Hepatischer Hydrothorax und hepatopulmonales Syndrom
Einleitung
Diagnose des hepatischen Hydrothorax
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.1: Zur initialen Darstellung des Hydrothorax sollte eine Röntgen-Thorax-Aufnahme oder eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.2: Sowohl bei Erstdiagnose als auch bei klinischer Verschlechterung soll eine Pleurapunktion bei relevantem Erguss erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.3: Die Punktion sollte sonographisch assistiert durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.4: Im Pleurapunktat sollten die Zellzahl, nach Möglichkeit mit Zelldifferenzierung, der pH-Wert und das Gesamteiweiß im Pleuraerguss bestimmt sowie bei Infektverdacht eine mikrobiologische Kultur angelegt werden.
Empfehlung, Konsens
Therapie des (rezidivierenden) hepatischen Hydrothorax
DGVS-Leberzirrhose-Statement 5.5: Die Behandlung des klinisch relevanten hepatischen Hydrothorax unterscheidet sich nicht von der Standardtherapie bei Aszites.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.6: Aufgrund der geringeren Komplikationsrate sollte ein symptomatischer Hydrothorax zuerst – sofern Aszites vorhanden – mittels therapeutischer, abdomineller Parazentese, bei weiter bestehenden Symptomen mittels therapeutischer Thorakozentese behandelt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.7: Das Volumen des drainierten Pleurapunktats sollte 1,5–2 l/Punktion nicht überschreiten, eine Volumensubstitution ist nicht notwendig.
Empfehlung, starker Konsens
Bei wiederholter Thorakozentese kann ein getunneltes Drainagesystem palliativ oder als Überbrückung bis zur Lebertransplantation eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kontinuierlich drainierende Systeme sollten wegen vermehrt auftretender renaler und septischer Komplikationen vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
Falls doch eine Thoraxdrainage notwendig wird, kann eine intravenöse Albumingabe (6–8 g/Liter Pleuraerguss) durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.8: Bei rezidivierendem hepatischem Hydrothorax sollte die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) erwogen werden.
Empfehlung, starke Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.9: Bei Kontraindikationen für eine TIPS-Anlage kann eine Video-assistierte Thorakoskopie mit Pleurodese und/oder Verschluss erkennbarer Läsionen des Zwerchfells erwogen werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Statement 5.10: Ein hepatischer Hydrothorax stellt keine Kontraindikation für eine Lebertransplantation dar.
Starker Konsens
Diagnostik und Therapie des spontan bakteriellen Empyems (SBEM)
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.11: Bei Verdacht auf ein SBEM oder bei klinischer Verschlechterung des Patienten sollte eine diagnostische Pleurapunktion unter sterilen Bedingungen mit Bestimmung des pH-Werts und der Zellzahl/-differenzierung sowie einer Gramfärbung und Beimpfung von Kulturflaschen durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.12: Die medikamentöse Standardtherapie beim SBEM kann analog zur Standardtherapie bei einer SBP erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.13: Bei hohem Komplikationsrisiko (nachweisbarem Eiter oder gekammertem Erguss) kann das SBEM mittels kontinuierlicher Thoraxdrainage unter Albuminsubstitution behandelt werden, falls notwendig zusätzlich mittels lokaler Fibrinolyse oder Video-assistierter Thorakoskopie (VATS).
Empfehlung offen, starker Konsens
Diagnostik des hepatopulmonalen Syndroms
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.14: Als Screening-Test für moderate und schwere Verlaufsformen des hepatopulmonalen Syndroms eignet sich die Pulsoxymetrie (Sättigung <96%), die bei Patienten in der Vorbereitung auf eine Lebertransplantation durchgeführt werden soll.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.15: Bei Verdacht auf ein hepatopulmonales Syndrom (Dyspnoe, Sättigung <96%) soll neben dem Nachweis einer Lebererkrankung oder portalen Hypertension eine arterielle Blutgasanalyse (Kriterium altersabhängiger AaDO2) und eine Kontrastmittel-Echokardiographie (Kriterium intrapulmonaler Shunt) durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.16: Bei pulmonalen Begleiterkrankungen kann eine MAA-Lungenszintigraphie zur Quantifizierung des intrapulmonalen Shunts erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.17: Der Schweregrad des hepatopulmonalen Syndroms soll mittels arterieller Blutgasanalyse (Kriterium PaO2) bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Therapie des hepatopulmonalen Syndroms
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.18: Die Lebertransplantation stellt die einzig etablierte Therapie des hepatopulmonalen Syndroms dar. Alle geeigneten Patienten mit einem PaO2 <60 mmHg sollen hierfür evaluiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.19: Zur symptomatischen Behandlung der Hypoxie soll eine Sauerstofftherapie erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Einleitung
Grundsätzlich können pathophysiologisch pulmonale Beeinträchtigungen bei Leberkranken folgendermaßen unterteilt werden:
- Pulmonalvaskuläre Erkrankungen (hepatopulmonales Syndrom, portopulmonale Hypertonie)
- Veränderungen des Lungenparenchyms (COPD, interstitielle Lungenerkrankungen etc.)
- Extrapulmonale Beeinträchtigung der Ventilation (Aszites, hepatischer Hydrothorax)
Im Rahmen der vorliegenden Leitlinie werden neben dem Aszites der hepatische Hydrothorax und das hepatopulmonale Syndrom behandelt. Für Diagnose und Therapie anderer pulmonaler Erkrankungen wie der portopulmonalen Hypertonie wird auf die entsprechenden Leitlinien der verantwortlichen Fachgesellschaften verwiesen[1].
Diagnose des hepatischen Hydrothorax
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.1: Zur initialen Darstellung des Hydrothorax sollte eine Röntgen-Thorax-Aufnahme oder eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.2: Sowohl bei Erstdiagnose als auch bei klinischer Verschlechterung soll eine Pleurapunktion bei relevantem Erguss erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.3: Die Punktion sollte sonographisch assistiert durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.4: Im Pleurapunktat sollten die Zellzahl, nach Möglichkeit mit Zelldifferenzierung, der pH-Wert und das Gesamteiweiß im Pleuraerguss bestimmt sowie bei Infektverdacht eine mikrobiologische Kultur angelegt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Als hepatischer Hydrothorax werden Pleuratranssudate bei Patienten mit Leberzirrhose und/oder portaler Hypertension nach Ausschluss einer primären Herz- oder Lungenerkrankung definiert[2]. Ca. 4–15% der Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose entwickeln einen Hydrothorax[3][4]. In der bisher größten Untersuchung konnte mittels Computertomographie bei 49 (4,7%) von 1.038 Patienten ein hepatischer Pleuraerguss nachgewiesen werden, in der Mehrzahl der Fälle rechtsseitig (70%), seltener bilateral (18%) oder linksseitig (12%)[4] Pathophysiologisch beruht der Hydrothorax auf denselben Mechanismen wie der Aszites[5][6]. Bei den meisten Patienten mit Hydrothorax lassen sich mikro- und makroskopisch Zwerchfellläsionen nachweisen[7]. Die derzeit favorisierte Hypothese zur Pathogenese geht daher von einer transdiaphragmalen Passage der Flüssigkeit aus dem Peritoneal- in den Pleuraraum entweder über Zwerchfelldefekte oder über Lymphgefäße aus. Typischerweise finden sich bei den Patienten daher gleichzeitig Aszites und Hydrothorax, ein isoliertes Auftreten eines hepatischen Hydrothorax ist aber aufgrund des negativen intrathorakalen Drucks möglich[8].
Die führenden klinischen Symptome des hepatischen Hydrothorax sind Dyspnoe in Ruhe (34%) oder nach Belastung (7%) sowie nicht-produktiver Husten (22%)[3]. Weiterhin klagen Patienten über Schwindel (11%), Pleuraschmerz (8%) und Müdigkeit als Folge der Hypoxämie (7%). Differentialdiagnostisch müssen andere Komplikationen der Zirrhose wie das hepatopulmonale Syndrom und die porto-pulmonale Hypertonie ebenso in Betracht gezogen werden wie nicht-hepatische Erkrankungen, z.B. Herzinsuffizienz, Tuberkulose, Bronchialkarzinom oder parapneumonischer Pleuraerguss[9][10].
Zur initialen Darstellung des Pleuraergusses eignet sich neben dem Röntgen-Thorax die Sonographie[11]. Zusätzlich sollte bei jedem Patienten sowohl bei Erstdiagnose als auch bei Wiedervorstellung eine diagnostische Pleurapunktion durchgeführt werden, um 1) andere Erkrankungen und 2) eine Infektion (Empyem) auszuschließen[3][10]. Häufige Komplikationen diagnostischer Pleurapunktionen sind der Pneumothorax (1,0–5,2%), Blutungen (<1%) und vasovagale Reaktionen (<1%)[11][12]. Dabei konnte in einer 2010 publizierten Meta-Analyse nachgewiesen werden, dass die sonographische Kontrolle der Punktionsstelle die Inzidenz eines Interventions-assoziierten Pneumothorax signifikant senkt (odds ratio 0,3)[11]. Eine andere Studie zeigte, dass Blutungen auch bei moderaten Gerinnungsstörungen (INR <3, Thrombozyten ≥25.000/mm3) nicht vermehrt auftraten; eine prophylaktische Substitution von Blutprodukten (Thrombozytenkonzentrate, „fresh frozen Plasma“ (FFP), Gerinnungsfaktoren) wurde daher bei diesen Patienten nicht empfohlen[12]. Da für Punktionen bei ausgeprägten Gerinnungsstörungen (INR >3, Thrombozyten <25.000/mm3) jedoch keine auswertbaren Publikationen vorliegen, muss unter diesen Umständen eine entsprechende Substitution erwogen werden.
Die Diagnose eines hepatischen Hydrothorax basiert auf dem Nachweis eines Transsudats unter gleichzeitigem Ausschluss einer primären renalen, kardialen oder pneumologischen Erkrankung. Die Punktion dient zuvorderst dem Ausschluss einer Infektion sowie der Unterscheidung zwischen Transsudat und Exsudat. Folgende Parameter sollten daher aus dem Pleurapunktat bestimmt und mit den entsprechenden Werten im Serum verglichen werden: Zellzahl/-differenzierung sowie Eiweiß- oder Albuminkonzentration. Der hepatische Hydrothorax ist gekennzeichnet durch eine Gesamtzellzahl segmentkerniger Granulozyten <250 pro mm3, eine totale Proteinkonzentration kleiner 2,5 g/dl und einen Albumingradienten >1,1 g/dl zwischen Serum und Pleuraflüssigkeit bzw. einen Albuminquotient (Pleura/Serum) <0,6 (Sensitivität 87%, Spezifität 92%)[13][14]. Weitere optionale Parameter sind ein Proteinquotient <0,5 (Pleura/Serum), ein LDH(Lactatdehydrogenase)-Gradient <0,6 (Pleura/Serum) sowie vergleichbare Werte für pH und Glucose in Serum und Pleuraflüssigkeit. Im Falle eines Transsudats müssen schließlich für die Diagnose hepatischer Hydrothorax noch eine renale und eine kardiale Ursache (Echo, Kreatinin-/Eiweißausscheidung im Urin) sowie eine Lungenembolie klinisch/laborchemisch, ggf. auch durch weitere diagnostische Verfahren, ausgeschlossen werden. Bei einem Exsudat muss eine Differentialdiagnose zwischen spontan bakteriellem Empyem und anderen Erkrankungen erfolgen[15].
In unklaren Fällen – insbesondere bei linksseitigem/isoliert auftretendem Pleuraerguss – oder bei spezifischer klinischer Fragestellung kann zusätzlich nach einer Verbindung zwischen Peritoneal- und Pleuraraum gesucht werden. Die Datenlage zu den einzelnen Verfahren ist aber insgesamt unbefriedigend und stützt sich lediglich auf Fallserien, eine Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden. Am besten untersucht ist die szintigraphische Darstellung des Übertritts von radiomarkiertem Albumin nach intraperitonealer Applikation mit einer Spezifität bis 100% bei einer Sensitivität von 70%, die jedoch durch vorherige Pleurapunktion zur Reduktion des intrapleuralen Drucks erhöht werden kann[16][17]. Eine potentielle Alternative bietet sich mit Doppler- und Kontrastmittelsonografie an. Die verfügbaren Einzelfallberichte lassen aber eine Einschätzung der Sensitivität und Spezifität dieser Methoden noch nicht zu[18][19]. Der direkte Nachweis eines makroskopisch sichtbaren diaphragmalen Defekts durch Thorakoskopie mit/ohne Einsatz von Farbstoffen sollte dagegen aufgrund seiner hohen Invasivität der Vorbereitung eines therapeutischen Eingriffs vorbehalten bleiben[7].
Therapie des (rezidivierenden) hepatischen Hydrothorax
DGVS-Leberzirrhose-Statement 5.5: Die Behandlung des klinisch relevanten hepatischen Hydrothorax unterscheidet sich nicht von der Standardtherapie bei Aszites.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.6: Aufgrund der geringeren Komplikationsrate sollte ein symptomatischer Hydrothorax zuerst – sofern Aszites vorhanden – mittels therapeutischer, abdomineller Parazentese, bei weiter bestehenden Symptomen mittels therapeutischer Thorakozentese behandelt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.7: Das Volumen des drainierten Pleurapunktats sollte 1,5–2 l/Punktion nicht überschreiten, eine Volumensubstitution ist nicht notwendig.
Empfehlung, starker Konsens
Bei wiederholter Thorakozentese kann ein getunneltes Drainagesystem palliativ oder als Überbrückung bis zur Lebertransplantation eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kontinuierlich drainierende Systeme sollten wegen vermehrt auftretender renaler und septischer Komplikationen vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
Falls doch eine Thoraxdrainage notwendig wird, kann eine intravenöse Albumingabe (6–8 g/Liter Pleuraerguss) durchgeführt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.8: Bei rezidivierendem hepatischem Hydrothorax sollte die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) erwogen werden.
Empfehlung, starke Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.9: Bei Kontraindikationen für eine TIPS-Anlage kann eine Video-assistierte Thorakoskopie mit Pleurodese und/oder Verschluss erkennbarer Läsionen des Zwerchfells erwogen werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Statement 5.10: Ein hepatischer Hydrothorax stellt keine Kontraindikation für eine Lebertransplantation dar.
Starker Konsens
Kommentar
Da dem hepatischen Aszites und dem hepatischen Hydrothorax gemeinsame pathogenetische Mechanismen zugrunde liegen, können die Prinzipien der Standardtherapie eines Aszites auf den hepatischen Hydrothorax übertragen werden, auch ohne dass spezifische Untersuchungen hierzu vorliegen[6]. Aufgrund der anatomischen Begrenzung können bereits bei geringer Flüssigkeitsmenge im Pleuraraum Symptome wie Dyspnoe, nicht-produktiver Husten, Schmerzen oder Müdigkeit durch Hypoxämie auftreten[3]. In Fallberichten wurde auch über respiratorisches Versagen und Spannungshydrothorax mit kardialem Versagen berichtet[20]. Laut neuerer Studien ist ein hepatischer Hydrothorax daher mit einer höheren Morbidität und Mortalität assoziiert als Aszites alleine[21]. Der hepatische Hydrothorax stellt somit grundsätzlich eine behandlungsbedürftige Erkrankung dar, eine Therapie sollte in jedem Fall unter Berücksichtigung von Nutzen, Risiken und Kontraindikationen evaluiert werden. Die Standardtherapie richtet sich nach den Therapieprinzipien und Kontraindikationen der Standardtherapie bei Aszites.
Da eine therapeutische Parazentese häufig zu einer Besserung der Symptome führt[22] und therapeutische Thorakozentesen mit einer höheren Komplikationsrate einhergehen[23], sollte bei symptomatischem Hydrothorax zuerst eine Parazentese durchgeführt werden. Bei weiterbestehenden Symptomen kann kurzfristig eine Besserung durch Thorakozentesen erreicht werden. Das Risiko insbesondere eines Pneumothorax erhöht sich aber bei Patienten mit Leberzirrhose mit jeder Wiederholung. So steigt die Komplikationsrate von 7,7% bei der ersten auf 34,7% bei der vierten Thorakozentese an[23].
Die bisher gültige Empfehlung, das Volumen des drainierten Pleurapunktats auf 1,5–2 l/Punktion zu beschränken, stützt sich auf wenige Fallberichte über Reexpansions-Lungenödeme bei großvolumigen Thorakozentesen[24]. Andere Komplikationen wie renale Dysfunktion, Elektrolyt-Verschiebungen und Infektionen wurden jedoch in dieser Studie nicht untersucht, treten aber bei 80% der Patienten mit Leberzirrhose nach Anlage einer kontinuierlichen Thoraxdrainage wegen des Verlusts großer Flüssigkeitsmengen auf[25][26]. Die interventionsassoziierte Mortalität innerhalb des stationären Aufenthaltes (Median acht Tage) nach Anlage der Thoraxdrainage erreichte in einer Serie 16% bei Child-B- und 40% bei Child-C-Patienten. Getunnelte Drainagesysteme scheinen dagegen aufgrund der kontrollierten Entnahme geringerer Volumina keine renalen Komplikationen hervorzurufen und sind lediglich mit einem höheren Infektionsrisiko behaftet[27]. In den bisher publizierten kleinen Fallstudien konnte sogar bei 30–60% der Patienten eine spontanen Pleurodese nach drei bis vier Monaten erreicht und der Katheter entfernt werden[27][28]. Aufgrund der derzeitigen Datenlage muss daher eine Beschränkung des drainierten Ergussvolumens empfohlen werden, eine Volumensubstitution scheint dann nicht notwendig. Wird eine kontinuierliche Thoraxdrainage verwendet, sollten analog zum Vorgehen bei Aszites 6–8 g Albumin pro Liter entferntem Pleuraerguss substituiert werden. Getunnelte Drainagesysteme können die Komplikationsrate wiederholter Thorakozentesen reduzieren, sollten aber aufgrund fehlender Langzeitdaten nur palliativ oder zur Überbrückung bis zur Lebertransplantation eingesetzt werden.
Als Therapie der Wahl eines rezidivierenden hepatischen Hydrothorax muss derzeit die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) angesehen werden, die kausal die portale Hypertension als pathogenetische Ursache des Hydrothorax beseitigt[29] Zwar beruhen die publizierten Daten auf einer Reihe von unkontrollierten Fallserien, umfassen aber das bisher größte Kollektiv behandelter Patienten[30][31][32][33][34][35]. 2015 fasste eine Meta-Analyse die sechs qualitativ besten Studien mit insgesamt 198 Patienten zusammen[36]. Bei 56% der Patienten zeigte sich ein komplettes Therapieansprechen, bei 18% ein partielles. Die frühe Letalität innerhalb von 45 Tagen lag bei 18%, die Gesamtmortalität bei50 % bei einem durchschnittlichen Nachverfolgungszeitraum zwischen sechs und 14 Monaten. Prädiktive Indikatoren der Mortalität waren wie bei anderen Indikationen zur TIPS-Anlage Alter, Child-Pugh- oder MELD-Score, renale Dysfunktion und TIPS-Versagen. Trotz häufiger Rechtsinsuffizienz bei Patienten mit hepatischem Hydrothorax[13] wurde dagegen ein pulmonales Versagen post-TIPS nur vereinzelt beschrieben.
Je nach Fallserie sind jedoch Kontraindikationen für die TIPS-Anlage häufig, teils erfüllen nur 15% der Patienten die entsprechenden Voraussetzungen[3]. Alternativ wurde daher in einer Reihe von Fallberichten bzw. Fallserien die Pleurodese mittels sklerosierender Substanzen untersucht. Problematisch ist dabei, dass ein standardisiertes Verfahren hierfür derzeit fehlt. Aufgrund eher enttäuschender Erfolgsraten wird heutzutage die Applikation via therapeutischer Video-assistierter Thorakoskopie (VATS) der Applikation via Thoraxdrainage vorgezogen[37][38][39][40]. Weitere Variablen sind unterschiedliche sklerosierende Substanzen (Talkum, OK-432, Pikibanil, Minozyklin), ein Naht- oder plastischer Verschluss erkennbarer Läsionen des Zwerchfells, die prä- oder peri-operative Parazentese, der Einsatz splanchnischer Vasokonstriktoren (Somatostatin, Octreotid) sowie die postoperative Beatmung mit Überdruck (CPAP) zur Reduktion des intrathorakalen Unterdrucks[41][42][43]. In zwei Meta-Analysen mit 189 bzw. 180 Patienten zeigte sich eine initiale Erfolgsrate von 70–75% bei jedoch hoher Rückfallquote von 25%[44][45]. Wegen der hohen Invasivität der Methode und der anschließenden kontinuierlichen Thoraxdrainage treten Komplikationen in bis zu 80% der Fälle auf, insbesondere Infektionen wie Empyeme und renales Versagen tragen zu der hohen Gesamtletalität von 20–30% bei.
Einzig kurative Methode zur Behandlung sowohl des hepatischen Hydrothorax als auch der zugrunde liegenden Leberinsuffizienz stellt die Lebertransplantation dar, jedoch wird der Hydrothorax trotz der erhöhten Mortalität[21] in den bisherigen Allokationsmodellen nicht berücksichtigt und kann daher nicht als alleinige Indikation zur Transplantation herangezogen werden. Während aber in früheren Untersuchungen der hepatische Hydrothorax keinen Einfluss auf das postoperative Management oder die langfristige Überlebensrate (70% nach fünf Jahren) nach Lebertransplantation zeigte[46][47], berichtete eine asiatische Gruppe in einer neueren Publikation über eine höhere Rate an postoperativen Infektionen und eine Dreijahresüberlebensrate von lediglich 60%[48].
Diagnostik und Therapie des spontan bakteriellen Empyems (SBEM)
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.11: Bei Verdacht auf ein SBEM oder bei klinischer Verschlechterung des Patienten sollte eine diagnostische Pleurapunktion unter sterilen Bedingungen mit Bestimmung des pH-Werts und der Zellzahl/-differenzierung sowie einer Gramfärbung und Beimpfung von Kulturflaschen durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.12: Die medikamentöse Standardtherapie beim SBEM kann analog zur Standardtherapie bei einer SBP erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.13: Bei hohem Komplikationsrisiko (nachweisbarem Eiter oder gekammertem Erguss) kann das SBEM mittels kontinuierlicher Thoraxdrainage unter Albuminsubstitution behandelt werden, falls notwendig zusätzlich mittels lokaler Fibrinolyse oder Video-assistierter Thorakoskopie (VATS).
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Das spontan bakterielle Empyem (SBEM) ist eine spezifische Komplikation des hepatischen Hydrothorax und setzt eine bakterielle Infektion, aber nicht notwendigerweise einen eitrigen Pleuraerguss voraus[15]. Risikofaktoren für die Entwicklung eines SBEM sind eine schlechte Leberfunktion, niedrige Eiweiß- und Albuminkonzentrationen in Serum und/oder Pleuraflüssigkeit sowie eine bereits vorliegende spontan bakterielle Peritonitis (SBP)[49][50]. Inzidenz (13–30%) und Letalität (20–38%) sind vergleichbar mit Inzidenz und Letalität einer SBP[51][52][53]. Da sich auch das Keimspektrum (E. coli, Klebsiellen, Streptokokken und Enterokokken) bei beiden Erkrankungen und die pathophysiologischen Eigenschaften der intraperitonealen und -pleuralen Flüssigkeiten ähneln, wird bei dem SBEM ein ähnlicher pathogenetischer Mechanismus mit bakterieller Translokation wie bei der SBP vermutet[15]. Patienten mit SBEM leiden häufig unter unspezifischen Symptomen (Fieber, Enzephalopathie, hepatorenale Dekompensation), eine diagnostische Pleurapunktion unabhängig von einer diagnostischen Aszitespunktion wird daher sowohl bei Erstdiagnose eines Pleuraergusses als auch bei klinischer Verschlechterung des Patienten empfohlen. Da eigenständige Daten fehlen, erfolgt die Diagnostik des SBEM üblicherweise analog zur SBP und beinhaltet die Bestimmung der Granulozyten im Pleurapunktat sowie den mikrobiologischen kulturellen Nachweis der Erreger, der jedoch nur in 2/3 der Fälle gelingt[49][50]. Eine Granulozyten-Konzentration über 250/μl verbunden mit einem positiven Erregernachweis bzw. eine Granulozyten-Konzentration von über 500/μl verbunden mit einem negativen Erregernachweis gelten als diagnostisch für das Vorliegen eines SBEM. Die Verwendung von Teststreifen für Leukozytenesterase als Schnelltest kann aufgrund der geringen Datenlage nicht empfohlen werden[53].
Auch die Basistherapie wird analog zur SBP mittels intravenöser Gabe eines Cephalosporins der 3. Generation für mindestens sieben bis zehn Tage sowie Albumin-Substitution durchgeführt[54]. Je nach lokaler Resistenzlage muss das verwendete Antibiotika-Regime jedoch insbesondere bei nosokomialen Infektionen angepasst werden, da das initiale Therapieversagen der Antibiose neben der Aufnahme auf der Intensivstation und der Leberfunktion gemessen am MELD-Score als unabhängige Risikofaktoren für die Letalität bei SBEM gelten[54]. Im Gegensatz zum komplizierten parapneumonischen Erguss der ambulant erworbenen Pneumonie[55] stellt das nicht-eitrige SBEM bei hepatischem Hydrothorax aufgrund der hohen peri-interventionellen Komplikations- und Rezidivrate noch keine Indikation zur kontinuierlichen Thoraxdrainage dar[15]. Lediglich das eitrige SBEM sollte analog zum Pleuraempyem (trüber bis eitriger Erguss, pH-Wert <7,2) entsprechend den aktuellen Leitlinien invasiv mittels Thoraxdrainage, ggf. unterstützt durch lokale Fibrinolyse (Streptokinase) oder VATS bei gekammertem Erguss, behandelt werden[55]. Abweichend von der angesprochenen Leitlinie sollte jedoch die Thoraxdrainage bei Patienten mit Leberzirrhose wegen der damit verbundenen Morbidität und Mortalität (renale Dysfunktion, Elektrolyt-Verschiebungen) mit einer Volumensubstitution mittels Albumin- und Elektrolytlösungen kombiniert werden[25][26]. Eine Kontrolle des Therapieerfolges durch eine diagnostische Pleurapunktion sollte in jedem Fall vor Beendigung der Antibiose erfolgen. Für eine antibiotische Sekundär-Prophylaxe wie bei der SBP liegen keine Daten vor, eine Empfehlung kann daher nicht gegeben werden.
Diagnostik des hepatopulmonalen Syndroms
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.14: Als Screening-Test für moderate und schwere Verlaufsformen des hepatopulmonalen Syndroms eignet sich die Pulsoxymetrie (Sättigung <96%), die bei Patienten in der Vorbereitung auf eine Lebertransplantation durchgeführt werden soll.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.15: Bei Verdacht auf ein hepatopulmonales Syndrom (Dyspnoe, Sättigung <96%) soll neben dem Nachweis einer Lebererkrankung oder portalen Hypertension eine arterielle Blutgasanalyse (Kriterium altersabhängiger AaDO2) und eine Kontrastmittel-Echokardiographie (Kriterium intrapulmonaler Shunt) durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.16: Bei pulmonalen Begleiterkrankungen kann eine MAA-Lungenszintigraphie zur Quantifizierung des intrapulmonalen Shunts erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.17: Der Schweregrad des hepatopulmonalen Syndroms soll mittels arterieller Blutgasanalyse (Kriterium PaO2) bestimmt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Das hepatopulmonale Syndrom (HPS) gehört zu den pulmonalvaskulären Erkrankungen und ist definiert als Gasaustauschstörung infolge einer intrapulmonalen Gefäßweitstellung bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung, portaler Hypertension oder portosystemischer Shuntbildung[56]. Die meisten klinischen Daten liegen für die Leberzirrhose vor, das HPS wurde aber auch bei akuten Lebererkrankungen wie der ischämischen oder viralen Hepatitis, bei der idiopathischen portalen Hypertension oder bei Pfortaderthrombosen und dem Budd-Chiari-Syndrom beschrieben[57][58]. Eine isolierte intrapulmonale vaskuläre Gefäßdilatation lässt sich dabei bereits bei 50–60% der Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose nachweisen, meist jedoch ohne Einfluss auf die arterielle Oxygenierung[59][60]. Ein HPS mit Gasaustauschstörung ist seltener mit einer Prävalenz von 5–30% bei fortgeschrittener Leberzirrhose abhängig von genetischen und sozialen Faktoren mit der höchsten Erkrankungsrate bei Kaukasiern und einer niedrigen Inzidenz bei Rauchern[61]. Pathophysiologisch entsteht das manifeste HPS bei fehlender arterieller Oxygenierung durch Veränderungen der pulmonalen Gefäße. Dabei spielen sowohl die Dilatation vorhandener Gefäße durch vasoaktive Substanzen wie Stickstoff- oder Kohlenmonoxid als auch eine pulmonale Neoangiogenese eine Rolle, die schließlich zu einem Ventilations-Perfusions-Missverhältnis mit gesteigerter Lungendurchblutung bei gleichbleibender alveolärer Ventilation führen. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich eine alveolokapilläre Diffusionslimitierung sowie ein ausgeprägter Rechts-Links-Shunt, die schließlich die Hypoxie verursachen[56][62].
Klinisch zeichnet sich das HPS durch eine – mit der Schwere der Erkrankung zunehmende – Dyspnoe aus, die bei der Hälfte der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose insbesondere nachts symptomatisch wird und bei 20% bereits zur chronischen Hypoxie mit Uhrglasnägeln, Trommelschlegelfingern und Zyanose führt[61][63]. Bei 25–30% der Patienten findet sich bei prädominanter Gefäßdilatation in den basalen Lungenabschnitten eine Platypnoe (verstärkte Atemnot im Sitzen, welche sich im Liegen bessert) oder Orthodeoxie (Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks (PaO2) beim Lagewechsel von liegender in die sitzende Position), die jedoch beide nicht spezifisch für das HPS sind[64]. Der Schweregrad eines hepatopulmonalen Syndroms wird anhand des arteriellen PaO2 bestimmt und in mild (PaO2 ≥80 mmHG), moderat (PaO2 = 60–79 mmHG), schwer (PaO2 = 50–59 mmHG) und sehr schwer (PaO2 <50 mmHG) unterteilt[56]. Auch extrapulmonale Komplikationen eines manifesten Rechts-Links-Shunt wie zerebrale Abszesse, intrakranielle Blutungen und eine Polyzythämie wurden bereits beschrieben, haben aber keinen Einfluss auf den Schweregrad[65]. Differentialdiagnostisch müssen neben den pulmonalen Komplikationen der Leberzirrhose wie hepatischer Hydrothorax und portopulmonale Hypertonie vor allem kardiale und pulmonale Ursachen der Dyspnoe ausgeschlossen werden, die jedoch auch als Begleiterkrankung die Symptomatik zusätzlich beeinflussen können[65].
Aufgrund der häufig asymptomatischen Patienten wird derzeit als kostengünstiger Screening-Test die Pulsoxymetrie mit einem Cut-off von 96% Sättigung bei Raumluft favorisiert, die bei Kandidaten für eine Lebertransplantation eine Hypoxämie mit einem Sauerstoffpartialdruck (PaO2) <70 mmHg (Meereshöhe) mit einer Sensitivität von 100% und mit einem PaO2 <60 mmHg (Meereshöhe) mit einer Spezifität von 88% identifiziert[66]. Der Test wird insbesondere für Patienten in der Vorbereitung zur Transplantation empfohlen, da entsprechende Patienten in vielen Ländern inklusive Deutschland einen Sonderstatus (Standard-Exceptions) bei der Organallokation erhalten[67].
Die Diagnose eines hepatopulmonalen Syndroms basiert auf der Trias Lebererkrankung bzw. portale Hypertension/portosystemischer Shunt, Gasaustauschstörung und intrapulmonale Gefäßdilatation[56]. Nach der Diagnose einer entsprechenden Lebererkrankung sollte daher die alveoläre Gasaustauschstörung entsprechend der derzeitig festgelegten Kriterien mittels arterieller Blutgasanalyse nachgewiesen werden[56][67]. Eine erhöhte alveolar-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2) ≥15 mmHg in einem Alter ≤64 Jahren bzw. ≥20 mmHg in einem Alter >64 Jahren gilt als diagnostisch und wurde kürzlich in einer Kohorte von 194 Zirrhosepatienten validiert[68]. Die Blutabnahme sollte bei sitzendem Patienten in Ruhe unter Raumluft erfolgen, die obligatorische Lungenfunktionstestung maximal geringe Veränderungen zeigen. Als Goldstandard zum Nachweis einer intrapulmonalen Gefäßdilatation gilt schließlich die transthorakale Kontrastmittel-Echokardiographie[56][59][67]. Hierfür wird ein normalerweise nicht-lungengängiges Ultraschall-Kontrastmittel – derzeit empfohlen ist eine aufgeschüttelte 0,9%ige Kochsalzlösung – peripher-venös injiziert und der funktionelle Shunt über die dilatierten Lungengefäße durch die Detektion des Kontrastmittels im linken Herzen verifiziert. Intrakardiale können dabei von intrapulmonalen Shunts zeitlich anhand des Kontrastmittelübertritts von rechtem zum linkem Herzen unterschieden werden, typischerweise ein bis zwei Herzschläge bei intrakardialen und zwei bis fünf Herzschläge bei intrapulmonalen pathologischen Veränderungen[69]. Zwar gilt die transösophageale Kontrastmittel-Echokardiographie als sensitiver für milde Verläufe des HPS, jedoch sollte diese wegen der höheren Invasivität nur bei eingeschränkter transthorakaler Beurteilbarkeit der Untersuchung zur Anwendung kommen[70].
Eine alternative Methode zur Darstellung intrapulmonaler Shunts ist die Lungenperfusions-Szintigraphie mittels 99mTechnetium-makroaggregiertem Humanalbumin (MAA) und basiert auf demselben Prinzip wie die Kontrastmittel-Echokardiographie[71]. Nach Injektion können die MAA-Partikel aufgrund ihrer Größe nur bei einem Rechts-Links-Shunt die Lunge passieren und extrapulmonal in Gehirn, Milz oder Nieren nachgewiesen werden. Vorteil der Methode ist die Möglichkeit, das Ausmaß des Shunts zu quantifizieren und bei pulmonalen Begleiterkrankungen die Relevanz des HPS für die Hypoxie nachzuweisen[72][73]. Gegen den Test spricht die wesentlich geringere Sensitivität verglichen mit der Kontrastmittel-Echokardiographie, auch konnte die bisher postulierte Korrelation mit der Prognose nicht bewiesen werden[74]. Eine intrapulmonale Vasodilatation lässt sich schließlich auch radiologisch mittels Computertomographie oder spezifischer invasiv mittels pulmonaler Arteriographie darstellen[72][75]. Hierbei lassen sich diffuse (HPS Typ I) von fokalen (HPS Typ II) Shunts differenzieren. Aufgrund der hohen Invasivität und sonst mangelnder Konsequenz sollte die Methode jedoch der Vorbereitung einer Embolisation vorbehalten bleiben[76].
Therapie des hepatopulmonalen Syndroms
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.18: Die Lebertransplantation stellt die einzig etablierte Therapie des hepatopulmonalen Syndroms dar. Alle geeigneten Patienten mit einem PaO2 <60 mmHg sollen hierfür evaluiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 5.19: Zur symptomatischen Behandlung der Hypoxie soll eine Sauerstofftherapie erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Studienlage zur Prognose des HPS ist widersprüchlich, neuere Studien zeigen keinen Einfluss der Erkrankung auf die Mortalität, solange der Schweregrad nicht berücksichtigt wird[72][77]. Im Gegensatz dazu steigt die Morbidität und Mortalität der Patienten in Studien mit vorwiegend moderatem oder schwerem HPS mit einem Fünfjahresüberleben unter 25% unabhängig von der Schwere der Lebererkrankung[61][78][79]. In einer der Studien konnte zusätzlich ein Progress der Erkrankung mit einem durchschnittlichen Abfall des PaO2 um 5 mmHg/Jahr nachgewiesen werden[78]. Das HPS stellt daher laut derzeitiger Empfehlungen grundsätzlich eine behandlungsbedürftige Erkrankung dar, eine Therapie sollte in jedem Fall unter Berücksichtigung von Nutzen, Risiken und Kontraindikationen evaluiert und symptom- bzw. stadienorientiert erfolgen[56][72].
Trotz einer Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen und Präparaten sind die Ergebnisse für eine konservative Behandlung des HPS enttäuschend und beruhen lediglich auf einzelnen Fallberichten[65][77]. Es existiert daher derzeit keine etablierte medikamentöse Therapie[67]. Lediglich eine symptomatische Behandlung der Hypoxie bei einer Sauerstoffsättigung unter 88% sollte analog zu anderen Lungenerkrankungen erfolgen[67]. Auch die Effektivität einer invasiven Senkung der portalen Hypertension mittels eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) ist umstritten, eine Empfehlung kann auf Grundlage der derzeitigen Evidenz nicht gegeben werden[67][80]. Die chirurgische oder angiographische Sanierung porto-systemischer Shunts mittels Ligatur, Embolisation oder Cavoplasty zeigte dagegen in nicht-zirrhotischen Patienten mit portaler Hypertension oder Budd-Chiari-Syndrom eine Besserung des HPS in mehreren Fallserien und kann bei entsprechender Konstellation erwogen werden[58]. Ebenso konnte in kleinen Fallserien ein palliativer Effekt einer Embolisation der intrapulmonalen Shunts demonstriert werden, für eine Empfehlung reicht aber die Datenlage derzeit noch nicht aus[81].
Einzig kurative Methode zur Behandlung sowohl des HPS als auch der zugrunde liegenden Leberinsuffizienz stellt die Lebertransplantation dar, die stadienabhängig in den meisten Fällen innerhalb von sechs bis zwölf Monaten zu einer kompletten Revision der Erkrankung führt[82]. Aufgrund der hohen, von der Leberfunktion unabhängigen Mortalität der Patienten mit schwerem oder sehr schwerem HPS erhalten Kandidaten für die Lebertransplantation mit einem PaO2 <60 mmHg einen Sonderstatus bei der Organallokation, um die Wartezeit anzupassen[67]. Zwar werden diese schwerkranken Patienten aufgrund der pulmonalen Veränderungen als Hochrisiko für die Operation eingestuft, jedoch konnte ein verbessertes perioperatives Management diesen Nachteil in neueren Publikationen ausgleichen[83].
Diagnostik der hepatischen Enzephalopathie (HE)
Einleitung
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.1: Patienten mit einer Leberzirrhose sollen bei Erstdiagnose sowie im Verlauf auf Symptome einer manifesten HE klinisch beurteilt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.2: Bei Patienten mit Zirrhose ohne klinische Anzeichen einer HE sollte eine Testung auf das Vorliegen einer minimalen HE (mHE) erwogen werden.
Empfehlung, Konsens
Differentialdiagnosen und auslösende Faktoren einer HE
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.3: Für die Diagnosestellung einer HE sollen bei Patienten mit Zirrhose wichtige Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden (siehe DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.1).
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.4: Bei Nachweis einer HE soll nach auslösenden Faktoren gesucht werden (siehe DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1)
Starke Empfehlung, starker Konsens
Diagnostische Verfahren und Klassifikationen
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.5: Eine manifeste HE soll klinisch anhand der West-Haven-Kriterien diagnostiziert und klassifiziert werden.
Starke Empfehlung, Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.6: Zur Diagnostik einer cHE sollten neurophysiologische oder psychometrische Tests durchgeführt werden.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.7: Für die Beurteilung der mHE sollten bevorzugt die kritische Flimmerfrequenzanalyse (CFF) und/oder der vollständig durchgeführte Psychometric Hepatic Encephalopathy Score (PHES) eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.8: Eine Bestimmung des Plasma-Ammoniaks sollte nicht routinemäßig erfolgen.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.9: Bildgebende Verfahren wie z.B. MRT oder CT sollten in der differentialdiagnostischen Abgrenzung bei unklarer neurologisch-psychiatrischer Symptomatik Anwendung finden.
Empfehlung, Starker Konsens
HE und Fahrtauglichkeit
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.10: Ein Beratungsgespräch sollte mit dem Patienten mit Zirrhose und HE über die Konsequenzen der Diagnose (u.a. im Hinblick auf eine negative Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit) geführt werden.
Empfehlung, Starker Konsens
Einleitung
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.1: Patienten mit einer Leberzirrhose sollen bei Erstdiagnose sowie im Verlauf auf Symptome einer manifesten HE klinisch beurteilt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die hepatische Enzephalopathie (HE) ist die Summe aller Störungen des Zentralnervensystems, die als Komplikation akuter oder chronischer Lebererkrankungen und/oder portosystemischer Kollateralkreisläufe auftreten können[84][85][86][87][88]. Der Gegenstand dieser Leitlinie ist die HE bei Leberzirrhose, welche durch eine zunehmende psychomotorische Verlangsamung bis hin zum Koma gekennzeichnet ist und ein breites Spektrum sehr variabel auftretender intellektueller, emotionaler, kognitiver, psychischer und motorischer Störungen umfasst[84][87].
Pathophysiologisch liegt der HE eine reduzierte Kapazität der zirrhotischen Leber zur Ammoniakentgiftung zu Grunde. Entzündungsmediatoren, reaktive Sauerstoff- und Stickstoff-Spezies führen zu RNA-Oxidation, Astrozytenseneszenz, Genexpressions-Veränderungen und Proteinmodifikationen[89][90][91][92]. Daraus resultiert ein geringgradiges chronisches Gliaödem, welches eine Dysfunktion der Astroglia und gestörte glioneuronale Kommunikation zur Folge hat. Auf neurophysiologischer Ebene ist die HE durch ein abnormes, niederfrequentes Kopplungsverhalten zentraler Neurone und peripherer Motoneurone gekennzeichnet, welches eine Erklärung für die zahlreichen unterschiedlichen kognitiven und motorischen Störungen darstellt[93][94][95][96][97][98][99][100].
Die Prävalenz einer klinisch manifesten HE zum Zeitpunkt der Diagnosestellung einer Leberzirrhose liegt zwischen 10 und 21%[101][102][103]. Die kumulative Prävalenz einer manifesten HE bei Patienten mit Zirrhose liegt bei ca. 30–45%[84][104][105] und ist mit zahlreichen negativen Auswirkungen im täglichen Leben verbunden[105]. Diese umfassen u.a. eine reduzierte Fahrtauglichkeit[106][107][108][109] sowie verschiedenste Defizite in Bezug auf die Arbeits- und intellektuelle Leistungsfähigkeit[84][87][105][110][111]. Jepsen et al. konnten zeigen, dass 45% der Patienten mit HE innerhalb von einem Monat, 64% innerhalb eines Jahres und 85% innerhalb von fünf Jahren verstarben[103]. Das Vorliegen einer HE ist somit ein starker Prädiktor für die Mortalität[103][112][113]. Entgegen der früher postulierten obligaten Reversibilität der HE konnte inzwischen gezeigt werden, dass HE-Episoden nach einer initialen Verbesserung möglicherweise mit persistierenden und sich langsam akkumulierenden Defiziten in Bereichen des Arbeitsgedächtnisses und des Lernens verbunden sind und zu einer progressiven neurologischen Degeneration führen können[114][115].
Aufgrund der Häufigkeit und prognostischen Bedeutung sollte bei jeder stationären Aufnahme eines Patienten mit Zirrhose im Krankenhaus sowie im ambulanten Bereich bei entsprechender Klinik (z.B. erhöhte Tagesmüdigkeit, Konzentrationsdefizite) eine Untersuchung auf HE durchgeführt werden, auch im Verlauf der Erkrankung eine regelmäßige Re-Evaluation der HE erfolgen und eine Therapieindikation je nach Befund immer wieder geprüft werden[84][85][86][87][88].
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.2: Bei Patienten mit Zirrhose ohne klinische Anzeichen einer HE sollte eine Testung auf das Vorliegen einer minimalen HE (mHE) erwogen werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Bei 20–85% der klinisch unauffälligen Patienten mit Leberzirrhose lassen sich Hinweise auf kognitive Dysfunktionen feststellen[84][85][86][87][88][101][102][103][104][105][116]. Diese minimale HE (mHE) definiert sich somit als ein klinisch unauffälliger neurologischer Zustand, aber mit nachweisbaren Auffälligkeiten in apparativen und psychometrischen Tests[84][85][86][87][88][117][118][119][120][121]. Die mHE ist über den pathologischen Ausfall eines psychometrischen Tests definiert, d.h. der Test zur Diagnose des Syndroms definiert auch gleichzeitig die Erkrankung. Die mHE kann jedoch ein Prädiktor für die Ausbildung einer manifesten HE sein und ist häufig mit einer Reduktion der Lebensqualität verbunden[102][122][123][124][125][126][127][128][129]. Bei Patienten mit einer mHE kommt es im Vergleich zu Patienten ohne mHE häufiger zu Episoden einer manifesten HE (nach drei Jahren 46% vs. 21%)[112]. Zu den negativen Auswirkungen zählen auch Einschränkungen der Fahrtauglichkeit[106][107][108][109].
Eine Detektion und Behandlung der mHE kann der Entwicklung einer manifesten HE vorbeugen[102]. In die Entscheidungsfindung zur Durchführung einer HE-Diagnostik sollten neben der gezielten Frage nach Ereignissen wie z.B. Stürzen und Verkehrsunfällen Fremdbeobachtungen von Familienangehörigen (z.B. Verwahrlosungstendenz, Persönlichkeitsveränderungen) sowie das soziale und berufliche Umfeld einbezogen werden (Abb. 6.1 ). Auch bei neurologisch-psychiatrisch unauffälligen Patienten sollte aufgrund der weitreichenden Konsequenzen und der gut belegten Defizite z.B. beim Führen eines Kraftfahrzeuges, bedingt bereits durch eine mHE, bei entsprechender Berufsanamnese ein Screening veranlasst werden.
Abb. 6.1. Algorithmus zur Diagnostik der hepatischen Enzephalopathie (HE)
Differentialdiagnosen und auslösende Faktoren einer HE
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.3: Für die Diagnosestellung einer HE sollen bei Patienten mit Zirrhose wichtige Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden (siehe DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.1).
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Symptome einer HE sind unspezifisch. Dementsprechend stellt die HE eine Ausschlussdiagnose dar. Differentialdiagnostisch müssen daher vor Diagnosestellung einer HE andere neurologisch-psychiatrische Störungen im Gefolge oder auch unabhängig von einer Leberzirrhose soweit möglich ausgeschlossen werden (siehe DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.1)[88][130].
DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.1: Wichtige Differentialdiagnosen, welche vor der Diagnose einer HE ausgeschlossen werden müssen (adaptiert nach[88][130]).
Differentialdiagnosen | Beispiele |
---|---|
Entgleisung bei Diabetes mellitus | Hypo-, Hyperglykämie, Ketoazidose, Laktatazidose |
Elektrolytstörungen | Hyponatriämie, Hypercalcämie |
Infektionen | Neuroinfektionen und septische Enzephalopathie |
Alkohol-, Drogen-, Mischintoxikation | Benzodiazepine, Neuroleptika, Opioide |
Neurologische Erkrankungen | Epilepsie, Wernicke-Enzephalopathie |
Strukturelle zerebrale Ursachen | Blutungen, Raumforderungen |
Psychiatrische Erkrankungen | Dementielle Syndrome, Psychose |
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.4: Bei Nachweis einer HE soll nach auslösenden Faktoren gesucht werden (siehe DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1)
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Zahlreiche Faktoren können z.B. über die Induktion von inflammatorischen Zytokinen oder Veränderungen der Elektrolyte ein Gliaödem auslösen oder verschlechtern. Die Identifizierung und umgehende Therapie dieser präzipitierenden Trigger ist eine wichtige therapeutische Maßnahme und wird im Therapiekapitel eingehend kommentiert[87][88][130] (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1).
Diagnostische Verfahren und Klassifikationen
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.5: Eine manifeste HE soll klinisch anhand der West-Haven-Kriterien diagnostiziert und klassifiziert werden.
Starke Empfehlung, Starker Konsens
Kommentar
Eine klinische Graduierung des Schweregrades der HE ist mithilfe der West-Haven-Kriterien möglich, welche das am häufigsten angewandte Graduierungssystem zur Beurteilung der HE bei Patienten mit Leberzirrhose darstellen und sich durch hohe Praktikabilität im klinischen Alltag auszeichnen[84][85][86][87][88][117][131] (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.2).
Die West-Haven-Kriterien ermöglichen eine Graduierung von Veränderungen des Bewusstseins, der intellektuellen Funktionen und des Verhaltens anhand der Schwere der einzelnen Symptome in einem kategorialen Klassifikationsschema von HE Grad 1 bis 4 (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.2). Patienten mit Grad 1 der HE zeigen gering ausgeprägte, klinisch manifeste Symptome wie verringerte kognitive Leistungen, eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und Beeinträchtigungen der Additions-/Subtraktionsfähigkeit während in Grad 2 der HE Lethargie, Verwirrtheit, unangemessenes Verhalten, Flapping Tremor sowie eine verwaschene Sprache dominieren. Bei HE >Grad 3 treten zusätzlich Somnolenz (nur noch Fluchtreflexe, fehlender vestibulookulärer Reflex, abgeschwächte Pupillenreaktion), Desorientiertheit, bizarre Verhaltensmuster, muskuläre Steifigkeiten und Kloni bzw. Hyperreflexionen auf. Bei Grad 4 der HE (Koma) reagiert der Patient auf keinerlei verbale, optische oder starke äußere Stimuli (wiederholte Schmerzreize) mehr; eine Dezerebration kann vorhanden sein[84][85][86][87][88].
In der aktuellen Leitlinie der Fachgesellschaften EASL und AASLD werden von der International Society of Hepatic Encephalopathy and Nitrogen Metabolism (ISHEN) die minimale HE und die HE Grad 1 zusammen als „verdeckte HE“ (covert HE, cHE), die HE Grade 2–4 als „offensichtliche HE“ (overt HE, oHE) zusammengefasst (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.2)[88][131]. Der Begriff „covert“ soll entsprechend der ISHEN-Einteilung beschreiben, dass der mentale oder motorische Defekt durch den Kliniker oder Patienten selbst zumeist noch nicht zu erkennen ist. Die Leitlinienkommission schloss sich nach umfassender Diskussion den EASL/AASLD-Leitlinien der ISHEN-Kommission an. Eine weitere Möglichkeit der Graduierung, die aber in der Leitlinienkommission der DGVS keinen Konsens für eine Empfehlung fand, ist die Einteilung der HE in eine geringgradige HE, die durch psychometrische Tests und Flimmerfrequenzanalyse kontinuierlich graduiert werden kann, und eine schwergradige HE, bei der die Glasgow-Koma-Skala angewendet werden kann. Sie wird insbesondere in Westeuropa und Indien angewandt[87][88][132][133].
DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.2: West-Haven-Kriterien (gestörter mentaler Zustand) sowie Klassifikation der International Society of Hepatic Encephalopathy and Nitrogen Metabolism nach (ISHEN) zur klinischen Graduierung einer manifesten hepatischen Enzephalopathie (adaptiert nach[84][88])
HE Graduierung | Klinische Symptome | Graduierung nach ISHEN |
---|---|---|
Grad 0 | Keine Abnormalitäten | Verdeckte (covert) HE |
Grad 1 | Mentale Verlangsamung, Antriebsstörung, Konzentrationsschwäche, Schlafbedürfnis, Störung der Feinmotorik (z.B. Schriftbildveränderung) | Verdeckte (covert) HE |
Grad 2 | Starke Müdigkeit (leichte Somnolenz), Lethargie, zeitlich desorientiert, verwaschene Sprache, flapping tremor | Offensichtliche (overt) HE |
Grad 3 | Starke Somnolenz oder Sopor, zeitlich und örtlich desorientiert, unzusammenhängende Sprache, Hyper- oder Hyporeflexie, Asterixis, Krämpfe, Rigor | Offensichtliche (overt) HE |
Grad 4 | Koma, Muskeleigenreflexe erloschen, Muskelsteife | Offensichtliche (overt) HE |
Zusätzlich kann die HE nach dem zeitlichen Verlauf eingeteilt werden. Dabei unterscheidet man zwischen einer episodischen, einer rezidivierenden und einer persistierenden Verlaufsform (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.3). Bei der episodischen HE hat der Patient maximal eine Episode in sechs Monaten und ist zwischen den HE-Episoden (mit oder ohne präzipitierende(n) Faktor(en)) klinisch asymptomatisch[84][85][86][87][88]. Der Begriff der rezidivierenden HE findet Verwendung, wenn mindestens zwei Episoden einer manifesten, episodischen HE innerhalb eines halben Jahres auftreten [84][85][86][87][88]. Patienten mit einer persistierenden HE weisen durchgehend klinische Symptome auf. Die persistierende HE schließt kognitive Defizite ein, die sich oft auf die sozialen und beruflichen Belange der betreffenden Person negativ auswirken [84][85][86][87][88][130].
DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 6.3: Einteilung der manifesten und minimalen hepatischen Enzephalopathie (HE) nach der zugrunde liegenden Erkrankung, dem Schweregrad der Störung, dem klinischen Verlauf und dem Vorhandensein bzw. Fehlen auslösender Faktoren (nach[84][87][88])
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.6: Zur Diagnostik einer cHE sollten neurophysiologische oder psychometrische Tests durchgeführt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Die cHE umfasst die mHE und die HE Grad 1. Per Definition kann die mHE nur über validierte neurophysiologische oder psychometrische Tests erfasst werden, während die HE Grad 1 gemäß der West-Haven-Kriterien eine klinische Diagnose ist. Die Tests zur Diagnose einer mHE wurden formal bisher nicht für die HE Grad 1 validiert.
Die Diagnosestellung einer gering ausgeprägten HE kann schwierig sein, wenn subjektive Symptome wie reduzierte Lebensqualität, Schlafstörungen und erhöhte Tagesmüdigkeit im Vordergrund stehen. Hinweise auf eine cHE können sich z.B. aus der Anamnese oder Fremdanamnese ergeben.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die HE nicht zu einer undifferenzierten allgemeinen zerebralen Leistungsminderung führt, sondern dass einzelne kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, der sekundäre Gedächtnisspeicher oder die Kontrolle der Bewegung frühzeitig stark beeinträchtigt sein können, während andere über einen längeren Verlauf kaum Defizite aufweisen[118][128][134][135][136][137].
Aufgrund der komplexen multifaktoriellen Pathophysiologie der HE, die häufig durch differente präzipitierende Faktoren ausgelöst wird, gibt es keinen diagnostischen Goldstandard, weshalb zur sicheren Detektion, Graduierung und Verlaufskontrolle multimodale diagnostische Testverfahren erforderlich sind. Die Strategien zur Diagnose der HE bzw. mHE reichen von einfachen klinischen Skalen bis zu komplexen psychometrischen und neurophysiologischen Test-Tools. Bezüglich der verschiedenen diagnostischen Testverfahren ist die Studienlage allerdings sehr heterogen[84][88]. Die klinisch eingesetzte mHE-Diagnostik wird maßgeblich von der jeweiligen nationalen bzw. lokalen Expertise beeinflusst und zeigt im internationalen Vergleich große Unterschiede bezüglich der Verfügbarkeit und Validität[88][138][139]. So findet der Continuous Reaction Time Test vorwiegend in Dänemark Anwendung und der Inhibitory Control Test in den USA[140][141][142]. Bei der Methodenwahl zur Diagnostik der HE sind daher die lokale Expertise sowie die praktische Umsetzbarkeit im klinischen Alltag wichtig. Die Anwendung von zwei ergänzenden Verfahren („two test strategy“) verbessert die Diagnosesicherheit, wird jedoch bisher nur zur diagnostischen Objektivierung in Studien empfohlen[143].
In Deutschland sind der Psychometric Hepatic Encephalopathy Score(PHES-Test), welcher aus einer Testbatterie von fünf neuropsychologischen Tests besteht, sowie neurophysiologische Tests wie die kritische Flimmerfrequenzanalyse (CFF) die am weitesten verbreiteten diagnostischen Verfahren, die Durchführung eines EEG ist dagegen nicht allgemein etabliert[138][139][144][145][146][147].
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.7: Für die Beurteilung der mHE sollten bevorzugt die kritische Flimmerfrequenzanalyse (CFF) und/oder der vollständig durchgeführte Psychometric Hepatic Encephalopathy Score(PHES) eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Keiner der derzeitig verfügbaren Tests kann das vollständige Spektrum der cHE in allen Teilbereichen abbilden. Während computergestützte Testbatterien und die Repeatable Battery for the Assessment of Neuropsychological StatusUpdate (RBANS®) in der Regel wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten sind, haben sich der PHES-Test und die Bestimmung der CFF in klinischen Studien bewährt und erscheinen für die Routinediagnostik praktikabel[132].
Der PHES-Test ist eine Testbatterie von fünf neuropsychologischen Tests. Die Testbatterie erfasst motorische Geschwindigkeit und Genauigkeit, visuelle Wahrnehmung, visuell-räumliche Orientierung, visuelle Konstruktion, Konzentration, Aufmerksamkeit und in geringerem Umfang auch das Gedächtnis. Der originale PHES-Test subsummiert die Resultate aus den Zahlenverbindungstests A und B (ZVT-A, -B), dem Zahlensymboltest (ZST), dem Liniennachfahrtest (LTT, Zeit, Fehler) und dem Test „Kreise punktieren“, denen jeweils entsprechend ihres Testwertes und ihrer SD zum altersentsprechenden Mittelwert des jeweiligen Tests Punktewerte zwischen +1 und –3 zugeordnet werden. Die individuellen Punktewerte werden summiert und ergeben den PHES-Test-Score, welcher somit zwischen +6 und –18 schwankt. Ein Cut-Off-Score von −4 wurde für die Summe der einzelnen Testergebnisse erarbeitet, da er am besten zwischen normalen und pathologischen Resultaten trennte[143][144][145][146][148][149]. Der PHES-Test ist ein geeignetes psychometrisches Verfahren zur Diagnostik der minimalen HE und zur Quantifizierung der HE als Kontinuum sowie zur Verlaufsbeurteilung[84][87][88][143][144][145][146][147][148][149].
Die Bestimmung der kritischen Flimmerfrequenz (critical flimmer frequency, CFF) ist eine zuverlässige, gut validierte und sensible Methode zur Quantifizierung und Verlaufsbeurteilung der mHE und korreliert auch mit der Prognose[132][150][151][152][153][154][155][156][157]. Aufgrund der guten Reproduzierbarkeit, raschen Durchführbarkeit und Unabhängigkeit von Training und Bildungsgrad ist die CFF ein geeignetes Instrument zur Detektion von mHE. Es wird vermutet, dass die Flimmerfrequenzanalyse darauf beruht, dass bei HE die Gliazellen der Retina ähnlichen morphologischen Alterationen unterworfen sind wie die Astrozyten[84][87][88][109][132][150][151][152][153][154][155][156][157]. Wesentliche Grundlage ist eine intrafoveale Stimulation mit einer Leuchtdiode. Das definierte Licht wird dabei im Bereich von 60 Hertz (Hz) bis 25 Hz in Schritten von 0,1 Hz in absteigender Richtung einer Testperson vorgegeben und erlaubt die Ermittlung des Schwellenwertes der Flimmerfrequenz. Der parallele Abfall der Flimmerfrequenz bei gleichzeitiger Zunahme der motorischen, kognitiven und mentalen Störungen zirrhotischer Patienten erlaubt die Quantifizierung der HE im Sinne eines Kontinuums über einen weiten Bereich des klinischen Spektrums. Die CFF, die beim Gesunden in der Regel zwischen 50 Hz und 39 Hz liegt, wird bei Patienten mit HE je nach Ausprägungsgrad zum Teil erst ab einer deutlich niedrigeren Hertz-Zahl wahrgenommen[150][151][152][153][154][155][156][157].
Evozierte Potentiale und EEG-Veränderungen sind bei HE nicht spezifisch und können auch bei anderen metabolischen, neurodegenerativen oder strukturellen Erkrankungen auftreten. Das EEG kann aber Differentialdiagnosen der HE wie z.B. komplex-fokalen Anfälle aufdecken[158][159][160][161][162][163][164][165]. Anwendbar, allerdings etwas komplizierter in der Handhabung, sind eine Summe von Reaktionstests (“Scan Package“), Testbatterien wie die Cognitive Drug Research oder der Inhibitory-Control-Test[140][141][142]. Auch der Stroop-Test ist prinzipiell geeignet. Die EncephalApp basiert auf dem Stroop-Effekt, sollte aber aufgrund vielfältiger limitierender Einflussfaktoren (u.a. Farbempfindlichkeit, Bildungsgrad) und unzureichender Validierung derzeit nicht zur Diagnostik der mHE eingesetzt werden[166][167][168][169][170][171]. Psychometrische Einzeltests (z.B. Zahlenverbindungstest) sind als Suchtest für einzelne Bereiche des kognitiven Defekts bei HE anwendbar, erlauben aber keine zuverlässige Beurteilung der vielfältigen bei HE gestörten Hirnfunktionen bzw. eine Diagnosestellung. Das Gleiche gilt auch für die früher gebräuchlichen Rechentests (z.B. Subtraktion über Zehnergrenzen) oder eine Schriftprobe. Zu den interessanten Tests, die allerdings auch nur eine Dimension im Rahmen des kognitiven Defekts untersuchen, zählt aktuell der Animal Naming Test, bei dem in einem vorgegebenen Zeitintervall unterschiedliche Tiere aufgezählt werden sollen[172][173][174][175][176].
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.8: Eine Bestimmung des Plasma-Ammoniaks sollte nicht routinemäßig erfolgen.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Laborchemische Diagnosetests wie die Bestimmung der Ammoniakkonzentration im arteriellen oder venösen Blut zeigen aufgrund vielfältiger Störfaktoren (u.a. bei der Probenentnahme und -analytik) eine zu geringe Sensitivität und Spezifität und erlauben weder eine sichere Detektion der HE noch eine verlässliche Graduierung des Schweregrads[177][178][179][180]. Aktuelle Konsensus-Arbeiten verzichten daher, von differentialdiagnostischen Fragestellungen abgesehen, auf eine Empfehlung der Ammoniakbestimmung für die Diagnostik der HE[178].
Für die Bestimmung des Ammoniakpartialdrucks wurde gezeigt, dass erhöhte Werte positiv mit der Schwere der HE korrelieren[181][182]. In Einzelfällen kann daher eine Bestimmung in der Differenzialdiagnostik der HE hilfreich sein und in der individuellen Therapiesteuerung eingesetzt werden.
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.9: Bildgebende Verfahren wie z.B. MRT oder CT sollten in der differentialdiagnostischen Abgrenzung bei unklarer neurologisch-psychiatrischer Symptomatik Anwendung finden.
Empfehlung, Starker Konsens
Kommentar
Eine bildgebende Diagnostik mittels CT kann in der differentialdiagnostischen Abgrenzung anderer Ursachen einer gestörten Hirnfunktion hilfreich sein, insbesondere zum Ausschluss von strukturellen Ursachen wie z.B. intrakraniellen Blutungen bei somnolenten oder komatösen Patienten. Mit speziellen MR-Techniken können bei HE eine Zunahme des zerebralen Wassergehaltes und Veränderungen der Diffusion gemessen werden[183][184]. In der MR-Spektroskopie wird abhängig vom Grad der HE eine Zunahme der Glutamin-Konzentration und Abnahme von Myo-Inositol gefunden. Magnetresonanztomographie und Magnetresonanzspektroskopie ermöglichen bei HE die Diagnostik von funktionellen und metabolischen Veränderungen des Gehirns. Die Kernspintomographie zeigt häufig Hyperintensitäten im Globus pallidus, welche auch auf Manganablagerungen zurückzuführen sind[183][184][185][186][187][188]. Diese Veränderungen korrelieren jedoch nicht mit dem Schweregrad der HE und werden gelegentlich auch bei Patienten mit Zirrhose ohne manifeste HE gefunden. Magnetenzephalographie, Magnetresonanz-Spektroskopie und Positronen-Emissionstomographie zeigen bei HE ebenfalls Veränderungen, sind jedoch bisher rein wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten[97][183][184][185][186][187][188].
HE und Fahrtauglichkeit
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 6.10: Ein Beratungsgespräch sollte mit dem Patienten mit Zirrhose und HE über die Konsequenzen der Diagnose (u.a. im Hinblick auf eine negative Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit) geführt werden.
Empfehlung, Starker Konsens
Kommentar
Die Defizite in den Bereichen Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeit, Wahrnehmung, Vigilanz, Motorik und Gedächtnisleistung im Rahmen einer HE können zu einer negativen Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit führen. Untersuchungen unter Verwendung verschiedener neuropsychologischer Tests zeigten eine erheblich beeinträchtige Fahrtauglichkeit bei Patienten mit Zirrhose und HE in 38–85%[106][107][108][109]. Die Fahreignungsprobe durch eine Realfahrt mit einem Sachverständigen (Fahrlehrer) bleibt aber der Goldstandard für die Bewertung der Fahrleistung, da computerisierte Tests die Fahrtüchtigkeit nicht verlässlich vorhersagen können[109]. Während Srivastara et al. in einer Realfahrstudie keine Einschränkungen der Fahrtauglichkeit bei HE belegen konnten[106], waren in der Studie von Kircheis et al. unter Realfahrtbedingungen nur 48% der Patienten mit mHE und nur 38% der Patienten mit manifester HE in der Lage, ein Fahrzeug korrekt zu führen, verglichen mit 87% bei Kontrollpersonen[109]. Die derzeit verfügbaren diagnostischen Tests bei mHE sind nicht in der Lage, die Fahrtüchtigkeit mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen[109]. Aufgrund der insgesamt heterogenen Datenlage kann derzeit keine Stellungnahme zu einem generellen Fahrverbot bei Patienten mit HE gegeben werden. Trotzdem sollten Patienten mit Zirrhose und HE über die potentielle Beeinträchtigung ihrer Fahrtauglichkeit informiert und gegebenenfalls die Objektivierung durch eine Fahreignungstest veranlasst werden. Die einfache Frage nach Verkehrsunfällen im vorangegangenen Jahr kann Hinweis auf Beeinträchtigungen in diesem Bereich geben[189].
Therapie der hepatischen Enzephalopathie bei Leberzirrhose
Therapie der akuten Episode einer hepatischen Enzephalopathie (HE)
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.1: Einer HE-Episode können eine oder mehrere mögliche auslösende Ursachen zugrunde liegen (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1). Diese sollen bei jedem Patienten mit Leberzirrhose und HE gesucht und spezifisch therapiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Allgemeinmaßnahmen bei einer HE-Episode
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.2: Patienten mit Zirrhose und HE >Grad 3 nach West-Haven bedürfen einer intensiven medizinischen Überwachung.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.3: Die Energiezufuhr bei Patienten mit Leberzirrhose und hepatischer Enzephalopathie sollte bei 30–35 kcal/kg Körpergewicht (Idealgewicht) täglich liegen.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.4: Die tägliche Eiweißzufuhr sollte bei 1,2–1,5 g/kg Körpergewicht (Idealgewicht) täglich liegen.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.5: Eine regelhafte Proteinrestriktion soll nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens, Klug-Entscheiden-Empfehlung
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.6: Die Nahrungsaufnahme sollte in häufigeren kleinen Mahlzeiten mit einem abendlichen zusätzlichen Imbiss vor dem Schlafengehen erfolgen. Nüchternphasen über vier bis sechs Stunden sollten vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.7: Bei Intoleranz von tierischen Eiweißen sollte auf Milchprodukte, pflanzliche Eiweiße oder selten auf eine Nahrungsergänzung mit verzweigtkettigen Aminosäure-Präparaten umgestellt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.8: Die vorübergehende Gabe von Multivitamin- oder Zinkpräparaten kann bei HE aufgrund einer Leberzirrhose erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Medikamentöse Therapie
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.9: Lactulose soll als Medikament der ersten Wahl zur Therapie einer oHE-Episode eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.10: Zusätzlich zur oralen Gabe oder bei nicht möglicher oraler Zufuhr kann Lactulose als Einlauf (300 ml Lactulose/700 ml Wasser) verabreicht werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.11: In Einzelfällen kann eine Kombinationstherapie mit Rifaximin erwogen werden.
Empfehlung offen, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.12: Rifaximin als Monotherapie soll nur bei Unverträglichkeit von Lactulose zur Therapie einer HE-Episode >1 nach West-Haven-Kriterien eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.13: Die intravenöse Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren kann zusätzlich oder alternativ bei Patienten in der Akuttherapie bei oHE eingesetzt werden, die nicht auf eine Therapie mit Lactulose allein angesprochen haben.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.14: Intravenös appliziertes L-Ornithin-L-Aspartat kann zusätzlich oder alternativ bei Patienten mit akuter HE-Episode eingesetzt werden, die nicht auf eine Therapie mit Lactulose angesprochen haben.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.15: Für den Einsatz von oral appliziertem L-Ornithin-L-Aspartat gibt es keine ausreichende Evidenz für eine klinische Wirksamkeit bei HE.
Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.16: Wegen des höheren Risikos von Nebenwirkungen sollte auf Neomycin und Paromomycin in der Therapie der HE verzichtet werden.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.17: Die Anwendung von Probiotika zur Therapie und Prophylaxe der HE sollte nicht erfolgen.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.18: Flumazenil kann bei Patienten mit oHE zur Klärung der HE-Auslösung nach möglicher Exposition mit Benzodiazepinen zusätzlich zu einer Standardtherapie eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.19: Für den Einsatz von Glycerolphenylbutyrat oder Ornithinphenylazetat bei oHE kann aufgrund der Datenlage zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung gegeben werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.20: Bei HE kann in Einzelfällen die Verabreichung von 4 l PEG-Lösung hilfreich sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Rezidivprophylaxe nach einer HE-Episode
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.21: Bei Patienten mit Zirrhose und durchgemachter HE soll eine Rezidivprophylaxe erfolgen.
Starke Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.22: Lactulose sollte als Medikament zur Sekundärprophylaxe eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.23: Rifaximin sollte additiv zur Lactulose in der Sekundärprophylaxe der HE >Grad 1 nach West-Haven-Kriterien ohne Auslöser eingesetzt werden, wenn unter alleiniger Gabe von Lactulose ein Rezidiv aufgetreten ist. Eine Monotherapie mit Rifaximin sollte nur erfolgen, wenn eine Therapie mit Lactulose nicht möglich ist.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.24: Bei Patienten mit durchgemachter oHE-Episode soll auf eine Ernährung mit ausreichend Kalorien- und Eiweißgehalt sowie einen abendlichen Imbiss geachtet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.25: Bei Besserung der Leberfunktion oder des Ernährungszustandes nach durchgemachter HE-Episode kann die Sekundärprävention beendet werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.26: Bei Patienten mit und ohne Leberzirrhose und therapierefraktärer HE soll nach dominanten portosystemischen Shunts mittels Sonographie, Angio-CT oder MRT gesucht werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.27: Bei Vorliegen einer Leberzirrhose (MELD-Score <11) mit therapierefraktärer HE und Nachweis eines großen dominanten portosystemischen Shunts kann die Indikation zu einem interventionellen oder operativen Verschluss gestellt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Therapie der HE nach TIPS
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.28: Die medikamentöse Therapie einer akuten oHE-Episode nach TIPS-Anlage entspricht der bei oHE und Leberzirrhose.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.29: Bei fehlendem Ansprechen der HE nach TIPS sind Stentreduktionsverfahren und/oder eine Lebertransplantation indiziert.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.30: Vor einer TIPS-Implantation soll eine gründliche Selektion der Patienten erfolgen, da dies die wirksamste Maßnahme zur Prophylaxe einer HE nach TIPS darstellt.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.31: Die medikamentöse Primärprävention einer HE nach TIPS-Implantation sollte nicht durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Therapie bei verdeckter hepatischer Enzephalopathie (cHE, mHE)
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.32: Patienten mit HE <1 (West-Haven-Klassifikation) sollen die gleichen diätetischen Maßnahmen wie Patienten mit HE >1 empfohlen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.33: Patienten mit mHE sollten nicht allein auf Basis pathologischer psychometrischer Tests therapiert werden.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.34: Die Therapie sollte bei Patienten mit gesicherter mHE bei Angabe einer reduzierten Lebensqualität, bei objektiver Einschränkung bei Verrichtungen des täglichen Alltags oder bei Vorliegen beruflicher Risiken durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.35: Wird eine Therapie der mHE im Einzelfall als notwendig erachtet, soll als Therapie der ersten Wahl Lactulose verwendet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Vorgehen bei Patienten mit Leberzirrhose ohne HE
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.36: Eine Primärprophylaxe der HE soll bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler Blutung durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.37: Bei Patienten mit Leberzirrhose und akuter Ösophagusvarizenblutung sollte Lactulose in der Primärprophylaxe eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
Nachsorge von Patienten mit Leberzirrhose und HE
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.38: Bei Patienten unter Therapie nach durchgemachter HE-Episode, rekurrierender oder chronischer HE soll eine individuell angepasste Verlaufsbeurteilung erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.39: Eine Überwachungsuntersuchung dieser Patienten kann der Erfassung kognitiver und neurologischer Störungen, des Ernährungsstatus, der Lebensqualität und der Überprüfung und Anpassung der HE-Therapie dienen.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.40: Die Überwachung von Patienten mit HE und Leberzirrhose sollte in enger Abstimmung zwischen einem Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin und einem Facharzt für Gastroenterologie erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Therapie der akuten Episode einer hepatischen Enzephalopathie (HE)
Therapie auslösender Faktoren
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.1: Einer HE-Episode können eine oder mehrere mögliche auslösende Ursachen zugrunde liegen (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1). Diese sollen bei jedem Patienten mit Leberzirrhose und HE gesucht und spezifisch therapiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Nachdem eine hepatische Enzephalopathie (HE) gesichert wurde, sind alle Anstrengungen darauf auszurichten, eine oder mehrere mögliche auslösende Ursachen zu finden (siehe DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1) und spezifisch zu therapieren[190][191][192]. In bis zu 90% der episodisch auftretenden HE findet sich eine auslösende Ursache, deren erfolgreiche Therapie fast immer zu einer Besserung oder Beseitigung der HE führt[193][194].
DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1: Auslöser einer HE bei Leberzirrhose[190][192][194]
HE Auslöser | Beispiele |
---|---|
Infektionen | SBP, Harnwegsinfekt, Pneumonie etc. |
GI-Blutung | Varizenblutung, Ulcus-Blutung etc. |
Elektrolytentgleisung | Hypokaliämie, Hyponatriämie |
Medikamente | Diuretika, Sedativa (Benzodiazepine), PPI, Regorafenib |
Exsikkose | Diuretika, Parazentese, abführende Maßnahmen, reduzierte Flüssigkeitsaufnahme |
Obstipation | |
Operation/Trauma | |
Azidose | |
Eiweißexzess | >100 g Protein/Tag an mindestens einem Tag in den letzten vier Tagen[190] |
Infektionen konnten wiederholt als Auslöser für eine HE-Episode nachgewiesen werden[195][196][197]. In einer prospektiv angelegten Kohortenstudie waren Infektionen in 39% der Fälle der Auslöser für eine HE. Sie betrafen in 26,7% die Atemwege oder die ableitenden Harnwege. In den übrigen Fällen fand sich eine spontan bakterielle Peritonitis[191]. In einer ähnlichen prospektiven Studie an 150 Patienten mit Leberzirrhose entwickelten 17% ohne Infektion und 42% mit Infektion (ohne SIRS) eine klinisch manifeste HE-Episode („overt HE“)[198]. Eine Sepsis war bei 29% der Patienten von einer klinischen HE-Episode begleitet. Die Prozentsätze für eine klinisch nicht zuverlässig fassbare HE („covert HE“) lagen in diesen Patientenkohorten bei 25% (ohne Infektion), 37% (mit Infektion) bzw. 61% (bei Sepsis). Während in der Kontrollgruppe (Patienten mit Infektionen ohne Leberschaden) keiner eine Enzephalopathie entwickelte, zeigte sich auch in der Kontrollgruppe bei 42% der Patienten mit Sepsis ein pathologischer Ausfall psychometrischer Tests. Infektionen steigerten das Mortalitätsrisiko der HE deutlich[199].
Die Therapie der Infektion führt zu einer Besserung der HE-Episode. So verschwand unmittelbar nach Beseitigung eines infizierten Bilioms nach TIPS-Anlage die hepatische Enzephalopathie bei einer Patientin mit Leberzirrhose[200].
Nach einer oberen gastrointestinalen Blutung kam es bei 44,7% der Patienten mit einer Leberzirrhose zu weiteren Komplikationen[201]. Eine erste HE-Episode oder die Verschlechterung einer vorbestehenden HE konnte bei über der Hälfte dieser Patienten nachgewiesen werden. Das Auftreten einer HE nach oberer gastrointestinaler Blutung war ein unabhängiger negativer Prognoseindikator. In einer Kohorte von Patienten mit Leberzirrhose war die Varizenblutung mit 23,3% nach Infektionen der zweithäufigste Auslöser für eine oHE[191]. Die Wirksamkeit einer Primärprävention der HE bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler Blutung unterstützt den kausalen Zusammenhang von gastrointestinaler Blutung und Auftreten einer HE-Episode[202][203][204][205].
In 15,6–40% der Fälle von Patienten mit Leberzirrhose und HE konnte die Ursache der oHE auf eine Verstopfung zurückgeführt werden[191][192]. Ein weiteres Indiz für die mögliche kausale Rolle der Obstipation für die Entstehung der HE ist, dass ausschließlich abführende Maßnahmen zum Verschwinden oder einer Besserung der HE führten[206]. Die Obstipation kann durch abführende Maßnahmen (Lactulose, PEG-Lösung), Volumengabe bei Exsikkose, Elektrolytausgleich oder Umstellung verursachender Medikamente therapiert werden.
Verschlechterung der Nierenfunktion und Exsikkose
Bei 32–74% der Patienten mit neu aufgetretener HE fand sich als Ursache ein akutes Nierenversagen[192]. Eine Exsikkose wiesen 46–76% der Patienten mit HE auf, was wohl zu dem akuten Nierenversagen ursächlich beigetragen hat. Diuretikaeinnahme, zu hohe Dosierung von Lactulose, verminderte Flüssigkeitsaufnahme unter sedierender Medikation, großvolumige Parazentesen und ein vorbestehender Diabetes mellitus sind hierfür die möglichen Gründe. Ein erhöhter Kreatininwert erwies sich in einer Studie an 70 Patienten mit Leberzirrhose als unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer HE[194][207].
Die Verschlechterung der Nierenfunktion ist bei diesen Patienten mit erhöhter Mortalität assoziiert. In einer retrospektiven Studie beeinflusste ein terminales Nierenversagen die Mortalität von Patienten mit einer HE aber weniger als die von Patienten mit Aszites oder einer Varizenblutung[208]. Ein terminales Nierenversagen hatte weniger Auswirkungen auf die Dreijahres-Mortalität von Patienten mit HE als ein hepatorenales Syndrom, ein akutes oder chronisches Nierenversagen[209]. Möglicherweise beeinflusst die Dialysebehandlung bei terminaler Niereninsuffizienz auch die HE über eine Erniedrigung des Ammoniakspiegels und anderer an der Pathogenese der HE beteiligten Substanzen im Blut. Ein Abfall des Kreatininwertes unter Einsatz des MARS-Systems (Molecular adsorbent recirculating System) zeigte dagegen keine Auswirkungen auf die HE[210]. Bei Patienten mit Leberzirrhose und Verschlechterung der Nierenfunktion sollte im Hinblick auf die Assoziation mit einer HE deren Ursache geklärt und behandelt werden.
Medikamente
Diuretika können die Entwicklung einer HE über die Entstehung einer Exsikkose, einer Hyponatriämie oder Hypokaliämie begünstigen[192]. 15% der beobachteten HE-Episoden konnten entsprechend in einer Studie auf die Einnahme von Diuretika zurückgeführt werden[194].
Benzodiazepine interagieren mit GABA-Rezeptoren, die in der Pathophysiologie der HE eine wichtige Rolle spielen. Flumazenil kann diese Interaktion antagonisieren. Auch ohne Gabe von Benzodiazepinen können endogene Neurosteroide für die Auslösung einer HE-Episode über die Bindung an diesen Rezeptor verantwortlich sein[211]. In einer Metaanalyse[212] zur Wirkung von Flumazenil bei oHE zeigte sich eine vorübergehende klinische Besserung nach Flumazenil-Gabe bei Patienten auch ohne vorherige Einnahme eines Benzodiazepins[212][213][214][215]. Wurde vor Auftreten der HE ein Benzodiazepin eingenommen, empfiehlt sich, dessen Bindung an den GABA-Rezeptor mit Flumazenil zu antagonisieren. Auch Opiate und andere zentral nervös angreifende Substanzen können eine HE begünstigen oder verschlimmern[190].
Die Einnahme von Protonenpumpenhemmern war statistisch signifikant häufiger assoziiert mit dem Auftreten einer HE. Die Daten in den Studien wurden jedoch retrospektiv gesammelt, so dass derzeit die Empfehlung zu einem Absetzen des Präparates bei vorhandener Indikation nicht gegeben werden kann[216][217][218]. Eine Metaanalyse aller vorliegenden Studien wies ebenfalls keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und Auslösung einer HE nach[219].
Seltene Assoziationen mit einer HE-Episode wurden unter Einnahme des Tyrosinkinaseinhibitors Regorafenib[220] oder des Proteinkinaseinhibitors Imatinib beobachtet[221].
Bei Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und Auftreten einer HE sollte deren Applikation sofort beendet werden.
Proteinexzess
Klinische Beobachtungen wiesen bei 35% der Patienten mit Leberzirrhose nach stark erhöhter Proteinzufuhr eine hepatische Enzephalopathie nach[221][222]. Mehr als 100 g Eiweiß an mindestens einem der letzten vier Tage vor Auftreten einer HE wurde als möglicher Auslöser für eine HE angesehen[190]. Eine Mahlzeit mit 20 g Eiweiß löste bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose keine HE aus[223]. Das Verhältnis von verzweigtkettigen zu aromatischen Aminosäuren stieg bis zu vier Stunden nach der Proteinzufuhr bei diesen Patienten an. Die Zufuhr von 30–40 g pflanzlichen Eiweißes erwies sich als unschädlich[224][225].
21 von 1.120 Patienten mit Leberzirrhose und Aszites litten an einer Epilepsie[226]. Sie hatten ein fast vierfach erhöhtes Risiko für eine HE.
Eine Sarkopenie konnte bei 40–60% der Patienten mit Leberzirrhose nachgewiesen werden, wobei mit zunehmendem Schweregrad der Lebererkrankung auch der Schweregrad der anthropometrisch eingeschätzten Sarkopenie zunahm. HE-Episoden sind bei Leberzirrhose und Sarkopenie signifikant häufiger[227][228]. Dies gilt auch für das Auftreten einer HE nach TIPS-Anlage[229].
Elektrolytstörungen, Azidose
65% der HE-Episoden wiesen in einer Studie einen auslösenden Faktor auf[194]. Bei 21% fand sich eine Hyponatriämie (<130 mEq/l). Die Hyponatriämie war in dieser Arbeit in allen Rechenmodellen ein unabhängiger Vorhersageparameter für das Auftreten einer HE. Ein Abfall der Serum-Natrium-Konzentration um mindestens 5 mEq/l in den ersten drei Monaten der Beobachtungszeit war in 75% der Fälle von einer HE gefolgt, während nur bei 39% der Patienten ohne Abfall des Serumnatriums diese Komplikation beobachtet wurde[194]. Verschiedene Arbeiten unterstützen die Annahme, dass die Hyponatriämie einen prognostisch ungünstigen Faktor für die HE darstellt[230][231][232]. Ein erniedrigtes Serumnatrium (<135 mEq/l) vor einer TIPS-Implantation war ebenfalls mit einem achtfach erhöhten Risiko für eine spätere HE verbunden[233]. Störungen des Säure-Basen-Haushalts und Hypokaliämie sind weitere Risikofaktoren für diese Komplikation[190][191][192][234].
Allgemeinmaßnahmen bei einer HE-Episode
Intensivmedizinische Überwachung
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.2: Patienten mit Zirrhose und HE ≥Grad 3 nach West-Haven bedürfen einer intensiven medizinischen Überwachung.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit HE und akutem Leberversagen (ALV) und akut-auf-chronischem Leberversagen (ACLF) oder mit dekompensierter Leberzirrhose und HE Grad 3 oder 4 sollten intensiv medizinisch überwacht werden. Bei komatösen Patienten (ab Grad 3) ist frühzeitig die Intubation und Beatmung einzuleiten[235][236]. Ist eine orale Nahrungszufuhr nicht möglich, sollte bei Fehlen von größeren Ösophagusvarizen zur Vermeidung einer Aspiration eine Magensonde gelegt werden, worüber Medikamentengaben und eine enterale Ernährung erfolgen. Die EASL(European Association for the Study of the Liver)-Leitlinie rät bei ALV und progressiver HE von einer Magensonde wegen Überfüllung des Magens, der Gefahr von Mikroaspirationen und möglicher Auslösung einer oberen gastrointestinalen Blutung ab[236].
Beim ALV sind weitere spezifische Maßnahmen bei HE erforderlich, da sich rasch ein erhöhter Hirndruck bei fortschreitendem zerebralen Ödem mit tödlicher Hirnstammeinklemmung entwickeln kann[236][237]. Oft ist in dieser Situation eine Lebertransplantation angezeigt, so dass die Patienten frühzeitig in ein Transplantationszentrum verlegt werden sollten. Auch bei Patienten mit chronischem Leberversagen und HE ist die Indikation zur Lebertransplantation stets zu prüfen.
Bei desorientierten Patienten mit HE können Stürze mit Verletzungen auftreten, was eine entsprechende Überwachung erfordert. Die Anlage eines Blasenkatheters erlaubt eine bessere Flüssigkeitsbilanzierung. Elektrolyte, Blutgase, Blutzucker und Volumenbilanz sind im Verlauf regelmäßig zu kontrollieren.
Kalorien- und Proteinzufuhr
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.3: Die Energiezufuhr bei Patienten mit Leberzirrhose und hepatischer Enzephalopathie sollte bei 30–35 kcal/kg Körpergewicht (Idealgewicht) täglich liegen.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.4: Die tägliche Eiweißzufuhr sollte bei 1,2–1,5 g/kg Körpergewicht (Idealgewicht) täglich liegen.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.5: Eine regelhafte Proteinrestriktion soll nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens, Klug-Entscheiden-Empfehlung
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.6: Die Nahrungsaufnahme sollte in häufigeren kleinen Mahlzeiten mit einem abendlichen zusätzlichen Imbiss vor dem Schlafengehen erfolgen. Nüchternphasen über vier bis sechs Stunden sollten vermieden werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.7: Bei Intoleranz von tierischen Eiweißen sollte auf Milchprodukte, pflanzliche Eiweiße oder selten auf eine Nahrungsergänzung mit verzweigtkettigen Aminosäure-Präparaten umgestellt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.8: Die vorübergehende Gabe von Multivitamin- oder Zinkpräparaten kann bei HE aufgrund einer Leberzirrhose erfolgen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Bis zu 60% der Patienten mit Leberzirrhose sind mangelernährt[238]. Der Energieverbrauch im Ruhezustand ist bei Patienten mit Leberzirrhose erhöht, was unter anderem auf einen Ersatz der Glykogenolyse durch die energieverbrauchende Gluconeogenese zurückzuführen ist[239]. Die hepatische Glukosefreisetzung durch gesteigerte Gluconeogenese hat einen erhöhten Aminosäureverbrauch und Proteinabbau zur Folge. Dies bewirkt zusätzliche Aminosäureverluste und die Freisetzung von Ammoniak[224]. Die empfohlene Energiezufuhr variiert zwischen 30–45 kcal/kg Körpergewicht täglich[224][236][240]. Dabei sollte das ideale Körpergewicht als Berechnungsgrundlage dienen. Die Leitlinienkommission folgt in ihrer Empfehlung der ESPEN(European Society for Clinical Nutrition and Metabolism)-Leitlinie [240].
Die Eiweißzufuhr sollte bei 1,2–1,5 g/kg Körpergewicht pro Tag liegen[240]. Eine Proteinrestriktion wird auch bei Vorliegen einer HE nicht empfohlen, da eine Eiweißzufuhr von unter 0,8 g/kg Körpergewicht pro Tag zu einer katabolen Stoffwechselsituation mit Anstieg der Stickstoffbelastung im Kreislauf führt. Allenfalls bei Patienten mit HE und oberer gastrointestinaler Blutung kann für drei bis fünf Tage auf eine Proteinzufuhr verzichtet werden[241]. Das Auftreten weiterer HE-Episoden wird durch eine normale Proteinkost unter Fortführung einer HE-Standardtherapie in der Regel nicht begünstigt[223][225].
Eine gestörte Muskelproteinsynthese und ein durch Autophagie vermittelter Proteinabbau tragen zur Sarkopenie bei Zirrhose bei. Da die Muskulatur wichtig für die Verwertung von Ammoniak im Blut ist[242], begünstigt ihr Abbau die Entstehung einer HE[243]. Entsprechend ist das Vorliegen einer Sarkopenie bei Patienten mit Leberzirrhose ein prognostisch ungünstiger Parameter für das Auftreten einer HE[229][244].
Ziel diätetischer Maßnahmen sollte daher die Erhaltung der Muskulatur oder deren Zunahme sein[245]. Die Steigerung der Kalorienzufuhr durch orale oder parenterale Zufuhr oder Nahrungsergänzungsmittel erwies sich jedoch in zwei Metaanalysen ohne sicheren Vorteil für das Überleben der Patienten[246][247]. Positive Auswirkungen auf die Muskelmasse ergaben sich bei oraler zusätzlicher Nahrungszufuhr[247]. Wichtig erscheint die Verteilung mehrerer kleiner Mahlzeiten über den Tag, um die energieverbrauchende Gluconeogenese und den Aminosäuren-Abbau zu unterdrücken[224]. Nüchternphasen von drei bis sechs Stunden sollten vermieden werden. Eine abendliche zusätzliche Nahrungsaufnahme erwies sich in einer systematischen Analyse von mehreren Studien im Hinblick auf metabolische und klinische Effekte günstiger als nur die am Tag zugeführten Nahrungsportionen[248]. Möglicherweise kann hierdurch die anabole Resistenz durchbrochen, eine Sarkopenie gebessert, das Auftreten einer HE-Episode vermieden und deren Schweregrad reduziert werden. Langzeitaussagen zu dieser Maßnahme sind aber derzeit noch nicht möglich.
Hohe Dosen von Leucin[224] und anderen verzweigtkettigen Aminosäuren[249] können hilfreich sein. Körperliche Aktivität verbessert die Arbeitskapazität und möglicherweise die Muskelmasse[250]. Körperliches Training kann aber auch die Ammoniakkonzentration im Muskel erhöhen, was die funktionellen Konsequenzen der Hyperammoniämie und die verminderte ATP-Synthese des Muskels verschlimmern kann. Ein Absenken des Ammoniaks im längeren zeitlichen Verlauf kann eine zukünftige mögliche Strategie auch bei fehlendem Nachweis einer HE bei Zirrhose sein, um die Muskelmasse anzuheben[251].
Eiweiß enthaltende pflanzliche Produkte weisen mehr Fasern im Vergleich zu tierischem Eiweiß auf, was das Mikrobiom des Darmes modifizieren (Präbiotikum), die Darmpassage beschleunigen, den intraluminalen pH absenken und die Stickstoff-Ausscheidung mit dem Stuhl erhöhen kann[224][252]. Die Ernährung mit ausschließlich pflanzlichen Eiweißen (30–35 kcal/kg Körpergewicht/Tag, 1,0–1,5 g vegetarische Proteine/kg Körpergewicht/Tag) erwies sich als besser im Vergleich mit einer unveränderten Ernährungsweise bei Patienten mit gesicherter Leberzirrhose und mHE[252][253]. Unter modifizierter Kost stieg nach sechs Monaten der Prozentsatz der Patienten ohne mHE auf 71,1% gegenüber 22,8% unter normaler Kost[254].
Bei dokumentierter Intoleranz von Nahrungsproteinen kann somit auf pflanzliche Proteine oder Milchprodukte[255] gewechselt werden[88]. Die parenterale oder orale Verabreichung von verzweigtkettigen Aminosäurelösungen zeigte in einer Metaanalyse positive Effekte auf die HE[255]. Mortalität, Lebensqualität oder Ernährungsparameter wurden allerdings hierdurch nicht beeinflusst. In Einzelfällen kann bei unzureichender Eiweißzufuhr und Unverträglichkeit von pflanzlichen oder Milchprodukten eine zusätzliche Gabe von verzweigtkettigen Aminosäurepräparaten erfolgen.
Zink-Supplementation
Ein Zinkmangel (<0,66 μg/ml) kann bei über 80% der Patienten mit Leberzirrhose nachgewiesen werden[256]. Im Gegensatz zu anderen Nahrungsergänzungsmitteln oder Vitaminen sprechen die Daten für die Verabreichung von Zink bei Nachweis eines entsprechenden Mangels. Die Datenlage zur Durchführung der Zink-Substitution bei HE ist nicht klar. Auf den Zahlenverbindungstest zeigten sich in einer Metaanalyse positive Effekte, wohingegen die Gabe von Zink keine Wirkung in einer Studie zur Sekundärprophylaxe hatte[257]. Konkrete Empfehlungen zur Dosierung können nicht gegeben werden. Nach Erreichen eines normalen Zinkspiegels kann aber eine Erhaltungsdosis von z.B. 220 mg Zinksulfat (entsprechen 50 mg elementaren Zink) täglich verabreicht werden.
Vitamin-Supplementation
Niedrige Vitamin-A-Spiegel sind bei HE und Leberzirrhose nachgewiesen worden[258]. Bei chronischen Lebererkrankungen finden sich niedrige Plasmaspiegel von Vitamin D, E und B1 in Abhängigkeit vom Schweregrad und der Ätiologie der zugrunde liegenden Lebererkrankung[259]. Auch wenn es keine gesicherten Daten für eine positive Wirkung der Gabe von Multivitaminpräparaten auf die HE bei Leberzirrhose gibt, kann diese zumindest in den ersten Tagen nach Auftreten einer HE erfolgen[88].
Medikamentöse Therapie
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.9: Lactulose soll als Medikament der ersten Wahl zur Therapie einer oHE-Episode eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.10: Zusätzlich zur oralen Gabe oder bei nicht möglicher oraler Zufuhr kann Lactulose als Einlauf (300 ml Lactulose/700 ml Wasser) verabreicht werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.11: In Einzelfällen kann eine Kombinationstherapie mit Rifaximin erwogen werden.
Empfehlung offen, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.12: Rifaximin als Monotherapie soll nur bei Unverträglichkeit von Lactulose zur Therapie einer HE-Episode >1 nach West-Haven-Kriterien eingesetzt werden.
Starke Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.13: Die intravenöse Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren kann zusätzlich oder alternativ bei Patienten in der Akuttherapie bei oHE eingesetzt werden, die nicht auf eine Therapie mit Lactulose allein angesprochen haben.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.14: Intravenös appliziertes L-Ornithin-L-Aspartat kann zusätzlich oder alternativ bei Patienten mit akuter HE-Episode eingesetzt werden, die nicht auf eine Therapie mit Lactulose angesprochen haben.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.15: Für den Einsatz von oral appliziertem L-Ornithin-L-Aspartat gibt es keine ausreichende Evidenz für eine klinische Wirksamkeit bei HE.
Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.16: Wegen des höheren Risikos von Nebenwirkungen sollte auf Neomycin und Paromomycin in der Therapie der HE verzichtet werden.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.17: Die Anwendung von Probiotika zur Therapie und Prophylaxe der HE sollte nicht erfolgen.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.18: Flumazenil kann bei Patienten mit oHE zur Klärung der HE-Auslösung nach möglicher Exposition mit Benzodiazepinen zusätzlich zu einer Standardtherapie eingesetzt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.19: Für den Einsatz von Glycerolphenylbutyrat oder Ornithinphenylazetat bei oHE kann aufgrund der Datenlage zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung gegeben werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.20: Bei HE kann in Einzelfällen die Verabreichung von 4 l PEG-Lösung hilfreich sein.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Probleme der Studien zur medikamentösen Therapie der hepatischen Enzephalopathie
Die Studien, die den Einsatz von Medikamenten bei hepatischer Enzephalopathie untersuchten, wiesen zum Teil stark voneinander abweichende Ergebnisse auf. Ursachen hierfür sind eine nicht einheitliche Diagnostik der HE, abweichende Definitionen für das Vorliegen einer HE, variierende Patientenkollektive und variable Gestaltung der Standardtherapie in der Verum- und Kontrollgruppe.
Die Besserung einer oHE wird anhand der West-Haven-Kriterien und die einer mHE mithilfe verschiedener psychometrischer Tests oder der Bestimmung der kritischen Flimmerfrequenz diagnostiziert. Die Tests zur Diagnostik der mHE sind jedoch wenig spezifisch und sensitiv und korrelieren untereinander nur schlecht[156][260]. Oft werden die Tests nicht korrekt durchgeführt, insbesondere wenn nur der NCT des portosystemischen Enzephalopathie-Syndrom-Tests (PSES) eingesetzt wird. Weiterhin wird das Vorliegen einer mHE über Tests definiert, die auch zu ihrer Diagnostik verwandt werden.
Das Überleben von Patienten mit einem MELD-Score >10 war schlechter für Patienten mit gleichzeitig vorhandener mHE, wenn diese mittels kritischer Flimmerfrequenz (<39 Hz), nicht aber durch psychometrische Tests diagnostiziert wurde[156]. Die kritische Flimmerfrequenz zeigte in der Diagnostik der oHE mit 41% eine deutlich geringere Sensitivität als die psychometrischen Tests[261]. Die Testergebnisse werden durch Alter, Lerneffekte, Alkoholkonsum und Begleiterkrankungen beeinflusst[262].
Das Stadium eins der West-Haven-Kriterien ist allenfalls für Verwandte des Patienten, aber kaum für den Arzt diagnostizierbar, weshalb dieses Stadium zuletzt der „covert HE“ zugeordnet wurde[262][263]. Trotz dieser Schwierigkeit wurde das Stadium eins in vielen Studien als klinisch sicher einschätzbar verwandt, was deren Ergebnisse relativiert. Grundsätzlich wird verlangt, dass mindestens zwei verschiedene Tests in Studien zur Anwendung kommen sollen[264]. Diese 2015 festgelegte Forderung wurde in älteren Studien meist nicht berücksichtigt. Die eingesetzten Tests sollten zudem in Studienzentren validiert und auf die zu untersuchende Population standardisiert sein.
Die West-Haven-Kriterien zur Einschätzung der HE sind umso ungenauer, je niedriger das HE-Stadium ist und unterliegen somit der subjektiven Einschätzung des Untersuchers[235]. Der Übergang von einem Stadium zum anderen ist fließend und erlaubt kaum eine genaue Kategorisierung[264].
Studienergebnisse sollten sich auf klar definierte Patientenpopulationen beziehen. Patienten mit mHE, cHE (= mHE + HE 1 [West-Haven-Klassifikation]) und oHE (= West-Haven-Klassifikation ≥1) sollten getrennt betrachtet werden. Die zu vergleichenden Studienkollektive sollten nach Alter, Schweregrad der Lebererkrankung, Alkoholexposition und Begleiterkrankungen möglichst gleichförmig zusammengesetzt sein. HE Typ A, B und C oder bei ACLF müssen bei Therapiestudien getrennt betrachtet werden. Auch hat das Vorliegen von auslösenden Faktoren einen so starken Einfluss auf Studienergebnisse, dass ihr Vorliegen als Ausschlusskriterium gelten sollte. In vielen Studien wurde dies nicht berücksichtigt. Die Einschlusskriterien sollten ebenfalls klar festlegen, ob eine Therapie bei Patienten mit akuter HE-Episode in der Primär- oder Sekundärprävention getestet wird.
Die Therapie in der Placebo- und Verum-Gruppe (Standard of Care) beeinflusst die Konsequenzen, die für den zukünftigen Einsatz des getesteten Medikaments gezogen werden. Erhalten Verum- und Kontrollgruppe Lactulose, kann bei positivem Studienergebnis nur die Kombination von Lactulose mit der getesteten Substanz eingesetzt werden. Selbst in aktuellen Studien[265] erhielt die Vergleichsgruppe eine Standardtherapie, die nicht den Vorgaben der europäisch-amerikanischen Leitlinie[260] entsprach.
Die Definition der Studienendpunkte ist von besonderer Bedeutung für den Wert von Studienergebnissen[264]. Aussagen zur therapeutischen Wirksamkeit erfordern als Endpunkt die Besserung der HE. Geht nur der Schweregrad der HE zurück, kann dennoch weiterhin eine HE vorliegen. Weiterhin ist als Endpunkt der alleinige Nachweis der Absenkung des Ammoniakgehaltes im Blut durch die getestete Substanz für die klinische Wirksamkeit unerheblich, da weder das Vorliegen noch der klinische Schweregrad einer HE mit diesem Laborparameter korrelieren[260][266][267].
Eine Proteinbelastung[268][269] im Rahmen einer Studie wie bei der Testung von LOLA soll heute nicht mehr durchgeführt werden.
Therapeutische Beeinflussung der intestinalen Ammoniakaufnahme
Ammoniak wird bei Patienten mit Leberzirrhose nicht nur beim endogenen Abbau z.B. von Proteinen in der Muskulatur, sondern insbesondere auch aus intestinalen Nahrungsproteinen oder Blut freigesetzt. Enterozyten katalysieren die Umwandlung von Glutamin in Glutamat und Ammoniak mittels einer intestinalen Glutaminase[270]. Darmbakterien (Enterobacter, Clostridium und Proteusspezies) verfügen über eine Urease, die bei einer intestinalen Blutung aus in den Darm gelangten Harnstoff Ammoniak und CO2 entstehen lassen. Die Ammoniakaufnahme über den Darm wird durch die zugeführte absolute Eiweißmenge, die Art des aufgenommenen Proteins (pflanzliche vs. tierische Proteine), den pH im intestinalen Lumen und die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflusst. Hieraus ergeben sich mehrere therapeutische Ansatzpunkte, über die die Aufnahme intestinalen Ammoniaks und dessen Serumspiegel beeinflusst werden können.
Lactulose (nicht-absorbierbare Disaccharide)
Lactulose oder Lactitol sind Disaccharide, die im menschlichen Dünndarm nicht gespalten und daher auch nicht intestinal resorbiert werden können. Daher gelangen sie ungespalten bis in den Dickdarm, wo sie bakteriell verstoffwechselt werden. Sie sind osmotisch wirksam und haben dadurch eine die Darmpassage beschleunigende Wirkung. Der intraluminale pH wird abgesenkt, wodurch aus Ammoniak Ammoniumionen werden, die nicht resorbiert werden können. Kurzkettige Fettsäuren, die beim bakteriellen Stoffwechsel von Lactulose freigesetzt werden, begünstigen das Wachstum bestimmter Bakterienstämme, die den Ammoniak zur Proteinsynthese verwenden und somit binden[271]. Die Freisetzung von Ammoniak aus Glutamin wird zudem durch Lactulose über eine Hemmung der Glutaminase vermindert. Die bei Leberzirrhose nachgewiesene Dysbiose im Colon wird ebenfalls günstig beeinflusst (Rolle der Disaccharide als sog. Präbiotikum)[272].
Nicht-absorbierbare Disaccharide zeigten in einer Metaanalyse[273] von 38 randomisierten Studien mit 1.828 Teilnehmern eine statistisch signifikante Besserung der akuten HE. Weiterhin zeigten sich im Hinblick auf die Mortalität Vorteile für Lactulose gegenüber Placebo oder keine Intervention, wenn nur acht gut angelegte Studien berücksichtigt wurden. Auch wenn die eingeschlossenen Studien meist mäßiger Qualität waren, ergibt sich dennoch eine klare Empfehlung zu Ihrem bevorzugten Einsatz bei der Behandlung der manifesten HE und zur Sekundärprävention, also zur Vermeidung eines Rezidivs nach einer Indexepisode[273]. Lactulose führt zu einer Abnahme der Gesamtmortalität und hat günstige Auswirkungen auf Komplikationen des chronischen Leberversagens wie Varizenblutung, schwere Infektionen, spontan bakterielle Peritonitis und hepatorenales Syndrom. Zwischen Lactitol und Lactulose fanden die Autoren keinen Unterschied im Hinblick auf evaluierbare Endpunkte[274].
Die Metaanalyse[273] wies auch auf positive Effekte bei der Behandlung der mHE und dem Einsatz in der Primärprävention hin. Neun Studien mit insgesamt 434 Patienten gingen in eine zweite Metaanalyse ein, die die Wirkung von Lactulose bei mHE untersuchten[275]. Lactulose erwies sich im Hinblick auf die Besserung psychometrischer Tests, der Häufigkeit des Übergangs in eine oHE und der Lebensqualität gegenüber Placebo oder keiner Therapie als signifikant besser. Lediglich die Mortalität wurde nicht beeinflusst.
Beim Vergleich mit schwer resorbierbaren Antibiotika und Rifaximin erwies sich Lactulose in mehreren Metaanalysen als gleichwertig[276][277][278]. Es fand sich kein Unterschied im Hinblick auf eine Besserung bei akuter oder chronischer HE. Auch die Nebenwirkung einer Diarrhö fand sich gleich häufig bei Anwendung beider Medikamente[276]. Lediglich Bauchschmerzen fanden sich signifikant häufiger unter Lactulose. Die zweite Metaanalyse fand mehr Diarrhöen und weniger Bauchschmerzen unter Lactulose gegenüber Rifaximin[277]. Die Tagestherapiekosten liegen für Rifaximin aktuell bei 14,00 €/Tag (2×550 mg) und für Lactulose bei 0,39 €/T (3×20 ml)[279].
Nebenwirkungen der Therapie mit nicht-absorbierbaren Disacchariden sind Blähungen, Bauchschmerzen, Flatulenz und Durchfall, so dass die Präparate bei einigen Patienten aus diesen Gründen abgesetzt werden müssen. Beim Sirup mit Beimengungen von weiteren Zuckern sind diese Nebenwirkungen offenbar stärker ausgeprägt als bei rein kristallinen Präparationen (Lactitol). Diese Annahme konnte allerdings in einer Metaanalyse von sechs Studien, die das Vorkommen nicht-schwerer Nebenwirkungen von Lactulose im Vergleich zu Lactitol untersuchten, nicht bestätigt werden[273]. Die Dosierung der Lactulose richtet sich nach Stuhlfrequenz und Konsistenz. Es sollten zwei bis drei weiche Stühle pro Tag abgesetzt werden. Die verabreichten Mengen liegen zwischen 3×10 ml und 3×30 ml p.o. pro Tag. Die Dosis kann je nach Stuhlverhalten auch auf zwei tägliche Gaben beschränkt werden[260].
Probiotika
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms modifizieren können, wenn genügend Bakterien p.o. in das Kolon gelangen. Sie sollen die bei Leberzirrhose und HE nachgewiesene Dysbiose[280] über eine Verminderung pathogener Bakterienstämme mit reduzierter Endotoxin- und Ammoniakfreisetzung bessern. Die unter den nicht-absorbierbaren Disacchariden (= Präbiotika) nachgewiesenen Effekte lassen sich vom gedanklichen Ansatz her auf die Wirkungen der Probiotika weitgehend übertragen[272][281].
Randomisierte kontrollierte Studien und verschiedene Metaanalysen lassen derzeit allerdings noch keine eindeutige Bewertung dieses Therapieansatzes bei HE zu[260][281][282][283][284]. Die Cochrane-Metaanalyse berücksichtigte 21 Studien mit 1.420 Patienten[283]. 14 Studien verglichen die Gabe von Probiotika mit Placebo oder keiner Therapie und sieben setzten Lactulose als Vergleichstherapie ein. VSL#3 wurde am häufigsten in den Studien als Probiotikum eingesetzt. Beim Vergleich mit Placebo fand sich keine Beeinflussung der Gesamtmortalität (alle Ursachen). Ein Therapieversagen fand sich seltener unter Probiotika. Sie besserten geringfügig die Lebensqualität und senkten den Ammoniakgehalt des Blutes. Beim Vergleich mit Lactulose erwiesen sich Probiotika in allen untersuchten Parametern als nicht besser. Die in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien wiesen ein hohes Risiko für systemische und zufallsbedingte Fehler auf. Beim Vergleich mit Placebo, aber nicht mit Lactulose, ergaben sich insgesamt Hinweise auf eine bessere Wirkung bei akuter HE. Für eine genauere Einschätzung der Wirkung von Probiotika bei HE fehlt derzeit eine ausreichende Datenlage.
Probiotika zeigten sich wirksam in der Therapie der mHE beim Vergleich mit Placebo oder keiner Therapie[284].
Stuhltransfer
Entsprechend der Bedeutung des Mikrobioms bei Patienten mit Leberzirrhose und HE lag es nahe, die therapeutische Wirkung eines Stuhltransfers zu prüfen. Bajaj und Mitarbeiter untersuchten die Wirkung des Stuhltransfers in der Sekundärprophylaxe der HE und behandelten in einer randomisierten Studie insgesamt 20 Patienten, die unter einer Standardtherapie mindestens zwei akute HE-Episoden entwickelt hatten. Sie selektionierten einen einzigen Stuhlspender, der eine für Patienten mit HE „optimale“ Darmflora im Stuhl aufwies[265]. Vor der Verabreichung des Stuhls mittels Einlauf wurde über fünf Tage antibiotisch mit einer Kombination von Metronidazol, Ciprofloxacin und Ampicillin behandelt. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von Nebenwirkungen, was in der Gruppe mit Stuhltransfer deutlich günstiger ausfiel. Ein vermindertes Auftreten einer HE als sekundärer Endpunkt fand sich ebenfalls nur in dieser Gruppe. Weitere HE-Episoden wurden ausschließlich bei sechs von insgesamt zehn Kontrollpatienten beobachtet. Obwohl auch die Patienten der Kontrollgruppe Rifaximin und Lactulose erhielten, überrascht die hohe Rezidivrate von 60% in dieser Gruppe. Die aktuelle Datenlage erlaubt derzeit keine Empfehlung für dieses Verfahren außerhalb von klinischen Studien.
Schwer resorbierbare Antibiotika
Schwer resorbierbare Antibiotika wie Paromomycin, Neomycin und Rifaximin beeinflussen die Darmflora, indem pathogene Darmbakterien mit Endotoxin- oder Ammoniakbildung abgetötet werden. Die fast ausschließlich im Darmlumen wirkenden Antibiotika verändern somit die quantitative und qualitative Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms mit positiven Auswirkungen auf Therapie und Prävention einer HE.
Rifaximin hat ein breites antimikrobielles Spektrum mit Wirkung gegen intestinale Gram-positive und Gram-negative Organismen, was sowohl Aerobier als auch Anaerobier einschließt. Es beeinflusst Funktion und Aktivitäten der intestinalen Bakterien mit Anstieg langkettiger Fettsäuren und von Intermediärprodukten des Kohlenhydratstoffwechsels[285]. Die intestinale bakterielle Zusammensetzung, die bakterielle Translokation[286] und Hämodynamik werden jedoch bei dekompensierter Leberzirrhose durch eine vierwöchige Behandlung mit Rifaximin nicht oder kaum beeinflusst[287].
In einer Metaanalyse von zehn Studien[288], die Rifaximin mit anderen Therapien bei einer akuten HE-Episode verglichen, fand sich bei neun von zehn analysierten Studien kein statistisch signifikanter Unterschied gegenüber der jeweiligen Kontrolltherapie. Die anhand dieser Daten durchgeführte Metaanalyse zeigte in der Akutbehandlung keinen Vorteil für Rifaximin allein im Vergleich zu einer Standardtherapie, zumal die einzige Studie[289] mit signifikantem Ergebnis nicht Rifaximin, sondern dessen Kombination mit Lactulose gegen Lactulose allein verglich. Zudem war in dieser Studie in beiden Gruppen eine außergewöhnlich hohe Mortalität vorhanden und der Nachweis eines auslösenden Faktors für eine HE war kein Ausschlusskriterium[289]. 17 Patienten in der Kontrollgruppe litten an einer Sepsis, während dies nur bei sieben in der Rifaximingruppe der Fall war. Dies und die Tatsache, dass in der Metaanalyse[288] von den Herstellern des Präparates (Salix und Alfa Wasserman) zur Verfügung gestellte bis dahin nicht publizierte Daten eingingen, schmälern die Aussagekraft dieser Metaanalyse weiter.
Drei weitere Metaanalysen[276][277][278] konnten ebenfalls keine Überlegenheit von Rifaximin gegenüber Kontrolltherapien bei akuter HE-Episode nachweisen.
Der primäre Einsatz von Rifaximin bei einer manifesten HE wurde in der gemeinsamen Leitlinie von AASLD und EASL nicht empfohlen, da hierfür keine soliden Daten zur Verfügung standen[260]. Rifaximin ist in Deutschland zur Behandlung der ersten HE-Episode nicht zugelassen. Eine Monotherapie mit Rifaximin soll entsprechend der Leitlinienkommission nicht bei der Erstbehandlung, sondern nur in den wenigen Fällen einer Unverträglichkeit von Lactulose (s. DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.14, „Off-Label-Use“) erfolgen. Bei fehlendem Ansprechen von Lactulose allein kann zusätzlich Rifaximin gegeben werden (DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.11). Diese Empfehlung beruht auf einer einzigen positiven Studie, die die oben angeführten Schwächen aufweist, und entspricht zudem einer nicht zugelassenen Indikation[289] (s. auch Abschnitt 7.1.4, Therapie der akuten Episode einer hepatischen Enzephalopathie, ab DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.1) Rifaximin ist nur in der Sekundärprävention in Kombination mit Laktulose zugelassen.
Paromomycin, Neomycin und Rifaximin waren in einer Metaanalyse gleichwertig[277]. Das Nebenwirkungsspektrum von Paromomycin und Neomycin ist aber ungünstiger als das von Rifaximin[290]. Auch die schwer resorbierbaren Antibiotika werden in geringen Mengen intestinal resorbiert. Insbesondere bei Paromomycin und Neomycin besteht bei längerer Einnahme das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen wie Oto- oder Nephrotoxizität. Auch Rifaximin wird bei Patienten mit Leberzirrhose wegen der durchlässigeren Darmwand leichter in die Blutbahn aufgenommen, was zu höheren Blutplasmakonzentrationen (10 ng/ml) im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen (1 ng/ml) führt[291]. Interaktionen am CYP3A4 bei gleichzeitiger Einnahme von Statinen können in sehr seltenen Fällen das Risiko für eine Myopathie erhöhen[292]. Trotz bekannter Aktivität gegen Clostridium difficile wurden unter Rifaximin Infektionen mit diesem Erreger beobachtet[293].
Laxantien und abführende Maßnahmen
Schon früh wurden abführende Maßnahmen mit Einläufen und wiederholten Gaben von Magnesiumcitrat[294] oder die orthograde intestinale Lavage mit einer Mannitlösung bei HE und Leberzirrhose vorgeschlagen[204][205]. In der Primärprophylaxe bei Patienten mit oberer gastrointestinaler Blutung erwies sich die Applikation der Mannitlösung als genauso effektiv wie die Kombination von Paromomycin und Lactulose[205] oder besser als keine Therapie[295].
Eine kleinere Studie zeigte bei Patienten mit akuter HE Vorteile für reine Abführmaßnahmen mittels Polyäthylenglykol(PEG)-Lösung im Vergleich zur Gabe von Lactulose[206]. Im klinischen Alltag dürfte es nicht einfach sein, 4 l PEG-Lösung bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose und HE zu verabreichen. Die Studie zeigt aber, dass alleinige abführende Maßnahmen positiv in die Pathophysiologie der HE eingreifen. Naderian und Mitarbeiter[296] kamen zu einem ähnlichen Ergebnis, wobei sie leichte Vorteile im Sinne einer schnelleren Besserung der HE für die Kombination von PEG-Lösung und Lactulose nachweisen konnten.
Eine Empfehlung zum routinemäßigen Einsatz der PEG-Lösung bei HE oder in der Primärprophylaxe kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht gegeben werden. Eine Alternative zur oralen Lavage können möglicherweise Lactulose-Einläufe (300 ml Lactulose auf 1000 ml H2O) sein[297][298][299].
Substanzen zur Bindung von Ammoniak
Erhöhte Serumammoniakspiegel können durch exogene Zufuhr von L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA) bei Patienten mit Leberzirrhose gesenkt werden[300]. LOLA stimuliert möglicherweise den Einbau von Ammoniak in Harnstoff oder Glutamin über das erhöhte Angebot an Vorstufen zur Harnstoffsynthese und Glutaminbildung. Auch nicht-natürliche Substanzen wie Glycerolphenylbutyrat oder Ornithin-phenylazetat binden Ammoniak in Form von Phenylazetylglutamin, das renal eliminiert wird[301].
L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA)
Die Wirkung von LOLA auf den Ammoniakgehalt des Blutes wurde in einigen[269][302], aber nicht in allen Studien[302] gezeigt. Der Nachweis der Ammoniakabsenkung allein lässt zudem keinen Rückschluss auf die klinische Wirksamkeit zu[303]. Gelegentlich setzte der Einschluss von Patienten in diese Studien einen erhöhten Ammoniakspiegel voraus, was deren Aussagekraft wegen einer möglichen Patientenselektion beeinträchtigen kann.
Die Autoren einer aktuellen Metaanalyse[304] kommen zu dem Schluss, dass unzureichende Informationen vorliegen, um eine endgültige Bewertung trotz einiger positiver Effekte von LOLA vornehmen zu können, da die bisher vorliegenden Studienergebnisse zufälligen und systematischen Fehlern unterliegen können. LOLA zeigte in dieser Metaanalyse keine Wirkung bei mHE oder in der HE-Prävention. Der Nachweis von positiven Effekten von intravenös appliziertem LOLA bei HE (akute oder chronische HE) war von geringer Qualität und erfordert zusätzliche randomisierte Studien.
In einer weiteren Metaanalyse zur Wirkung von LOLA bei akuter HE und mHE gingen acht randomisierte und kontrollierte Studien mit 646 Patienten ein[303]. Es ergaben sich Vorteile für alle eingeschlossenen Patienten mit HE beim Vergleich von LOLA mit Placebo oder keine Behandlung (vier Studien, RR für Rückbildung der HE 1,33; 95% Konfidenzintervall 1,04–1,69). In den Studien bewirkte eine mindestens zehntägige Gabe von LOLA eine signifikante Absenkung des Ammoniakspiegels. Die Wirkung auf den Ammoniakgehalt des Blutes korrelierte jedoch nicht mit einer Besserung der HE. Wenn nur Studien mit hoher Qualität eingeschlossen wurden, fand sich in dieser Metaanalyse kein statistisch signifikanter Vorteil von LOLA auf die mHE oder akute HE bei Patienten mit Leberzirrhose[303].
Eine kürzlich publizierte randomisierte kontrollierte Studie an 193 Patienten mit HE untersuchte die zusätzliche i.v. Gabe von LOLA im Vergleich mit Lactulose und Ceftriaxon allein[302]. Das Vorliegen von Auslösern für eine HE-Episode war in dieser Studie kein Ausschlusskriterium. LOLA, als zusätzliches Medikament zu Cetriaxon und Lactulose gegeben, zeigte nur in den ersten vier Tagen nach Therapiebeginn eine bessere Wirkung auf den HE-Grad. Am fünften Tag zeigte sich gegenüber der Placebogruppe kein Unterschied mehr. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes konnte durch die zusätzliche Gabe von LOLA um etwas mehr als einen halben Tag verkürzt werden.
Insbesondere für die orale Gabe von LOLA gibt es keine gesicherten Daten[260][266]. Die beste Studie[268], die die orale Gabe von LOLA mit Placebo verglich, schloss überwiegend Patienten mit mHE und HE Grad 1 und nur sieben bzw. elf Patienten mit HE Grad 2 in die jeweilige Vergleichsgruppe ein. Auch bei mHE erwies sich die orale Gabe als unwirksam[305].
Zwei Studien mit oraler Gabe[268][306] und eine weitere mit i.v. Gabe[269] gingen in eine dritte Metaanalyse ein[307]. Ein positiver Effekt wurde für Patienten mit HE-Schweregrad 1 und 2 und nicht für die mHE nachgewiesen. Die Besserung von Grad 1 auf 0 ist allerdings nach heutiger Auffassung klinisch nicht sicher einschätzbar.
Der Einsatz von i.v. LOLA bei akutem Leberversagen (HE Typ A) zeigte weder eine Wirkung auf die Ammoniakspiegel im Serum noch auf das Überleben der Patienten[308].
Glycerolphenylbutyrat und Ornithinphenylazetat
Glycerolphenylbutyrat und Ornithinphenylazetat sind ebenfalls in der Lage, den Ammoniakspiegel im Blut über eine vermehrte renale Ausscheidung von Ammoniak-haltigen Metaboliten abzusenken[301]. Unter Glycerylphenylbutyrat war in der Sekundärprävention der Prozentsatz der Patienten mit einem erneuten HE-Rezidiv statistisch signifikant niedriger als unter nur fortgeführter Standard-HE-Therapie[309]. Auch die Zeit bis zum nächsten HE-Rezidiv und die Zahl der Hospitalisationen war unter dieser Substanz statistisch signifikant günstiger. Glycerylphenylbutyrat wurde von Patienten mit Leberzirrhose gut vertragen[310].
Ornithinphenylazetat in einer Dosierung von 10 g/Tag führte zu keiner Absenkung der Ammoniakspiegel bei Patienten mit Leberzirrhose[311]. Die Substanz erwies sich bei Patienten mit Leberzirrhose als sicher[312]. Klinische Studien liegen zu dieser Substanz noch nicht vor.
Verzweigtkettige Aminosäuren (BCAA)
Valin, Leuzin und Isoleuzin sind verzweigtkettige Aminosäuren (BCAA, branched-chain amino acids), die für die zelluläre Proteinsynthese erforderlich sind. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist die Relation von BCAA zu aromatischen Aminosäuren im Serum zuungunsten der BCAA verschoben. Bei diesen Patienten scheint sich die Gabe von BCAA günstig auf die Albuminsynthese, die Insulinresistenz und die Synthese von Muskelproteinen auszuwirken[313][314]. Bei HE können BCAA die Stickstoffbindung in Proteinen und eine verminderte Freisetzung von Ammoniak bei anaboler Stoffwechsellage bewirken.
Eine Metaanalyse[249] schloss 16 randomisierte klinische Studien mit 827 Teilnehmern ein, die die Wirkung von verzweigtkettigen Aminosäuren auf die HE nach oraler oder intravenöser Gabe untersuchten. Die Analyse belegte einen statistisch signifikanten Effekt dieser Therapie auf die HE bei Patienten mit Leberzirrhose. Mortalität, Lebensqualität oder Ernährungsparameter wurden allerdings hierdurch nicht beeinflusst. Der positive Effekt von BCAA auf die HE blieb auch erhalten, wenn Studien mit geringer Qualität ausgeschlossen wurden. Es fand sich kein Unterschied zur Wirkung von Lactulose oder Neomycin.
Die orale Zufuhr von BCAA führte bei Patienten mit Leberzirrhose zu keiner Abnahme des Auftretens typischer Komplikationen wie eine HE[315], obwohl sich der MELD-Score signifikant besserte. In einer weiteren Studie besserte sich der Child-Pugh-Score unter kontinuierlicher Verabreichung von BCAA[316]. Die orale Zufuhr von BCAA und von Leuzin hatte zudem günstige Effekte auf die Skelettmuskulatur dieser Patienten[317].
Medikamentöse Kombinationstherapien
Eine retrospektive Studie verglich die alleinige Gabe von Lactulose mit der Kombination von Lactulose und Rifaximin[318]. Die Krankenhausaufenthaltsdauer unterschied sich nicht, aber es kam im Verlauf zu weniger stationären Wiederaufnahmen bei Einsatz der Kombination. Die Mortalität war in beiden Gruppen statistisch nicht signifikant verschieden. 76% der Patienten, die Rifaximin zusätzlich zu Lactulose in einer randomisierten, kontrollierten Studie[289] erhielten, zeigten eine vollständige Besserung der HE. Unter Lactulose allein wurde dies nur bei 44% der Patienten erreicht (P=0,004). Die Kombination beider Substanzen reduzierte die Mortalität (23,8% vs. 49,1%; P <0.05) und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Im Gegensatz dazu waren diese beiden Endpunkte in der retrospektiven Studie[318] nicht signifikant verschieden. Erklärungen für die abweichenden Ergebnisse beider Studien können das unterschiedliche Studiendesign und die ungewöhnlich hohe Mortalität der Patienten in der Studie von Sharma et al.[289] sein. Zwei weitere prospektiv angelegte Studien zum Vergleich der Kombination von Laktulose und Rifaximin mit Laktulose allein ergaben jeweils keinen Unterschied im Hinblick auf den Prozentsatz der Patienten ohne HE[319][320]. Da von den vier aufgeführten Studien[289][318][319][320] nur eine einen Vorteil für die Kombinationstherapie von Laktulose mit Rifaximin ergab, kann diese entsprechend der Empfehlung der Leitlinienkommission nur in Einzelfällen bei nicht ausreichendem Ansprechen einer Monotherapie mit Lactulose erfolgen. In der Akuttherapie der HE ist zudem Rifaximin weder allein noch in Kombination mit Lactulose zugelassen.
Ein ähnliches Ergebnis wie für die Kombination von Lactulose mit Rifaximin[289] konnte durch die Kombination von Albumin (1,5 g/kg Körpergewicht/Tag) mit Lactulose (3×30–60 ml/Tag) erzielt werden[321]. 75% der Patient in der Kombinationsgruppe und 53% unter Lactulose allein zeigten eine vollständige Besserung der akuten HE.
LOLA als zusätzliches Medikament zu Ceftriaxon und Lactulose gegeben[302], zeigte nur in den ersten vier Tagen nach Therapiebeginn eine bessere Wirkung auf den HE-Grad. Am fünften Tag zeigte sich gegenüber der Placebogruppe kein Unterschied mehr. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes konnte durch die zusätzliche Gabe von LOLA um etwas mehr als einen halben Tag verkürzt werden.
Eine weitere Studie verglich die kombinierte Gabe von LOLA, Lactulose und Metronidazol mit Lactulose und Metronidazol bei Patienten mit HE und Leberzirrhose[322]. Bei 79,1% (34/43) der Pat. besserte sich die akute HE-Episode unter adjuvanter LOLA-Gabe im Vergleich zu 55,6% (25/45) unter Standardtherapie. In dieser Studie wurden allerdings überwiegend Patienten mit reversibler Ursache für eine HE eingeschlossen.
Bei einer akuten HE-Episode wird in der Mehrzahl der Fälle ein therapierbarer Auslöser der HE vorliegen (s. Sektionsanfang). In den wenigen Fällen, wo keine Ursache für die HE gefunden werden kann, ist eine Monotherapie in mindestens der Hälfte der Fälle erfolgreich[319][320][321][322]. Nur in dem geringen Prozentsatz von Patienten mit Therapieversagen kann auf eine Kombinationstherapie gewechselt werden. Mortalität und weitere Komplikationen der Leberzirrhose werden auch durch Lactulose allein günstig beeinflusst[274]. In der amerikanisch-europäischen Leitlinie wird entsprechend eine Monotherapie mit Lactulose als Therapie der ersten Wahl empfohlen[260]. BCAA, i.v. LOLA und Rifaximin sind mögliche Kombinationspartner bei akuter HE bei Therapieversagen von Lactulose allein.
Rezidivprophylaxe nach einer HE-Episode
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.21: Bei Patienten mit Zirrhose und durchgemachter HE soll eine Rezidivprophylaxe erfolgen.
Starke Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.22: Lactulose sollte als Medikament zur Sekundärprophylaxe eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.23: Rifaximin sollte additiv zur Lactulose in der Sekundärprophylaxe der HE >Grad 1 nach West-Haven-Kriterien ohne Auslöser eingesetzt werden, wenn unter alleiniger Gabe von Lactulose ein Rezidiv aufgetreten ist. Eine Monotherapie mit Rifaximin sollte nur erfolgen, wenn eine Therapie mit Lactulose nicht möglich ist.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Therapiestudien zur Sekundärprävention einer HE zeigten eine Rezidivrate von 47–57% für eine zweite HE-Episode[293][323][324]. Maßnahmen zur Sekundärprophylaxe einer HE dienen der Verhinderung einer wiederholten HE-Episode, die mit erneuter Hospitalisation, Morbidität, Mortalität und Gesundheitskosten einhergeht[293][323][324][325]. Der Beginn der Sekundärprophylaxe wurde nach einer ersten HE-Episode empfohlen[88][326]. Wenn die HE durch die Therapie der auslösenden Ursache (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1) erfolgreich beseitigt wurde, kann entsprechend der EASL/AASLD-Leitlinie auf eine Sekundärprophylaxe verzichtet werden[88]. Die Sekundärprävention wird ansonsten dauerhaft fortgesetzt. Allerdings könnte ein Auslassversuch bei Besserung der Leberfunktion und/oder Zunahme der Muskelmasse gemacht werden[88].
In randomisierten kontrollierten Studien zur Sekundärprävention wurden verzweigtkettige Aminosäuren[327], Probiotika[324][328], ein Stuhltransfer[265] (siehe oben), nicht-absorbierbare Disaccharide[273][323][324], Ammoniak-bindende Substanzen[304][309] und Rifaximin[288][293] getestet, wobei sich Vorteile für einige dieser Substanzen gegenüber Placebo ergaben. Meistens stellten jedoch HE-Auslöser kein Ausschlusskriterium dar, was die Qualität der Studien einschränkt. Zudem enthielt in der größten Studie sowohl der Verum- als auch der Placeboarm Lactulose, so dass nur eine Beurteilung der Kombination der Testsubstanz mit Lactulose gegen Lactulose allein möglich war[293].
Eine Metaanalyse, die die Wirkung nicht-absorbierbarer Disaccharide in der Sekundärprophylaxe untersuchte, fand eine statistisch signifikante Risikoabsenkung von 53% für das erneute Auftreten einer HE-Episode[265]. Die kostengünstige Lactulose sollte daher das Medikament der ersten Wahl in der Sekundärprävention sein[88].
Rifaximin erwies sich in der Sekundärprophylaxe in zwei von drei in eine Metaanalyse eingeschlossenen Studien im Vergleich zu einer Kontrolltherapie ohne Vorteil[288]. Eine dieser beiden negativen Studien[329][330] bestand ausschließlich aus Patienten nach TIPS-Implantation mit HE[330]. Der Einschluss der einzig positiven Studie[293], die die Kombination von Rifaximin mit Lactulose gegenüber Lactulose allein untersucht hatte, führte in der Metaanalyse zu einem statistisch signifikanten Vorteil für Rifaximin gegenüber einer Standardtherapie[288]. Diese Studie von Bass et al.[293] weist jedoch erhebliche Mängel auf[291][331]. So wurde die Randomisierung in den 70 beteiligten Zentren nicht spezifiziert. Ein Drittel der Patienten war bei Studieneinschluss nicht in vollständiger Remission, sondern wies den HE-Grad 1 auf[291]. Primäres Zielkriterium war die Zeit zwischen Therapiebeginn bis zum „Durchbruch“ einer HE-Episode. Eine Durchbruchepisode lag vor, wenn der zu Beginn erhobene Conn-Score von 0 oder 1 auf mindestens 2 oder der initiale Conn-Score von 0 auf 1 und gleichzeitig der Asterixis-Score um einen Schweregrad stieg. Gerade bei niedrigen Schweregraden des Conn-Scores ist die klinische Einschätzung sehr subjektiv und wenig reproduzierbar[331]. Dies gilt auch für die quantitative Beurteilung einer Asterixis mit wenigen („few“ = Grad 1) und gelegentlichen („occasional“ = Grad 2) grobschlägigen Zitterbewegungen[293]. Bei etwa 30–40% der Fälle erfolgte die Einschätzung des Conn-Scores indirekt durch den jeweiligen Studienleiter vor Ort allein aufgrund von schriftlichen Aufzeichnungen oder Aussagen von Dritten und bei weiteren 20% auch indirekt auf Aussagen des Patienten selbst[331]. Unklar ist, warum die vorausberechnete Zahl einzuschließender Patienten um fast 100 Patienten überschritten wurde[293]. Bei der Einschätzung der Studienergebnisse muss weiterhin berücksichtigt werden, dass nicht nur das Studienprotokoll unter Mitwirkung des Herstellers von Rifaximin (Fa. Salix) entworfen wurde, sondern auch Monitoring und Datenanalyse durch Mitarbeiter dieser Firma erfolgten[293]. Nur fünf der 17 Autoren der Studie erhielten keine finanziellen Zuwendungen oder waren keine Mitarbeiter der Fa. Salix[293]. In der Metaanalyse[288] wurden zudem bisher nicht veröffentliche Patientendaten verwandt, die den Autoren von der Fa. Salix zur Verfügung gestellt wurden.
In der Sekundärprophylaxe sollte entsprechend dieser Studienlage Rifaximin allein (2×550 mg/Tag) nur dann eingesetzt werden, wenn die alleinige Gabe eines nicht-absorbierbaren Disaccharids bei einer HE ohne Auslöser nicht ausreichend wirksam ist oder Lactulose nicht vertragen wird[88]. Die tägliche Einmalgabe von Rifaximin in der Rezidivprophylaxe war in einer Studie gleich wirksam wie die Gabe von zwei Dosen pro Tag[332]. In einer retrospektiven Auswertung von Langzeitdaten von Patienten unter Rifaximin oder Rifaximin und Lactulose zur Sekundärprävention fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied für das erneute Auftreten einer HE-Episode in beiden Gruppen[333] (s. auch Medikamentöse Kombinationstherapien ab DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.9).
L-Ornithin-L-Aspartat zeigte in einer Metaanalyse keine Wirkung in der Rezidivprophylaxe[304]. In einer kürzlich publizierten Studie zur Sekundärprophylaxe der HE zeigte dagegen die orale Gabe von täglich 6 g LOLA im Vergleich zur Gabe von Plazebo eine Verhinderung von HE-Rezidiven (9/73 (12,3%) vs. 20/72 (27,7%)[334]. Für alle beobachteten Rezidive fand sich jedoch ein Auslöser. LOLA hatte in dieser Studie zudem keinen Einfluss auf die Mortalität oder die Zahl der wegen einer HE hospitalisierten Patienten. Ein Vergleich mit Laktulose erfolgte nicht. Die Studie ist monozentrisch und nicht konsequent prospektiv angelegt, so dass aufgrund dieser Daten keine Empfehlung zur oralen Rezidivprophylaxe mit LOLA gegeben werden kann[335].
Zur Sekundärprävention erwies sich die Gabe von Zink oder die diätetische Verabreichung von verzweigtkettigen Aminosäuren ebenfalls als nicht wirksam[257][327]. Zum Einsatz weiterer Ammoniak-bindender Substanzen oder Probiotika in der Sekundärprävention kann aufgrund der derzeitigen Studienlage keine gesicherte Aussage gemacht werden.
Bei therapierefraktärem Verlauf kann ein dominanter portosystemischer Shunt gesucht (siehe unten) und ggfs. operativ oder interventionell verschlossen werden[336]. Darüber hinaus sollte die Indikation zur Lebertransplantation geprüft werden.
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.24: Bei Patienten mit durchgemachter oHE-Episode soll auf eine Ernährung mit ausreichend Kalorien- und Eiweißgehalt sowie einen abendlichen Imbiss geachtet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Allgemeinmaßnahmen im Rahmen der Rezidivprophylaxe entsprechen denen, die unter Allgemeinmaßnahmen bei akuter HE aufgeführt sind. Dies betrifft insbesondere die Ernährung[224], Verteilung der Mahlzeiten[248] und ggfs. die Bevorzugung von pflanzlichen Eiweißen[337].
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.25: Bei Besserung der Leberfunktion oder des Ernährungszustandes nach durchgemachter HE-Episode kann die Sekundärprävention beendet werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Gute Daten zur Therapiedauer bei Patienten mit HE existieren nicht. In einer Studie zur Behandlung der mHE mit Rifaximin oder Lactulose wurde über drei Monate behandelt[338]. Sechs Monate nach Beendigung der Therapie kam es bei 47,6% in der Rifaximin- und bei 42,1% in der Lactulose-Gruppe zu einem Rezidiv der mHE. Der Prozentsatz der Patienten, die eine HE-Episode erlitten, war in beiden Therapiegruppen mit 7,1% und 7,9% gleich. Immerhin war nach Absetzen der Medikamente bei etwa der Hälfte der Patienten die mHE nicht mehr nachweisbar. Bei der Vermeidung eines Übergangs in eine manifeste HE erwiesen sich beide Medikamente im Verlauf als gleichwertig.
Eine Rezidivprophylaxe mit Lactulose senkte das Auftreten einer HE von 46,8% in der Kontrollgruppe auf 19,2%[323]. Nur 20–33% dieser Rezidive wiesen keinen Auslöser auf, so dass die Mehrzahl der wiederholten HE-Episoden durch auslösende Komplikationen verursacht wurden. Die Fortführung der Rezidivprophylaxe mit Lactulose allein oder in Kombination mit Rifaximin versagte bei 45,9% bzw. 22,1% der Patienten[293], wobei Lactulose als Monotherapie in dieser Studie wesentlich schlechter abschnitt als in der zuerst erwähnten Studie[323].
Unklar ist, welche Patienten unter einer Rezidivprophylaxe ein Therapieversagen zeigen, ob es hierfür prognostische Parameter gibt und ob auch eine HE mit Auslöser in der Sekundärprävention vermieden werden kann.
In der AASLD/EASL-Leitlinie[260] wird empfohlen, bei einer erfolgreich behandelten Ursache der HE-Episode auf eine Sekundärprävention zu verzichten. Zur Einschätzung des Rezidivrisikos scheint die Beurteilung der Leberfunktion und des Ernährungszustandes (Vorliegen einer Sarkopenie) im weiteren Verlauf wichtig zu sein (siehe ab DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.1). Gelingt es, diese Parameter zu verbessern, kann entsprechend dieser Leitlinie eine Rezidivprophylaxe beendet werden.
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.26: Bei Patienten mit und ohne Leberzirrhose und therapierefraktärer HE soll nach dominanten portosystemischen Shunts mittels Sonographie, Angio-CT oder MRT gesucht werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.27: Bei Vorliegen einer Leberzirrhose (MELD-Score <11) mit therapierefraktärer HE und Nachweis eines großen dominanten portosystemischen Shunts kann die Indikation zu einem interventionellen oder operativen Verschluss gestellt werden.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Erworbene oder angeborene Shunts bei strukturell nicht veränderter Leber sind sehr selten. Dies gilt entsprechend auch für das damit verbundene Auftreten einer HE Typ B[339]. Bei portosystemischen Shunts nach einer Pfortaderthrombose fand sich jedoch bei bis zu einem Drittel der Patienten eine mHE[340][341]. Patienten mit hereditären hämorrhagischen Teleangiektasien (Morbus Rendu-Osler-Weber) wiesen in 32–78% der Fälle vaskuläre Veränderungen in der Leber auf[342]. Zwar können portosystemische Shunts bei diesen Patienten zu einer HE bei Abwesenheit einer Leberschädigung führen, von einer Shuntembolisation wird jedoch in diesen Fällen abgeraten, da dies nur eine vorübergehende Maßnahme bei Patienten mit M. Osler darstellt und mit hoher Mortalität und Morbidität assoziiert ist[342]. Stattdessen sollte eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen werden[343].
20% der Kinder bei extraheptischem Pfortaderverschluss wiesen eine mHE auf, die bei 75% mit Lactulose erfolgreich behandelt werden konnte[344]. Bei Kindern mit HE und angeborenen protosystemischen Shunts bei Pfortaderagenesie oder Hypoplasie kann nach genauer bildgebender Diagnostik und je nach Shunttyp neben einem interventionellen Shuntverschluss[345][346] auch ein operativer Shuntverschluss eine Therapieoption darstellen[345].
Bei 46–70% der Patienten mit Leberzirrhose und therapierefraktärer HE können größere dominante portosystemische Shunts die Ursache für eine therapierefraktäre HE sein[347][348][349]. Ein spontaner splenorenaler Shunt fand sich bei 11 (10,5%) von 105 Patienten mit Leberzirrhose[350]. 18,2% dieser Patienten wiesen eine HE auf.
Spontane portosystemische Shunts können durch Ultraschall (Farbdoppler, Kontrastmittelsono-graphie), Angio-CT und/oder MRT nachgewiesen werden[349][350][351][352]. Sie sind meist auf splenorenale Shunts, rekanalisierte (Para) Umbilicalvenen, portocavale, mesorenale oder mesocavale Shunts zurückzuführen. Eine europäische Kohortenstudie wies auf eine verbesserte Selbständigkeit der Patienten, Abnahme der Krankenhausaufenthalte und Abnahme des Schweregrades der HE-Episoden bei dreiviertel der Patienten hin, bei denen wegen therapierefraktärer HE ein großer portosystemischer Shunt verschlossen wurde[353]. Bei 59,4% verschwand die HE vollständig. Ein MELD-Score von 11 oder höher vor der Intervention war der wichtigste prognostische Parameter für das Wiederauftreten einer HE nach dem Eingriff. Die Embolisation des Shunts erfolgte mit Coils, Amplatzer Plugs oder einer Kombination dieser Verfahren. In Einzelfällen erwies sich auch ein chirurgischer Eingriff als hilfreich[354]. Nach interventionellen Therapieverfahren[350] zeigten sich keine wesentlichen Auswirkungen auf die portale Hypertension. Die Zahl der Patienten mit gastroösophagealen Varizen oder Aszites blieb vor und nach dem Eingriff gleich.
Therapie der HE nach TIPS
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.28: Die medikamentöse Therapie einer akuten oHE-Episode nach TIPS-Anlage entspricht der bei oHE und Leberzirrhose.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Statement 7.29: Bei fehlendem Ansprechen der HE nach TIPS sind Stentreduktionsverfahren und/oder eine Lebertransplantation indiziert.
Starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.30: Vor einer TIPS-Implantation soll eine gründliche Selektion der Patienten erfolgen, da dies die wirksamste Maßnahme zur Prophylaxe einer HE nach TIPS darstellt.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.31: Die medikamentöse Primärprävention einer HE nach TIPS-Implantation sollte nicht durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Die Prävalenz der HE nach TIPS wird zwischen 15 und 48% angegeben[355][356]. In einer Metaanalyse von drei Studien senkten gecoverte Stents das Risiko für das Auftreten einer HE signifikant im Vergleich zu nicht-gecoverten Stents[357]. Die Verwendung eines gecoverten TIPS-Stents mit kleinerem Durchmesser (8 vs. 10 mm Durchmesser) hatte jedoch überraschenderweise in einer Studie keinen Einfluss auf das Vorkommen einer klinisch manifesten HE[358]. Weitere Studien konnten dagegen einen Vorteil für die Verwendung eines dünnkalibrigen Stents mit 8 mm Durchmesser auf die Inzidenz der oHE und Rezidivblutungen aus Varizen nachweisen[359][360].
Das Auftreten einer HE nach TIPS-Implantation korrelierte mit Stentdurchmesser, Shuntfluss und portosystemischen Druckgradienten. Ein niedriger Druckgradient <12 mm HG nach Anlage des TIPS begünstigte eine HE[361] und ein höherer Wert eine Varizenblutung. Dieser Grenzwert sollte z.B. über die Verwendung dünnkalibriger Stents (6–8 mm) eingehalten werden[355]. Bei modernen gecoverten Stents führt das Unterschreiten einer unteren Grenze des portosystemischen Druckgradientens <5 mm zu einem deutlich erhöhten Risiko für eine HE oder ein Leberversagen[362]. Vorhersageparameter für eine HE sind: Alter über 65 Jahre[363][364], frühere HE[330][365], Child-Pugh-Score >10, MELD-Score >14[366], niedriges Serumnatrium[233] und eine Hyperbilirubinämie[355]. Neben dem MELD-Score stellte auch das Vorliegen einer Sarkopenie einen unabhängigen Risikofaktor für das Auftreten einer HE nach TIPS-Anlage dar[229]. Die gründliche Selektion von Patienten für eine TIPS-Implantation ist entscheidend, um eine spätere HE-Episode zu vermeiden.
Eine medikamentöse Primärprophylaxe der HE nach TIPS-Implantation erwies sich in einer Studie mit Rifaximin oder Lactitol im Vergleich zu keiner Therapie als unwirksam, so dass hierauf verzichtet werden sollte[330].
Die Behandlung einer HE nach TIPS-Implantation erfolgt wie bei Patienten mit Zirrhose ohne TIPS[355]. Hierbei muss zunächst eine auslösende Ursache gesucht und therapiert werden. In einer Studie an Patienten mit Post-TIPS-HE ließen sich 78% der Patienten erfolgreich mit Lactulose behandeln[356].
3–7% der Patienten nach TIPS-Implantation sprechen auf eine medikamentöse Therapie der HE jedoch nicht an und sind entsprechend therapierefraktär[367][368]. Interventionelle Verfahren wie die TIPS-Okklusion oder Stentreduktion können in solchen Einzelfällen bei einer akuten HE-Episode hilfreich sein[369][370]. Von 189 Patienten bekamen 12 nach TIPS-Implantation eine HE, die auf eine medikamentöse Therapie nicht ansprach[366]. Die Platzierung eines Ballon-dilatierbaren, uhrglasförmigen Stents in den liegenden TIPS führte innerhalb von im Mittel 22 Stunden zum Verschwinden der HE. In einem Fall kam es zum Rezidiv des Aszites, weshalb der Reduktionsstent dilatiert werden musste.
Vor Einsatz interventioneller Verfahren sollte eine klare kausale Verbindung zwischen TIPS-Implantation und Auftreten der HE hergestellt werden: Die HE sollte zeitlich nah an dem Eingriff aufgetreten sein, der erzielte portosystemische Gradient ist niedrig und/oder die Leberfunktion verschlechtert sich nach dem Eingriff[370]. Der Vorteil einer Besserung der HE muss gegen das Risiko einer erneuten Varizenblutung oder Aszitesbildung abgewogen werden. Ansonsten muss auch die Lebertransplantation bei diesen Patienten in Betracht gezogen werden.
Therapie bei verdeckter hepatischer Enzephalopathie (cHE, mHE)
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.32: Patienten mit HE <1 (West-Haven-Klassifikation) sollen die gleichen diätetischen Maßnahmen wie Patienten mit HE >1 empfohlen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.33: Patienten mit mHE sollten nicht allein auf Basis pathologischer psychometrischer Tests therapiert werden.
Empfehlung, Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.34: Die Therapie sollte bei Patienten mit gesicherter mHE bei Angabe einer reduzierten Lebensqualität, bei objektiver Einschränkung bei Verrichtungen des täglichen Alltags oder bei Vorliegen beruflicher Risiken durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.35: Wird eine Therapie der mHE im Einzelfall als notwendig erachtet, soll als Therapie der ersten Wahl Lactulose verwendet werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
Kommentar
Probiotika
25 Patienten mit Leberzirrhose und durch psychometrische Teste gesicherter mHE erhielten über 60 Tage probiotischen Joghurt (n=17) oder keine Therapie (n=8)[371]. Unter Joghurt-Konsum besserte sich bei 71% die mHE (drei psychometrische Teste) gegenüber 0% bei den Kontrollen. 2 der Patienten in der Kontrollgruppe und keiner in der Verumgruppe entwickelten eine HE-Episode. Es handelte sich um einen käuflichen Joghurt mit S. thermophilus, L. bulgaricus, L. acidophilus, Bifidobakterien und L. casei. Probiotika zeigten sich in einer weiteren Studie gleich wirksam wie LOLA oder Lactulose[372]. Saji und Mitarbeiter[373] konnten dagegen keine Wirkung auf die mHE bei Leberzirrhose beobachten.
Eine Metaanalyse von neun Studien, die Probiotika (lebende Bakterien), Präbiotika (Lactulose) oder Synbiotika (beide Therapieformen) eingesetzt hatten, fand positive Effekte für den Einsatz dieser Therapien bei mHE[374]. Besserung der mHE und weniger Übergänge in eine klinisch manifeste HE unter Probiotika waren auch das Ergebnis einer weiteren Metaanalyse, die jedoch keinen Unterschied zu Lactulose, Rifaximin oder LOLA nachweisen konnte[284].
Neun Studien mit 434 Patienten gingen in eine Metaanalyse ein, die bei Patienten mit mHE die Wirkung von Lactulose untersucht hatten[275]. Lactulose verbesserte die psychometrischen Testergebnisse und die Progression zu einer klinisch manifesten HE. Dies bestätigte sich in einer weiteren aktuelleren Metaanalyse[273].
LOLA
64 Patienten mit mHE wurden in eine kontrollierte, randomisierte Studie eingeschlossen, bei der sich keine Wirksamkeit von einer oralen Gabe von LOLA bei mHE zeigte[305]. In einer weiteren Studie fand sich in dieser Situation kein statistisch signifikanter Unterschied in der Wirkung von Rifaximin, Probiotika oder LOLA[375]. Alle drei Therapieregime erwiesen sich besser als Placebo. Beim Vergleich von oral verabreichtem LOLA mit Placebo, Lactulose oder Probiotika[372] fand sich eine Besserung der mHE gegenüber der Behandlung mit Placebo. Die aktiven Therapieregime unterschieden sich jedoch auch in dieser Untersuchung nicht im Hinblick auf eine Besserung der mHE. Die Entwicklung einer manifesten HE aus einer mHE konnten alle drei aktiven Therapieregime gegenüber Placebo nicht vermeiden[372].
LOLA zeigte in zwei Metaanalysen keine Wirkung bei mHE[303][304]. Dieses Ergebnis bestätigte sich in der zweiten Metaanalyse, wenn nur Studien mit hoher Qualität berücksichtigt wurden[303].
Rifaximin erwies sich in einer randomisierten Studie an Patienten mit mHE besser als Placebo[376]. Patienten mit mHE boten am Fahrsimulator unter Einnahme von Rifaximin weniger Fahrfehler als die Gruppe, die mit Placebo behandelt wurde[377]. 91% verbesserten ihre kognitiven Leistungen unter Rifaximin gegenüber 61% unter Placebo. Rifaximin erwies sich bei der Behandlung der mHE als gleich wirksam wie Lactulose[338][376]. Wurde die Therapie der mHE nach drei Monaten beendet, erlitten sowohl die mit Lactulose als auch die mit Rifaximin behandelten Patienten in knapp 50% der Fälle ein Rezidiv der mHE[338].
Therapie bei mHE
Für Patienten mit mHE wurde eine Vielzahl von Nachteilen mit Auswirkungen auf Prognose, Mortalität, Lebensqualität, Übergang in eine manifeste HE, Fallneigung und Fahrvermögen[378][379] berichtet. Es gibt zahlreiche Tests zum Nachweis einer mHE, die allerdings wenig standardisiert sind und nicht immer zur gleichen Aussage führen. Auch kann die Frage nach der Fahrtüchtigkeit allein mit dem Vorliegen eines pathologischen psychometrischen Testes nicht beantwortet werden[109][380]. Zu kurz angelegte Studien, stark variierende Endpunkte und der Einsatz verschiedener Substanzen in den bisherigen Studien führten zu keiner Therapieempfehlung für die mHE in der gemeinsamen Leitlinie von EASL und AASLD[260].
Die Untersuchung auf eine mHE mithilfe psychometrischer Tests oder der CFF kann erfolgen, wenn Patienten mit Leberzirrhose über eine beeinträchtigte Lebensqualität berichten oder wenn von Verwandten Verhaltensauffälligkeiten bemerkt wurden[260]. Dies gilt insbesondere für Patienten mit früherer HE-Episode, Child-C-Zirrhose (MELD >10) oder wenn eine mHE ein besonderes berufliches Risiko darstellt (z.B. Berufskraftfahrer). Dies kann zu einer gezielteren Beratung der Patienten und ihrer Angehörigen bzgl. Prognose und Therapie führen. Eine regelhafte Testung auf eine mHE wurde in der zitierten Leitlinie jedoch nicht empfohlen[260]. Wenn eine Therapie als sinnvoll bei einem Patienten mit mHE und entsprechendem Beschwerdebild oder Risikoprofil erachtet wird, sollte sie mit Lactulose eingeleitet werden, da sich in den bisher publizierten Studien keine andere Substanz als besser herausstellte.
Therapiedauer bei mHE
Es gibt nur eine Studie, die die Therapiedauer bei Patienten mit mHE untersuchte. Sechs Monate nach Ende einer drei Monate dauernden Therapie kam es unabhängig vom eingesetzten Medikament bei knapp 50% der Behandelten zu einem Rezidiv der mHE. In Analogie zur Behandlung der klinisch manifesten HE ist eine Therapiepause wahrscheinlich nur dann sinnvoll, wenn sich Ernährungszustand und/oder die Leberfunktion gebessert haben[338].
Vorgehen bei Patienten mit Leberzirrhose ohne HE
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.36: Eine Primärprophylaxe der HE soll bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler Blutung durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.37: Bei Patienten mit Leberzirrhose und akuter Ösophagusvarizenblutung sollte Lactulose in der Primärprophylaxe eingesetzt werden.
Empfehlung, Konsens
Kommentar
Unter der Primärprophylaxe werden therapeutische Maßnahmen zur Vermeidung des erstmaligen Auftretens einer HE bei Risikopatienten verstanden. Die einzige Indikation zu diesem Vorgehen ergibt sich bei Patienten mit Leberzirrhose und nachgewiesener oberer gastrointestinaler Blutung, die eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer HE aufweisen. Das Auftreten einer HE nach oberer gastrointestinaler Blutung stellt zudem einen unabhängigen negativen Prognoseindikator dar (s. DGVS S2k-Leitlinie Gastrointestinale Blutung)
Lactulose erwies sich im Vergleich zu Placebo in dieser Situation als statistisch signifikant wirksam: 3,2 bzw. 16,9% entwickelten eine HE[202]. Davon waren insbesondere Patienten mit schlechter Leberfunktion (Child-Pugh-Klassifikation) betroffen. In einer zweiten Studie konnte das Auftreten einer HE nach gastrointestinaler Blutung von 40% unter Placebo auf 14% unter Lactulose abgesenkt werden[203]. Rifaximin erwies sich beim Vergleich mit Lactulose in der Primärprävention als nicht besser[381]. Rifaximin ist zur Primärprophylaxe zudem nicht zugelassen.
Eine intestinale Lavage unter Verwendung einer Mannitlösung war ebenfalls in der Lage, das Risiko für das Auftreten einer HE nach oberer gastrointestinaler Blutung zu verringern[204] und erwies sich als gleich wirksam wie die Kombination von Paromomycin und Lactulose[205].
Bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung bei Patienten mit Leberzirrhose ist diese endoskopisch weiter abzuklären und zu therapieren. Frisches oder altes Blut im Magen wird bei der endoskopischen Abklärung abgesaugt. Mittels oraler (über eine Magensonde, Intensivstation: stündlich 45 ml Lactulose oder auf Normalstation alle zwei Stunden 30 ml Lactulose, bis die Darmtätigkeit in Gang kommt oder bei klinischer Besserung) und rektaler Gabe von Lactulose (300 ml Lactulose mit 700 ml Wasser alle zwei Stunden) kann für eine rasche enterale Passage des Blutes und Darmreinigung gesorgt werden[235].
Eine Metaanalyse der Studien mit nicht-absorbierbaren Disacchariden bestätigte ihre Wirksamkeit in der Primärprophylaxe mit einer NNT (number needed to treat) von 7[273]. Insgesamt zeigten vier Studien[202][203][204][381], dass durch abführende Maßnahmen nach einer oberen gastrointestinalen Blutung bei Patienten mit Leberzirrhose eine HE verhindert werden kann. Da jeder fünfte Patient nach einer Varizenblutung eine HE-Episode erleiden kann[191] und dies eine Prognoseverschlechterung bedeutet[201], entschied sich die Leitlinienkommission aufgrund dieser Daten zu einer stärkeren Empfehlung für den Einsatz von Lactulose als sie in der DGVS S2k-Leitlinie Gastrointestinale Blutung[382] in dieser Situation gegeben wurde. Rifaximin ist im Gegensatz zu Lactulose für diese Indikation nicht zugelassen, so dass zu diesem Präparat bei Gleichwertigkeit mit Lactulose keine Empfehlung gegeben wurde.
Nachsorge von Patienten mit Leberzirrhose und HE
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.38: Bei Patienten unter Therapie nach durchgemachter HE-Episode, rekurrierender oder chronischer HE soll eine individuell angepasste Verlaufsbeurteilung erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.39: Eine Überwachungsuntersuchung dieser Patienten kann der Erfassung kognitiver und neurologischer Störungen, des Ernährungsstatus, der Lebensqualität und der Überprüfung und Anpassung der HE-Therapie dienen.
Empfehlung offen, starker Konsens
Kommentar
Patienten mit persistierender HE sind regelmäßig auf kognitive oder neurologische Störungen zu untersuchen, so dass die Therapie gegebenenfalls angepasst werden kann. Bei stabilen Patienten mit durchgemachter HE werden halbjährliche Nachsorgeintervalle, die auch zum HCC-Screening empfohlen werden, als ausreichend angesehen. Auf Nebenwirkungen und Wirkungen der HE-Therapie ist zu achten. Die Indikation zu einer Lebertransplantation ist im Verlauf immer wieder zu prüfen. Dies gilt auch für die Suche nach einem dominanten portosystemischen Shunt als Ursache für eine therapierefraktäre HE. Auslöser für eine HE (DGVS-Leberzirrhose-Tabelle 7.1) müssen erkannt und rechtzeitig spezifisch therapiert werden (z.B. Ligatur von großen Ösophagusvarizen oder Beseitigung von Elektrolytstörungen). Auch der Ernährungsstatus sollte verbessert werden und bei Gewichtsabnahme oder progressiver Sarkopenie Empfehlungen zur Ernährung gegeben werden. Nach Möglichkeit sollte eine Fremdanamnese in die Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität des Patienten mit einbezogen werden[260].
DGVS-Leberzirrhose-Empfehlung 7.40: Die Überwachung von Patienten mit HE und Leberzirrhose sollte in enger Abstimmung zwischen einem Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin und einem Facharzt für Gastroenterologie erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens
Abb. 7.1: Therapiealgorithmus bei akuter HE-Episode
Abb. 7.2: Algorithmus zur Sekundärprophylaxe der hepatischen Enzephalopathie
Interessenkonflikte
Die potenziellen Interessenkonflikterklärungen und deren Bewertungen sind im Leitlinienreport[383] dargestellt.
Abbkürzungsverzeichnis
AASLD | American Association for the Study of Liver Diseases (engl.) |
ACLF | Akut-auf-chronisches Leberversagen |
AKI | Akute Nierenschädigung |
ALV | Akutes Leberversagen |
AP | Alkalische Phosphatase |
BCS | Budd-Chiari-Syndrom |
BIA | Bioelektrische Impedanzanalyse |
BMI | Body-Mass-Index (engl.) |
CEA | Carcino-Embryonales Antigen |
cHE | Covert hepatische Enzephalopathie |
CFF | Critical Flimmer Frequency (engl.) |
CI | Confidence Interval (engl.) |
COPD | Chronic Obstructive Pulmonary Disease (engl.) |
CT | Computertomografie |
DIC | Disseminierte intravasale Koagulopathie (Coagulation, engl.) |
DNA | Desoxyribonukleinsäure (acid, engl.) |
DOAK | Direkte orale Antikoagulantien |
e-PTFE | Expandiertes Polytetrafluorethen |
EASL | European Association for the Study of the Liver |
EFSUMB | European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and Biology (engl.) |
ESBL | Extended-Spectrum-β-Lactamase (engl.) |
FFP | Fresh Frozen Plasma (engl.) |
GI-Blutung | Gastrointestinale Blutung |
GFR | Glomeruläre Filtrationsrate |
HCC | Hepatocellular carcinoma (engl.) |
HE | Hepatische Enzephalopathie |
HRS | Hepatorenales Syndrom |
INR | International Normalized Ratio (engl.) |
ISHEN | International Society of Hepatic Encephalopathy and Nitrogen Metabolism (engl.) |
KG | Körpergewicht |
LDH | Lactatdehydrogenase |
LOLA | L-Ornithin-L-Aspartat |
MARS | Molecular Adsorbents Recirculation System (engl.) |
MELD-Score | Model of End Stage Liver Disease-Score (engl.) |
MGG | May-Grünwald-Giemsa |
mHE | Minimale hepatische Enzephalopathie |
MRSA | Methicillin-resistenter Staphylococcus |
MRT | Magnetresonanztomografie |
NCT | Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen |
NNT | Number Needed to Treat (engl.) |
NOD2 | Nucleotide-binding Oligomerization Domain containing 2 (engl.) |
OR | Odds Ratio (engl.) |
oHE | Overt hepatische Enzephalopathie |
Pap | Papanicolaou-Klassifikation |
PAS | Periodic Acid-Schiff Stain (engl.) |
PMN-Zellen | Polymorphonukleäre-Zellen |
PNH | Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie |
PHES | Psychometric Hepatic Encephalopathy Score |
PT | Prothrombinzeit (time, engl.) |
PTT | Partielle Thromboplastinzeit (time, engl.) |
SAAG | Serum-Aszites-Albumin-Gradient |
SBP | Spontan bakterielle Peritonitis |
SBEM | Spontan bakterielles Empyem |
SIR | Society of Interventional Radiology |
TIPS | Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt |
VATS | Videoassistierte Thorakoskopie |
ZVD | Zentraler Venendruck |
ZST | Zahlensymboltest |
ZVT | Zahlenverbindungstest |