Patientenvorstellung
Dieser klinische Fall ist der erste einer Fallserie aus drei Fällen. Die Fälle können hintereinander oder unabhängig voneinander bearbeitet werden:
- Verdammt, ich atme nicht: Frau Lungo mit Atemnot in der Praxis
- Mit Blaulicht: Frau Lungo ruft wegen Luftnot die 112
- Frau Lungo ante portas: Mit Bluthusten in der Notaufnahme
Die 55-jährige Frau Lungo stellt sich in deiner Allgemeinmedizinpraxis als neue Patientin vor. Ihr Hausarzt sei schon länger in Rente, sie habe sich seitdem nicht hausärztlich vorgestellt. Ihre Kardiologin habe ihr wegen Luftnot geraten, eventuell noch eine Herzkatheteruntersuchung machen zu lassen. Sie glaube aber eher, die Symptomatik komme von der Lunge. Die Patientin habe schon vor mehreren Monaten gemerkt, dass sie schlechter Luft bekomme, nun werde es aber immer schlimmer.
Du schaust dir die mitgebrachte Medikamentenliste und die Vitalparameter an, welche die medizinische Fachangestellte gemessen hat:
- Temperatur: 36,4 °C
- Herzfrequenz: 80/min
- Blutdruck: 135/85 mmHg
- Atemfrequenz: 16/min
Im Modus „Klinische Praxis“ erscheinen vertiefende Fragen und Informationen!
Anamnese
Frage 1a: Welche Fragen stellst du in der Anamnese?
Frage 1b: An welche Vorerkrankung denkst du aufgrund der Patientenvorstellung und Medikationsliste?
Nutze gerne unsere Notizen-Funktion, um die Frage zunächst selbst zu beantworten und anschließend mit der untenstehenden Lösung abzugleichen!
Antwort 1a
- Symptomatik
- Seit wann besteht die Atemnot?
- Ist sie plötzlich oder langsam/rasch progredient aufgetreten?
- Besteht sie bei Belastung/in Ruhe?
- Wie viel Gehstrecke/Stockwerke können Sie ohne Pause bewältigen?
- Haben Sie Thoraxschmerzen? Besteht ein Engegefühl (in Ruhe/bei Belastung)?
- Seit wann haben Sie den Husten? Wann husten Sie?
- Ist der Husten trocken/feucht?
- Haben Sie Auswurf (Farbe, Menge, Tageszeit)?
- Bestehen andere Beschwerden?
- Seit wann besteht die Atemnot?
- Vorgeschichte
- Vegetative Anamnese
- Hat sich der Appetit bzw. Durst verändert?
- Wie ist die Miktion bzw. der Stuhlgang?
- Haben Sie Schlafstörungen (Einschlaf- oder Durchschlafstörungen)?
- Fühlen Sie sich in Ihrer körperlichen Aktivität eingeschränkt?
- Besteht eine B-Symptomatik?
- Genussmittel- und Suchtanamnese
- Familien- und Sozialanamnese
- Was mach(t)en Sie beruflich? Waren Sie schädigenden Arbeitsstoffen ausgesetzt?
- Leben Sie allein? Haben Sie Kinder?
- Waren Sie in den letzten 10 Jahren im Ausland?
- Leben Sie in der Stadt oder auf dem Land?
- Gibt es Lungenerkrankungen in der Familie?
Bei Dyspnoe ist die Frage nach dem Verlauf entscheidend. Eine akut aufgetretene Dyspnoe ist immer als Notfall zu werten!
Zusatzfrage
Tabakkonsum wird üblicherweise in Pack Years (py) angegeben. Wie berechnet man diese?
Antwort 1b
- Kardiovaskuläre Erkrankung
Medikationsangaben sollten sowohl anamnestisch als auch durch ärztliche Vorbefunde genau geprüft werden!
Zusatzfragen
Wie können Betablocker eingeteilt werden? Bei welchen Erkrankungen sind diese indiziert?
Warum werden Betablocker beim chronischen Koronarsyndrom eingesetzt? [1]
Differenzialdiagnosen
Fortsetzung Fallbericht
Aktuell arbeitet eine PJlerin in der Praxis, die bereits die Anamnese und Untersuchung durchführt und dokumentiert. Anschließend kommt sie zu dir und berichtet: „Die Untersuchung war unauffällig, aber ich habe irgendetwas über der Lunge gehört. Vielleicht könnten Sie noch mal darauf hören.“
Zunächst liest du dir die bisherige Dokumentation durch:
Anamnese
Frau Lungo stellt sich fußläufig in der Praxis vor und gibt an, sie habe seit mehreren Monaten eine langsam progrediente Dyspnoe bei Belastung, zunächst nur beim Treppensteigen, mittlerweile auch bei Spaziergängen. Morgendliche Dyspnoeattacken mit weißlichem Auswurf, zudem seit mehreren Jahren schon trockener Husten. Kein Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust.
- Vorerkrankungen: KHK mit Stentversorgung vor 18 Monaten (zuletzt vor 2 Wochen kardiologische Routinekontrolle mit unauffälliger transthorakaler Echokardiografie), arterielle Hypertonie, Z.n. Appendektomie
- Allergien: –
- Suchtanamnese: Täglich ca. 1 Packung Zigaretten seit 40 Jahren (40 py), gelegentlich Alkohol
- Sozial-/Familienanamnese: Lebt allein, arbeitetet Teilzeit in einem Tierheim, Vater ist an einem Lungenkarzinom gestorben
Lungenauskultation
Frage 2a: An welche Differenzialdiagnosen denkst du bei einer chronischen Dyspnoe?
Frage 2b: Wie beschreibst du den Auskultationsbefund?
Frage 2c: Was ist deine Verdachtsdiagnose und welche assoziierten Risikofaktoren kennst du?
Antwort 2a
Kardial
- Chronisches Koronarsyndrom
- Herzinsuffizienz
- Herzklappenerkrankungen
- Herzrhythmusstörungen, z.B. Vorhofflimmern
Pulmonal
- COPD
- Asthma bronchiale
- Lungenkarzinom
- Pleuraerguss
- Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD)
- Chronisch rezidivierende Lungenembolien
- Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)
- Mukoviszidose
Psychogen
Neurologisch
- Myasthenia gravis
- Zwerchfellparese
Weitere
- Anämie
- Fehlende Kondition
Antwort 2b
- Giemen/Pfeifen links basal
Auskultationsquiz
Beschreibe die Auskultationsbefunde und nenne Beispiele, wann diese typischerweise vorliegen.
- Auskultation 1
- Befund
- Auskultation 2
- Befund
- Auskultation 3
- Befund
- Auskultation 4
- Befund
- Auskultation 5
- Befund
- Auskultation 6
- Befund
- Auskultation 7
- Befund
Zusatzfragen
Bei COPD und Asthma bronchiale liegt eine bronchiale Obstruktion vor. Was sind weitere typische Auskultationsbefunde?
Wie wird dieser klinische Befund genannt und unterteilt?
Welche weiteren für die COPD typischen Befunde können bei einer Inspektion noch vorkommen?
Welche Befunde können bei Personen mit COPD bei einer Lungenperkussion auffallen?
Antwort 2c
- COPD [2]
Risikofaktoren
- Rauchen (inkl. Wasserpfeife, Cannabiszubereitungen, Passivrauchen)
- Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft
- Exposition gegenüber Tabakrauch in der Kindheit
- Rezidivierende pulmonale Infektionen in der Kindheit
- Luftverschmutzung/Feinstaubbelastung
- Berufliche Exposition gegenüber Noxen
- α1-Antitrypsin-Mangel
- Antikörpermangelsyndrome (z.B. IgA-Mangel)
- Primäre Ziliendyskinesie (z.B. Kartagener-Syndrom)
- Frühgeburtlichkeit
COPD ist eine häufige Erkrankung – die Prävalenz in Deutschland liegt bei ca. 6%! [3]
Auch Personen mit COPD und langjährigem Tabakkonsum können zusätzlich eine Berufskrankheit haben – die Expositionsanamnese sollte daher immer erfolgen!
Zusatzfragen
Wie kommt es pathophysiologisch zu einer COPD?
Wie ist die chronische Bronchitis definiert? [4]
Was ist ein Lungenemphysem und wodurch entsteht es?
Was sind typische Berufe mit einer Exposition gegenüber anorganischen/organischen Stäuben? [5]
Anordnung der Diagnostik
Fortsetzung Fallbericht
Du hast die Arbeitsdiagnose „COPD“ gestellt und möchtest nun weitere Diagnostik in deiner Praxis durchführen.
Frage 3a: Welche Basisdiagnostik ordnest du an?
Frage 3b: Welche weitere apparative Diagnostik für die COPD kennst du? Wann ist diese indiziert?
Frage 3c: Was ist die wichtigste Differenzialdiagnose zu deiner Arbeitsdiagnose und wie kannst du sie abgrenzen?
Antwort 3a
- Pulsoxymetrie
- EKG
- Prüfung der EKG-Zeichen für eine Rechtsherzhypertrophie
- Prüfung der Ischämiezeichen bei möglicherweise begleitender KHK
- Ausschluss von Herzrhythmusstörungen
- Spirometrie: Nachweis einer bronchialen Obstruktion (zur Diagnosestellung einer COPD erforderlich)
- Nach GOLD (2022) und Leitlinie der DGP (2018): FEV1/FVC (Tiffeneau-Index) <0,7 bzw. <70% („starrer“ Normwert) nach Bronchodilatation
- Nach Nationaler Versorgungsleitlinie: FEV1/FVC unterhalb der unteren Normgrenze nach Referenzwerten der GLI (Global Lung Initiative)
- Blutuntersuchung
- Röntgen-Thorax
- Immer im Rahmen der Erstdiagnostik bei V.a. COPD
- Ausschluss von Infiltraten
Ein Röntgen-Thorax sollte im Rahmen der Erstdiagnose einer COPD immer durchgeführt werden!
Zusatzfragen
Was ist eine Spirometrie und wie wird sie durchgeführt?
Welche diagnostisch relevanten Werte kannst du mit einer Spirometrie bestimmen?
Welcher Wert der Spirometrie zeigt dir, ob eine Obstruktion besteht? Wann tritt sie auf?
Was sind mögliche Fehlerquellen bei einer Spirometrieuntersuchung? [6]
Antwort 3b
Eine Bodyplethysmografie kann unabhängig von der Patientenkooperation durchgeführt werden und der Objektivierbarkeit der Befunde dienen!
Zusatzfragen
Was ist eine Bodyplethysmografie und wie wird sie durchgeführt?
Welche Werte können anders als bei einer einfachen Spirometrie bei einer Bodyplethysmografie zusätzlich bestimmt werden?
Welcher Wert der Bodyplethysmografie zeigt dir, ob eine Restriktion besteht? Wann tritt sie auf?
Was ist die Resistance? Wozu dient sie?
Was ist die Compliance der Lunge? Wozu dient sie?
Antwort 3c
Unterscheidung zwischen Asthma bronchiale und COPD | ||
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Asthma bronchiale | COPD | |
Erstdiagnose |
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Ätiologie |
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Klinik |
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Ansprechen auf systemische Glucocorticoide |
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Zusatzfrage
Was ist ein Asthma-COPD-Overlap (ACO)? [4][7]
Ergebnisse der Diagnostik
Fortsetzung Fallbericht
Die Pulsoxymetrie zeigt eine Sauerstoffsättigung (spO2) von 97%. Anschließend führt deine Arzthelferin eine Spirometrie durch, nimmt Blut ab und du schreibst einen Überweisungsschein in die Radiologie für einen Röntgen-Thorax. Du schaust dir einige Tage später die Ergebnisse an:
Labordiagnostik
Venöse Blutentnahme | |||
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Parameter | Befund | Referenzbereich | |
Blutbild | Erythrozyten | 4,78 × 106/μL | 3,5–5 × 106/μL |
Hb | 14,2 g/dL | 12–15 g/dL | |
Hk | 41,8% | 33–43% | |
Leukozyten | 11.200/μL | 4.000–10.000/μL | |
Thrombozyten | 356.000/μL | 150.000–400.000/μL | |
Klinische Chemie | Natrium | 142 mmol/L | 135–145 mmol/L |
Kalium | 4,7 mmol/L | 3,6–5,2 mmol/L | |
Kreatinin | 0,7 mg/dL | <0,9 mg/dL | |
CRP | 6 mg/L | <5 mg/L | |
Gerinnung | aPTT | 31 s | 26–36 s |
Quick (INR) | 100% (1,0) | 70–130% |