Patientenvorstellung
Der 20-jährige Herr Walter kommt an einem Samstag in Begleitung seines Vaters zu dir in die Notaufnahme. Er hatte beim Fußballspielen plötzlich starke, atemabhängige Schmerzen im linken Thoraxbereich verspürt und fühlt sich seither zunehmend kurzatmig. Bis auf ein bekanntes Asthma bronchiale, das mit β2-Sympathikomimetika gut eingestellt ist, ist Herr Walters Anamnese bezüglich Vorerkrankungen ohne Auffälligkeiten. Temperatur: 37,1 °C, Atemfrequenz: 28/min, Puls 104/min, Blutdruck 140/80 mmHg, Sauerstoffsättigung 91%.
Nenne mind. 3 wichtige bzw. mögliche Differenzialdiagnosen, die aufgrund des Fallberichts zu bedenken sind!
- Pneumothorax
- Lungenembolie
- Akuter Asthmaanfall
- Trauma (z.B. Muskelzerrung, Rippenprellung oder -fraktur, ggf. mit Hämatothorax)
- Weitere, weniger wahrscheinliche Differenzialdiagnosen
Mit welcher Maßnahme kannst Du Herrn W. initial bereits symptomatisch helfen? Was wäre im Fall einer vorbekannten COPD zu beachten?
In der mündlichen Prüfung solltest Du versuchen, dem Prüfer zu zeigen, dass Du in der Lage bist, zielführend zu denken und zu handeln! In Notfällen muss dabei manchmal von der klassische Reihenfolge von Anamnese und körperlicher Untersuchung abgewichen werden, um (lindernde oder gar lebensrettende) Notfallmaßnahmen zu ergreifen! Genau so wichtig ist es jedoch auch, vor den Prüfern nicht den "Helden im Kittel" spielen zu wollen, immer einen kühlen Kopf zu bewahren und auf die systematische Ebene zurück finden zu können!
Fortsetzung Fallbericht
Unter der Sauerstoffgabe steigt die Sättigung leicht an und die Atemfrequenz des Patienten nimmt ab. In der körperlichen Untersuchung zeigt sich bei der Auskultation ein abgeschwächtes Atemgeräusch auf der linken Thoraxseite, der Klopfschall bei Perkussion ist linksseitig hypersonor. Weitere pathologische Befunde sind neben der bereits bekannten Tachykardie nicht zu erheben. Laborchemisch zeigen sich keine Auffälligkeiten im Blutbild und den Entzündungszeichen, die D-Dimere sind negativ, in der arteriellen Blutgasanalyse zeigen sich außer einer leichtgradigen Hypoxämie keinerlei pathologische Abweichungen.
Welche beiden apparativen Untersuchungen führst Du durch? Beurteile die vorliegenden Ergebnisse!
Wie lautet dein EKG-Befund?
Ggf. Sonografie
Wie lautet deine Befundung des Röntgenbildes? Welche Erkrankungen hätten weiterhin mittels dieser Untersuchungsmethode erkannt werden können?
Ist bei der Durchführung des Röntgen-Thorax im vorliegenden Fall eine Besonderheit zu beachten?
Welche Therapiemöglichkeiten stehen je nach Ausmaß und Genese der hier vorliegenden Erkrankung zur Verfügung?
- Bei kleineren Pneumothoraces kann ein konservativer Therapieansatz mit Schmerztherapie, Sauerstoffgabe, atemtherapeutischen Maßnahmen und regelmäßigen Röntgenkontrollen erfolgen. Diese Strategie wird insb. im Kindesalter verfolgt, um auf ein invasives Vorgehen verzichten zu können.
- Bei größeren Pneumothoraces mit Kollaps größerer Lungenanteile und respiratorischer Insuffizienz muss eine Thoraxdrainage mit Sog eingelegt werden.
- Bei traumatischen Pneumothoraces oder Rezidiven wird eventuell eine operative Versorgung notwendig.
Welches sind die zwei häufigsten Arten der Thoraxdrainagen und in welchem Bereich des Thorax werden sie gelegt?
In der vorliegenden Thoraxaufnahme siehst Du eine Thoraxdrainage bei einem anderen Patienten. Welcher Punktionsort wurde in diesem Fall gewählt?
Fortsetzung Fallbericht
Herr Walter wird stationär aufgenommen und bekommt in Lokalanästhesie eine Monaldi-Thoraxdrainage gelegt. In den Röntgen-Thorax-Verlaufsaufnahmen zeigt sich eine stetige Abnahme der Luftmenge im Pleuraspalt. Nach ca. einer Woche kann die Drainage entfernt und Herr Walter in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden.
Wiedersehen nach einem Jahr!
Ein Jahr später wirst du als Notarzt zu dem dir noch bekannten Herrn Walter auf den Sportplatz gerufen. Beim Eintreffen fällt dir sofort die schwere Dyspnoe des Patienten auf, der wesentlich kränker wirkt als noch bei der Vorstellung vor einem Jahr. Bei der Inspektion des Patienten fallen gestaute Halsvenen auf, es besteht eine ausgeprägte Tachypnoe. Der im Verlauf angeschlossene Monitor liefert als erste Werte: Puls 116/Min, Blutdruck 80/60 mmHg, Sauerstoffsättigung 87%. Die Mitspieler von Herrn Walter geben an, dass sich die Atemnot "aus dem Nichts" und ohne Zusammenstoß oder ähnliches entwickelt habe. Die Auskultation ist wegen des Umgebungslärms erschwert, die Perkussion lässt allerdings keinen Zweifel an einem hypersonoren Klopfschall links.
Welche Diagnose ist in der geschilderten Situation am wahrscheinlichsten?
- Der Patient hat höchstwahrscheinlich einen Spannungspneumothorax
Welcher zugrundeliegende Pathomechanismus führt zu diesem lebensbedrohlichen Krankheitsbild?
Welche Therapie leitest Du in dieser akuten Situation ein?
- Sofortige Entlastung des Spannungspneumothorax mittels großlumiger Hohlnadel (z.B. 12–14 G Venenverweilkanüle mit Rückschlagventil) in Bülau- oder Monaldi-Position
Kennst du eine provisorische Möglichkeit, ein Notfallventil aus den Inhalten eines Notfallkoffers herzustellen?
Ein Spannungspneumothorax muss möglichst schnell entlastet werden, um lebensgefährliche Komplikationen abzuwenden!
Bonusfragen
Herr Walter hat zu Beginn des Falls einen Spontanpneumothorax erlitten. Wie ist dieser definiert, welche Pathophysiologie liegt i.d.R. zugrunde und welche Risikofaktoren sind dir bekannt?
Welche häufigen Ursachen für einen sekundären(!) Pneumothorax kennst du bzw. welche Patienten erleiden diesen typischerweise?
Leider kommt es manchmal bei jungen Menschen zu einem plötzlichen und unerwarteten Versterben, häufig unter körperlicher Belastung. Kennst du Ursachen hierfür?
Oberärztlicher Kommentar
Wichtig bei diesem eher leichten Fall ist die typische Konstellation eines jungen, männlichen Patienten, der ohne äußere Einwirkung über starke Atemnot klagt. Das entsprechende Röntgenbild ist ebenso ein Klassiker in der mündlichen Prüfung wie die Frage nach der Therapie eines Spannungspneumothorax.
An diesem Fall ist deutlich nachvollziehbar, dass sich bei Patienten mit plötzlich auftretender Symptomatik zunächst die Frage nach der Notwendigkeit akuter Maßnahmen ergibt. Dazu gehört die Betrachtung aller Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur), die Beurteilung des Bewusstseins und das Berücksichtigen akuter Beschwerden wie Schmerz, Agitiertheit, Angst und Panik. Dieses Vorgehen ist primär notwendig, um die Vitalfunktionen des Patienten zu sichern und seine Beschwerden zu lindern, in zweiter Linie erlaubt die Erfassung dieser Aspekte erste differenzialdiagnostische Weichenstellungen.
Themen zum Vertiefen