Abstract
Candidosen (Candidiasis) sind Infektionserkrankungen, die durch Hefepilze der Gattung Candida verursacht werden. Candida spp. besiedeln als fakultativ-pathogene Erreger Haut und Schleimhäute. Der häufigste Erreger ist Candida albicans, wobei zunehmend auch Nicht-Candida-albicans-Arten wie C. glabrata und C. parapsilosis eine Rolle spielen.
Oberflächliche Candidosen der Haut und Schleimhäute sind häufig (z.B. Mundsoor, Candida-Vulvovaginitis, Nagelcandidose) und treten im Rahmen von Störungen der physiologischen Gleichgewichte auf (bspw. durch übermäßig feuchte Haut, lange Antibiotika- oder Glucocorticoidtherapie). Invasive Pilzinfektionen wie eine Blutstrominfektion (Candidämie) oder systemische Candidose mit Organmanifestation (z.B. Candida-Endokarditis, Candida-Osteomyelitis) sind hingegen eher selten und betreffen insb. schwer kranke Personen und Immunsupprimierte.
Die oberflächliche Candidose ist häufig eine Blickdiagnose und wird i.d.R. lokal behandelt. Invasive Candidosen werden meist mittels bildgebender Verfahren und einer kulturellen Anzüchtung (z.B. aus dem Blut oder Biopsiematerial) diagnostiziert und systemisch behandelt.
Epidemiologie
- Pilzinfektionen weltweit: Ca. 1,5 Milliarden Menschen betroffen
- Candida spp. einer der häufigsten Erreger
- Häufigkeit abhängig von Verlaufsform
- Oberflächliche Candidosen: Sehr häufig, aber meist harmlos
-
Invasive Candidosen: Selten, aber oft lebensbedrohlich
- Inzidenz der Candidämie (häufigste invasive Candidose): 4–9/100.000 Personen/Jahr
- Häufig betroffen: Neugeborene, Immunsupprimierte, Personen mit Diabetes mellitus oder nach Antibiotikaeinnahme
- Siehe auch: Risikofaktoren für die Entstehung einer Candidose [3]
Weltweit sind oberflächliche Candidosen sehr häufig und i.d.R. harmlos, invasive Candidosen hingegen selten und lebensbedrohlich!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Erreger
Candida spp. [3][4][5][6]
- Einordnung: Hefepilze
- Relevanz: Fakultativ-pathogene Erreger
- Morphologie: Einzelliges Wachstum und/oder als Pseudomycel mit fadenförmigen Hyphen und Pseudohyphen
- Vermehrung: Sprossung (Sprosspilz)
- Wichtigster Vertreter: Candida albicans
- Nicht-Candida-albicans-Arten: Nehmen weltweit zu
Klinisch relevante Candida-Arten | |||||||
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Häufigkeit
| Gehäuftes Auftreten | Resistenzen | |||||
(Liposomales) Amphotericin B | Fluconazol | Voriconazol/Posaconazol | Echinocandine | ||||
Candida albicans | 40–70% |
| S | S | S | S | |
Candida glabrata | 8–20% |
| S | I/R | UE | S | |
Candida parapsilosis | 4–25% |
| S | S | S | I/R | |
Candida tropicalis | 3–13% |
| S | S/I | S | S | |
Candida krusei | 1–8% |
| S | R | UE | S | |
Candida auris [7] | — |
| S | R | R/S | S/I | |
S: Sensibel, I: Intermediär, R: Resistent, UE: Unklare Evidenz |
Nicht-Candida-albicans-Arten machen mittlerweile je nach Manifestation ca. 50% aller nachgewiesenen Candida-Spezies aus!
Candida spp. sind fakultativ pathogen, d.h. sie führen erst bei Störung der (Schleim‑)Hautphysiologie oder Immunsuppression zu einer Infektion!
Insb. bei invasiven Candidosen sollten Nicht-Candida-albicans-Arten bedacht werden, da diese Resistenzen gegen gängige Antimykotika aufweisen können (z.B. Fluconazol-Resistenz von C. krusei und glabrata)!
Ätiologie
Entstehung einer Candidose [1][3][8][9]
- Endogene Infektion (am häufigsten): Ausgehend von einer physiologischen Besiedlung/Kolonisation
- Exogene Infektion: Durch Kontamination von außen
Eine Besiedelung von Haut und Schleimhäuten mit Candida spp. findet sich bei einem großen Teil der Bevölkerung. Erst eine Veränderung der bakteriellen Flora, der Barrierefunktion oder eine Immunsuppression führen zu einer Candidose!
Risikofaktoren für die Entstehung einer Candidose [3][10][11]
- Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht: Insb. bei Geburtsgewicht ≤1.000 g
- Immunsuppression
- Durch Grunderkrankung
- Diabetes mellitus
- Maligne Erkrankung
- HIV-Infektion
- Therapieassoziiert
- Organtransplantation
- Glucocorticoide
- Zytostatika
- Protrahierte Granulozytopenie
- Durch Grunderkrankung
- Systemische Antibiotikatherapie ≥2 Wochen
- Bei Vaginalcandidose: pH-Wert-Änderung in der Vagina
- Bei Hautcandidose: Übermäßig feuchte Haut
Zusätzliche Risikofaktoren der invasiven Candidose
- Kolonisierung: Mit Candida-Spezies ≥2 Körperregionen
- ZVK und arterielle Zugänge: Insb. bei parenteraler Ernährung
- Schwere Erkrankung
- Beatmung ≥10 d und/oder Intensivstation ≥9 d
- Komplizierte abdominalchirurgische Eingriffe
- Dialyse oder akute Nierenschädigung
Wichtige Risikofaktoren zur Entstehung einer Candidose sind eine kürzlich zurückliegende Antibiotikatherapie, eine Immunsuppression (z.B. bei Diabetes mellitus, maligner Erkrankung, HIV) und eine Kolonisierung mit Candida-Spezies!
Bei Früh- und Neugeborenen mit geringem Geburtsgewicht kann eine invasive Candidose auch ohne weitere Immunsuppression auftreten!
Interpretation eines Candida-Nachweises
Candida besiedeln u.a. die Haut und Schleimhäute. Ein Nachweis von Sprosspilzen kann daher auf eine Besiedlung, aber auch auf eine behandlungsbedürftige Infektion hinweisen.
-
Oberflächliche Candidosen sind häufig Blickdiagnosen
- Mikrobiologischer Nachweis ggf. zur Bestätigung, Speziesdifferenzierung und/oder Bestimmung der Resistenzen
- Nachweis von Candida: I.d.R. direkt mittels kultureller Anzucht
- Siehe auch: Diagnostik der invasiven Candidose
- Insb. bei fehlender Symptomatik, Candida als Zufallsbefund oder V.a. eine invasive Candidose: Interpretation des Candida-Nachweises erforderlich
- Fragestellung: Besiedlung oder Infektion?
- Anhaltspunkte
- Klinisches Bild (siehe auch: Übersicht über die oberflächlichen Candidosen, Symptomatik der invasiven Candidose)
- Risikofaktoren für eine Candidose (ggf. Abschätzung mittels Candida-Scores)
- Material, aus dem der Candida-Nachweis erfolgt ist
Interpretation eines Candida-Nachweises je nach Material | ||
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Material | Interpretation | Weiterführende Informationen |
Haut oder Schleimhaut, z.B. oberflächlicher Abstrich |
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Harnwege, z.B. Urinkultur |
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Stuhl |
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Intravasale Katheter, z.B. ZVK-Spitze |
Die Interpretation eines Candida-Nachweises hängt neben der klinischen Symptomatik von den Risikofaktoren und dem Material ab, aus dem der Nachweis erfolgt ist!
Der Nachweis von Candida im Bronchialsekret oder in Stuhlproben stellt keine Indikation zur antimykotischen Therapie dar (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren Medizin)!
Oberflächliche Candidosen
Oberflächliche, mukokutane Candidosen der Nägel, Haut und Schleimhäute sind sehr häufig und oftmals Blickdiagnosen. Bei adäquater Behandlung sind sie i.d.R. harmlos. Insb. bei Schleimhautbeteiligung können sie auf eine Immunsuppression hinweisen.
Übersicht über die oberflächlichen Candidosen | |||
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Lokalisation | Formen | Klinische Manifestation | Therapie |
Haut |
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Nägel |
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Schleimhäute |
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Urin |
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Oberflächliche Candidosen sind häufig, i.d.R. Blickdiagnosen und verlaufen bei adäquater Therapie meist harmlos!
Sind die Schleimhäute von einer Candidose betroffen, kann dies auf eine Immunsuppression hinweisen!
Hautcandidosen
Übersicht
- Ätiologie: Insb. an dunklen, warmen und feuchten Arealen der Haut , siehe auch: Candidose-Risikofaktoren
- Klinisches Bild: Erythematöse Makulae mit Satellitenherden
- Diagnostik: I.d.R. Blickdiagnose
- Ggf. ergänzend direkter Erregernachweis aus Abstrichen (Kultur, PCR)
- Resistenzbestimmung bei rezidivierenden Infektionen oder Immunsuppression
- Differenzialdiagnosen: Kontaktdermatitis, Psoriasis intertriginosa, seborrhoisches Ekzem
- Komplikation: Bakterielle Superinfektion
Verlaufsformen
- Häufige Verlaufsformen (siehe: Übersicht über die oberflächlichen Candidosen)
- Seltene Sonder- und Verlaufsformen
- Akut-disseminierte Candidose: Mit kutaner Manifestation, siehe auch: Invasive Candidose
- Kongenitale kutane Candidose: Seltene postnatale diffuse erythematöse Rötung der Haut, entsteht durch Aufsteigen einer Infektion der Mutter pränatal [1]
- Chronische mukokutane Candidose: Persistierende oder chronisch rezidivierende Candidose der Haut und Schleimhaut [1][3][8]
Therapie der Hautcandidosen
Für das Vorgehen in der Pädiatrie siehe auch: Vorgehen bei Hautpilz im Kindes- und Jugendalter.
- Supportive Maßnahmen
- Regelmäßiges Waschen, Belüften und Trockenhalten durch saubere Wundauflagen, insb. intertriginös
- Topische Therapie bevorzugen
- Nystatin [12]
- Miconazol [13]
- Clotrimazol [14]
- Für weitere Hinweise siehe auch: Antimykotische Externa
- Systemische Therapie [15]
- Indikation: Ggf. bei ausgeprägten oder persistierenden Befunden unter topischer Therapie, Immunsuppression und/oder gleichzeitiger Onychomykose
- Wirkstoffe: Azole, insb. Fluconazol [16], siehe auch Fluconazol (pädiatrisch)
Prophylaxe
- Allgemeine Maßnahmen
- Hautfalten gut pflegen, evtl. Leinen- oder Mullstreifen dazwischen legen
- Baumwoll- und Leinenkleidung gegenüber Synthetikstoffen bevorzugen
- Gewichtsreduktion anstreben
- Zur Prophylaxe eines Windelsoors siehe auch: Vorgehen bei Windelsoor
Candidose der Schleimhäute
Genitale Candidosen
- Candida-Vulvovaginitis: Rötung im Bereich der Vulva, ggf. Rhagaden, starker Pruritus, Brennen, weißlich-krümeliger, i.d.R. geruchloser Ausfluss, Dyspareunie, Dysurie
- Candida-Balanitis: Flächiges Erythem im Bereich von Eichel und ggf. Penisschaft mit Papeln, Schuppung und Juckreiz
Soorstomatitis und Soorösophagitis
Allgemeines [5][8]
- Epidemiologie: Ca. 100.000 Fälle/Jahr in Deutschland [8]
- Ätiologie: Spezielle Risikofaktoren für die Entwicklung einer Soor-Stomatitis bzw. -ösophagitis sind
- Immunsuppression: Insb. durch T-Zell-Defekte
- Durch Grunderkrankung: HIV-Infektion , (hämatologische) Neoplasie
- Therapieassoziiert: Zytostatika oder lokale Radiotherapie [3][17][17]
- Anwendung (inhalativer) Corticosteroide
- Diabetes mellitus
- Längerfristige Antibiotika-Einnahme
- Immunsuppression: Insb. durch T-Zell-Defekte
Während eine Soor-Stomatitis auch bei Immungesunden entstehen kann, tritt eine Soor-Ösophagitis i.d.R. nur bei Immunsuppression (z.B. als AIDS-definierende Erkrankung bei HIV-Infektion) auf!
Symptomatik [3][5][8][18]
- Soor-Stomatitis: Asymptomatisch bis schmerzhaft-brennend
- Ggf. Geschmacksstörungen, Pelzigkeitsgefühl
- Ggf. eingeschränkte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
- Soor-Ösophagitis: Odynophagie ± retrosternale Schmerzen
Diagnostik [18][19]
- I.d.R. klinische Diagnose
- Soor-Stomatitis: Blickdiagnose
- Abstreifbare, weißliche Beläge: An Zunge, Gaumen, ggf. Tonsillen und Uvula (Soor-Stomatitis, akute pseudomembranöse Candidose)
- Sonderform: Erythematöser Verlauf ohne Beläge (insb. bei HIV-Infektion)
- Soor-Ösophagitis: Soor-Stomatitis und zusätzlich Odynophagie oder retrosternale Schmerzen für Diagnose ausreichend
- Soor-Stomatitis: Blickdiagnose
- Endoskopische Untersuchung mit kultureller Sicherung erforderlich bei fehlender klinischer Besserung unter Therapie
- Befund: Gelblich-graue, schwer abstreifbare Beläge, ggf. Erosionen/Ulzerationen
- Ggf. weiterführende Diagnostik zur Ursachensuche
Bei Personen jenseits des Säuglingsalters ohne inhalative Corticosteroid-Therapie sollte an einen Immundefekt gedacht und ggf. ein HIV-Test durchgeführt werden!
Therapie der Soorstomatitis
- Kinder: Siehe Vorgehen bei Mundsoor im Kinder- und Jugendalter
- Leichte Fälle: Topische Azol-Antimykotika und Polyen-Antimykotika
- Schwere Fälle: Systemische Therapie mit Fluconazol oder Itraconazol [3][16][19]
Therapie der Soorösophagitis [1][3][19]
- Therapie der Wahl (systemisch): Fluconazol [3][16][19][20]
- Fluconazol (pädiatrisch)
- Säuglinge [1][16]
- Alle anderen Kinder [1][16]
- Fluconazol (pädiatrisch)
- Alternativ: Bei Kontraindikation gegen Fluconazol, Resistenz oder Durchbruchsinfektion unter Azolprophylaxe
- Itraconazol [19][21] oder
- Voriconazol [22] oder
- Caspofungin [3][19][23] oder
- Micafungin [24] oder
- Anidulafungin [19][25] oder
- Posaconazol oder
- Liposomales Amphotericin B
- Besserung: Innerhalb von mind. 7 d zu erwarten
In aller Regel erfolgt die Therapie der Soorstomatitis lokal, die der Soorösophagitis systemisch!
Aufgrund der Wechselwirkung mit Cytochrom-P450 müssen bei allen Azolen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln besonders beachtet werden!
Prophylaxe
- Allgemeine Hygiene: Regelmäßige Mundhygiene mit Wechsel der Zahnbürste, Reinigung von Zahnprothesen
- Schleimhäute feucht halten, bspw. mit Zitronenbonbons
- Bei Kindern insb. Vaporisation von bspw. Schnullern, Saugern
- Spezielle Maßnahmen je nach Risikofaktor
- Bei Anwendung inhalativer Corticosteroide: Anschließend Essen, Trinken und Zähneputzen
- Bei HIV-Infektion: ART einleiten
- Bei Radiotherapie/Zytostatikagabe: Aufklärung über spezielle periinterventionelle Mundhygiene [17]
Candidurie
Übersicht
- Definition: Nachweis von Candida spp. im Urin mit Erregerzahl ≥104–5/mL [27]
- Epidemiologie: Insb. stationäre, ältere und multimorbide Personen mit Blasenkatheter betroffen [27]
- Interpretation und Bedeutung
- Häufig: Kolonisation der unteren Harnwege oder des Blasenkatheters
- Seltener
- Aufsteigende Infektion der unteren Harnwege/Pyelonephritis
- Hämatogene Aussaat in die Niere bei Candidämie
- Kontamination, z.B. bei Candida-Vulvovaginitis
- Komplikation: Ausbildung eines Pilzballs ± Obstruktion
Bei einer Candidurie ist es entscheidend, zwischen einer häufigen Kolonisation und einer Infektion zu unterscheiden!
Vorgehen bei Candidurie
- Wichtigste Maßnahme: Entfernung oder zumindest Wechsel des Blasenkatheters
- Antimykotische Therapie
- Bei asymptomatischer Candidurie: Nur in folgenden Ausnahmefällen empfohlen (meist Kolonisation!)
- Neutropenie oder Neugeborenes mit Geburtsgewicht ≤1.500 g: Fluconazol oder Echinocandine (Caspofungin, Anidulafungin) für 7–14 d, analog zur Therapie der Candidämie
- Personen mit geplanten urologischen Eingriffen: Fluconazol für einige Tage vor/nach dem Eingriff [16][19]
- Bei symptomatischer Candidurie (Zystitis, Pyelonephritis): Immer empfohlen
- Fluconazol [16][19] oder Amphotericin B Deoxycholat [19]
- Bei Nachweis von Candida auch in der Blutkultur siehe: Therapie der Candidämie
- Bei asymptomatischer Candidurie: Nur in folgenden Ausnahmefällen empfohlen (meist Kolonisation!)
- Weitere Diagnostik
- Bei persistierender oder symptomatischer Candidurie: Sonografie der Nieren
- Bei Hinweisen auf eine invasive Candidose: Blutkulturen abnehmen und Diagnostik ggf. erweitern (siehe: Diagnostik der invasiven Candidose)
Eine asymptomatische Candidurie entspricht i.d.R. einer Kolonisation. Der Blasenkatheter sollte dennoch gewechselt werden!
Bei Candidurie sollte insb. bei Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht ≤1.500 g und neutropenen Personen der Blasenkatheter entfernt und eine antimykotische Therapie begonnen werden!
Invasive Candidosen
Invasive Candidosen sind über die Haut und Schleimhäute hinausgehende Infektionen mit Candida. Sie treten i.d.R. im Rahmen einer Immunsuppression bzw. einer schweren Grunderkrankung auf. Ätiologie, Symptomatik und die Diagnostik der unterschiedlichen Verlaufsformen überschneiden sich. Die Therapie wird bei jeder Erkrankung gesondert behandelt.
Übersicht
Übersicht über die invasiven Candidosen | ||
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Form | Klinische Manifestation | Therapie |
Candidämie (Blutstrominfektion mit Candida; am häufigsten) |
|
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Systemisch invasive Candidose mit Befall eines Organs |
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Akut-disseminierte Candidose |
| |
Chronisch-disseminierte Candidose |
|
Invasive Candidosen sind selten und betreffen vorwiegend Personen mit Immunsuppression und/oder schwerer Grunderkrankung!
Invasive Candida-Infektionen können zu einer Sepsis mit einer Letalität von bis zu 50% führen!
Epidemiologie und Ätiologie
- Besonders betroffen: Immunsupprimmierte Personen, siehe auch: Candidose - Risikofaktoren
- Ätiologie: Siehe
- Häufige Fokusse
- Intravaskuläre Katheter (30–40%) [3]
- Abdominelle Ursachen (insb. bei Neutropenie): Peritonitis, Abszesse, Nahtinsuffizienz [5][19]
Häufig ist der Fokus einer invasiven Candidose katheterassoziiert oder im Gastrointestinaltrakt lokalisiert!
Symptomatik der invasiven Candidose [3][5]
- Häufigstes Symptom: Fieber
- Weitere Symptome: Abhängig vom Fokus
- Lokale Entzündungszeichen, z.B. bei Katheterinfektion, Candida-Osteomyelitis
- Abdominelle Beschwerden (Schmerzen, Übelkeit), z.B. bei Candida-Peritonitis
- Sehstörungen, z.B. bei Candidose mit Augenbeteiligung
- Häufig schwerer Verlauf: Jede 4. Person entwickelt eine Sepsis
An eine invasive Candidose sollte gedacht werden, wenn bei Personen mit Risikofaktoren (z.B. Candidabesiedlung, Immunsuppression) trotz Breitband-Antibiotikatherapie weiterhin Fieber besteht!
Diagnostik der invasiven Candidose [5]
Anamnese und körperliche Untersuchung
- Anamnese
- Symptome erfragen, die auf die Eintrittsquelle des Erregers oder einen Fokus hinweisen, bspw. gastrointestinale Symptome
- Frage nach Fremdkörpern und zurückliegenden Operationen
- Candidose - Risikofaktoren erfragen
- Körperliche Untersuchung: Insb. zur Fokussuche
- Einliegende Katheter auf Entzündungszeichen prüfen
- Haut, Schleimhäute und Nägel inspizieren
- Abdomen untersuchen
- Gelenke inspizieren und bewegen, Wirbelsäulenklopfschmerz prüfen
- Herzauskultation
- Funduskopie: Bei anhaltender Candidämie oder Auftreten von Sehstörungen
Labordiagnostik
- Basislabor: Differenzialblutbild mit Elektrolyten, CRP, PCT, Gerinnungs-, Leber- und Nierenfunktionsparameter inkl. AP
- Direkter Erregernachweis
- Blutkulturen: Immer
- Initial: Mind. 2 Blutkulturpaare
- Ggf. Bestimmung der DTP (Differential Time to Positivity)
- Folgeblutkulturen: Alle 1–2 d wiederholen bis Kultur negativ
- Resistenztestung: Resistenzen speziesabhängig , siehe: Klinisch relevante Candida-Arten
- Initial: Mind. 2 Blutkulturpaare
- Bei Katheterwechsel: Katheterspitzen zur mikrobiologischen Diagnostik einschicken
- Siehe auch: Diagnostik bei katheterassoziierter Sepsis
- Bei Abszessen oder Organbeteiligung: Ggf. Punktion/Biopsie erwägen
- Blutkulturen: Immer
- Indirekter Erregernachweis: Ggf. ergänzend zu direktem Erregernachweis, erfolgt mit serologischen Tests
- Antigennachweis
- β-D-Glucan
- Multiplex-PCR
Bildgebung
- Ergänzend bei klinischem Verdacht zur Fokussuche und Verlaufskontrolle, ggf. Planung bioptischer Sicherung
- (Kontrastmittel‑)Sonografie des Abdomens: Insb. Nachweis von abszessartigen Läsionen in Leber oder Milz, z.B. bei hepatolienaler Candidiasis
- CT, MRT: Bei V.a. knöchernen, gelenknahen Fokus, Augen- oder ZNS-Beteiligung
- TEE: Bei V.a. Endokarditis
Bei Nachweis von Candida spp. in der Blutkultur soll eine konsequente Diagnostik und Therapie erfolgen (DGIM - Klug entscheiden in der Inneren Medizin)!
Candida-Scores [3][19]
- Ziel: Identifizierung von Personen mit hohem Risiko für eine invasive Candidose
- Bedeutung: Routinemäßige Anwendung wird von einigen Expert:innen empfohlen, Anwendung ist jedoch aufwendig, teuer und wenig spezifisch
- Durchführung: Multiple Scores, bspw.
- Korrigierter Candida-Kolonisationsindex (cCCI) und Candida-Kolonisationsindex (CCI)
- Berechnung
- Auswertung: cCCI >0,5: Hohe prädiktive Werte für eine folgende invasive Candida-Infektion
- Candida-Score nach Leon
- Berechnung
- Mulifokale Candida-Kolonisierung: 1 Punkt
- Parenterale Ernährung: 1 Punkt
- Schwere Sepsis: 2 Punkte
- Operation: 1 Punkt
- Auswertung (Score ≥3): Korelliert eng mit dem Auftreten einer invasiven Candida-Infektion
- Berechnung
- Korrigierter Candida-Kolonisationsindex (cCCI) und Candida-Kolonisationsindex (CCI)
Therapie
- Abhängig von der Art der invasiven Candidose, siehe:
Candidämie
Übersicht [3][5][19][28][29]
- Definition: Blutstrominfektion mit Candida spp.
- Auftreten: Meist nosokomial, insb. auf Intensivstationen und in der Neonatologie [3]
- Häufig katheterassoziiert
- Inzidenz: Steigend
- 4–9/100.000 Personen/Jahr [30][31]
- 5–10/10.000 Krankenhausaufnahmen [3][30]
- Prognose [3]
- Letalität nosokomial bzw. auf Intensivstationen ca. 24–42% [3][30][32]
- Schlechtere Prognose u.a. bei Nachweis von Nicht-Candida-albicans-Arten
- Bessere Prognose bei Kindern
Die Candidämie ist die häufigste invasive Candidose und tritt i.d.R. nosokomial bei kritisch Kranken auf!
Vorgehen bei Candidämie [3][5][11][19][28]
- Beginn einer antimykotischen Therapie: I.d.R. mit Echinocandin, siehe: Antimykotische Therapie der Candidämie
- Fokussuche und ggf. -sanierung
- Immer: Gezielte Anamnese und körperliche Untersuchung, Entfernen/Wechsel aller intravasal liegenden Katheter
- Ggf. Bildgebung
- Siehe auch: Diagnostik der invasiven Candidose
- Abnahme von Folgeblutkulturen (siehe: Diagnostik der invasiven Candidose)
- Engmaschiges klinisches Monitoring: Ggf. frühzeitige intensivmedizinische Therapie
- Absetzen/Reduktion von Immunsuppressiva
Die ersten Maßnahmen bei Nachweis von Candida spp. in der Blutkultur umfassen den Beginn einer antimykotischen Therapie und einen Wechsel aller intravasal liegenden Katheter!
Jeder einmalige Nachweis von Candida spp. (Sprosspilzen) in der Blutkultur wird als Blutstrominfektion behandelt!
Antimykotische Therapie der Candidämie
- Ablauf der Therapie
- Beginn: So rasch wie möglich mit Echinocandin
- Verlauf: Ggf. Umstellung auf andere Substanz
- Nach Speziesbestimmung (unter Beachtung speziesabhängiger Resistenzen)
- Ab Tag 5–10: Bei klinischer Besserung, negativen Blutkulturen und sensiblem Erreger auf Fluconazol umstellen
- Dauer: Mind. 14 d über letzten positiven Nachweis in der Blutkultur hinaus oder länger je nach Organmanifestation
- Ggf. therapeutisches Drugmonitoring
Antimykotische Therapie der Candidämie | |
---|---|
Einsatz | Wirkstoff und Dosierung |
Empirische Therapie der 1. Wahl: Echinocandine | Caspofungin [3][19][23] |
Micafungin [24] | |
Anidulafungin [25] | |
Alternativen zur empirischen Therapie | Liposomales Amphotericin B [3][33] |
Voriconazol [3][22] | |
Ggf. Umstellung ab Tag 5–10 | Fluconazol [3][16] |
Antimykotische Therapie der Candidämie (pädiatrisch) | |
---|---|
Einsatz | Wirkstoff und Dosierung |
Empirische Therapie der 1. Wahl: Echinocandine | Caspofungin [1][23]
|
Micafungin [1][24]
| |
Alternativen zur empirischen Therapie | Liposomales Amphotericin B [1][33]
|
| |
Ggf. Umstellung ab Tag 5–10 | Fluconazol [1][16]
|
Die Therapie der Wahl bei Candidämie sind Echinocandine (z.B. Caspofungin)!
Vorgehen bei fehlendem Therapieansprechen
- (Erneute) Fokussuche und -sanierung inkl. transösophagealer Echokardiografie
- Wirkspiegel der Antimykotika kontrollieren
- Resistenzen prüfen
- Andere Diagnosen evaluieren
- Ggf. Umstellung auf anderes Medikament, i.d.R. mit Wechsel der Substanzklasse, z.B. liposomales Amphotericin B [33]
Invasive Candidosen mit Organmanifestation
Übersicht [5][11][19][29][34]
- Auftreten: Selten, fast nur bei schwerer Immunsuppression (siehe auch: Candidose-Risikofaktoren)
- Ätiologie
- Meist durch septische Absiedelungen bei (unerkannter) Candidämie
- Seltener durch direktes Einbringen des Erregers
- Symptomatik und Diagnostik: Siehe auch: Symptomatik der invasiven Candidosen und Diagnostik der invasiven Candidosen
- Prognose: Auch mit Behandlung Letalität 15–50%
Ein häufiges Symptom invasiver Candidosen ist unklares Fieber – je nach Organmanifestation können weitere Symptome bestehen!
Verlaufsformen und Therapie [5][11][19][29][34]
- Systemische invasive Candidose, auf ein Organ zentriert (siehe: Übersicht systemische invasive Candidosen mit Organmanifestation)
- Akut-disseminierte Candidose [35]
- Septisches Krankheitsbild durch hämatogene Dissemination von Candida mit Entstehung von Mikroabszessen und Befall mehrerer Organe
- Insb. onkologische Patient:innen betroffen (meist bei Neutropenie ≥10 d)
- Chronisch-disseminierte Candidose (bzw. hepatolienale Candidiasis)
- Hämatogene Dissemination von Candida mit Entstehung von Mikroabszessen (i.d.R. in Milz und Leber), verläuft chronisch und ist meist nicht akut lebensbedrohlich
- Insb. bei Personen mit protrahierter Neutropenie
- Klinisches Bild: Unklares, persistierendes Fieber (auch nach Regeneration des Knochenmarks), Leberdruckschmerz
- Therapie: Antimykotische Therapie bis Beschwerdefreiheit/Abklingen aller radiologisch nachgewiesenen Befunde [34]
Disseminierte Candidosen treten fast ausschließlich bei onkologischen Patient:innen mit lange bestehender Neutropenie auf!
Übersicht systemische invasive Candidosen mit Organmanifestation | ||||
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Charakteristika | Antimykotikum | Zusätzliche Therapieempfehlungen | Therapiedauer | |
Candidose mit ZNS-Befall |
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Candidose mit Augenbeteiligung |
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Candida-Endokarditis |
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Candida-Peritonitis |
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Candida-Pneumonie |
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| — |
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Candida-Osteomyelitis und Candida-Arthritis |
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|
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Medikamentöse Candidose-Prophylaxe
- Indikation: Abhängig vom Risiko, eine Candidose zu entwickeln, siehe auch: Candida-Scores und Risikofaktoren-Candidose [11][19][28][36]
- Personen mit hämatologischer Neoplasie
- ≥18 Jahre: Bspw. bei allogener Stammzelltransplantation, AML oder MDS mit z.B. Posaconazol [36][37]
- <18 Jahre: Bspw. bei allogener Stammzelltransplantation oder AML mit einem Azol (z.B. Fluconazol) oder Echinocandin (z.B. Micafungin) [1][11]
- Neugeborene: Insb. bei Geburtsgewicht ≤1.000 g und ggf. auf neonatologischen Intensivstationen [1][28]
- Ggf. bei intensivmedizinisch behandelten Personen mit Risikofaktoren (z.B. mit Fluconazol, Echinocandinen, jeweils in therapeutischer Dosierung) , siehe Therapie der Candidämie
- Personen mit hämatologischer Neoplasie
- Nachteile einer Prophylaxe
- Vermehrte Fluconazolresistenz
- Selektion von Nicht-Candida-albicans-Arten
Tritt unter Azol-Prophylaxe eine Durchbruchsinfektion auf, sollte zur Therapie eine andere Substanzgruppe erwogen werden!
Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- B37.-: Kandidose
- Inklusive: Kandidamykose, Moniliasis
- Exklusive: Kandidose beim Neugeborenen (P37.5)
- B37.0: Candida-Stomatitis
- B37.1: Kandidose der Lunge
- B37.2: Kandidose der Haut und der Nägel
- Onychomykose, Paronychie durch Candida
- Exklusive: Windeldermatitis (L22)
- B37.3†: Kandidose der Vulva und der Vagina (N77.1*)
- B37.4: Kandidose an sonstigen Lokalisationen des Urogenitalsystems
- B37.5†: Candida-Meningitis (G02.1*)
- B37.6†: Candida-Endokarditis (I39.8*)
- B37.7: Candida-Sepsis
- B37.8-: Kandidose an sonstigen Lokalisationen
- B37.81: Candida-Ösophagitis
- B37.88: Kandidose an sonstigen Lokalisationen
- B37.9: Kandidose, nicht näher bezeichnet
- Soor o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.