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Schmerztherapie

Letzte Aktualisierung: 21.3.2023

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In der Schmerztherapie wird der akute vom chronischen Schmerz unterschieden. Das WHO-Stufenschema wurde zur Behandlung von Tumorschmerzen entwickelt, wird heutzutage aber auch grundsätzlich bei der Therapie chronischer Schmerzen berücksichtigt. Das Schema gibt einen definierten Behandlungsalgorithmus vor, in dem Nicht-Opioid-Analgetika mit Opioiden kombiniert verabreicht werden. Ziel ist die Schmerzfreiheit des Patienten, welche mit Hilfe einer standardisierten Schmerzanalyse evaluiert wird. Reicht die Medikation aus Basistherapie und Bedarfsmedikation in einer Stufe nicht mehr aus, muss ein step-up innerhalb des Schemas erfolgen. In allen drei Stufen können Koanalgetika verabreicht werden, die über eine supportive Behandlung (bspw. Hemmung des Knochenabbaus bei osteolytischen Metastasen oder Gabe von Antikonvulsiva bei neuropathischen Beschwerden) Schmerzen und den Bedarf an Schmerzmitteln reduzieren.

Definition der IASP : Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer echten oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder als solche empfunden wird. Schmerz ist immer subjektiv.

Schmerzformen

Gestörte Schmerzempfindung

Übersicht Head'sche Zonen
Organ Dermatom Projektion
Diaphragma C4 Schulter
Herz Th3–4 Linker Thorax
Ösophagus Th4–5 Retrosternal
Magen Th6–7 Epigastrium
Leber, Gallenblase Th10–L1 Rechter Oberbauch
Dünndarm Th10–L1 Paraumbilikal
Dickdarm Th11–L1 Unterbauch
Harnblase Th11–L1 Suprapubisch
Nieren, Hoden Th10–L1 Leiste

  • Ätiologie: Phantomsensationen sind eine wichtige und häufige Komplikation nach Amputation
    • Mehr als 50% der Patienten haben Empfindungen in den Bereichen, die amputiert wurden
  • Definition
    • Phantomschmerz
      • Schmerzqualität: Intermittierender Schmerz, der verschiedene Qualitäten haben kann, bspw. brennend, kribbelnd, juckend, quetschend
    • Phantomempfindung
      • Telescoping
  • Ursache: „Erlernen eines Schmerzes“ durch Sensibilisierung nozizeptiver Strukturen in peripheren, spinalen und supraspinalen Strukturen → Übererregung an glutamatergen NMDA-Rezeptoren
  • Prophylaxe bzw. spezielle Therapie
    • Frühzeitige Regionalanästhesie: Eine perioperative Regionalanästhesie senkt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Phantomschmerzen
    • NMDA-Antagonisten
    • Koanalgetika (bspw. trizyklische Antidepressiva)
    • Spiegeltherapie
      • Hintergrund: Zum Teil beruht der Phantomschmerz darauf, dass die Betroffenen das Gefühl haben, die amputierte Extremität befinde sich in einer schmerzhaften Position, könne aber nicht bewegt werden.
      • Durchführung
        • Mit Hilfe von Spiegeln wird eine gesunde Gliedmaße des Patienten so gespiegelt, dass es für ihn so aussieht, als wäre die amputierte wieder vorhanden.
        • Der Patient wird nun aufgefordert, die nicht-amputierte Extremität zu bewegen, um bei der gespiegelten die schmerzhafte Position zu verändern. Durch den visuellen Effekt kann es zu einer Schmerzlinderung kommen.
        • Ziel ist es, dass die Betroffenen lernen, imaginär eine schmerzhafte Position zu verändern.
  • Schmerzskala: Objektivierung der Schmerzintensität anhand einer subjektiven Einstufung des Schmerzes, bspw. mit Hilfe einer numerischen Rangskala (Numeric Rating Scale, NRS), visuellen Analogskala (bei Kindern: Smiley-Skala) (Visual Analogue Scale, VAS) oder einer verbalen deskriptiven Skala
  • Schmerztagebuch: Dokumentation des zeitlichen Verlaufs der Schmerzintensität, um Schmerzspitzen und Schmerzauslöser zu erkennen und ggf. Therapieanpassungen vorzunehmen
  • Beurteilung der Schmerzchronifizierung: Mainzer Stadiensystem der Schmerzchronifizierung (MPSS)
    • Achse I: Zeitliche Aspekte des Schmerzes
    • Achse II: Räumliche Aspekte des Schmerzes
    • Achse III: Medikamenteneinnahmeverhalten
    • Achse IV: Inanspruchnahme des Gesundheitswesens
      • Die Punkte aus den einzelnen Achsen werden zu einem Score addiert und in drei Stadien eingeteilt
    • Weiterführende Informationen siehe: Tipps & Links zum Thema

Prinzipien der medikamentösen Schmerztherapie
Prinzip Erläuterung
„By the mouth“
  • Orale Applikation bevorzugen
  • Langwirksame (retardierte) Analgetika
„By the clock“
  • Regelmäßiges und festgelegtes Einnahme-Zeitschema

„By the ladder“

Merkwort für die Prinzipien der Schmerztherapie: „DNA – „Durch den Mund“ - „Nach der Uhr“ – „Auf der Leiter“!

Auch hier werden zur Beurteilung des Verlaufs und des Therapieerfolgs regelmäßig Schmerzskalen wie die NRS oder VAS angewendet. Gleichzeitig sollte der Patient immer über seine Zufriedenheit mit der Schmerztherapie befragt werden.

Jeder Schmerztherapie geht eine gründliche Anamnese zu Schmerzintensität und -qualität voraus!

WHO-Stufenschema

Die Therapie chronischer Schmerzen sollte sich am WHO-Stufenschema orientieren. Die Medikation besteht aus einer Basistherapie (retardierte Präparate, die nach festem Schema und Dosierung eingenommen werden) und einer adäquaten Bedarfsmedikation (unretardierte Analgetika, die Schmerzspitzen therapieren). Weiterhin kann eine Begleitmedikation mit Koanalgetika und Adjuvanzien erfolgen, um spezielle Schmerzformen wirkungsvoller zu behandeln bzw. um Nebenwirkungen der Therapie entgegenzuwirken. Ist der Patient nicht schmerzfrei, muss in die nächst höhere Stufe übergegangen werden.

Ein häufiger „Fehler“ in der Schmerztherapie ist die Durchführung einer analgetischen Therapie mittels alleiniger Gabe eines Opioids. Um eine effektive und ausbalancierte Analgesie zu erreichen, sollte in jeder Behandlungsstufe die (zusätzliche) Gabe eines Nicht-Opioid-Analgetikums sowie ggf. eines Koanalgetikums erfolgen!

Tumorschmerzen sollen konsequent nach dem WHO-Stufenschema behandelt werden. Hierzu gehören Schmerzanamnese, individuell titrierte Dauertherapie, Bedarfsmedikation sowie die Behandlung Morphin-induzierter Nebenwirkungen. (DGIM - Klug entscheiden in der Hämatologie und medizinischen Onkologie)

Kurzübersicht Analgetika (Beispielsubstanzen)

Bedarfsmedikation

Um Schmerzspitzen und Durchbruchschmerzen adäquat zu behandeln, sollte jedem Schmerzpatienten eine Bedarfsmedikation bereitgestellt werden. Für diese gilt:

  • Unretardiertes, schnellwirksames Analgetikum bevorzugen
    • Bei bereits bestehender Opioidtherapie der WHO-Stufe III: Bedarfsdosis 1/6 der Opioid-Gesamttagesdosis
  • Bei Einsatz der Bedarfsmedikation ≥3×/d oder unzureichender Analgesie durch diese sollte die Basismedikation überprüft und ggf. eine höhere Stufe nach dem WHO-Stufenschema oder eine Dosiserhöhung der Basistherapie erwogen werden.

Koanalgetika

Koanalgetika können in jeder Stufe des WHO-Stufenschemas als Begleitmedikation gegeben werden.

Adjuvanzien

Mit Adjuvanzien wird den Nebenwirkungen der Therapie mit Analgetika sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch entgegengewirkt.

Supportiv können zahlreiche Verfahren eine Schmerzreduktion erzielen. Die Erfolge können dabei interindividuell sehr unterschiedlich sein.

Für Therapieempfehlungen zur perioperativen Schmerztherapie siehe: Beispielalgorithmus für die Schmerztherapie im Aufwachraum sowie Beispielalgorithmus für die Schmerztherapie auf Station.

Akutschmerztherapie in der Notaufnahme [1][2][3]

Leichter Schmerz (NRS 1–4)

Moderater Schmerz (NRS 5–7)

Starker Schmerz (NRS 8–10)

Übersicht der Akutschmerztherapie in der Notaufnahme
Schmerzstärke Primärer Therapieansatz Mögliche Ergänzung
Leicht
Moderat
Stark

Bei Therapieversagen kann trotz initial geringerer Schmerzen die Eskalation auf eine höhere Stufe erwogen werden!

Bei der Akutschmerztherapie mit Opioiden (insb. bei i.v. Anwendung) ist wegen der drohenden Atemdepression ein Monitoring der Vitalparameter obligat!

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Cannabis als Medizin – Indikationen und praktische Anwendung (Mai 2021)

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  1. Kumle et al.: Schmerztherapie in der Notfallmedizin In: Der Anaesthesist. Band: 62, Nummer: 11, 2013, doi: 10.1007/s00101-013-2247-x . | Open in Read by QxMD p. 902-913.
  2. Häske et al.: Analgesie bei Traumapatienten in der Notfallmedizin In: Der Anaesthesist. Band: 69, Nummer: 2, 2020, doi: 10.1007/s00101-020-00735-4 . | Open in Read by QxMD p. 137-148.
  3. Michael et al.: Analgesie, Sedierung und Anästhesie in der Notfallmedizin In: Anästhesiologie & Intensivmedizin. Band: 61, Nummer: 2, 2020, doi: 10.19224/ai2020.051 . | Open in Read by QxMD p. 51-65.
  4. Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5 .
  5. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012 .
  6. Bähr, Frotscher: Neurologisch-topische Diagnostik. 10. Auflage Thieme 2014, ISBN: 978-3-135-35810-9 .
  7. Schmidt, Schaible: Neuro- und Sinnesphysiologie. 5. Auflage Springer 2005, ISBN: 978-3-540-25700-4 .