesserung erwogen werden.
89% Zustimmung (Konsens)
Gastrointestinale Wirkungen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.2: Um das Risiko gastrointestinaler Wirkungen zu verringern, sollen folgende Hinweise berücksichtigt werden:
- Die Einzeldosis sollte ausreichend, aber so niedrig wie möglich sein.
- NSAR sollten nicht kombiniert angewendet werden.
- Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem Risiko sollten eine Kombination eines NSAR mit PPI erhalten.
- Der Patient ist über mögliche gastrointestinale Symptome wie z.B. Oberbauchschmerzen, Sodbrennen, Dyspepsie zu informieren.
- Der topische Einsatz von NSAR (tNSAR) sollte vor deren oraler Anwendung erwogen werden.
- Besondere Vorsicht ist bei Patienten im höheren Lebensalter zu beachten (DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.3).
- Sofern die Applikation eines NSAR bei Patienten mit einem blutenden Ulkus in der Vorgeschichte notwendig erscheint, ist die Kombination eines COX-2-Hemmers mit einem PPI zu bevorzugen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
NSAR im höheren Lebensalter
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.3: Um das Risiko unerwünschter Wirkungen zu verringern, sollen folgende Hinweise bei Patienten im höheren Lebensalter berücksichtigt werden:
- NSAR bei Patienten im höheren Alter (>60 Jahre): Einsatz von NSAR mit kurzer Halbwertszeit, Ulkus-Prophylaxe, routinemäßige Überwachung des Gastrointestinaltraktes und Blutdrucks sowie der Nierenfunktion, altersadaptierte Reduktion der Tagesdosis.
- In höherem Lebensalter (>75 Jahre) sollten NSAR bevorzugt topisch eingesetzt werden (siehe DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.2).
100% Zustimmung (starker Konsens)
NSAR – kardiovaskuläre Wirkungen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.4: NSAR sollten bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren (Diabetes mellitus, Rauchen, Hyperlipidämie, Hypertonie) nur nach strenger Indikationsstellung so niedrig und so kurz wie möglich angewendet werden. Hierbei sollte die bevorzugte Anwendung von Naproxen erwogen werden, wobei auch der zusätzliche Einsatz von PPI zu prüfen ist. Bei diesen Patienten können auch Alternativen (z.B. Hyaluronsäure, schwach wirksame Opioide) in Betracht gezogen werden.
89% Zustimmung (Konsens)
NSAR – ASS und Antihypertensiva
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.5: Mögliche Interaktionen mit niedrig dosiertem ASS sowie mit Antihypertonika sollten beachtet werden.
78% Zustimmung (Konsens)
Corticosteroide
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.1: Intraartikulär applizierte Corticosteroide können für die kurzzeitige Therapie schmerzhafter Gonarthrosen angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.6: Intraartikulär applizierte Corticosteroide sollten in einer möglichst niedrigen, aber wirksamen Dosierung angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.7: Die aseptische intraartikuläre Injektion von Corticosteroiden sollte leitliniengerecht durchgeführt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Opioide
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.8: Der kurzfristige Einsatz von schwachen Opioiden kann bei nicht-operablen Patienten oder bei Patienten, die für kurze Zeit bis zu einer Operation begleitet werden, sinnvoll sein.
78% Zustimmung (Konsens)
Hyaluronsäue
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.9: Die intraartikuläre Hyaluronsäureinjektion kann bei Patienten eingesetzt werden, bei denen der Einsatz von NSAR kontraindiziert ist oder bei denen NSAR nicht ausreichend wirksam sind.
89% Zustimmung (Konsens)
Chondroitinsulfat
Symptomlindernde Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.2: Die publizierten Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden (analgetischen, funktionsverbessernden) Wirkung von Chondroitinsulfat zeigen eine widersprüchliche Datenlage.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Strukturmodifizierende Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.3: Derzeit gibt es keinen sicheren Beleg für eine strukturmodifizierende (chondroprotektive) Wirkung von Chondroitinsulfat bei Arthrose.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Glucosamin
Symptomlindernde Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.4: Die klinischen Daten aus publizierten Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden (analgetischen, funktionsverbessernden) Wirkung von Glucosamin sind widersprüchlich.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.5: Die Gabe von Glucosamin bei Patienten mit NSAR-Unverträglichkeit kann in Erwägung gezogen werden.
81% Zustimmung (Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.6: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen sicheren Beleg für eine strukturmodifizierende (chondroprotektive) Wirkung von Glucosamin bei Arthrose.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Plättchen-Reiches-Plasma (PRP)
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.7: Eine Aussage zu PRP kann noch nicht getroffen werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Bisherige klinische Ergebnisse und Evidenzlage
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.10: Eine Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren zur Herstellung von PRP kann derzeit noch nicht gegeben werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Unterschiedliche Verfahren zur Herstellung von PRP beeinflussen die Produkteigenschaften
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.8: Bei der Herstellung von PRP sind die in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Paracetamol
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.11: Paracetamol sollte bei Patienten mit Gonarthrose nicht angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Analgetika, Chondroprotektion, Injektion
NSAR
Topische Behandlung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.1: Die topische Applikation von NSAR bei Kniearthrose sollte vor deren oraler Anwendung zur Analgesie und Funktionsverbesserung erwogen werden.
89% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Äußerlich angewendete NSAR zeigen bei Gonarthrose eine überlegene Wirksamkeit hinsichtlich Analgesie und Verbesserung der Funktion in mehreren Placebo-kontrollierten Studien, systematischen Übersichten und Metaanalysen[23][24][25][26][27][28].
Da periartikuläre Strukturen bei Arthrose häufig schmerzen, kann die perkutane Anwendung von NSAR sinnvoll sein, um die orale Dosis der NSAR oder Analgetika zu reduzieren. Eine vergleichbare Wirkstärke von Diclofenac bei topischer versus oraler Anwendung wurde in drei direkten Vergleichsstudien bei Kniearthrose gefunden[23][29][30]. Zudem waren die gastrointestinalen Wirkungen bei topischer Anwendung geringer, dafür stieg das Risiko für eine dermatologische Wirkung wie Rötung und Jucken an[23][30]. Die bevorzugte topische Applikation von NSAR bei Patienten >75 Jahren wird auch von dem American College of Rheumatology empfohlen, da mit geringer ausgeprägten unerwünschten gastrointestinalen Wirkungen zu rechnen ist[31].
Sofern die topische Anwendung nicht ausreichend analgetisch wirksam ist, sollte die orale Applikation von NSAR erwogen werden. NSAR wirken nicht nur analgetisch, sondern auch antiphlogistisch. Somit sind sie besonders wirksam bei entzündungsbedingten Arthroseschmerzen. In mehreren Placebo-kontrollierten Studien konnte die Wirksamkeit von NSAR und selektiven COX-2-Hemmern bei Arthrose hinsichtlich Analgesie, Funktionsverbesserung und globaler Einschätzung durch die Patienten festgestellt werden[32][33][34]. Die Wirksamkeit der traditionellen NSAR untereinander sowie gegenüber den COX-2-Hemmern wird als vergleichbar angesehen[30][32][33][34][35]. Aufgrund großer interindividueller Schwankungen in Bioverfügbarkeit und Halbwertszeit ist die Wirkung bei Patienten trotz äquieffektiver Dosierung unterschiedlich stark ausgeprägt[35].
NSAR sollten nicht zur Dauerbehandlung eingesetzt werden, sondern nur befristet („nach Bedarf“) während der Schmerzperioden und bis zum Abklingen der Entzündung. Die Dauer einer Behandlung ist nicht vorhersagbar, sollte aber bis zum Rückgang der Entzündungsymptome (wie Schwellung, Schmerz, Erwärmung) durchgeführt werden. Die Wirkung der NSAR tritt im Durchschnitt etwa 0,5–1 Stunde nach Einnahme auf, bei Tabletten mit verzögerter Freisetzung (z.B. Retard-Tabletten) nach etwa 1–3 Stunden.
Gastrointestinale Wirkungen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.2: Um das Risiko gastrointestinaler Wirkungen zu verringern, sollen folgende Hinweise berücksichtigt werden:
- Die Einzeldosis sollte ausreichend, aber so niedrig wie möglich sein.
- NSAR sollten nicht kombiniert angewendet werden.
- Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem Risiko sollten eine Kombination eines NSAR mit PPI erhalten.
- Der Patient ist über mögliche gastrointestinale Symptome wie z.B. Oberbauchschmerzen, Sodbrennen, Dyspepsie zu informieren.
- Der topische Einsatz von NSAR (tNSAR) sollte vor deren oralen Anwendung erwogen werden.
- Besondere Vorsicht ist bei Patienten im höheren Lebensalter zu beachten (siehe DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.3).
- Sofern die Applikation eines NSAR bei Patienten mit einem blutenden Ulkus in der Vorgeschichte notwendig erscheint, ist die Kombination eines COX-2-Hemmers mit einem PPI zu bevorzugen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
NSAR besitzen ein beachtliches Potential an gastrointestinalen, kardiovaskulären und renalen Nebenwirkungen, die besonders im höheren Lebensalter als auch bei höherer Dosierung auftreten[26][30][35][36][37][38][39]. Folgende Patienten haben ein besonders hohes Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen nach NSAR-Gabe: Alter über 60 Jahre, anamnestisch bekannte Ulzera und gastrointestinale Blutungen, Kortikosteroidtherapie, Antikoagulation/Thrombozytenaggregationshemmer, SSRI, schwere systemische Grunderkrankung, Helicobacter-pylori-Infektion, Kombination mehrerer NSAR einschl. ASS, hohe Dosierung, lange Therapiedauer, Stress, Alkoholismus[35][37][38][40][41][42][43][44].
NSAR unterscheiden sich hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens gastrointestinaler Nebenwirkungen. Danach haben z.B. Aceclofenac, Celecoxib und Ibuprofen ein geringeres Risiko als z.B. Diclofenac, Meloxicam und Ketoprofen und diese wiederum ein geringeres Risiko für gastrointestinale Komplikationen als z.B. Naproxen, Indometacin oder Piroxicam[38][45]. Verglichen mit den tNSAR weisen COX-2-Hemmer eine etwas bessere gastrointestinale Verträglichkeit auf[35][41][45][46][47][48].
PPI sind nicht im Dünn- und Dickdarm wirksam, so dass nur ein eingeschränkter Schutz des Gastrointestinaltraktes vor NSAR besteht[49].Die Kombination eines COX-2-Hemmers mit PPI stellt derzeit die sicherste Möglichkeit dar, ein rezidivierendes Ulkusbluten im oberen Gastrointestinaltrakt zu verhindern[47][50]. Bei Patienten, die in der Vorgeschichte einen blutenden Ulkus im oberen Gastrointestinaltrakt hatten und die ein NSAR unbedingt erhalten sollen, empfiehlt das American College of Rheumatology die Kombination eines COX-2-Hemmers mit einem PPI[51].
Viele Patienten wissen nicht, dass bei Auftreten gastrointestinaler Symptome wie z.B. Oberbauchschmerzen oder Teerstuhl die Therapie abzubrechen bzw. ein Arzt aufzusuchen ist.
NSAR im höheren Lebensalter
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.3: Um das Risiko unerwünschter Wirkungen zu verringern, sollen folgende Hinweise bei Patienten im höheren Lebensalter berücksichtigt werden:
- NSAR bei Patienten im höheren Alter (>60 Jahre): Einsatz von NSAR mit kurzer Halbwertszeit, Ulkus-Prophylaxe, routinemäßige Überwachung des Gastrointestinaltraktes und Blutdrucks sowie der Nierenfunktion, altersadaptierte Reduktion der Tagesdosis.
- In höherem Lebensalter (>75 Jahre) sollten NSAR bevorzugt topisch eingesetzt werden (siehe DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.2).
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die mit dem Alter eintretende Funktionsminderung der verschiedenen Organsysteme und die häufig bestehende Multimorbidität sind zu berücksichtigen[41][44]. So kann z.B. die Nierenfunktion im Alter bis auf 50% eines etwa 30-jährigen Menschen abnehmen. Die NSAR werden im Wesentlichen über die Niere ausgeschieden und können renale Nebenwirkungen entfalten.
NSAR - kardiovaskuläre Wirkungen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.4: NSAR sollten bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren (Diabetes mellitus, Rauchen, Hyperlipidämie, Hypertonie) nur nach strenger Indikationsstellung so niedrig und so kurz wie möglich angewendet werden. Hierbei sollte die bevorzugte Anwendung von Naproxen erwogen werden, wobei auch der zusätzliche Einsatz von PPI zu prüfen ist. Bei diesen Patienten können auch Alternativen (z.B. Hyaluronsäure, schwach wirksame Opioide) in Betracht gezogen werden.
89% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Mehrere epidemiologische und randomisierte Studien sowie Metaanalysen weisen auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sowohl von COX-2-Hemmern als auch nach Gabe von tNSAR hin[30][34][38][39][52][53][54]. Naproxen weist nach heutigem Kenntnisstand ein geringeres kardiovaskuläres Risiko auf[38][39][53][54], dagegen ist das gastrointestinale Risiko bei Naproxen höher als bei Diclofenac und den COX-2-Hemmern[34][45].
Nach Einschätzung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA unterscheidet sich das kardiovaskuläre Risiko von Diclofenac nicht von dem der COX-2-Hemmer. Die EMA empfiehlt daher für Diclofenac die gleichen KI und Vorsichtsmaßnahmen wie für COX-2-Hemmer, nämlich keine Anwendung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte) sowie Vorsicht bei kardiovaskulären Risikofaktoren (z.B. Diabetes, Rauchen, Hypercholesterinämie und Hypertonie)[55].
NSAR – ASS und Antihypertensiva
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.5: Mögliche Interaktionen mit niedrig dosiertem ASS sowie mit Antihypertonika sollten beachtet werden.
78% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Sofern zusätzlich niedrig-dosiertes ASS (<325 mg/Tag) sekundärpräventiv gegeben werden muss, sollte die Kombination eines tNSAR mit einer Magenschutztherapie (PPI) erwogen werden. Da Ibuprofen die antithrombotische Wirkung von ASS aufhebt, sollten beide nicht gemeinsam verordnet werden[56][57][58][59]. Studien haben eine solche pharmakodynamische Interaktion zwischen ASS und Diclofenac oder Celecoxib nicht gezeigt[57][60][61][62]. Trotzdem wird die Studienlage als unklar bewertet und der Einsatz von Celecoxib zusammen mit niedrig-dosiertem ASS nicht empfohlen[31][63]. Auch gibt es Hinweise auf eine Interaktion zwischen Naproxen und ASS hinsichtlich Thrombozytenaggregationshemmung, weswegen Naproxen vorsichtshalber zwei Stunden nach ASS eingenommen werden sollte[64].
NSAR können insbesondere die blutdrucksenkende Wirkung von ACE-Hemmern und Diuretika abschwächen[35]. Der Blutdruck älterer Patienten sollte gemäß der American Geriatrics Society regelmäßig kontrolliert werden, um eine Erhöhung des arteriellen Druckes ggf. behandeln zu können[44].
Corticosteroide
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.1: Intraartikulär applizierte Corticosteroide können für die kurzzeitige Therapie schmerzhafter Gonarthrosen angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Randomisierte Studien belegen eine schmerzlindernde Wirkung von intraartikulär applizierten Corticosteroiden bei Gonarthrose über einen Zeitraum von bis zu 4 Wochen. So bestätigte 2006 ein Cochrane-Review die Kurzzeit-Wirkung bei Schmerzen nach intraartikulär applizierten Corticosteroiden[65], aber nicht bei den funktionellen Parametern wie Steifheit, Gehstrecke und Lebensqualität. Auch eine systematische Übersichtsarbeit von Heppner et al.[66] und eine Metaanalyse von Bannuru et al.[67] belegen die schmerzhemmende Wirkung. Eine analgetische Wirkung konnte für einen Zeitraum von mindestens 1 Woche nachgewiesen werden[66][68][69]. Gelegentlich können Corticosteroide sogar 16 bis 24 Wochen wirken, wobei die NNT (Number needed to treat) 4,4 beträgt[68][69].
Manche Autoren[68][70][71] sehen starke Schmerzen, die Anwesenheit eines Kniegelenkergusses und eine noch nicht weit fortgeschrittene radiologische Gonarthrose als positive Prädiktoren einer ausgeprägten analgetischen Wirkung, während andere aufgrund der noch unklaren Datenlage keine Prädiktoren identifizieren konnten[72][73].
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.6: Intraartikulär applizierte Corticosteroide sollten in einer möglichst niedrigen, aber wirksamen Dosierung angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Eine Metaanalyse zeigt, dass intraartikulär applizierte Corticosteroide in hoher Dosierung den Knorpelzellstoffwechsel hemmen können[72] und die Knorpelmasse reduzieren[74].
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.7: Die aseptische intraartikuläre Injektion von Corticosteroiden sollte leitliniengerecht durchgeführt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die intraartikuläre Therapie darf nur von in dieser Technik besonders erfahrenen Ärzten durchgeführt werden. Die Injektion muss wegen der Gefahr einer septischen Arthritis unter streng aseptischen Bedingungen erfolgen. Die Leitlinie zur Durchführung intraartikulärer Punktionen und Injektionen, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie in Abstimmung mit dem Arbeitskreis "Krankenhaus- und Praxishygiene" der AWMF erstellt wurde, ist hier zu beachten[75].
Opioide
Vorbemerkung:
Der Einsatz von Opioiden bei der OA ist ein weltweit umstrittenes Thema mit dem Dilemma, dass der therapeutische Effekt der Opioide keine bessere Wirkung zeigt als NSAR, nur mit dem Vorteil der besseren gastrointestinalen Verträglichkeit überzeugt[76][77]. Nachteilig dagegen ist der zentralnervöse Effekt mit vermehrter Sturzneigung, Schwindel und Gleichgewichtsstörung[78].
Es gibt nur sehr wenige Studien zum Thema Opioide und Osteoarthrose, eindeutige Studien zum Einsatz von Opioiden bei Gonarthrose fehlen.
In den Parametern Mortalität, Hospitalisation, Frakturhäufigkeit und kardiovaskuläre Nebenwirkungen zeigten die Opioide gegenüber den Coxiben und tNSAR höhere Werte. Die negativen Effekte der Opioide sind gegenüber tNSAR ca. 2 bis 4 mal häufiger aufgetreten[78].
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.8: Der kurzfristige Einsatz von schwachen Opioiden kann bei nicht-operablen Patienten oder bei Patienten, die für kurze Zeit bis zu einer Operation begleitet werden, sinnvoll sein.
78% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Opioide sollten dann für den kurzfristigen Einsatz in der niedrigsten wirksamen Dosis verwendet werden. Die Praxistools der LONTS-Leitlinie sollten hierbei Beachtung finden[79][80].
Hierbei gilt jedoch zu bedenken, dass die unerwünschten Wirkungen deutlich höher sind als bei einem Placebo und somit bei vielen Patienten diese Therapie nicht fortgeführt werden kann. Opioide haben bei der Behandlung von Arthrosepatienten eine signifikante Komorbidität und sollten nur in Extremsituationen Anwendungen finden.
Opioide der Stufe 2 WHO (wie z.B. Tramadol) sollten primär dann eingesetzt werden, wenn Stufe-1-Medikationen unwirksam oder aus anderen Gründen kontraindiziert sind.
Die Kombination von Tramadol und Paracetamol scheint effektiv zu sein, wenn dieses mit einem NSAR kombiniert wird, soweit das NSAR alleine nicht eine ausreichende Schmerzreduktion erlaubt[81]. Eine fortgeschrittene Arthrose ist auch mit Mechanismen der zentralen Sensibilisierung assoziiert und kann klinisch mit einer neuropathischen Schmerzkomponente einhergehen. In diesem Fall ist im Sinne einer mechanismen-orientierten Schmerztherapie auch an den Einsatz von Trizyklika und Ca-Antagonisten zu denken.
Die Dosierung und die Auswahl des Mittels sollte unter Berücksichtigung der Gesamtmedikation im Einzelfall entschieden werden, ggf. im Rahmen einer interdisziplinären Schmerzkonferenz.
Der ESCEO-Algorithmus empfiehlt im 3. Schritt den kurzfristigen Einsatz von schwachen Opioiden, wie z.B. Tramadol, wenn andere Mittel, wie z.B. NSAR, eine unzureichende Schmerzreduktion bei der Gonarthrose bewirken[31][82].
Die ACR empfiehlt Tramadol als ein Analgetikum beim Osteoarthroseschmerz, wenn andere Nicht-Opioidanagelitka, Coxibe und andere tNSAR schlecht vertragen werden, ineffektiv oder gar kontraindiziert sind.
In den Praxistools zur LONTS II sind die Indikationen und die Einschränkungen zur Langzeitanwendung aufgeführt. Wichtig erscheint der Hinweis, dass Opioide dann zum Einsatz kommen sollen, wenn andere Maßnahmen wie die Gabe von NSAR oder operative Maßnahmen nicht möglich sind oder andere Komorbiditäten keine andere Wahl zulassen.
Metamizol wird häufig als WHO-Stufe-2-Medikament zur Schmerzbehandlung eingesetzt, der genaue Wirkmechanismus von Metamizol ist nicht bekannt. Indikation zum Einsatz von Metamizol sind sonstige akute oder chronische Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind. Die Behandlung der Arthrose ist nicht die Indikation von Metamizol. Als gravierende Nebenwirkung steht die Gefahr der Agranulozytose im Verhältnis 1:10.000 und die anaphylaktische Reaktion im Verhältnis 1:10.000 im Vordergrund
Hyaluronsäue
Hyaluronsäure (HA) wird seit mehreren Jahrzehnten bei der symptomatischen Behandlung von Arthrosen unterschiedlicher Gelenke eingesetzt. Trotz einer Vielzahl[17] an wissenschaftlichen Untersuchungen ist die Wirksamkeit dieser Therapieform in der Literatur nach wie vor umstritten. Eine klinisch relevante Schmerzhemmung wird in neueren und hochwertigen Metaanalysen beschrieben[83][84]. So wurde eine Effektgröße für die analgetische Wirkung mit 0,34 (0,22–0,46) bis 0,63 (0,36–0,88) angegeben, wobei diese sogar nach 4 Wochen besser als bei NSAR, intraartikulärer Corticosteroidinjektion und Paracetamol lag[32][83]. Auch wenn die amerikanische Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie (AAOS) die intraartikuläre HA-Therapie nicht empfiehlt, so beruht dies jedoch gemäß Bannuru et al. (2014) auf einer von der AAOS zum Teil falsch verwendeten mathematischen Methode.
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.9: Die intraartikuläre Hyaluronsäureinjektion kann bei Patienten eingesetzt werden, bei denen der Einsatz von NSAR kontraindiziert ist oder bei denen NSAR nicht ausreichend wirksam sind.
89% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
So formuliert die ESCEO-Gruppe[82][85] eine praxisorientierte Argumentation und beschreibt Patienten, die besonders von einer HA-Therapie profitieren können. So stellt die intraartikuläre Applikation von Hyaluronsäure aufgrund anderer Nebenwirkungen eine Behandlungsalternative zu NSAR dar, insbesondere bei Patienten, für die es Kontraindikationen für NSAR gibt. Auch kann die intraartikuläre Hyaluronsäureapplikation zu einem verminderten Verbrauch an NSAR führen[82][85][86].
Während Rutjes et al. (2012) relevante Nebenwirkungen bei der Verwendung von Hyaluronsäure sahen[87], stellten Bannuru et al. (2015) weniger Studienabbrüche bei Hyaluronsäure aufgrund von unerwünschten Wirkungen im Vergleich zu oralen Therapien (NSAR, Paracetamol) fest. Auch hat die intraartikuläre Hyaluronsäureapplikation andere unerwünschte Wirkungen als die oralen Behandlungsoptionen wie beispielsweise NSAR[32][39], Opioide[76][77] und Paracetamol[77][88]. So sind Gelenkreaktionen nach intraartikulärer Hyaluronsäureapplikation normalerweise mild und moderat mit nur geringem Knieschmerz, welcher durch Schonung, Eis und Analgetika gut zu behandeln ist[89]. Die Beschwerden dauern üblicherweise nur wenige Tage an. Eine lokale oder allgemeine Überempfindlichkeitsreaktion ist selten.
Da Präparate zur intraartikulären Hyaluronsaureapplikation sich biochemisch erheblich voneinander unterscheiden, können die klinischen Ergebnisse von einem Präparat möglicherweise nicht auf ein anderes Präparat extrapoliert werden.
HA-Präparate werden in Deutschland meistens als Medizinprodukte vermarktet. Diese differieren erheblich hinsichtlich des Ursprungs bzw. Herstellung, des Molekulargewichtes (von 0,7 bis 3 MDa), der molekularen Struktur (linear, cross-linked, mixed oder beides), der Methode der Vernetzung (cross-link) und hinsichtlich des rheologischen Verhaltens (Gel oder flüssig). Einige sind assoziiert mit anderen Molekülen (Mannitol, Sorbitol, Chondroitinsulfat), die in unterschiedlichen Konzentrationen zugesetzt werden. Aufgrund dieser Zusammenhänge gibt es keine einzelnen Klassen von HA-Produkten. Es gibt momentan zu wenig vergleichende Studien, um eine Empfehlung für das eine oder das andere Präparat auszusprechen[90][91].
Bei Patienten, bei denen ein entzündlicher Schub einer Gonarthrose (aktivierte Arthrose) im Vordergrund steht, kann die gemeinsame intraartikuläre Applikation eines Steroids mit der Hyaluronsäure in Betracht gezogen werden.
Die Kombination Corticosteroid/Hyaluronsäure kann zu einer schnellen Linderung der Beschwerden führen. Trotz eines potentiell synergetischen Effektes von Steroiden und Hyaluronsäure[92][93], sind die vorliegenden Studien noch nicht ausreichend, um hier eine definitive Aussage zu erlauben.
Eine Metaanalyse von Bannuru et al. (2009) konnte bereits zeigen, dass die alleinige Injektion von Corticosteroiden bis zu 4 Wochen hinsichtlich Schmerzreduktion effektiver war, als die Injektion von Hyaluronsäure alleine. Zwischen der 4. und 8. Woche waren die Ergebnisse vergleichbar und nach der 8. Woche zeigte die alleinige Applikation von Hyaluronsäure eine größere Effektivität.
Chondroitinsulfat
Symptomlindernde Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.2: Die publizierten Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden (analgetischen, funktionsverbessernden) Wirkung von Chondroitinsulfat zeigen eine widersprüchliche Datenlage.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Derzeit liegt eine Reihe klinischer Studien und Metaanalysen zur symptomatischen Wirksamkeit von Chondroitinsulfat vor, das nur als Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland erhältlich ist[94][95][96][97]. Die Metaanalyen unterscheiden sich hinsichtlich der schmerzlindernden Wirkung, wobei einige nur einen geringen oder keinen Vorteil gegenüber Placebo finden[96][97], während eine andere eine moderate Effektstärke [-0,75 (95% CI, -0,99 bis -0,50)] für Chondroitinsulfat berechnete[95]. Sofern jedoch eine stratifizierte Analyse mit methodisch gut durchgeführten, größeren Studien durchgeführt wurde, nimmt die Effektstärke [-0,03 (95% CI, -0,13 bis 0,07)] ab und es findet sich kein signifikanter Vorteil gegenüber Placebo[95]. Auch zeigt die vom National Institute of Health (NIH) finanzierte GAIT-Studie, dass Chondroitinsulfat die Arthrose-bedingten Knieschmerzen nicht besser lindern kann als Placebo[94]. Diese Studie belegt aber auch, dass die orale Applikation eines Placebos bei 60% der Patienten die mittels WOMAC-Score gemessenen Schmerzen um mindestens 20% reduzierte[94].
Eine Reihe aktueller Leitlinien internationaler Institutionen basiert auf diesen klinischen Studien und Metaanalysen[31][98][99]. Das englische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) lehnt den Einsatz von Chondroitinsulfat ab[100], während unter bestimmten Umständen das American College of Rheumatology (ACR) die Applikation befürwortet[31]. Die Osteoarthritis Research Society International (OARSI) wiederum hat 2014 ihre Empfehlung zum symptomlindernden Einsatz von Chondroitinsulfat bei Gonarthrose aufgrund der widersprüchlichen Datenlage als unsicher („uncertain“) bezeichnet, obwohl sie gleichzeitig eine gute Qualität der Evidenz und eine Effektstärke für Schmerzlinderung im Bereich von 0,13 bis 0,75 feststellte[98].
Als Naturprodukt kommt Chondroitinsulfat in einer molekularen Vielfalt vor, die abhängig ist von der Spezies, dem Gewebe und dem Produktions-/Reinigungsprozess. Inwiefern dies eine klinische Relevanz hat, muss noch geklärt werden[26][101][102].
Strukturmodifizierende Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.3: Derzeit gibt es keinen sicheren Beleg für eine strukturmodifizierende (chondroprotektive) Wirkung von Chondroitinsulfat bei Arthrose.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Zur strukturmodifizierenden (chondroprotektiven) Wirkung von Chondroitinsulfat liegt eine Reihe klinischer Studien und Metaanalysen vor[51][95][97][103][104][105][106][107]. Hierbei wurde die strukturmodifizierende Wirkung von Chondroitinsulfat über einen Zeitraum von einem bis mehrere Jahre im Vergleich zu einem Placebo untersucht, wobei entweder röntgenologisch die Gelenkspaltverengung[51][95][97][103][106][107] oder das Knorpelvolumen mittels MRT-Bilder[104][105] zu Beginn, teilweise im Verlauf und am Ende der Therapie bestimmt wurde. Die Ergebnisse sind teilweise widersprüchlich. Während einige Studien und Metaanalyen für Chondroitinsulfat eine strukturmodifizierende Wirkung feststellten[51][95][103][104][105], konnten andere dies nicht ermitteln[97][106][107].
Glucosamin
Symptomlindernde Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.4: Die klinischen Daten aus publizierten Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden (analgetischen, funktionsverbessernden) Wirkung von Glucosamin sind widersprüchlich.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Derzeit liegt eine Reihe klinischer Studien und Metaanalysen zur symptomlindernden Wirkung von Glucosamin vor, das als Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel erhältlich ist. Glucosamin zählt zur Gruppe der SYSADOA (SYmptomatic Slow Acting Drugs in OsteoArthritis) mit langsamem Wirkungseintritt. Die Studien wurden teilweise aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten kritisiert und wurden zum Teil vom selben Hersteller finanziert. Eine Reihe aktueller Leitlinien internationaler Institutionen basiert auf diesen klinischen Studien und Metaanalysen[31][98][99][100]. Die Applikation von Glucosamin wird von dem englischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) nicht empfohlen[100], während das American College of Rheumatology (ACR) den Einsatz unter bestimmten Umständen empfiehlt[31]. Die Osteoarthritis Research Society International (OARSI) wiederum hat 2014 ihre Empfehlung zum symptomlindernden Einsatz von Glucosamin bei Gonarthrose als unsicher („uncertain“) bezeichnet, obwohl sie gleichzeitig eine gute Qualität der Evidenz und eine Effektstärke von 0,17 bis 0,47 feststellte[98]. Als Begründung nennt die OARSI eine geringe Effektstärke, die bei Stratifizierung auf große, qualitativ hochwertige Studien errechnet wurde, Inkonsistenz der Ergebnisse zwischen Industrie-gesponserten und nicht-gesponserten Studien sowie Heterogenität zwischen den Studien[98].
Das National Institute of Health (NIH) finanzierte aus Steuermitteln eine mehrarmige, doppelblinde, Placebo- und Celecoxib-kontrollierte Studie (GAIT-Studie) mit insgesamt 1.583 Gonarthrose-Patienten und mehr als 300 Patienten pro Gruppe[108]. Diese Untersuchung zeigt, dass Glucosamin-Hydrochlorid nicht in der Lage war, über einen Zeitraum von 6 Monaten die mit Hilfe des WOMAC-Schmerzscores sowie OMERACT-OARSI-Score bewerteten Schmerzen besser zu lindern als ein Placebo. Dagegen deutet die explorative Auswertung darauf hin, dass die Kombination von 1500 mg Glucosamin-Hydrochlorid und 1200 mg Chondroitinsulfat eine analgetische Wirkung in einer Subgruppe von Patienten mit moderaten bis schweren Knieschmerzen hat. Dieses Ergebnis bedarf jedoch der Bestätigung in einer weiteren klinischen Studie[108]. Die GAIT-Studie belegt aber auch die gute Placebowirkung, da immerhin bei 60% der Patienten die Schmerzen um mindestens 20% reduziert wurden.
Während eine Cochrane-Analyse ergab, dass Glucosaminsulfat hinsichtlich Analgesie wirksamer sein soll als Glucosamin-Hydrochlorid[109], konnte dies in einer anderen Metaanalyse nicht bestätigt werden[110]. Vergleichende klinische Untersuchungen zwischen den beiden Glucosaminsalzen zur symptomlindernden Wirkung bei Arthrose wurden jedoch bisher nicht durchgeführt.
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.5: Die Gabe von Glucosamin bei Patienten mit NSAR-Unverträglichkeit kann in Erwägung gezogen werden.
81% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Eine solche positive Nutzen-Risiko-Abwägung kann bei Patienten vorliegen, bei denen der langfristige oder wiederholte Einsatz insbesondere von oralen NSAR mit einem erhöhten Risiko unerwünschter Wirkungen einhergeht[82][111]. Dies betrifft insbesondere Patienten, die sich im höheren Lebensalter befinden, Begleiterkrankungen und/oder Anwendungsbeschränkungen bzw. Kontraindikationen für orale NSAR aufweisen. Auch sollte der Wunsch des Patienten nach einer nebenwirkungsarmen Therapieoption berücksichtigt werden[82][111]. Auf eine ausreichende Dosierung (1500 mg pro Tag) sollte bei Glucosamin geachtet werden, da die Mehrzahl an Studienergebnissen bei dieser Dosierung vorliegt. Falls keine Besserung auftritt, sollte die Therapie spätestens nach drei Monaten abgebrochen werden. Eine kürzlich publizierte Studie konnte einen geringeren Verbrauch von NSAR nach Einnahme von Glucosamin zeigen[112].
Strukturmodifizierende Wirkung
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.6: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen sicheren Beleg für eine strukturmodifizierende (chondroprotektive) Wirkung von Glucosamin bei Arthrose.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Zwei nahezu zeitgleich gestartete und vom selben Hersteller finanzierte Placebo-kontrollierte, doppel-blinde Studien über drei Jahre mit gleichem Studiendesign konnten zeigen, dass die mit Glucosaminsulfat behandelten Arthrosepatienten keine weiteren Verengungen des röntgenologisch vermessenen Kniegelenkspaltes aufwiesen[113][114]. Die Gelenkspaltverengung wird derzeit als möglicher Surrogatparamenter für den fortschreitenden Knorpelverlust bei Arthrose angesehen. Einige radiologische Studien[115][116] deuten darauf hin, dass die in beiden Studien eingesetzte Röntgenmethodik ungeeignet war, um den Gelenkspalt korrekt zu vermessen[26][117][118]. Neuere Studien untersuchten die strukturmodifizierende Wirkung von Glucosamin anhand der Gelenkspaltweite oder durch Bestimmung des Knorpelvolumens mittels MRT-Bilder, wobei widersprüchliche Daten erhoben wurden[104][105][106][107].
Plättchen-Reiches-Plasma (PRP)
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.7: Eine Aussage zu PRP kann noch nicht getroffen werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Wirkungsweise von PRP in der Arthrosebehandlung
Der genaue Wirkungsmechanismus bzw. die biologischen Effekte von PRP in der Behandlung einer Arthrose und ihrer verschiedenen Stadien sind noch nicht bekannt.
Thrombozyten enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher Wachstumsfaktoren und Botenstoffe, denen verschiedene regenerative oder auch entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben werden[119][120]. Daneben finden sich aber auch Mediatoren, die als eher kritisch angesehen werden müssen, da sie Entzündung, Angiogenese und andere unerwünschte Effekte induzieren können[121]. Durch Aktivierung des gewonnen Plättchenkonzentrats, z.B. mit Hilfe von Thrombin oder Calciumchlorid, können im behandelten Gelenk bis zu 800 bisher bekannte Botenstoffe und Proteine freigesetzt werden[119].
Bisherige klinische Ergebnisse und Evidenzlage
In den letzten Jahren wurde eine Reihe klinischer Studien mit unterschiedlichem Design und verschiedenen PRP-Präparaten durchgeführt. Die Ergebnisse der größeren Studien im Knie- und Hüftgelenk wurden kürzlich von einer Arbeitsgruppe der französischen Gesellschaft für Rheumatologie zusammengefasst[122]. Das Auftreten schwerwiegender unerwünschter Nebenwirkungen wurde eher selten beschrieben, die Autoren kamen jedoch zum Schluss, dass die Datenlage zur Wirksamkeit von PRP bei Hüftarthrose aufgrund von fehlenden Studien noch nicht ausreichend ist, um es für diese Indikation empfehlen zu können. Die Datenlage aus randomisierten Studien zur symptomatischen Behandlung arthrotischer Veränderungen im Knie wurde dagegen als besser bewertet und PRP im Vergleich zu HA, insbesondere im frühen Arthrosestadium, eine geringfügig bessere Wirkung zugesprochen.
Aber auch bei diesem Gelenk wurde für PRP wegen der geringen Zahl hochwertiger klinischer Studien und seiner noch weitgehend unbekannten Wirkungsweise keine Empfehlung als primäres oder sekundäres Behandlungsverfahren bei degenerativen Veränderungen ausgesprochen. Ferner wurden kürzlich in einer systematischen Übersichtsarbeit die Ergebnisse randomisierter PRP-Studien mit höchstem Evidenzniveau bei symptomatischer Kniearthrose zusammengefasst[123]. Sechs Studien mit zusammen 739 Patienten, 817 Kniegelenken und einem durchschnittlichen Follow-up von 38 Wochen wurden dabei ausgewertet. In fünf Studien wurde PRP mit HA verglichen, in einer mit Placebo. Als primärer Endpunkt bzw. klinischer Leitscore wurde in 5 Studien der WOMAC (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index) und in einer der IKDC (International Knee Documentation Committee Subjective Knee Evaluation Form) Score verwendet.
In allen 6 Studien wurden hinsichtlich Schmerz, Gelenkfunktion und -steifigkeit im Leitscore klinisch relevante und statistisch signifikante Verbesserungen zwischen 3 und 12 Monaten nach PRP-Behandlung gemessen. Ab einem Verlauf von mindestens 12 Wochen nach Injektion, jedoch nicht vorher, konnten für PRP im Vergleich zu HA im WOMAC-Score signifikant bessere Ergebnisse (p=0,0008) gezeigt werden (nach 12 bis 26 Wochen für PRP durchschnittlich 28,5 und für HA 43,4 Punkte bei nahezu identischem Ausgangswert von ca. 52 Punkten (p=0,42) in beiden Gruppen). Auch zu späteren Zeitpunkten der Nachbeobachtung (bis zu 52 Wochen) wurden signifikant bessere Ergebnisse für PRP vs. HA im Vergleich zu Baseline (p=0,0062) beobachtet. Vergleichende Untersuchungen von PRP mit einem Corticosteroid auf höchstem Evidenzniveau wurden nicht identifiziert[123].
Nach metaanalytischer Auswertung von 16 klinischen Studien mit insgesamt 1.543 Patienten wurden in einem Review für die symptomatische Behandlung einer Kniearthrose im Vergleich zu Placebo oder der Behandlung mit HA oder einem Corticosteroid bessere Ergebnisse für PRP beschrieben[124].
Als limitierend für die Evidenzbewertung wird wiederholt die noch geringe Zahl an gut konzipierten Studien und teilweise ein Bias durch fehlende Doppelverblindung genannt. Basierend auf den bisherigen Studienergebnissen sehen die Autoren des Level-1-Reviews einen möglichen Einsatz von PRP bei der symptomatischen Kniearthrose, wobei diese in der Einteilung nach Kellgren und Lawrence nicht größer als Grad 1 bis 3 sein sollte[123].
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.10: Eine Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren zur Herstellung von PRP kann derzeit noch nicht gegeben werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Unterschiedliche Verfahren zur Herstellung von PRP beeinflussen die Produkteigenschaften
Bei der Herstellung von PRP werden die Bestandteile des zuvor abgenommenen und antikoagulierten Vollbluts mittels Zentrifugation aufgetrennt. Hierfür werden von verschiedenen Firmen unterschiedliche Systeme angeboten, wobei deren Zahl weltweit bei mittlerweile über 30 liegt. Abhängig vom verwendeten Herstellungs- und Zentrifugationsverfahren und ggf. auch von patientenindividuellen Einflüssen, enthalten die gewonnenen PRP-Präparationen unterschiedliche Mengen an Thrombozyten und damit Wachstumsfaktoren. Im Vergleich zu Vollblut kann die Plättchenkonzentration im PRP-Präparat ein Vielfaches betragen, in den meisten Studien war sie um den Faktor 3 bis 6 erhöht. Je nach Herstellungsweise kann PRP viele oder nur wenig Leukozyten enthalten, die ebenfalls eine Quelle unterschiedlicher Mediatoren bilden und selbst auch immunologische Eigenschaften besitzen. Es ist daher anzunehmen, dass die verschiedenen Herstellungsverfahren und Einflussgrößen zu PRP-Produkten mit unterschiedlicher qualitativer und quantitativer Wirkstoffzusammensetzung und damit variablen Eigenschaften führen können. Die Auswertung und Vergleichbarkeit klinischer Studien ist somit erschwert. Aufgrund dessen wurde im Jahr 2012 ein internationales Klassifizierungsverfahren eingeführt, mit dem die verwendeten PRP-Präparate charakterisiert werden sollen. Dieses System berücksichtigt die absolute Zahl an Thrombozyten, die Art der Plättchenaktivierung sowie die An- oder Abwesenheit von Leukozyten im Präparat und soll künftig die Ergebnisbeurteilung und Schlussfolgerung klinischer Studien erleichtern[125].
DGOU-Gonarthrose-Statement 4.8: Bei der Herstellung von PRP sind die in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Derzeitige arzneimittelrechtliche Vorgaben für die Anwendung in Deutschland:
Die Herstellung von PRP zur therapeutischen Anwendung unterliegt den Bestimmungen des Arzneimittel- (AMG) und Transfusionsgesetzes (TFG). Gemäß § 67 AMG ist die Herstellung der zuständigen Landesbehörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Hiermit verbunden ist die vorherige Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach §§ 13ff AMG. Die erlaubnisfreie Gewinnung bzw. Herstellung von plättchenreichen, autologen Blutprodukten ist nur zulässig, soweit diese unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des persönlich anwesenden Arztes gewonnen und hergestellt werden (§ 13 Abs. 2b AMG). Die Herstellung von PRP muss unter den Bedingungen der Guten Herstellungspraxis erfolgen. Hierfür sollten geschlossene Einmalsysteme verwendet werden. Die Be- und Verarbeitung sowie die Prüfung kann durch geschultes Personal unter unmittelbarer fachlicher Verantwortung des behandelnden Arztes durchgeführt werden.
Durch diese Vorgehensweise sollen Kreuzinfektionen und Anwendungszwischenfälle ausgeschlossen werden. Soweit im jeweiligen Patientenfall aufbereitete Materialien nicht vollständig zur Anwendung kommen, werden diese unmittelbar nach dem Eingriff sachgerecht entsorgt.
Paracetamol
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 4.11: Paracetamol sollte bei Patienten mit Gonarthrose nicht angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Paracetamol zeigt bei Patienten mit Gonarthrose und Koxarthrose keine klinisch signifikante schmerzlindernde Wirkung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Netzwerk-Metaanalyse von 58.556 Knie- und Hüft-Arthrose-Patienten[126] und eine Metaanalyse von 3.541 Knie- und Hüft-Arthrose-Patienten[127].
Übersicht Konservative Therapie
Orthopädietechnik – Orthopädieschuhtechnik
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.1: Die untersuchten Studienpopulationen müssen insgesamt als heterogen bezeichnet werden. Der „Level of evidence“ ist daher eingeschränkt. Die Anwendung von biomechanischen Hilfen ist insbesondere bei Patienten mit Komorbiditäten eine Therapieoption.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Physiotherapie/Bewegungstherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.1: Maßnahmen der Bewegungstherapie als Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining sollen zur primären Behandlung der Gonarthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Vibrationstherapie
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.2: Für die Vibrationstherapie kann aufgrund der Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen werden[128].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Physikalische Therapie
Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.2: Zur Reduzierung von Schmerz kann TENS eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Neuromuskuläre elektrische Stimulation
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.3: Neuromuskuläre elektrische Stimulation (NMES) sollte zur Muskelkräftigung nicht eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Lasertherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.4: Zur Reduzierung von Schmerz kann Lasertherapie in Kombination mit Bewegungstherapie eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Magnetfeldtherapie
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.3: Für die Magnetfeldtherapie kann aufgrund der inkonsistenten Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Elektrophysikalische Therapien
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.5: Elektrophysikalische Therapien können angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Infrarottherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.6: Infrarottherapie sollte zur Behandlung der Gonarthrose nicht eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Stoßwellentherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.7: Zur Reduzierung von Schmerz und Verbesserung der Beweglichkeit kann die Stoßwellentherapie eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Traktionsbehandlung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.8: Zur Reduzierung von Schmerz und zur Verbesserung der Lebensqualität kann Traktionsbehandlung zur Anwendung kommen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Ergotherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.9: Ergotherapie kann bei Patienten mit Gonarthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Naturheilkunde
Akupunktur
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.10: Akupunktur kann bei Kniearthrose angewendet werden.
89% Zustimmung (Konsens)
Balneologie/Hydrotherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.11: Aquatisches Training sollte bei Gonarthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.4: Die Datenlage zum Thema Balneotherapie muss insgesamt als heterogen bezeichnet werden. Eine eindeutige Aussage kann daher nicht getroffen werden. Die Anwendung der Balneotherapie ist insbesondere bei Patienten mit Komorbiditäten eine sinnvolle Therapie.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Blutegel
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.12: Zur Blutegeltherapie bei Kniearthrose kann aufgrund der Studienlage keine Aussage gemacht werden.
87,5% Zustimmung (Konsens)
Homöopathie
Phytotherapie oral
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.5: Die Datenlage zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Weihrauch ist derzeit nicht ausreichend, um eine Empfehlung abzugeben. Weihrauchpräparate sind in Deutschland nicht als Arzneimittel verfügbar.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.6: Eine Aussage zu Ingwer[129][130][131], Kurkuma-Extrakt, Pycnogenol®[129][132], Piasclidine®, Phytodolor®[129][133] ist nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht möglich.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Phytotherapie topisch
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.7: Folgende topische Phytotherapeutika können bei Kniearthrose angewendet werden: Beinwellextrakt-Gel. Eine Aussage zu Arnica-Gel ist nicht möglich.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.13: Weitere topische Phytotherapeutika sollten nicht bei Kniearthrose angewendet werden.
82% Zustimmung (Konsens)
Schlammpackungen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.14: Schlammpackungen können bei Kniearthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Orthopädietechnik – Orthopädieschuhtechnik
Die Gonarthrose kann konservativ effektiv durch Einlagen, Schuhzurichtungen am Konfektionsschuh und Orthesen therapiert werden. Diese haben keinen Nachweis im Hinblick auf eine Minderung der Erkrankungsprogredienz, allerdings gibt es Evidenznachweise für Schmerzreduktionen und auch funktionelle Verbesserungen.
Technisch orthopädische Zurichtungen können dabei Beschwerdestadien-adaptiert eingesetzt werden. Einerseits nur als orthopädieschuhtechnische Versorgung in leichteren Fällen; als Kombination von Schuhversorgung mit Orthesenversorgung in mittelschweren Fällen und mit großen Orthesen in schweren Fällen.
Bei der Gonarthrose steht insbesondere die medialseitige Gonarthrose im Vordergrund der Therapieansätze. Für deren Entstehung ist als wesentlicher Effekt das erhöhte Adduktionsmoment im Kniegelenk zu nennen. Diesem kann durch die Applikation eines externen abduzierenden Momentes, durch Änderung der Inklination des Bodenreaktionskraftvektors oder durch Veränderung der Gelenkstellung in der Frontalebene entgegengewirkt werden. Hierdurch wird der Hebelarm zwischen Kniegelenksvektor und Bodenreaktionsvektor in der Frontalebene verändert.
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.1: Die untersuchten Studienpopulationen müssen insgesamt als heterogen bezeichnet werden. Der „Level of evidence“ ist daher eingeschränkt. Die Anwendung von biomechanischen Hilfen ist insbesondere bei Patienten mit Komorbiditäten eine Therapieoption.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Schuhzurichtungen mit Außen- oder Innenranderhöhungen
Der Effekt von Außen- oder Innenranderhöhungen unter Einlagen oder Schuhaußen- bzw. -innenranderhöhung bei der unikompartimentalen Gonarthrose wurde in diversen Studien beschrieben, unter anderem auch in einem Cochrane-Review aus dem Jahre 2007[134]. Derartige Versorgungen werden in vielen internationalen Leitlinien bei Knieverschleißerkrankungen empfohlen, deren Effekte wurden allerdings bisher nur in kleinen Fallkontrollstudien oder in biomechanisch ganganalytischen Studien aufgezeigt. Nur wenige Studien hierzu erfüllen hochwertige methodologische Kriterien, die Datenlage ist auch nicht ganz einheitlich. Nach einem neueren Cochrane-Review aus dem Jahre 2015 wurde eine moderate Evidenz für eine Nichtwirksamkeit derartiger Versorgungen auf klinische Symptome beschrieben. Hingegen ergab eine Metaanalyse von Parkes aus dem Jahre 2013 einen klinischen Effekt für lateral erhöhte Einlagen[135]. Eine jüngere Metaanalyse von Petersen (2015) kam zu dem Ergebnis, dass die wissenschaftliche Evidenz für den Einsatz vage ist, allerdings bei leichten Arthrosestadien und leichten Varusfehlstellungen ein biomechanischer und klinischer Effekt zu erzielen ist[136]. In dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass der entsprechende Effekt rein biomechanisch stärker ist, wenn die Erhöhung unter der Schuhsohle und nicht nur an der Einlage angebracht wird, da über den Hebelarm der Schuhhinterkappe ein größerer Effekt zu verzeichnen ist.
Sprunggelenksorthesen
Bei mittelschweren Gonarthrosestadien kann eine Kombination aus Orthese und Schuhzurichtung eingesetzt werden. Hiermit beschäftigten sich diverse Studien. Zurück gehen diese Überlegungen auf die Arbeiten von Schmalz und Blumentritt[137], die eine erhöhte Reduktion des Knieadduktionsmomentes durch eine kombinierte Anwendung einer Einlage mit Außenranderhöhung und einer starren Sprunggelenksorthese beschrieben hatten. Nach Datenlage zeigen insbesondere ganganalytische und biomechanische Studien nachweisbar stärkere Effekte, die klinischen Ergebnisse korrelieren allerdings hierzu nicht immer. Schmalz und Blumentritt hatten gezeigt, dass eine Einlagenversorgung mit Sprunggelenksstabilisation einen höheren Effekt ergibt durch eine signifikante Reduktion des Knieadduktionsmomentes. Hieraus wurde eine Sprunggelenksorthese entwickelt, die bei Auftritt ein valgisierendes Moment im Kniegelenk bei Fersenkontakt erzeugt und die bei mittelgradigen Gonarthrosen in biomechanischen Studien das Knieadduktionsmoment signifikant reduzieren konnte[138].
Gonarthroseorthesen
Entlastungsorthesen am Kniegelenk (unloader braces) arbeiten nach dem 3-Punkt-Prinzip und werden in der Regel eingesetzt bei varischen Degenerationen. Zahlreiche biomechanische Studien haben zeigen können, dass das Knieadduktionsmoment durch eine valgisierende Orthese signifikant reduziert werden kann. In biomechanischen Studien wurde das Knieadduktionsmoment bis zu 32% reduziert[139]. Müller-Rath stellte 2011 eine randomisierte klinische und ganganalytische Studie zu Entlastungsorthesen vor und konnte nachweisen, dass die über einen Zeitraum von 16 Wochen getragene Orthese eine signifikante Reduktion des Knieadduktionsmomentes und eine Verbesserung der Befindlichkeitsskala sowie auch von funktionellen Kniescores erreichen konnte. Briggs zeigte 2012, dass auch neben der funktionellen Verbesserung eine deutliche Teilhabeverbesserung erreicht werden konnte[140][141]. Die Evidenzlage zur Wirkung valgisierender Großorthesen bei stärkergradigen Gonarthrosen im Hinblick auf Reduktion der Schmerzen, Verbesserung der Funktion im begrenzten Ausmaße, Verbesserung der Teilhabe kann somit als limitiert gegeben angesehen werden.
Kniebandagen
Kniebandagen zeigen ihre Wirkung über eine Kompression der Gelenkweichteile. Sie sind damit in der konservativen Therapie der Gonarthrose bei rezidivierenden Ergussbildungen und Schwellneigung, auch Baker-Zysten, indiziert, wenn keine Kontraindikationen (Thrombosegefahr, hochgradige Varicosis etc.) vorliegen. Über die flächige Stimulation der Propriozeption im Rahmen der Hautrezeptoren wird ein stabilisierender Effekt postuliert, hierzu ist die Evidenzlage allerdings noch als schwach zu bezeichnen.
Physiotherapie/Bewegungstherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.1: Maßnahmen der Bewegungstherapie als Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining sollen zur primären Behandlung der Gonarthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Fransen et al. (2015) untersuchten, ob sich Bewegungstherapie (auf dem Trockenen) positiv auf Gelenkschmerzen und Funktion bei Patienten mit Gonarthrose auswirken kann[142]. Einbezogen wurden hier 54 RCTs, die zwischen 1996 und 2013 erschienen sind. Im Ergebnis konnte eine hohe Evidenz für den zumindest kurzzeitigen Behandlungseffekt (2–6 Monate nach Beendigung der Behandlung) in Bezug auf Schmerz und Verbesserung der Funktion nachgewiesen werden.
Uthman et al. (2013) stellten sich die generelle Frage, ob Bewegungsinterventionen effektiver sind als keine Bewegungsintervention bzw. die Effektivität von verschiedenen Bewegungsinterventionen in Bezug auf Schmerzreduzierung und Funktionsverbesserung[143]. Untersucht wurde hier neben der Gonarthrose auch die Koxarthrose. Von den 60 eingeschlossenen RCTs (n=8.218) untersuchten 44 Arbeiten das Knie, 2 die Hüfte und 14 beides. Im Ergebnis konnte bestätigt werden, dass Bewegungsinterventionen (Kraft-, Ausdauertraining bzw. kombinierte Interventionen) signifikant effektiver sind als keine Bewegungsintervention. Am effektivsten zur Schmerzreduzierung erwiesen sich kombinierte Interventionen aus Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining.
Tanaka et al. (2013) untersuchten, welche körperlichen Einschränkungen (Schmerz, Steifheit, Kraft, Bewegungsausmaß, Beweglichkeit, maximale Sauerstoffaufnahme, Propriozeption (Lagesinn)) durch Bewegungsinterventionen verbessert werden können[144]. Eingeschlossen wurden hier insgesamt 33 RCTs (n=3.192), die zwischen 1997 und 2012 erschienen sind. Anhand von verschiedenen Metaanalysen errechneten die Autoren eine signifikante Verbesserung durch Bewegungsinterventionen bei Schmerz, Steifheit, Muskelkraft, maximaler Sauerstoffaufnahme und der Propriozeption.
Golightly et al. (2013) evaluierten ebenfalls die Effektivität von verschiedenen Bewegungsinterventionen in Bezug auf Schmerz und Funktion[145]. Eingeschlossen wurden hier 39 systematische Übersichtsarbeiten und RCTs, die zwischen 1997 und 2012 erschienen sind und sowohl Knie- als auch Hüftarthrose untersuchten. Im Ergebnis konnte eine starke Evidenz für Verbesserungen im Bereich Schmerz und Funktion für Kraft- und Ausdauerinterventionen – sowohl auf dem Trockenen als auch im Wasser – nachgewiesen werden.
Mat et al. (2015) stellten sich die Frage, wie effektiv physiotherapeutische Maßnahmen in Bezug auf die Verbesserung der Balance und die Reduzierung von Stürzen bei Patienten mit Gonarthrose sind[146]. Eingeschlossen wurden hier 15 RCTs mit insgesamt 1.482 Patienten, die zwischen 1997 und 2012 erschienen sind. Krafttraining, Tai Chi und Ausdauertraining zeigten hier die besten Ergebnisse in Bezug auf die Balance. In einer Metaanalyse wurden insgesamt 12 Arbeiten zur Reduzierung von Stürzen noch einmal rechnerisch zusammengefasst, und auch hier überzeugten Krafttraining, Tai Chi und Ausdauertraining.
Zur Wirksamkeit von Tai Chi wurden in der Metaanalyse von Lauche et al. (2013) 5 RCTs höherer Qualität mit 252 Patienten eingeschlossen[147]. Die Arbeit fand moderate Evidenz für Kurzzeit-Effekte auf Schmerz, Funktion und Steifigkeit sowie starke Evidenz für Kurzzeit-Effekte auf Lebensqualität, sowohl im Vergleich zu unspezifischen Interventionen (‚attention control‘), als auch im Vergleich zu keiner Intervention. Allerdings fand sich keine Evidenz für Langzeit-Effekte. In keinem der eingeschlossenen RCTs traten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf.
Der systematische Review von Ye et al. (2014) schloss insgesamt 6 RCTs höherer Qualität mit insgesamt 309 ein[148]. Die Darstellung der Ergebnisse erlaubt jedoch keine eindeutige Evaluation der Evidenz. Daten zur Sicherheit der Intervention wurden nicht extrahiert.
Die Metaanalyse von Yan et al. (2013) umfasst 7 RCTs höherer Qualität mit insgesamt 348 Patienten[149]. Die Analyse fand signifikante und klinisch relevante Effekte auf Schmerz, Steifigkeit und Funktionsfähigkeit. Interventionen bis maximal 12 Wochen scheinen dabei wirksamer zu sein als längere Interventionen. Eine Analyse der Sicherheit der Intervention wurde nicht vorgenommen.
Zwei weitere RCTs aus den Jahren 2007 und 2013 wurden in den Reviews nicht berücksichtigt. Beide RCTs haben ein hohes Risiko für Bias.
Song et al. (2007) schlossen 72 Frauen mit Gonarthrose ein und fanden signifikant größere positive Effekte nach Tai Chi als nach keiner Behandlung in Bezug auf Schmerz, Steifigkeit, wahrgenommene Gesundheitsveränderungen und Gesundheitsverhalten (v.a. im Umgang mit Stress und dem Ernährungsverhalten). Die Interpretation der Ergebnisse wird erschwert durch Dropout-Raten >40% (ohne Verwendung einer Intention-to-treat-Analyse) und die fehlende Evaluation der Sicherheit des Verfahrens[150].
Der RCT von Wortley et al. (2013) schloss 31 Patienten mit Gonarthrose im Alter von 60–85 Jahren ein und verglich Tai Chi mit Krafttraining und keiner Intervention[151]. Es fanden sich signifikant größere positive Effekte nach Krafttraining als nach Tai Chi in Bezug auf Schmerz, Steifigkeit und Funktion, jedoch kein Unterschied zwischen Tai Chi und der unbehandelten Kontrollgruppe. Signifikant größere positive Wirkung von Tai Chi fand sich nur für den Timed-“up-and-go“-Funktionstest im Vergleich zu keiner Intervention, nicht aber im Vergleich zu Krafttraining. Die Sicherheit des Verfahrens wurde nicht analysiert.
Ein RCT von Ay et al. (2013) stellte die Frage, wie die Inhalte von Bewegungsinterventionen den Patienten (n=60) am besten vermittelt werden können[152]. Die Studie untersuchte dabei drei unterschiedliche Formen der Übermittlung:
- Visuelle Demonstration, schriftliches Informationsmaterial, physiotherapeutische Einführung und eine einstündige Schulung zu Kniearthrose
- Schriftliches Informationsmaterial und physiotherapeutische Einführung
- Nur schriftliches Informationsmaterial.
Alle drei Gruppen sollten die Übungen täglich mit 15 Wiederholungen über drei Monate durchführen. Erhoben wurden neben Schmerz (VAS) und Funktion (100 meter walking test, time to ascend and descend stairs (12 stairs), sit-to-stand chair rises) auch noch der WOMAC (functional und global index). Im Ergebnis zeigten die Gruppen eins und zwei in allen Outcomes signifikante Verbesserungen, wohingegen die Gruppe drei keine Verbesserungen beim Schmerz nachwies. Im Vergleich zwischen den Gruppen zeigte sich, dass die Vermittlung mit visueller Demonstration und schriftlichem Informationsmaterial sich besser eignet als schriftliches Informationsmaterial allein, wobei der Effekt durch eine zusätzliche Schulung zu Kniearthrose noch weiter verbessert werden könnte.
Progressives propriozeptives Training
Kumar et al. (2013) untersuchten die Effektivität eines progressiven propriozeptiven Trainings in Kombination mit konventioneller Physiotherapie (Ultraschall kombiniert mit Krafttraining) über vier Wochen bei Patienten mit Gonarthrose (n=44). Die Kontrollgruppe bekam die konventionelle Physiotherapie. Erhoben wurden hier der Schmerz (VAS), WOMAC und Joint Position Sense (Electronic Goniometer). Beide Gruppen verbesserten sich signifikant in allen Outcomes, allerdings waren die Gruppenunterschiede signifikant zugunsten der Interventionsgruppe[153].
Laufbandtraining
Watanabe et al. (2013) verglichen die Effekte von Laufbandtraining mit body-weight-support (BWSTT) und mit full-body-weight-support (FBWTT) bei Patienten mit Gonarthrose (n=30). Das Training erfolgte zweimal in der Woche, 20 Minuten über 6 Wochen. Erhoben wurden der Schmerz (VAS), 10-m-walking-Test (10MWT), Functional-reach-Test (FRT), One-leg-standing-Test, Timed-“up-and-go“-Test (TUG), 6-min-walking-Test (6MWT) und die Parameter, die das Laufband misst. Darüber hinaus wurden das Study Short-Form 36-Item Health Survey Version 2.0 (SF-36) und das Japanese Knee Osteoarthritis Measure (JKOM) zur Erfassung der Lebensqualität eingesetzt. Im Ergebnis konnte durch das BWSTT die Gehgeschwindigkeit verbessert und der Schmerz verringert werden, allerdings gab es keine Veränderungen bei der Funktion und der Lebensqualität. Gruppenunterschiede konnten nicht nachgewiesen werden[154].
Vibrationstherapie
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.2: Für die Vibrationstherapie kann aufgrund der Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen werden[128].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kombinierte Programme
Interventionen aus Bewegungstherapie kombiniert mit edukativen Interventionen zur Schmerzbewältigung sollten durchgeführt werden. Hurley et al. (2012) stellten sich die Frage, welchen langfristigen Einfluss (bis 30 Monate) auf Bewegung basierende Programme mit Anleitung zum Selbstmanagement auf Patienten (n=418) mit Gonarthrose haben[155]. Die Interventionsgruppe nahm zusätzlich zu den Interventionen, die vom Arzt verschrieben wurden, an einem Programm mit dem Namen: Enabling Self-Management and Coping of Arthritic Knee Pain Through Exercise (ESCAPE-knee pain) teil (zwölf supervidierte Termine, zweimal die Woche über sechs Wochen). Das 35- bis 40-minütige Bewegungsprogramm wird von den behandelnden Physiotherapeuten durch ein 15–20 Minuten dauerndes Programm mit edukativen und informellen Inhalten sowie speziellen Coping-Strategien ergänzt. Die Kontrollgruppe folgte nur den vom Arzt verschriebenen Interventionen. Als primäres Outcome wurde der WOMAC, als sekundäres Zielkriterium wurden Schmerz (WOMAC pain), „activities of daily living“, „exercise-related health beliefs and self-efficacy questionnaire“ (ExBeliefs), Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), „condition-specific health-related quality of life“ (McMaster Toronto Arthritis Questionnaire (MACTAR)) und Muskelkraft des Quadrizeps erhoben. In Bezug auf die Verbesserung der Funktion waren sowohl der Kurzzeit- als auch der Langzeiteffekt 30 Monate nach Beendigung des Programms in der Interventionsgruppe signifikant besser als in der Kontrollgruppe.
Hunt et al. (2013) untersuchten ebenfalls eine Bewegungsintervention (Kräftigung der unteren Extremitäten und Walking) bei Patienten mit Kniearthrose (n=41), die mit einem Coping-Training (pain coping skills training = PCST) verknüpft war. Die Kontrollgruppe absolvierte nur die Bewegungsintervention. Neben dem WOMAC und der Muskelkraft wurden noch die Arthritis Self-Efficacy Scale (ASES) und der Coping Strategies Questionnaire (CSQ) erhoben. Im Ergebnis verbesserten sich beide Gruppen gleichermaßen und es konnte kein zusätzlicher Nutzen aus dem PCST nachgewiesen werden[156].
Da Silva et al. (2015) untersuchten ein kombiniertes Programm aus edukativen Elementen über Kniearthrose (15 Minuten) und einem ganzheitlichen Training (Kraft, Ausdauer, Dehnung, Mobilität etc.) über 45 Minuten. Die Kontrollgruppe erfuhr lediglich eine generelle Information über Gonarthrose mit schriftlichen Tipps zur Verbesserung der Lebensqualität. Primäres Zielkriterium war der Lequesne Algofunctional Index. Sekundäre Outcomes waren 36-Item Short Form Health Survey (SF-36), Chair-stand, Sit-and-reach, Timed-“up-and-go“-Test und 6-minute-walk-Test. Im Ergebnis zeigte die Interventionsgruppe starke Effekte in Bezug auf Verbesserung von Schmerz, Funktion und Lebensqualität[157].
Sport mit Gonarthrose
Sportliche Aktivität wird als sehr vorteilhaft für die allgemeine Gesundheit angesehen.
Nichtsdestotrotz werden intensive sportliche Aktivitäten und deren Einfluss auf die Entwicklung einer frühen Gonarthrose diskutiert. Bei Sportlern, die high-impact Sportarten betrieben, konnte eine höhere Inzidenz der Gonarthrose gezeigt werden[158]. Daher sind aufgrund der hohen Belastungen und des Verletzungsrisikos High-Impact-Sportarten bei Gonarthrose abzulehnen. Im Gegensatz dazu scheinen Low-Impact-Sportarten keinen negativen Einfluss auf die Entstehung einer Gonarthrose zu haben; freizeitsportliches Laufen zeigt bei den Sportlern sogar eine niedrigere Inzidenz der Gonarthrose[159][160]. Low-Impact-Sport mit beginnender Gonarthrose kann Schmerz reduzieren, die Beweglichkeit verbessern, den Gelenkstoffwechsel steigern sowie die umgebende Muskulatur kräftigen und wird als wichtiger Bestandteil der konservativen Therapie angesehen[142]. Die Gelenkintegrität (Meniskus, Knorpel, Bänder, ggf. Achsalignment) sollte dabei nach Verletzungen so gut wie möglich (wieder‑)hergestellt werden, um einen zusätzlich negativen Einfluss auf die Arthroseentstehung zu verhindern.
Die Sportempfehlung sollte individualisiert erfolgen und einerseits anatomische Voraussetzungen (Beinachsen, Begleitpathologien) und die aktuelle Schmerz- und Entzündungsreaktion der Arthrose berücksichtigen. Die gewählten passenden Sportarten (Wandern, Radfahren, Golfen, Tennis...) sollen dann in technischer Ausführung besprochen werden und Tipps für die Durchführung gegeben werden. Eine sportbedingte Überlastung ist dabei zu vermeiden. Bei akuten Gelenkschmerzen und Schwellungen sollte ein passageres Sportverbot erfolgen. Zukünftig gilt es, die Wirkungen der verschiedenen Sportarten und Bewegungsmuster auf die Entwicklung und das potentielle Voranschreiten der Gonarthrose genauer zu untersuchen[161].
Physikalische Therapie
Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.2: Zur Reduzierung von Schmerz kann TENS eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Kolen et al. (2012) testeten in einer dreiarmigen Studie eine sog. Matrixelektrode (eBrace TENS) mit 16 individuellen Elektrodenelementen (angeordnet 4×4), die über dem Knie angebracht wird („100-microsecond, pulse frequency of 80 Hz and a continuous (normal) pulse pattern“) und als eine Art Orthese getragen werden kann[162]. Dabei ist die Überlegung, dass durch die kleineren (aber mehreren) Elektroden der beste Punkt zur Übertragung gefunden werden kann, weil das Gerät Punkte mit geringer Hautdichte identifiziert. Bei den Gruppen wurde unterschieden zwischen
- low resistance TENS (nur die Elektrode mit dem geringsten Hautwiderstand stimuliert),
- irradiation TENS (eine bestimmte Elektrode stimuliert) und
- random TENS (zufällige Stimulation)
für Patienten mit Gonarthrose (n=74). Erhoben wurden Schmerzintensität (VAS), 6-minute walk test (6MWT), maximum voluntary contraction (MVC), range-of-motion (ROM) und WOMAC, wobei Schmerzintensität (VAS), 6-min walking test (6MWT) und maximum voluntary contraction (MVC) während der zweiten Hälfte der 60-minütigen Behandlung erhoben wurden. Im Ergebnis konnten lediglich Verbesserungen in der Schmerzintensität in allen Gruppen nachgewiesen werden. Bei einem Teilvergleich, wenn TENS während des Gehens eingesetzt wurde zu TENS in Ruheposition, gab es signifikante Unterschiede zugunsten des low resistance TENS.
Palmer et al. (2014) untersuchten ebenfalls in einer dreiarmigen Studie (n=224) den Effekt von TENS (Gerät für zuhause, Programm A: 110 Hz, 50 μs) zusätzlich zu einem Bewegungsprogramm inklusive eines edukativen Anteils (sog. knee group) über einen Zeitraum von sechs Wochen. Als zweite und dritte Gruppe wurde eine sham-TENS plus knee group und die knee group allein angeboten. Erhoben wurden als primäres Zielkriterium die Funktionsskala des WOMAC, als sekundäre Outcomes der WOMAC total und die Schmerz- und Steifheitsskala. Im Ergebnis konnten sich alle drei Gruppen gleichermaßen verbessern und es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen, was sich auch im Langzeiteffekt nach sechs Monaten aufrechterhielt[163].
Neuromuskuläre elektrische Stimulation
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.3: Neuromuskuläre elektrische Stimulation (NMES) sollte zur Muskelkräftigung nicht eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
In die systematische Übersichtsarbeit von Giggins et al. (2012) wurden zehn randomisierte und nicht-randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen (n=409), die zwischen 1989 und 2010 erschienen sind[164]. Die Zielkriterien konzentrierten sich auf Schmerz, Funktion und Lebensqualität und es wurden verschiedene Metaanalysen zu drei verschiedenen Outcomes durchgeführt. Die Ergebnisse der einzelnen Studien waren inkonsistent, weshalb die Autoren nur eine schwache Evidenz für einen signifikanten Einfluss von NMES auf Schmerz, Funktion und die Verbesserung der Muskelkraft des Quadrizeps nachweisen konnten. Der systematische Review von de Oliveira Melo et al. (2013) konzentrierte sich ausschließlich auf die Verbesserung der Muskelkraft (Quadrizeps) durch NMES bei älteren Patienten mit Gonarthrose, wobei „älter“ nicht näher definiert wurde und die eingeschlossenen Arbeiten eine Altersspanne zwischen 42 und 85 Jahren aufzeigten[2]. Eingeschlossen wurden sechs RCTs (n=484), die zwischen 2003 und 2008 erschienen sind. Auch hier konnte lediglich eine mittlere Evidenz für NMES allein oder in Kombination mit Bewegungsinterventionen zur Verbesserung der Muskelkraft des Quadrizeps nachgewiesen werden, wobei es nur eine geringe Evidenz dafür gibt, dass NMES anderen Interventionen zur Muskelkräftigung überlegen ist.
Die eingeschlossenen RCTs[165][166] verglichen NMES in Kombination mit Bewegungsintervention im Vergleich zu Bewegungsinterventionen alleine. Mizusaki Imoto et al. (2013) evaluierten ein achtwöchiges Programm mit Fahrradergometer, Dehnung (hinterer Oberschenkelmuskel) und Krafttraining (Quadrizeps), wobei das Krafttraining dann entweder mit oder ohne NMES durchgeführt wurde (n=100)[166]. Primäre Outcomes waren Timed-“up-and-go“-Test (TUG) und Schmerz während des Gehens (VAS). Sekundär wurden noch die Subskalen Schmerz, Funktion und Steifheit vom WOMAC erhoben. Elboim-Gabyzon et al. (2013) evaluierten ein sechswöchiges Programm (zweimal die Woche). Das Bewegungsprogramm war hier umfangreicher mit 45 Minuten pro Session und einer Kombination aus Funktions- und Krafttraining[165].
Die NMES wurde in der Interventionsgruppe auch wieder mit einer Kraftübung für den Quadrizeps verbunden (n=66). Zielkriterien waren Schmerz, maximale Muskelkontraktion, WOMAC, 10-meter-walk-Test (10MWT), TUG und Stair-Test. Bei der Veröffentlichung von Laufer et al. (2014) handelte es sich um das Follow-up nach zwölf Wochen von der vorher beschriebenen Studie von Elboim-Gabyzon et al. (2013). Während Mizusaki Imoto et al. keinen zusätzlichen Effekt durch die NMES sahen, konnten Elboim-Gabyzon et al./Laufer et al. einen zusätzlichen Effekt in Bezug auf Schmerz nachweisen.
Lasertherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.4: Zur Reduzierung von Schmerz kann Lasertherapie in Kombination mit Bewegungstherapie eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Marquina et al. (2012) untersuchten den Effekt von Low-Level Laser Therapy (LLLT) zur Schmerzreduzierung bei Patienten mit Gonarthrose im Vergleich zu einer Sham-LLLT (n=122). Die Behandlung erfolgte dreimal wöchentlich über vier Wochen mit einem therapeutischen Lasersystem mit dualer Wellenlänge (660 nm/905 nm). Der Schmerz wurde mit der VAS erhoben. Im Ergebnis konnte eine signifikante Schmerzlinderung in der LLLT-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen werden[167].
Kheshie et al. (2014) verglichen die Effektivität von LLLT im Vergleich zu High-Intensity Laser Therapy (HILT) jeweils in Kombination mit einem Bewegungsprogramm (Funktions- und Krafttraining). Eine dritte Gruppe erhielt eine Placebo-Behandlung und absolvierte ebenfalls das Bewegungsprogramm. Die Behandlungsdauer erfolgte zweimal wöchentlich über einen Zeitraum von sechs Wochen. Insgesamt nahmen an der Studie 53 Männer teil. Zielkriterien waren Schmerzlinderung und der WOMAC. Alle drei Gruppen zeigten nach sechs Wochen signifikante Verbesserungen in Bezug auf Schmerz und WOMAC, wobei HILT + Bewegung bessere Ergebnisse zeigte als LLL + Bewegung und beide Interventionen besser waren als Bewegung allein[168].
Rashoud et al. (2014) untersuchten den Effekt von LLLT an fünf Akupunkturpunkten in insgesamt neun Sitzungen im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung (n=49). Beide Gruppen erhielten zusätzlich Unterstützung in Bezug auf Coping-Strategien und die Anweisung eine Kräftigungsübung für den Quadrizeps täglich fünfmal durchzuführen. Das primäre Zielkriterium war Schmerz (VAS) und sekundär wurden noch Saudi Knee Function Scale (SKFS), Active Range of Motion und die Patientenzufriedenheit erhoben. Im Ergebnis zeigte die aktive Laser-Akupunktur-Gruppe im Vergleich zur Kontrolle signifikant bessere Ergebnisse beim Schmerz und beim SKFS[169].
Magnetfeldtherapie
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.3: Für die Magnetfeldtherapie kann aufgrund der inkonsistenten Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Li et al. (2013) untersuchten die Effekte und Nebenwirkungen von Magnetfeldtherapie im Vergleich zur Placebo-Behandlung bei Gonarthrose. Eingeschlossen wurden hier insgesamt neun RCTs (n=636), die zwischen 1993 und 2013 erschienen sind. Die Zielkriterien konzentrierten sich auf Schmerz, Funktion, Lebensqualität und Nebenwirkungen. Im Ergebnis konnten signifikante Effekte in Bezug auf die Schmerzreduktion nachgewiesen werden, aber nicht bei der Funktion und Lebensqualität. Darüber hinaus konnten keine Nebenwirkungen festgestellt werden[170].
Negm et al. (2013) untersuchten die Evidenz für Magnetfeldtherapie im Vergleich zur Placebo-Behandlung[171]. Eingeschlossen wurden sieben RCTs, die zwischen 1994 und 2010 erschienen sind, wobei es hier Überschneidungen mit dem Review von Li et al. (2013) gab. Die relevanten Endpunkte waren hier neben Schmerz und Funktion noch die Muskelkraft. Im Gegensatz zu Li et al. (2013) konnten hier im Ergebnis eher Effekte in Bezug auf die Funktion nachgewiesen werden, aber keiner bei der Schmerzreduzierung.
Elektrophysikalische Therapien
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.5: Elektrophysikalische Therapien können angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Mögliche Verfahren sind:
- Impulsschall bei der Ultraschalltherapie
- Mikrowellen
- kontinuierliche Kurzwellen
- Interferenzstrom
Impulsschall
Zur Reduzierung von Schmerz und zur Verbesserung der Funktion stellt Impulsschall bei der Ultraschalltherapie eine Behandlungsoption dar. Zeng et al. (2014) untersuchten die Effektivität von therapeutischem Ultraschall (Dauer- und Impulsschall) bei Patienten mit Gonarthrose. Bei den Zielkriterien handelte es sich um Schmerz und Funktion. Eingeschlossen wurden hier insgesamt zwölf RCTs, die zwischen 1992 und 2012 erschienen sind und von denen acht in eine Metaanalyse eingegangen sind. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Behandlung mit Impulsschall sowohl Effekte in Bezug auf Schmerz als auch bei der Funktion zeigte und die Behandlung mit Dauerschall lediglich effektiv in Bezug auf Schmerzlinderung war[172].
Mikrowelle
Zur Reduzierung von Schmerz und Verbesserung der Lebensqualität kann die Mikrowelle eingesetzt werden. Rabini et al. (2012) untersuchten die Behandlung mit Tiefenwärme durch Mikrowellen (40 W), bei der ein Silikonpad auf das Knie gelegt wird und mit Mikrowellen bestrahlt wird, wobei die Temperatur somit auf 38 °C gehalten wird. Den Patienten aus der Kontrollgruppe wurde ein vorgewärmtes Wärmepad (38 °C) aufgelegt, ohne das Mikrowellengerät einzuschalten. Beide Gruppen (n=54) erhielten zwölf Behandlungen über 30 Minuten. Primäres Outcome war der WOMAC. Sekundär wurden noch Muskelkraft (British Medical Research Council (BMRC) rating scale) und Schmerz (VAS) erhoben. Im Ergebnis konnten durch die Mikrowellenbehandlung signifikante Verbesserungen in allen Outcomes nachgewiesen werden, während sich bei der Kontrollgruppe keine signifikanten Veränderungen einstellten[173].
Kurzwelle
Zur Reduzierung von Schmerz und Verbesserung der Beweglichkeit kann die kontinuierliche Kurzwellentherapie eingesetzt werden. Teslim et al. (2013) verglichen pulsierende gegen kontinuierliche Kurzwellentherapie (wöchentlich 20 Minuten über vier Wochen) bei Patienten mit Gonarthrose (n=24). Erhoben wurden die Schmerzintensität (VAS), aktive/passive ROM und Hauttemperatur. Die Schmerzintensität bei den Patienten in der Gruppe mit kontinuierlicher Kurzwellentherapie war nach vier Wochen signifikant geringer im Vergleich zur Gruppe mit pulsierender Kurzwellentherapie. Auch beim aktiven/passiven ROM war die kontinuierliche Kurzwellentherapie der pulsierenden Kurzwellentherapie signifikant überlegen. Lediglich in Bezug auf die Hauttemperatur zeigte sich zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied[174].
Interferenzstrom
Um den Einsatz von Interferenzstrom bei der Behandlung der Gonarthrose zu prüfen, verglichen Gundog et al. (2012) unterschiedliche Frequenzen bei der Behandlung mit Interferenzstrom bei Patienten mit Gonarthrose (n=60). Drei Interventionsgruppen wurden fünfmal die Woche über drei Wochen jeweils mit 40 Hz, 100 Hz und 180 Hz behandelt und eine Kontrollgruppe erhielt eine Sham-Behandlung. Das primäre Outcome war der WOMAC. Sekundär wurden noch Schmerz (VAS), Arzt- bzw. Patienteneinschätzung zum Behandlungseffekt, 15-m-walking-time, ROM und Schmerzmittelverbrauch erhoben. Mit Ausnahme des WOMAC-Stiffness und des ROM konnten sich alle Gruppen – auch die Kontrollgruppe - signifikant in allen anderen Outcomes verbessern, wobei aber die aktive Therapie signifikant effektiver war als die Sham-Behandlung. Signifikante Verbesserungen des WOMAC-Stiffness konnten nur bei der aktiven Behandlung (40 Hz und 100 Hz) nachgewiesen werden. Im Gruppenvergleich zwischen den aktiven Behandlungen konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden, sodass keine Aussage zu einer bestimmten Frequenz gemacht werden konnte[175].
Infrarottherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.6: Infrarottherapie sollte zur Behandlung der Gonarthrose nicht eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Hsieh et al. 2012 untersuchten den therapeutischen Kurzzeiteffekt von sechs 40-minütigen Behandlungen mit monochromatischer Infrarottherapie (monochromatic infrared energy therapy = MIRE) im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung bei Patienten mit Gonarthrose (n=73). Erhoben wurden hier der Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS), Lysholm Knee Scale, Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), Multidimensional Fatigue Inventory (MFI), World Health Organization Quality of Life-brief version (WHOQOL-BREF) und Chronic Pain Grade questionnaire. Im Ergebnis konnten keine Effekte in Bezug auf Funktion, Aktivität, Partizipation und Lebensqualität durch die Behandlung mit monochromatischer Infrarottherapie nachgewiesen werden[176].
Stoßwellentherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.7: Zur Reduzierung von Schmerz und Verbesserung der Beweglichkeit kann die Stoßwellentherapie eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Chen et al. (2014) untersuchten die Effekte von extrakorporaler Stoßwellentherapie (ESWT) bei Patienten mit Gonarthrose (n=120). Dabei wurden drei Interventionsgruppen (Krafttraining, Ultraschalltherapie und fokussierte Stoßwellentherapie) und eine Kontrollgruppe (keine zusätzliche Behandlung) miteinander verglichen. Alle vier Gruppen erhielten eine Behandlung mit „Hot Packs“ sowie Übungen für den passiven ROM. Erhoben wurden ROM, Schmerz (VAS), Lequesne’s Index und Muscle Peak Torques of Knee Flexion and Extension. Alle drei Interventionsgruppen verbesserten sich signifikant mehr als die Kontrollgruppe in Bezug auf Muscle Peak Torques, Schmerz und Lequesne’s Index, wobei die Stoßwellentherapie den anderen Gruppen signifikant überlegen war. Lediglich die Patienten, die die Ultraschall- bzw. Stoßwellentherapie erhielten, konnten auch ihren ROM verbessern, wobei auch hier die fokussierte Stoßwellentherapie der Ultraschalltherapie signifikant überlegen war[177].
Traktionsbehandlung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.8: Zur Reduzierung von Schmerz und zur Verbesserung der Lebensqualität kann Traktionsbehandlung zur Anwendung kommen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Alpayci et al. (2013) untersuchten die Traktionsbehandlung bei Patienten mit Gonarthrose (n=98). Verglichen wurden hier intermittierende Traktion (abwechselnd 15 kg und 5 kg für 5 Sekunden über 15 Minuten) mit kontinuierlicher Traktion (15 kg über 15 Minuten) mit dem Traktionssystem TM-400® (ITO Physiotherapie & Rehabilitation) über einen Zeitraum von drei Wochen. Zusätzlich erhielten beide Gruppen eine Behandlung mit Kurzwellen und „Hot-Packs“. Die Kontrollgruppe erhielt ausschließlich die Behandlung mit Kurzwellen und „Hot-Packs“. Zielkriterien waren hier die türkische Version des WOMAC, Schmerz (VAS) und passive ROM. In Bezug auf Schmerz und WOMAC konnten sich alle drei Gruppen signifikant verbessern. Allerdings waren beide Traktionsgruppen der Kontrollgruppe signifikant überlegen, wobei es keine Unterschiede zwischen den beiden Interventionsgruppen gab. Beim ROM konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen nachgewiesen werden[178].
Khademi-Kalantari et al. (2014) untersuchten den Effekt von manueller Traktion (bei 30° angewinkeltem Knie) des Kniegelenks (20 Minuten) bei Patientinnen mit schwerer Kniearthrose (n=40). Zusätzlich erhielten die Patientinnen eine Standard-Physiotherapie-Behandlung (Hot-Packs, Ultraschall, TENS, Krafttraining). Die Kontrollgruppe bekam nur die Standard-Physiotherapie-Behandlung. Insgesamt erhielten die Patientinnen 10 Behandlungen innerhalb von zwei Wochen. Erhoben wurden Schmerz (VAS), 6-min-walk-Test (6 MWT), KOOS questionnaire, ROM und Ödeme. Die Standard-Physiotherapie-Behandlung in Kombination mit der Traktion resultierte in signifikant größeren Verbesserungen in allen Outcomes als die Standard-Physiotherapie-Behandlung allein[179].
Ergotherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.9: Ergotherapie kann bei Patienten mit Gonarthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken. Hierbei dienen spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Menschen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen (DVE 08/2007).
Die ergotherapeutischen Ziele und Methoden richten sich nach den Rehabilitations- und Handlungszielen des jeweiligen Rehabilitanden (Klientenzentrierung). Sie werden individuell an den physischen und psychischen Zustand des Klienten sowie an seine spezifischen Kontextfaktoren (Umwelt- und Person- bezogene Faktoren) angepasst[180].
Das übergeordnete Ziel der ergotherapeutischen Intervention bei Klienten mit Gonarthrose ist die (Wieder‑)Herstellung der größtmöglichen Selbständigkeit und die Wiedereingliederung in den privaten und beruflichen Alltag[181]. Entsprechend der Lebensphase und den dazugehörigen Tätigkeitsschwerpunkten, den individuellen Betätigungszielen sowie dem allgemeinen Gesundheitszustand (z.B. Multimorbidität) wird die ergotherapeutische Behandlung inhaltlich angepasst.
Ergotherapeutische Interventionen bei Klienten mit Gonarthrose sind u.a.:
- Hilfsmittelversorgung, -beratung, -anpassung und -training[180]
- Umweltanpassung (z.B. Wohnraum, Arbeitsplatz)
- Ergonomie (Beratung zu Gestaltung von Arbeitsplatz, -abläufen)
- Beratung/Edukation (z.B. Leben/Umgang mit Endoprothese, Gelenkschutz)
- Jobcoaching
- Berufsbezogenes Training, Arbeitstherapie[180]
- Training persönlicher ATL (z.B. Anziehtraining)
- Training instrumenteller ATL (z.B. Haushaltstraining, wie Reiningung der Wohnung)
- Interventionen in Bezug auf Erholung und Freizeit
- Motorisches Training und Therapie (motorische Rehabilitation)
- Sturzprophylaxe
- Fatigue-Management[182]
Methodisch hochwertige Studien, die die Wirksamkeit ergotherapeutischer Interventionen bei Menschen mit Gonarthrose nachweisen, gibt es bisher kaum.
Murphy et al. (2008) untersuchten in einer multizentrischen randomisierten kontrollierten Pilotstudie bei 54 Teilnehmern die Wirksamkeit einer ergotherapeutischen Intervention bestehend aus Bewegung und einem aktivitätsbezogenen Strategietraining im Vergleich zu Bewegung und Edukation. Erhebungen erfolgten 6 Wochen und 6 Monate nach Randomisierung. In der Interventionsgruppe gab es zahlreiche Studienabbrüche (21% vs. 8% in der Kontrollgruppe)[183].
Primäre Endpunkte: Zur Postmessung hatten sich beide Gruppen bzgl. des primären Outcomes Schmerz verbessert (WOMAC). Ein kleiner signifikanter Effekt der Intervention im Vergleich zur Kontrolle zeigte sich im Peak bei der körperlichen Aktivität (d=0,30). Ansonsten verbesserten sich alle erhobenen Aktivitätswerte in der Interventionsgruppe, während diese in der Kontrollgruppe abnahmen. Allerdings berichteten mehr Kontrollen zur Postmessung sich körperlich moderat oder stark zu betätigen als Interventionsteilnehmer.
Sekundäre Endpunkte: Die krankheitsbezogene Selbstwirksamkeit besserte sich durch die Intervention nicht. Die körperliche Funktionsfähigkeit (6-min-Gehtest, KG: +14 m, IG: +21 m, d=0,45) verbesserte sich in beiden Gruppen.
In einer weiteren Pilot-RCT (n=32, davon 21 Patienten mit Knie-Osteoarthritis) untersuchten Murphy et al. (2010) die Wirksamkeit individuell angepasster Aktivitätssteuerung („tailored activity pacing“) für Menschen mit Knie- und Hüft-Osteoarthritis im Vergleich zu einer nur allgemeinen Vermittlung dieser Aktivitätsstrategie. Erhoben wurden die Fatigue („brief fatigue inventory“) und der Schmerzstatus (WOMAC). Zur Follow-up-Untersuchung nach 10 Wochen war die Interventionsgruppe in Aktivitäten des täglichen Lebens signifikant weniger durch Fatigue beeinträchtigt (d=1,10). Auch das Ausmaß der Fatigue hatte in der Interventionsgruppe abgenommen (d=0,79), wenn auch nicht signifikant, was die Autoren jedoch auf die kleine Stichprobe zurückführen. Die Schmerzen hatten sich in beiden Gruppen verbessert, allerdings ohne Gruppenunterschiede[184].
In einer Sekundäranalyse zu diesem RCT kommen Murphy et al. 2012 zu dem Schluss, dass die Form des Activity Pacings Einfluss auf die Aktivitätsmuster der Teilnehmer hatte. Dabei erwies sich das Activity Pacing, das sich in der Vermittlung der Strategie am Symptom-Aktivitäts-Verhältnis des jeweiligen Klienten orientierte, also individuell angepasst war, als wirksamer als die nur allgemeine Strategievermittlung.
Schepens et al. (2012) werteten die Daten aus dieser RCT in einer Sekundäranalyse noch einmal im Hinblick auf die selbstwahrgenommene Gelenksteifigkeit aus. Diese verbesserte sich vorerst in beiden Gruppen (nach einer Messung nach 4 Wochen). Sie blieb jedoch nur in der Interventionsgruppe bis zum Follow-up (nach 10 Wochen) signifikant reduziert und verbesserte sich weiter, während die Symptomatik in der Kontrollgruppe in diesem Zeitraum langsam wieder zunahm und sich erneut den Baseline-Werten annäherte. Aus den Ergebnissen folgern die Autoren, dass die selbstwahrgenommene Gelenksteifigkeit durch individuell zugeschnittene, von Ergotherapeuten angeleitete schrittweise Aktivitätssteuerung verbessert werden kann[185].
Naturheilkunde
Akupunktur
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.10: Akupunktur kann bei Kniearthrose angewendet werden.
89% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
5 systematische Übersichtsarbeiten untersuchen Akupunktur bei Kniearthrose (insgesamt 24 RCTs, n=4.469), eine weitere deren Sicherheit.
In der Metaanalyse von Vickers et al. (2012) mit 9 hochrangigen RCTs zu Akupunktur bei Gonarthrose ergab ein Vergleich zwischen Verum-Akupunktur und Kontrollgruppen (keine oder Sham-Akupunktur) eine signifikant größere Reduktion der akuten Knieschmerzsymptomatik[186].
In der Metaanalyse von Manyanga et al. (2014) wurden 12 RCTs, davon 3 von hoher Qualität, begutachtet. Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung, Lebensqualität waren in den Verum-Akupunkturgruppen allen Kontrollen (Sham-Akupunktur, NSAIDs, Warteliste etc.) signifikant überlegen[187].
In der Netzwerkanalyse von Corbett et al. (2013) wurden 22 verschiedene physikalische Therapiemöglichkeiten einschließlich Akupunktur verglichen. Bei Akupunktur (auch Sham) zeigte sich eine signifikante Schmerzreduktion. Bei der Netzwerkanalyse über alle Studien lag beim Vergleich Standard-Care vs. alle anderen Interventionen die Akupunktur (1.219 Studienteilnehmer) an zweiter Stelle mit einer starken Effektstärke[188].
Im Cochrane-Review von Manheimer et al. (2010) wurden 13 RCTs analysiert. Verum- gegen Scheinakupunktur ergab eine signifikante kurzzeitige Schmerzreduktion und verbesserte Funktionsfähigkeit bei relevanter Heterogenität. Langzeiteffekte waren klinisch irrelevant. Ähnlich waren die Ergebnisse beim Vergleich Verum-Akupunktur vs. Warteliste. Im Vergleich Exercise gegen Akupunktur zeigten sich vergleichbar gute Ergebnisse. Sicherheitsfragen wurden in 8 RCTs abgefragt, jedoch in allen Studien begrenzt und heterogen berichtet[189].
Die von Bjoerdal et al. (2007) analysierten 7 RCTs (4 Manuelle und 3 Elektro-Akupunktur) wurden sämtlich in den jüngeren Übersichtsarbeiten mit aufgenommen[190].
Bei Yamashita et al. (2006) wurde bei 12 RCTs die Sicherheit begutachtet[191]. Nur 7 RCTs (n=691) berichten Nebenwirkungen. Ernsthafte Ereignisse (gesamt n=117) wurden nicht festgestellt: Arthralgien, Knochenschmerz, Hämatome, Rückenschmerz, Joint-Lock-Blockade. Die Verteilung zwischen den Gruppen war ausgewogen.
Balneologie/Hydrotherapie
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.11: Aquatisches Training sollte bei Gonarthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Im Cochrane-Review von Bartels et al. (2007) wurden 6 RCTs (n=673 Patienten mit Gonarthrose und/oder Koxarthrose) eingeschlossen[192]. Der einzelne RCT (n=46) zu Gonarthrose allein fand einen großen, aber nicht-signifikanten Effekt auf Schmerz, nicht aber auf Steifigkeit und Gehfähigkeit zugunsten aquatischem Training im Vergleich zu Training an Land.
Der Review von Batterham et al. (2011) schloss 10 RCTs höherer Qualität (n=772) ein[193]. Lediglich 3 RCTs fokussierten ausschließlich auf Patienten mit Gonarthrose. Die Metaanalyse fand keine signifikanten Unterschiede zwischen Land-basiertem und aquatischem Training.
Waller et al. (2014) untersuchten in einem systematischen Review die Effektivität von Bewegungstherapie im Bewegungsbad. Outcomes waren Schmerz, Funktion, Steifheit, Lebensqualität[194]. 3 der 8 eingeschlossenen RCTs untersuchten ausschließlich Kniearthrose. Signifikante Effekte in Bezug auf Schmerz, Funktion, Steifheit und Lebensqualität für Bewegungstherapie im Wasser wurden nachgewiesen.
Im RCT von Lim et al. (2010) zum Vergleich von aquatischem Training, landbasiertem Training und keiner Intervention bei 75 adipösen Patienten mit Gonarthrose fand sich eine signifikant stärkere Schmerzreduktion nach aquatischem Training als nach landbasiertem Training und keiner Intervention[195]. Es fand sich eine signifikant stärkere Zunahme der Funktion nach aquatischem Training gegenüber keiner Intervention. Es wurden keine sicherheitsrelevanten Daten berichtet.
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.4: Die Datenlage zum Thema Balneotherapie muss insgesamt als heterogen bezeichnet werden. Eine eindeutige Aussage kann daher nicht getroffen werden. Die Anwendung der Balneotherapie ist insbesondere bei Patienten mit Komorbiditäten eine sinnvolle Therapie.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Zusammenfassung der Evidenz:
Hierzu liegen 5 systematische Übersichtsarbeiten vor. Eine Arbeit beschäftigt sich mit türkischen Heilbädern und erscheint in diesem Zusammenhang nicht relevant[196]. Die verbliebenen 4 systematischen Übersichtsarbeiten analysierten insgesamt 27 RCTs mit insgesamt 1.982 Patienten.
Harzy et al. (2009) schlossen 9 RCTs (n=493) zur Wirkung von Thermal-/Mineralbädern bei Gonarthrose ein[197]. Der Review fand Evidenz für positive Wirkungen auf Schmerz, Funktion und Schmerzmittelgebrauch. In den Studien traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf.
Der Cochrane-Review von Verhagen et al. (2008) schloss 7 RCTs von geringer methodischer Qualität mit insgesamt 498 Arthrose-Patienten (4 RCTs ausschließlich Kniearthrose) zu Balneo- oder Spa-Therapie ein[198]. Der Review fand kurzfristige Wirkungen von Mineralbädern auf Schmerz, Funktion, Lebensqualität und Schmerzmitteleinnahme, aber keine Wirkung bei anderen balneologischen Anwendungen. Keiner der RCTs berichtete sicherheitsrelevante Daten.
Zwei weitere RCTs mit insgesamt 531 Patienten liegen vor:
Fioravanti et al (2010) testeten Mineralbäder in Kombination mit Schlammpackungen gegen Routinebehandlung bei 80 Patienten mit Gonarthrose[199]. Es fanden sich signifikante kurz- und langfristige Verbesserungen von Schmerz, Funktion, Lebensqualität und Medikamentenkonsum. Nebenwirkungen waren geringfügig.
Forestier et al. (2009) verglichen in ihrem hochqualitativen RCT die Wirkung von Spa-Therapie (Massagen, Duschen, Schlamm- und Wasserbäder) mit der eines standardisierten, aber nicht supervidierten Sportprogramms bei 451 Patienten mit Gonarthrose[200]. Mittelfristig fand sich eine Überlegenheit der Spa-Therapie bei guter Tolerabilität.
Blutegel
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.12: Zur Blutegeltherapie bei Kniearthrose kann aufgrund der Studienlage keine Aussage gemacht werden.
87,5% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Es liegt 1 Metaanalyse von Lauche et al. (2014) vor, welche 3 höherwertige RCTs und eine nicht-randomisierte Studie (n=237) untersucht[201]. Die Arbeit fand starke Evidenz für Kurzzeit-Effekte auf Schmerz, Funktionsfähigkeit und Steifigkeit sowie moderate bis starke Evidenz für Langzeit-Effekte auf Schmerz und Steifigkeit. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf.
Abbas Zaidi et al. (2009) verglichen in einem methodisch guten RCT eine dreimalige Blutegelbehandlung, kombiniert mit einer traditionellen Unani-Arznei gegen die traditionelle Unani-Arznei allein in 40 Patienten mit Gonarthrose[202]. Es fanden sich signifikant größere positive Effekte nach Blutegeln in Bezug auf Schmerz, Steifigkeit und Funktion sowie auf den Bewegungsumfang und die Gehgeschwindigkeit. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse ein.
Homöopathie
Zur Homöopathie bei Kniearthrose kann aufgrund der Studienlage keine Aussage gemacht werden.
Der Review von Long und Ernst (2001) schloss 4 RCTs mit 406 Patienten ein[203]. Verschiedene Zubereitungen (Einzel- oder Komplexmittel) und Anwendungsarten (Injektion, oral, topisch) wurden verwendet. Meist zeigten die Homöopathika äquivalente oder überlegene Wirkungen im Vergleich zur Standardmedikation und/oder Überlegenheit im Vergleich zu Placebo. Die Studienqualität wurde zwar erhoben, aber nicht in die Bewertung einbezogen.
Phytotherapie oral
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.5: Die Datenlage zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Weihrauch ist derzeit nicht ausreichend, um eine Empfehlung abzugeben. Weihrauchpräparate sind in Deutschland nicht als Arzneimittel verfügbar.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
4 in Indien durchgeführte RCTs (n=220) zeigten positive Resultate bei Gonarthrose[129]. Die in diesen Studien untersuchten Weihrauch-Extrakte sind in Deutschland nicht als Arznei zugelassen und unterscheiden sich von den hier erhältlichen weihrauchhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM).
In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Weihrauchpräparaten, die nur als NEM angeboten werden und nicht dem Arzneimittelgesetz unterliegen. Zusammensetzung und Qualität der Präparate sind nicht standardisiert und können beträchtlich variieren. Damit gibt es keine Aussagen über Wirksamkeit und Sicherheit. NEM mit Weihrauch besitzen darüber hinaus keinen genehmigten Health Claim (http://ec.europa.eu/food/safety/labelling_nutrition/claims/register/public/?event=register.home).
Der Einsatz von Weihrauch in Form von NEM zur Behandlung einer Gonarthrose ist daher nicht ratsam (https://www.verbraucherzentrale.de/weihrauch).
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.6: Eine Aussage zu Ingwer[129][130][131], Kurkuma-Extrakt, Pycnogenol®[129][132], Piasclidine®, Phytodolor®[129][133] ist nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht möglich.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Phytotherapie topisch
DGOU-Gonarthrose-Statement 5.7: Folgende topische Phytotherapeutika können bei Kniearthrose angewendet werden: Beinwellextrakt-Gel. Eine Aussage zu Arnica-Gel ist nicht möglich.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.13: Weitere topische Phytotherapeutika sollten nicht bei Kniearthrose angewendet werden.
82% Zustimmung (Konsens)
Kommentar
Cameron et al. haben 2013 eine Cochrane-Übersichtsarbeit zu topisch anwendbaren Phytotherapeutika bei Arthrose verfasst[129].
7 Studien (n=785), hauptsächlich zu Kniearthrose, wurden aufgenommen. In der Analyse finden sich einzelne Studien zu Arnica montana (an der Hand), Symphytum officinale (Beinwell), Capsicum, Urtica dioca (bei Rhizarthrose), Marhame-Mafasel (Arnebia euchroma und Matricaria chamomilla) und chinesischen Kräuterpflastern. Die Evidenz ist schwach, die Verträglichkeit insgesamt gut.
Vorsichtige Empfehlungen gibt es zu Arnica-Gel, das in der aufgeführten Studie ebenso effektiv war wie NSAIDs bei weniger Nebenwirkungen. Eine klinisch relevante Schmerzlinderung bei Beinwellextrakt-Gel wird angenommen. Bei der einen Studie zu Capsicum gab es keine Besserung, die Konzentration von 0,0125% war vermutlich zu schwach. Die chinesischen Kräuterpflaster hatten verglichen mit Placebo keine Wirkung.
Schlammpackungen
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 5.14: Schlammpackungen können bei Kniearthrose angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Hierzu liegt 1 systematische Übersichtsarbeit von Espejo-Antúnez et al. (2013) mit insgesamt 20 Studien (n=1.862) vor und ergab insgesamt positive Evidenz für Schlammpackungen in Bezug auf Schmerz, Funktionsfähigkeit und Lebensqualität[204]. Die Studienqualität und Sicherheit wurden jedoch nur unzureichend analysiert und berichtet.
Es liegen 3 weitere kleine RCTs vor:
Espejo-Atúnez et al. (2013) (n=132) verglichen Schlammpackungen mit keiner Intervention[205]. Signifikante Gruppenunterschiede fanden sich in Bezug auf Schmerz, Medikamentenkonsum und Lebensqualität. Die Sicherheit der Intervention wurde nicht berichtet.
Sarsan et al. (2012) verglichen bei 27 Patienten Schlammpackungen mit heißen Wickeln und fanden signifikante Unterschiede in Bezug auf Schmerz, Steifigkeit, Funktion, Gehstrecke und Lebensqualität[206]. Die Sicherheit der Intervention wurde nicht berichtet.
Gungen et al. (2012) testeten Schlammpackungen im Vergleich zu Wärmeanwendungen (n=50)[207]. Nur die Schlammpackung wirkte positiv auf körperliche Aktivität, Schlaf, soziale Isolation, längerfristig auf die emotionalen Reaktionen, den Energielevel, auf Funktion und Gehdistanz.
Übersicht - Operative Therapie
Es soll hier insbesondere auf die zukünftige Leitlinie „Indikationsstellung zur Knie-Totalendoprothese“ (AWMF #033-052) verwiesen werden. Diese wird aktuell erstellt und bearbeitet die Indikation zur KTEP Implantation umfassend.
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.1: Die alleinige Arthroskopie mit Lavage und/oder Debridement kann bei klinisch und radiologisch gesicherter Gonarthrose nicht empfohlen werden[208][209][210][211].
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.2: Arthroskopische Meniskektomie und Entfernung freier Gelenkkörper können auch bei Vorliegen einer Gonarthrose sinnvoll sein.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.3: Arthroskopische Knorpelersatzverfahren können bei Gonarthrose nicht angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.4: Osteotomien (valgisierend oder varisierend) können bei Achsdeformitäten indiziert sein.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 6.1: Die Radiosynoviorthese (RSO) kann zur Schmerzreduktion bei Gonarthrose nach Ausschöpfen alternativer Therapieverfahren eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Gelenkersetzende Therapie
Unikondyläre Endoprothese
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.5: Bei isolierter medialer oder lateraler Gonarthrose kann die mediale oder laterale unikondyläre Endoprothese eine mittelfristig effektive therapeutische Option sein[212][213][214][215][216].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Patellofemorale Endoprothese
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.6: Bei isolierter patellofemoraler Gonarthrose kann die trochleare Endoprothese eine mittelfristig therapeutische Option sein[217]. Es existieren jedoch noch keine langfristigen Ergebnisse.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Ungekoppelte oder gekoppelte Totalendoprothese
DGOU-Gonarthrose-Statement 6.2: Bei fortgeschrittener Gonarthrose ist die Totalendoprothese eine langfristig effektive therapeutische Option[218][219].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Arthrodese
DGOU-Gonarthrose-Statement 6.3: Bei ausgedehntem Knochen- und Weichteildefekt und/oder Insuffizienz des Streckapparates ist die Arthrodese des Kniegelenkes eine therapeutische Option[220][221].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Gelenkerhaltende Therapie
Indikation
Die Indikation zur Operation ist eine individuelle Entscheidung. Sie muss gemeinsam mit dem Patienten, unter Berücksichtigung aller patientenspezifischen und krankheitsspezifischen Faktoren und auf Basis der derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse getroffen werden. Diese müssen dem Patienten in einer für ihn verständlichen Art und Weise dargelegt werden, um ihm eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.
In Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung und dem Leidensdruck des Patienten sollte die Operation erst erwogen werden, wenn die konservative Therapie die Schmerzfreiheit und Beweglichkeit nicht ausreichend wiederherstellen kann.
Wichtige patientenspezifische Faktoren
- Alter
- Aktivitätsgrad des Patienten
- Allgemeinzustand
- Begleiterkrankungen
- Andere Gelenkerkrankungen
- Leidensdruck des Patienten
- Compliance bzw. Adhärenz
- Arbeitssituation
- Soziales Umfeld
Wichtige krankheitsspezifische Faktoren
- Stadium der Erkrankung
- Zu erwartender natürlicher Verlauf der Erkrankung
- Funktionszustand des Gelenkes
- Voroperationen am Gelenk
Aufklärung
Der Patient muss in ausreichendem zeitlichem Abstand vor der Operation über deren Erfolgsaussichten, allgemeine und spezifische Komplikationen aufgeklärt werden, um für sich Nutzen und Risiko abwägen zu können.
Zu den allgemeinen Komplikationen gehören:
Hämatom, Wundheilungsstörung, Infektion, tiefe Beinvenenthrombose, Embolie, Gefäßverletzung, Nervenverletzung, Kompartmentsyndrom.
In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die S3-Leitlinie „Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)“ (AWMF-Registernummer: 003-001) verweisen.[222]
Operationsverfahren
Zu den gelenkerhaltenden Operationsverfahren gehören:
- Arthroskopische Lavage, Debridement
- Arthroskopische Meniskuschirurgie
- Arthroskopische Knorpelersatzverfahren
- Osteotomien
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.1: Die alleinige Arthroskopie mit Lavage und/oder Debridement kann bei klinisch und radiologisch gesicherter Gonarthrose nicht empfohlen werden[208][209][210][211].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
In verschiedenen Studien konnte kein Effekt eines arthroskopischen Debridements auf Schmerz und/oder Funktion im Vergleich zu Kontrolle gefunden werden[208][209][210][211]. Neben der fehlenden Wirkung besteht darüber hinaus das Operationsrisiko. Der gemeinsame Bundesausschuss hat daher mehrere Verfahren (u.a. Debridement, Lavage, Synovektomie, Meniskusresektion, Knorpelglättung, Entfernung freier Gelenkkörper) von der Erstattung durch die gesetzlichen Kassen ausgeschlossen. Der Patient sollte dennoch darüber aufgeklärt werden, dass im Einzelfall nach Ausschöpfen der konservativen Therapie auch ohne Vorliegen einer mechanischen Störung eine Arthroskopie mit Debridement und/oder Lavage eine Therapieoption ist. Auf die reduzierten Erfolgschancen einer Arthroskopie bei Gonarthrose ist hinzuweisen.
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.2: Arthroskopische Meniskektomie und Entfernung freier Gelenkkörper können auch bei Vorliegen einer Gonarthrose sinnvoll sein.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Liegen zusätzlich mechanisch bedingte Symptome einer Meniskusläsion oder eines freien Gelenkkörpers vor, kann eine Arthroskopie zur Beschwerdebesserung beitragen[223][224][225].
In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die Leitlinie Meniskuserkrankungen der DGOOC (AWMF #033-006) verweisen. [226]
Obwohl die arthroskopische Resektion von freien Gelenkkörpern und die Meniskusresektion bei Gonarthrose aus dem Leistungskatalog herausgenommen wurden (s. DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.1), kann bei Vorliegen von „mechanischen Symptomen“ eine Indikation zur Arthroskopie bestehen. Leider ist der Begriff „mechanische Symptome“ nicht eindeutig definiert. Eine Studie konnte zeigen, dass die subjektive Wahrnehmung von mechanischen Symptomen von Patienten kein guter Prädiktor für den Erfolg einer Arthroskopie darstellt[225]. Es ist daher notwendig, „mechanische Symptome“ z.B. in Form von Blockaden anamnestisch, in der klinischen Untersuchung und in der Bildgebung darzustellen. Eine Indikation zur Arthroskopie besteht dann, wenn die Meniskussymptome im Vergleich zu den Symptomen der Gonarthrose im Vordergrund stehen und eine konservative Therapie über Monate keinen Erfolg gebracht hat[223][224].
Zu den spezifischen Komplikationen einer Arthroskopie gehören:
- intraartikuläre Verletzung
- Beschwerdepersistenz
- Rezidiv
- Ergussbildung
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.3: Arthroskopische Knorpelersatzverfahren können bei Gonarthrose nicht angewendet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Knorpelersatztechniken wie Microfrakturierung, Pridie-Bohrung, autologe Knorpelzelltransplantation, osteochondraler Transfer und Mosaikplastik sind bei der Gonarthrose nicht indiziert. Dies gilt umso mehr, je höher der Grad der Schädigung ist. Es kann jedoch sinnvoll sein, in frühen Stadien der Arthrose („Early Osteoarthritis“/„Früharthrose“)[227] eine regenerative Knorpeltherapie einzusetzen, wenn es sich um fokale Defekte handelt. Die fokale Früharthrose kann dabei von der diffusen klinisch und radiologisch gesicherten Gonarthrose getrennt werden. Es konnte gezeigt werden, dass bei der fokalen Früharthrose regenerative Maßnahmen effektiv sind, jedoch das Versagensrisiko im Vergleich zu traumatischen Defekten verdoppelt ist (z.B. Knorpelzelltransplantation 6%, fokal traumatisch 13%)[228][229].
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.4: Osteotomien (valgisierend oder varisierend) können bei Achsdeformitäten indiziert sein.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Bei vorbestehender extraartikulärer Deformität und medial (lateral) betonter Varus-(Valgus‑)Gonarthrose ist die valgisierende (varisierende) Tibiakopfosteotomie (Femurosteotomie) eine mittelfristig effektive therapeutische Option vor allem für jüngere Patienten[212][213][230][231].
Zu den spezifischen Komplikationen gehören:
- Pseudarthrose
- Beinachsabweichung
- Beschwerdepersistenz
- Fraktur
DGOU-Gonarthrose-Statement 6.1: Die Radiosynoviorthese (RSO) kann zur Schmerzreduktion bei Gonarthrose nach Ausschöpfen alternativer Therapieverfahren eingesetzt werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Im Stadium der aktivierten Gonarthrose kann durch eine Radiosynoviorthese (RSO) eine Schmerzreduktion erzielt werden. Ein intraartikulär injiziertes radioaktives Präparat führt über eine lokalisierte Bestrahlung der Synovialis zu einer Entzündungshemmung. Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin[232] sehen die Indikation bei rezidivierenden Synovialitiden, wie z.B. bei einer aktivierten Gonarthrose. Bei 69–78% der Patienten zeigt sich ein positiver Effekt[233], die Erfolgsaussicht verringert sich jedoch bei fortgeschrittener Arthrose. Aus den verfügbaren Daten haben jedoch die European League Against Rheumatism (EULAR) und die Osteoarthritis Research Society International (OARSI) keine Empfehlung zur Therapie der Osteoarthrose abgeleitet. In einer Analyse der Komplikationen nach RSO[234] fanden die Autoren neben einer nur geringen Schmerzreduktion eine erhöhte Rate an Komplikationen in Form von Osteonekrosen (19 von 93 Patienten) und Infektionen (5 von 93 Patienten).
Gelenkersetzende Therapie
Zu den gelenkersetzenden Operationsverfahren gehören:
- Unikondyläre Endoprothese
- Patellofemorale Endoprothese
- Ungekoppelte oder gekoppelte Totalendoprothese
- Arthrodese
Im Falle des Gelenkersatzes muss die Indikation besonders kritisch gestellt werden, da die Resektion der Gelenkoberflächen unumkehrbar ist und in Abhängigkeit vom Alter des Patienten bei der Primärimplantation Wechseloperationen notwendig werden können.
Beim endoprothetischen Gelenkersatz werden die zerstörten Gelenkanteile entfernt und durch künstliche Gelenkteile ersetzt. Dadurch werden je nach Literatur bei 80% der operierten Patienten Schmerzbefreiung und eine Verbesserung der Funktion des Kniegelenkes erreicht. Der Operationserfolg kann nicht vorhergesagt werden. In 15–20% der operierten Patienten verbleiben Schmerzen, Funktionseinbußen und eine Unzufriedenheit der Patienten. Die Prädiktoren sind Schweregrad der Arthrose, präoperative Funktion, Begleiterkrankungen wie z.B. Depression, Diabetes oder auch Voroperationen des Kniegelenkes. Auch soziale Faktoren wie z.B. das Leben in einer festen Partnerschaft haben einen Einfluss auf das Outcome.
Allgemeine Indikationskriterien
Die Indikation zu einem Gelenkersatz darf in der Regel nur bei einer fortgeschrittenen Arthrose des Kniegelenkes (Grad 3 und 4 nach K&L) oder Osteonekrose gestellt werden. Bei geringeren Schweregraden muss eine konservative Therapie von mindestens 6 Monaten ohne ausreichenden Erfolg geblieben sein. Im Zweifel sollte eine Zweitmeinung eines erfahrenen Kniechirurgen (Endoprothesenzentrum) eingeholt werden.
Ätiologie der Arthrose, Stadium der Erkrankung, bisheriger Verlauf (konservative Therapie kann die Funktion, Lebensqualität und Schmerzen nicht ausreichend verbessern):
- Schmerzen, Leidensdruck
- Andere Gelenkerkrankungen
- Alter, Allgemeinzustand und Begleitkrankheiten
- Adhärenz, Arbeitssituation, Aktivitätsgrad des Patienten
Unikondyläre Endoprothese
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.5: Bei isolierter medialer oder lateraler Gonarthrose kann die mediale oder laterale unikondyläre Endoprothese eine mittelfristig effektive therapeutische Option sein[212][213][214][215][216].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Zu den spezifischen Komplikationen gehören:
- Lockerung
- Progression der Arthrose in den anderen Gelenkanteilen
- Beschwerdepersistenz
- Onlayluxation bei mobilen Onlays
- Fraktur
Patellofemorale Endoprothese
DGOU-Gonarthrose-Empfehlung 6.6: Bei isolierter patellofemoraler Gonarthrose kann die trochleare Endoprothese eine mittelfristig therapeutische Option sein[217]. Es existieren jedoch noch keine langfristigen Ergebnisse.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Zu den spezifischen Komplikationen gehören:
Ungekoppelte oder gekoppelte Totalendoprothese
DGOU-Gonarthrose-Statement 6.2: Bei fortgeschrittener Gonarthrose ist die Totalendoprothese eine langfristig effektive therapeutische Option[218][219].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Ein klinischer Unterschied zwischen Totalendoprothese mit und ohne Patellarückflächenersatz konnte bisher nicht nachgewiesen werden, allerdings ist die Revisionsrate ohne Patellaersatz höher[235][236]. Die etwas höhere Revisionsrate in den Registerdaten muss jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da bei persistierenden Beschwerden der sekundäre Retropatellarersatz leichter indiziert wird als andere Revisionen.
Mit Hilfe der chirurgischen Navigation kann die Anzahl der Beinachsabweichungen verringert werden, langfristig bessere klinische Ergebnisse konnten bisher nicht nachgewiesen werden[237][238][239][240].
Mit Hilfe der minimalinvasiven Operationstechnik kann die Frührehabilitation des Patienten beschleunigt werden, mittel- und langfristig bessere klinische Ergebnisse konnten bisher nicht nachgewiesen werden[241][242][243][244][245].
Die Verwendung von mittels CT oder MRT angefertigten patientenspezifischen Instrumenten führt zu keiner relevanten Verringerung der Operationsdauer; klinisch verbesserte Ergebnisse konnten bisher nicht nachgewiesen werden[246][247][248][249][250]. Für patientenspezifische, individuell angefertigte Endoprothesen gibt es bisher keine Daten, die eine gleichwertige oder bessere Funktion im Vergleich zu etablierten Endoprothesen zeigen. Die Anwendung sollte deshalb nur im Rahmen von Studien und bei besonderen anatomischen Bedingungen erfolgen, jedoch nicht in der Routineversorgung.
Die Endoprothese kann zementiert oder zementfrei implantiert werden. Für die Tibiakomponente haben sich erhöhte Revisionsraten bei zementfreier Implantation gezeigt.
Bei Allergie gegen Prothesenbestandteile können beschichtete oder keramische Prothesen implantiert werden. Ein patientenspezifischer Nutzen konnte dafür aber bislang nicht nachgewiesen werden. Die Verwendung einer Standardprothese ist deshalb ebenfalls möglich, muss jedoch mit dem Patienten besprochen werden.
Zu den spezifischen Komplikationen gehören:
- Lockerung
- Instabilität
- persistierende Bewegungseinschränkung
- Fehlpositionierung der Prothesenkomponenten mit Rotations- und Beinachsfehler
- Beinachsabweichung
- Beschwerdepersistenz
- Fraktur
- Onlayluxation bei mobilen Onlays
- Funktionseinschränkung durch Arthrofibrose
Arthrodese
DGOU-Gonarthrose-Statement 6.3: Bei ausgedehntem Knochen- und Weichteildefekt und/oder Insuffizienz des Streckapparates ist die Arthrodese des Kniegelenkes eine therapeutische Option[220][221].
100% Zustimmung (starker Konsens)
Planung und Kontrolle der Prothese
Die präoperative Vorbereitung und Planung des chirurgischen Eingriffs beugt intraoperativen Komplikationen vor, verkürzt die Operationszeit und hilft, das Ergebnis zu verbessern.
Zu präoperativen Maßnahmen gehören:
- Wahl der Anästhesieform und ggf. internistische Abklärung
- Röntgenaufnahmen: Ganzbeinstandaufnahme, Kniegelenk a.p. und seitlich mit Referenzkugel oder Maßstab zur Planung, Patella axial
- Wahl und Bereitstellung der Implantate, Bereitstellung eventuell benötigter Reserveimplantate bei intraoperativem Weichteil- oder Knochenschaden
- Narben aus Voroperationen beachten
- Intraoperative Röntgenkontrollmöglichkeit
- Thromboseprophylaxe, Infektionsprophylaxe, blutsparende Maßnahmen
Zu postoperativen Maßnahmen gehören:
- Postoperative Röntgenkontrolle
- Adäquate Schmerztherapie
- Hochlagerung, Schwellungsprophylaxe
- Frühzeitige Mobilisierung, Physiotherapie
- Aufklärung über Belastbarkeit und Verhalten mit Knieprothese, Notwendigkeit klinischer und röntgenologischer Kontrollen
Postoperative Kontrolle der Prothese:
Zur Beurteilung der korrekten Lage und Größe der Endoprothese dienen klinische und radiologische Kriterien:
- Stabilität des Gelenkes in Streckung und Beugung (sog. Midflexion) und 90° Beugung
- Bewegungsumfang
- Klinische Achsverhältnisse
- Radiologische Achsverhältnisse
- Prothesengröße femoral und tibial
- Prothesen-Offset femoral und ventral (overstuffing)
- Patellastand, Gelenklinie
- Prothesenslope tibial
Übersicht - Outcome
Outcome
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.1: Die Durchführung einer Umstellungsosteotomie als auch die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese bei Patienten mit Gonarthrose kann häufig zu einer Verbesserung der Funktion im Vergleich zum präoperativen Zustand führen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.2: Die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese bei Patienten mit Gonarthrose kann zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.3: Die Durchführung einer Umstellungsosteotomie als auch die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese bei Patienten mit Gonarthrose kann häufig zu einer Schmerzreduktion im Vergleich zum präoperativen Zustand führen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.4: Für Knie-TEP kann zu 95% mit einer Haltbarkeit von 10 Jahren gerechnet werden. Für unikondyläre Endoprothesen sollte mit einer höheren Revisionsrate gerechnet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Outcome
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.1: Die Durchführung einer Umstellungsosteotomie als auch die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese bei Patienten mit Gonarthrose kann häufig zu einer Verbesserung der Funktion im Vergleich zum präoperativen Zustand führen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die Ergebnisse eines aktuellen systematischen Reviews zeigen, dass eine Umstellungsosteotomie bei Personen mit Gonarthrose des medialen Kompartments die Funktion verbessern kann[251]. Ein Unterschied zwischen verschiedenen Operationsverfahren konnte nicht gezeigt werden, ebenso wenig wie eine Überlegenheit gegenüber alternativen Behandlungsmaßnahmen (z.B. unikondyläre Endoprothesen oder nicht-operative Behandlungen).
Die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese kann zu einer Verbesserung der Funktion im Vergleich zum präoperativen Zustand führen[218][252][253]. Unikondyläre Endoprothesen scheinen in Bezug auf die Verbesserung der Funktion gegenüber Knie-TEP überlegen zu sein, jedoch ist dieser Effekt nicht statistisch signifikant[254].
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.2: Die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese bei Patienten mit Gonarthrose kann zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die Ergebnisse eines systematischen Reviews prospektiver Kohortenstudien zeigen eine Verbesserung der Lebensqualität nach Implantation einer Knie-TEP bei Personen mit Gonarthrose[218]. Auch neuere Ergebnisse aus prospektiven Kohortenstudien sowie Registerstudien zeigen, dass die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese die Lebensqualität von Personen mit Gonarthrose steigern kann. Verbesserungen der Lebensqualität konnten zum Zeitpunkt von bspw. 6 Monaten[253] und 12 Monaten[252][254] gezeigt werden.
Evidenz aus prospektiv randomisierten Studien in Bezug auf eine mögliche Verbesserung der Lebensqualität durch die Implantation einer Knie-TEP liegt derzeit nicht vor[255][256].
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.3: Die Durchführung einer Umstellungsosteotomie als auch die Implantation einer Knie-TEP oder unikondylären Endoprothese bei Patienten mit Gonarthrose kann häufig zu einer Schmerzreduktion im Vergleich zum präoperativen Zustand führen.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Die Ergebnisse eines aktuellen systematischen Reviews zeigen, dass eine Umstellungsosteotomie bei Personen mit Gonarthrose des medialen Kompartments Schmerzen verringern kann[251]. Ein Unterschied zwischen verschiedenen Operationsverfahren konnte nicht gezeigt werden, ebenso wenig wie eine Überlegenheit gegenüber alternativen Behandlungsmaßnahmen (z.B. unikondyläre Endoprothesen oder nicht-operative Behandlungen).
Die Implantation einer Knie-TEP kann zu einer Verringerung von Schmerzen im Vergleich zum präoperativen Zustand führen[252][253]. In Bezug auf eine Schmerzreduktion scheint kein Unterschied zwischen unikondylären Endoprothesen und Knie-TEP zu bestehen[214].
DGOU-Gonarthrose-Statement 7.4: Für Knie-TEP kann zu 95% mit einer Haltbarkeit von 10 Jahren gerechnet werden. Für unikondyläre Endoprothesen sollte mit einer höheren Revisionsrate gerechnet werden.
100% Zustimmung (starker Konsens)
Kommentar
Nach einer Umstellungsosteotomie sind die Ergebnisse in der Literatur sehr variabel. Die Rate der Konvertierung zu einer Knie-TEP beträgt zwischen 10% und 50% nach 10 Jahren. Einflussfaktoren sind Alter, Geschlecht, BMI und der Arthrosegrad.
Für Knie-TEP finden sich übereinstimmend in der Literatur und den Endoprothesenregistern Revisionsraten von etwa 4–5% nach 10 Jahren[219][257][258][259] und etwa 6–8% nach 14–15 Jahren[257][258][259]. Einflussfaktoren auf die Revisionsrate sind v.a. das Alter und die zugrundeliegende Diagnose[219][257][259].
Für unikondyläre Endoprothesen muss mit einer höheren Revisionsrate von 10–15% nach 10 Jahren gerechnet werden[257][258][259].
Komplikationen
Thromboseprophylaxe ist sinnvoll, um Komplikationen nach Knieprothese-Implantationen zu vermeiden. Treten dennoch Frühkomplikationen auf, ist es wichtig, zunächst Infektion oder Instabilität auszuschließen; bei Spätkomplikationen die aseptische Lockerung.
Gefäß- und Nervenverletzungen stellen vergleichsweise seltene intraoperative Komplikationen dar. Die Häufigkeit einer Verletzung der A. poplitea wird mit 0,03 bis 0,05% angegeben.
Nervenirritationen treten mit einer Häufigkeit von 0 bis 3,5% auf und sind meistens nur temporärer Natur. Intraoperative Frakturen (<1%) und Bandverletzungen (<1%) beruhen meistens auf technischen Fehlern.
Tiefe Beinvenenthrombosen nach Knieendoprothesenimplantation gelten als häufige perioperative Komplikationen (ohne Thromboseprophylaxe bis zu 47%). Hingegen stellen Fettembolien vergleichsweise seltene Komplikationen dar (<1%).
Die Häufigkeit von postoperativen Wundheilungsstörungen wird in der Literatur mit bis zu 20% angegeben, allerdings gilt in diesem Fall auch schon die postoperative Rötung im Wundbereich als Wundheilungsstörung Grad 0. Periprothetische Infektionen treten in einer Häufigkeit von 2–3% auf, wobei die tatsächliche Häufigkeit aufgrund von nicht erkannten Low-Grade-Infektionen höher sein dürfte[260][261][262][263]. Defekte des Streckapparates kommen in bis zu 3% der Fälle vor (Quadrizepssehne, Patellafraktur, Ruptur Ligament jeweils bis zu 1%).
Die 10-Jahres-Standzeiten nach endoprothetischer Versorgung des Kniegelenkes sind mit 92 bis 96% sehr gut. Die aseptische Lockerung stellt die häufigste Spätkomplikation dar (22–41%). Es folgen die Instabilität (18–30%), die periprothetische Infektion (10-38%), der Polyethylenabrieb (7–25%) und das Malalignement (6–21%). Bei den Frühkomplikationen innerhalb der ersten fünf Jahre nach Implantation sind die Infektion (27%) und die Instabilität (24%) die führenden Komplikationen.
Abkürzungsverzeichnis
ACR | American College of Rheumatology |
AMG | Arzneimittelgesetz |
ASES | Arthritis Self-Efficacy Scale |
ASS | Acetylsalicylsäure |
BG | Berufsgenossenschaft |
BMI | Body-Mass-Index |
BMRC | British Medical Research Council |
BWSTT | body-weight-support treadmill training |
COX | Cyclooxygenase |
CT | Computertomographie |
DGUV | Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung |
D-Arzt | Durchgangsarzt |
ESCAPE | Enabling Self-Management and Coping of Arthritic Knee Pain Through Exercise |
ESCEO | The European Society for Clinical and Economic Aspects of Osteoporosis, Osteoarthritis and Musculoskeletal Diseases |
EULAR | European League Against Rheumatism |
ExBeliefs | exercise-related health beliefs and self-efficacy questionnaire |
FBWTT | full-body-weight-support treadmill training |
FRT | functional reach test |
GAIT | Glucosamine/Chondroitin Arthritis Intervention Trial |
ggf. | gegebenenfalls |
Glucosamin | Glucosaminsulfat + Glucosamin-Hydrochlorid |
HA | Hyaluronsäure |
HADS | Hospital Anxiety and Depression Scale |
ICD | International Classification of Diseases |
ICRS | International Cartilage Research Society |
IKDC | International Knee Documentation Committee Subjective Knee Evaluation Form |
JKOM | Japanese Knee Osteoarthritis Measure |
KOOS | Knee injury and Osteoarthritis Outcome Score |
LLLT | low-level laser therapy |
MACTAR | McMaster Toronto Arthritis Questionnaire |
MIRE | monochromatic infrared energy therapy |
MRT | Magnet-Resonanz-Tomographie |
MVC | maximum voluntary contraction |
MWT | minute walk test |
NEM | Nahrungsergänzungsmittel |
NICE | National Institute for Health and Care Excellence |
NIH | National Institute of Health |
NMES | Neuromuskuläre elektrische Stimulation |
NSAR | Nichtsteroidale Antirheumatika |
OA | Osteoarthritis |
OARSI | Osteoarthritis Research Society International |
PCST | pain coping skills training |
PPI | Protonenpumpeninhibitor |
PRP | plättchen- bzw. thrombozytenreiches Plasma |
RCT | Randomized controlled trials |
ROM | range-of-motion |
RSO | Radiosynoviorthese |
SSRI | Selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor |
SYSADOA | SYmptomatic Slow Acting Drugs in OsteoArthritis |
TENS | transkutane elektrische Nervenstimulation |
TEP | Total-Endoprothese |
TFG | Transfusionsgesetz |
VAS | Visuelle Analog-Skala |
WHO | World Health Organisation |
WHOQOL-BREF | World Health Organization Quality of Life-brief version |
WOMAC | Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index |