Patientenvorstellung
Der 32-jährige Herr Kahn stellt sich in deiner Ambulanz vor. Er klagt über Abgeschlagenheit und anhaltenden Husten mit geringem Auswurf. Auf die Frage nach der Dauer der Beschwerden und Begleitsymptome antwortet Herr Kahn, der Husten bestehe schon seit mehreren Wochen, wirklich Fieber habe er nicht, zwischendurch habe er aber immer mal Temperaturen um 38°C gemessen. Dir fällt insgesamt ein deutlich reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand des Patienten auf.
An welche Differenzialdiagnosen musst du bei anhaltendem Husten bei einem jungen Patienten denken? Nenne mindestens 3.
- Infektion der oberen Atemwege z.B. akute Bronchitis, Pneumonie
- Chronische Bronchitis (z.B. durch Rauchen)
- Asthma bronchiale
- Tuberkulose
- Weitere Differenzialdiagnosen
- Sarkoidose
- Vaskulitiden mit Lungenbeteiligung
- Lungenkarzinom
- Exogen-allergische Alveolitis
Fortsetzung Fallbericht
In der weiteren Anamnese gibt Herr Kahn zusätzlich an, in den letzten Wochen sehr viel Stress im Beruf gehabt und daher einige Kilogramm an Gewicht verloren zu haben. Sein aktueller BMI beträgt 19,5 kg/m2.
Welche Gründe für einen Gewichtsverlust bei einem jungen Patienten fallen dir ein? Nenne mindestens 3.
- Endokrinologisch: Hyperthyreose, Phäochromozytom, Diabetes mellitus Typ 1
- Gastrointestinal
- Nicht-infektiös
- Chronisch-infektiöse Diarrhö (insb. bei vorhandener Reiseanamnese)
- Respiratorisch: COPD
- Psychosomatisch: Essstörungen (z.B. Anorexia nervosa), Depression
- Systemische Erkrankungen: Maligne Erkrankungen, chronische Infektionen (z.B. HIV, Tuberkulose)
Grundsätzlich kommen für einen Gewichtsverlust zwei Ursachen in Betracht: Verminderte Nahrungsaufnahme oder erhöhter Energiebedarf!
Ist Herr Kahn (laut BMI) untergewichtig?
Was ist der Unterschied zwischen Malabsorption und Maldigestion?
Wie ist das Wasting-Syndrom (bei HIV-Infektion) definiert?
Fortsetzung Fallbericht
Die weitere Anamnese bringt keine relevanten Informationen, so dass du mit der klinischen Untersuchung beginnst. Bei der Auskultation der Lunge fällt dir kein für Pneumonie, Asthma bronchiale oder chronische Bronchitis typischer Auskultationsbefund auf.
Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich jedoch ein typischer Hautbefund.
Wie lautet deine Verdachtsdiagnose des Hautbefundes? Beschreibe die Effloreszenzen und deren Lokalisation!
Welche klinischen Symptome sind bei dieser Erkrankung möglich?
Fortsetzung Fallbericht
Aufgrund der klinischen Untersuchung kommt dir der Verdacht auf eine relevante Immunsuppression (ggf. durch das HI-Virus).
Welche klinischen Befunde oder Erkrankungen wären zusätzlich hinweisend für den genannten Verdacht?
Es gibt klinische Befunde oder Erkrankungen, die – neben einem Herpes zoster – auf eine (bislang unerkannte) HIV-Infektion hinweisen können und zum Angebot eines HIV-Tests führen sollten. Hierzu gehören:
- Generalisierte Lymphadenopathie
- Orale Haarleukoplakie
- Candidose z.B. oraler oder genitaler Soor
- Kaposi-Sarkome
- Sexuell übertragbare Erkrankungen (STD)
- Unerklärte Zytopenien >4 Wochen
- Unerklärte chronische Diarrhö
Personen mit Herpes zoster oder sexuell übertragbaren Erkrankungen sollten das Angebot für einen HIV-Test erhalten!
Welche diagnostischen Maßnahmen erfolgen zur Abklärung einer HIV-Infektion?
Fortsetzung Fallbericht
Du hast die klinische Untersuchung abgeschlossen und klärst den Patienten über einen HIV-Test auf. Dann widmest du dich wieder der Abklärung des anhaltenden Hustens. Das abgeleitete 12-Kanal-EKG zeigt keine Auffälligkeiten.
Welche weitere Diagnostik ordnest du an? Bitte beurteile die vorliegenden Ergebnisse.
Blutuntersuchung: Blutbild, klinische Chemie (CRP, Kreatinin, AST, ALT, γ-GT, Kalium, Natrium), Blutgerinnung (Quick, pTT)
Auffällige Befunde bei Herrn K. (Referenzwerte in Klammern) | |
---|---|
Hämoglobin | 105 g/L (136–172 g/L) |
Erythrozyten | 3,8/pL (4,3–5,9/pL) |
MCV | 75 fL (81–100 fL) |
Leukozyten | 3.800/μL (4.000–10.000/μL) |
CRP | 31 mg/L (<5 mg/L) |
Alle übrigen Blutwerte sind normwertig |
Wie interpretierst du die Werte?
Röntgen-Thorax: Zur weiteren Abklärung des anhaltenden Hustens
Welcher Befund ist im Röntgen-Thorax zu erkennen?
Wie lautet in Zusammenschau aus Klinik, Laboruntersuchung und Bildgebung deine Verdachtsdiagnose? Bitte begründe sie!
Welche weitere Diagnostik sollte aufgrund der vermuteten pulmonalen Erkrankung veranlasst werden?
Fortsetzung Fallbericht
Die durchgeführten direkten Erregernachweise aus dem Sputum mittels PCR und Mikroskopie und nach einigen Tagen mittels Kultur fallen positiv aus. Der indirekte Erregernachweis fällt negativ aus.
Wie lautet nun die Diagnose der Lungenerkrankung?
Die Diagnose lautet hier offene Lungentuberkulose.
Wie ist eine offene Tuberkulose definiert?
Wie bewertest du das negative Ergebnis im Interferon-γ-Test?
Nenne die leitliniengerechte Tuberkulosetherapie!
Fortsetzung Fallbericht
Eine leitliniengerechte Tuberkulosetherapie wurde begonnen. Mittlerweile sind auch die Befunde des HIV-Tests zurück und der initiale Verdacht hat sich bestätigt. Der Patient wird über die bestehende HIV-Infektion informiert.
Welche beiden präventiven Allgemeinmaßnahmen müssen im vorliegenden Fall veranlasst werden?
- Aufgrund der hohen Infektiosität einer offenen Tuberkulose muss Herr Kahn isoliert werden.
- Herr Kahn sollte auf die Gefahr einer sexuellen Übertragung des HI-Virus hingewiesen werden.
Es müssen nur Personen mit einer offenen Tuberkulose isoliert werden!
Für wie lange muss eine Isolierung des Patienten durchgeführt werden?
Verschiedene Personen hatten Kontakt zu Herrn Kahn, u.a. auch du als Untersucher. Hat das eine Konsequenz?
Welche 2 spezifischen Laborparameter solltest du bestimmen, um das Stadium und die Schwere der Grunderkrankung abzuschätzen?
- CD-4+-Helferzellen
- HI-Viruslast
Die Ergebnisse aus der Laboruntersuchung sind normalerweise nicht unmittelbar verfügbar. Sollte dennoch eine antivirale Therapie begonnen werden?
Bonusfragen
"Ich dachte, Tuberkulose gibt es so gut wie gar nicht mehr!" äußert ein vorbeigehender Famulant. Das ist allerdings nicht korrekt. Wieviele Menschen sind nach Schätzungen der WHO mit dem Tuberkulose-Erreger infiziert?
Ein ernstzunehmende Entwicklung der letzten Jahre ist die Zunahme multiresistenter Tuberkuloseerreger (MDR, XDR). Diese müssen deutlich länger und oft unter Inkaufnahme schwerer Nebenwirkungen therapiert werden.
"Bei AIDS kann man doch eh nicht viel machen!" meint eine Pflegepraktikantin bei Aufnahme des Patienten auf Station. Was würdest du darauf antworten?
Zur Therapie der HIV-Infektion wird i.d.R. eine Kombination aus 2 oder 3 Medikamenten verwendet. Welche Substanzklassen können eingesetzt werden?
Jede Person mit HIV-Infektion sollte eine lebenslange antiretrovirale Therapie erhalten!
Oberärztlicher Kommentar
Dies ist ein eher spezieller Fall in Deutschland, kommt aber in vielen anderen Ländern sehr häufig vor. Die Koinzidenz von Tuberkulose und HIV ist insb. in Subsahara-Afrika eine große Herausforderung. Pharmakologisch ist bei Diagnosestellung der Einsatz von mindestens 6–7 potenten Pharmaka (Tuberkulosetherapie + HIV-Therapie) und bei niedrigen CD-4+-Helferzellen zusätzlich die Prophylaxe opportunistischer Infektionen erforderlich. Die Notwendigkeit einer engmaschigen und spezialisierten Behandlung für diese Personen, die über lange Zeit nötige Therapieadhärenz sowie die zunehmende Multiresistenz der Tuberkulose sind dabei große Hürden in der globalen Bewältigung dieser Pandemien.
Themen zum Vertiefen