Abstract
Vesikoureteraler Reflux (VUR) ist die Bezeichnung für den retrograden Fluss von Urin aus der Harnblase in die Harnleiter. Ursächlich hierfür können unter anderem neurogene Faktoren sowie subvesikale Harnabflussstörungen sein. Der Verdacht auf einen vesikoureteralen Reflux kann aufgrund von Flankenschmerzen oder rezidivierenden Pyelonephritiden entstehen, während diagnostisch verschiedene bildgebende Verfahren wie das Miktionsurethrogramm zum Einsatz kommen. Die Therapie erfolgt meist konservativ mit regelmäßigen Verlaufskontrollen, doch können bei schweren Verläufen mit massiver Nierenstauung oder medikamentös nicht zu beherrschenden Infekten auch operative Maßnahmen zum Einsatz kommen.
Beim Megaureter handelt es sich um eine angeborene, meist idiopathische Dilatation des Harnleiters. Diagnostisch steht die Renosonografie im Vordergrund, gefolgt von radiologischen und nuklearmedizinischen Maßnahmen zur Befundsicherung. Die konservative oder operative Therapie erfolgt je nach Ursache und Befundkonstellation und hat die Verhinderung einer gravierenden Komplikation zum Ziel: der terminalen Niereninsuffizienz.
Epidemiologie
- Abnehmende Inzidenz in zunehmendem Alter bei Spontanheilungstendenz
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Primärer vesikoureteraler Reflux
- Embryonale Fehlentwicklung der Muskulatur des Trigonum vesicae
- Familiäre Disposition
Sekundärer vesikoureteraler Reflux
- Ursachen
- Subvesikale Obstruktion
- Iatrogen
Ureter duplex
- Doppelter Harnleiter bis in die Harnblase: Meist Reflux des kaudalen Harnleiters.
Ektopes Harnleiterostium
Klassifikation
Klassifikation anhand des Miktionsurethrogramms nach Parkkulainen/Heikel
Grad I | Reflux in den Harnleiter, jedoch nicht bis in das Nierenbecken |
---|---|
Grad II | Reflux bis in das Nierenbecken ohne Dilatation |
Grad III | Reflux bis in das Nierenbecken mit leichter Dilatation des Hohlsystems und leichtgradiger Verplumpung der Kelche |
Grad IV | Reflux mit Dilatation des Hohlsystems mit leichtem Ureterkinking und Verplumpung der Kelche mit noch sichtbaren Papillen |
Grad V | Reflux mit starker Dilatation des Hohlsystems und Ureterkinking sowie verplumpten Nierenkelchen mit größtenteils nicht mehr sichtbaren Papillen |
Megaureter mit Reflux
- Definition: Angeborene Erweiterung des Harnleiters
- Megaureter ursächlich für ca. 20% der pränatalen Hydronephrosen
- Ätiologie
- Primäre Obstruktion aufgrund eines Entwicklungsfehlers des Ureters mit Aperistaltik
- Sekundäre Obstruktion
- Neurogene Harnblasenentleerungsstörung
- Urethralklappen
- Erhöhung vesikaler Drücke verschiedener Genese (z.B. bei subvesikaler Obstruktion)
- Diagnostik
- Differenzierung einer Ureterabgangsstenose gegenüber eines Megaureters
- Sonografie der Nieren
- Ausscheidungsurogramm
- Miktionsurethrogramm
- Nierenfunktionsszintigrafie
- Invasive Maßnahmen bei unklarer Primärdiagnostik
- Retrograde Pyelografie
- Whitaker-Test
- Differenzierung einer Ureterabgangsstenose gegenüber eines Megaureters
- Therapie
- Bei primärer Obstruktion:
- Exzision der Stenose bei relevanter Enge im Szintigramm und Nierenfunktionsverlust
- Ansonsten konservative Therapie mit regelmäßiger Verlaufskontrolle
- Bei sekundärer Obstruktion:
- Therapie des Grundleidens
- Bei primärer Obstruktion:
- Komplikationen: Hydronephrose mit terminaler Niereninsuffizienz
Ein stenotischer Ureter kann gleichzeitig refluxiv sein!
Symptome/Klinik
- Symptomatik je nach Schweregrad
- Rezidivierende Infekte (Zystitis, Pyelonephritis)
- Flankenschmerzen bei der Miktion
- Gedeihstörung im Kindesalter
- Urämie
- Renale Hypertonie
Diagnostik
Standarduntersuchungen
- Sonografie der Niere
- Miktionsurethrogramm
- Statische DMSA-Nierenszintigrafie
- MAG3-Funktionsszintigrafie der Niere
Folgeuntersuchungen
Therapie
Konservative Therapie
- Hohe Spontanheilungsrate!
- Indikation
- Reflux bis IV. Grades und stabile renale Funktion
- Medikamentös kontrollierbare Infekte
- Mediale Harnleiterostien
- Durchführung
- Dauerhafte antibiotische Therapie bei Bakteriurie und rezidivierenden Infekten
- Dreizeitige Miktion zur Entleerung des refluxiven Ureters
- Feste Miktionsfrequenz
- Engmaschige Verlaufskontrollen
Operative Therapie
- Indikation
- Reflux > IV. Grades
- Verschlechterung der renalen Funktion
- Rezidivierende, nicht kontrollierbare Infekte
- Durchführung
- Endoskopisch mittels Unterspritzung des Harnleiterostiums mit Silikon
- Offen operativ:
- Verschiedene Methoden der anti-refluxiven Harnleiterneuimplantation
- Ureter-Ureterostomie
- Nephroureterektomie bei szintigrafischer Nierenfunktion unter 20%
Komplikationen
- Terminale Niereninsuffizienz
- Urosepsis
- Pyelonephritis
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Keine Senkung der Inzidenz der terminalen Niereninsuffizienz trotz besserer Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie in den letzten 30 Jahren
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- N11.-: Chronische tubulointerstitielle Nephritis
- N11.0: Nichtobstruktive, mit Reflux verbundene chronische Pyelonephritis
- Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit Reflux (vesikoureteral)
- Exklusive: Vesikoureteraler Reflux o.n.A. (N13.7)
- N11.0: Nichtobstruktive, mit Reflux verbundene chronische Pyelonephritis
- N13.-: Obstruktive Uropathie und Refluxuropathie
- N13.7: Uropathie in Zusammenhang mit vesikoureteralem Reflux
- Vesikoureteraler Reflux:
- bei Narbenbildung
- o.n.A.
- Exklusive: Pyelonephritis in Verbindung mit Reflux (N11.0)
- Vesikoureteraler Reflux:
- N13.7: Uropathie in Zusammenhang mit vesikoureteralem Reflux
- N13.8: Sonstige obstruktive Uropathie und Refluxuropathie
- N13.9: Obstruktive Uropathie und Refluxuropathie, nicht näher bezeichnet
- Obstruktion der Harnwege o.n.A.
- N13.9: Obstruktive Uropathie und Refluxuropathie, nicht näher bezeichnet
- N28.-: Sonstige Krankheiten der Niere und des Ureters, anderenorts nicht klassifiziert
- Q62.-: Angeborene obstruktive Defekte des Nierenbeckens und angeborene Fehlbildungen des Ureters
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.