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Gefahrstoffe

Letzte Aktualisierung: 11.9.2025

Einleitungtoggle arrow icon

Ob in Klinik, Labor, Werkstatt oder Pflegeeinrichtung: Der Umgang mit Gefahrstoffen erfordert Fachwissen, Aufmerksamkeit und eine konsequente Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Viele Stoffe sind unscheinbar, können jedoch bei falscher Handhabung toxisch, entzündlich, reizend oder sogar krebserzeugend wirken.

Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) schützt alle Berufsgruppen, die beruflich mit gefährlichen chemischen Substanzen in Berührung kommen. Sie verpflichtet Arbeitgeber:innen zur systematischen Gefährdungsbeurteilung und legt konkrete Schutzmaßnahmen fest, abgestimmt auf das jeweilige Gefahrenpotenzial.

Nach dem Durcharbeiten dieses Kapitels weißt du:

  • Wie Gefahrstoffe eindeutig gekennzeichnet und korrekt identifiziert werden
  • Welche Informationen in Sicherheitsdatenblättern enthalten sind und wie du sie nutzt
  • Welche Pflichten Arbeitgeber:innen bei der Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung haben
  • Wie Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip aufgebaut sind und in vier Schutzstufen umgesetzt werden
  • Welche besonderen Regelungen beim Umgang mit krebserzeugenden Stoffen oder Asbest gelten
  • Welche Vorsichtsmaßnahmen im Alltag wirklich wichtig sind – von der Lagerung bis zum Notfallmanagement

Ziel ist es, das Risiko für Gesundheitsgefahren, Arbeitsunfälle und langfristige Schäden zu minimieren – für dich, deine Kolleg:innen und die Umwelt.

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Grundlagentoggle arrow icon

Was sind Gefahrstoffe?

Gefahrstoffe sind Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, die aufgrund ihrer chemischen, physikalischen oder toxischen Eigenschaften eine Gefahr darstellen können.

  • Typische Eigenschaften
    • Explosionsgefährlich
    • Entzündlich oder brandfördernd
    • Giftig und gesundheitsschädlich
    • Ätzend oder reizend
    • Sensibilisierend, erbgutverändernd oder krebserzeugend
    • Gewässergefährdend oder ozonschichtschädigend

Beispiele typischer Gefahrstoffe

  • Im Gesundheitswesen
  • In Industrie, Handwerk und Bau
    • Lösungsmittel und Lacke: Bspw. Aceton, Toluol
    • Schweißrauche: Entstehen beim Schweißen von Metallen
    • Holzstaub: Insb. bei Hartholzverarbeitung
    • Dieselmotoremissionen: Ruß- und Abgaspartikel von Verbrennungsmotoren
    • Ozon: Entsteht z.B. bei Hochspannung, Laserdruckern oder Lichtbogenprozessen

Auch im privaten Bereich kommen wir mit Gefahrstoffen (bspw. Reinigungsmittel, Lacke) in Berührung!

Kennzeichnung und Identifikation

Alle Gefahrstoffe müssen eindeutig gekennzeichnet sein. Die Symbole (Piktogramme) nach CLP-Verordnung zeigen Art und Schwere der Gefährdung an.

  • Physikalische Gefahren
    • Flamme: Entzündbare Stoffe
    • Explodierende Kugel: Explosiv, selbstzersetzend
    • Flamme über Kreis: Brandfördernd (oxidierend)
    • Gasflasche: Gase unter Druck
  • Gesundheitsgefahren
    • Totenkopf: Akute Toxizität (lebensgefährlich bereits bei kleinen Mengen)
    • Ausrufezeichen: Reizend, sensibilisierend, gesundheitsschädlich
    • Gesundheitsgefahr: Krebserregend, mutagen, reproduktionstoxisch
    • Ätzwirkung: Haut-, Augen- und Schleimhautverätzungen
  • Umweltgefahren
    • Baum und Fisch: Wassergefährdend

Mehrere Symbole auf einem Produkt sind möglich. Die Gesamtwirkung ergibt sich aus Zusammensetzung und Konzentration!

Gefahrenklassen nach Globally Harmonised System (GHS)

Unterscheidet aktuell 28 Gefahrenklassen (z.B. entzündlich, ätzend oder akut toxisch).

  • Kategorien: Innerhalb der Klassen erfolgt eine Einteilung in nummerierte Kategorien
  • Zusätzliche Unterteilung: Einige Gefahrenklassen werden weiter unterteilt, z. B. in Typ A, B oder C
  • Einteilung der Gefahrenart in Kategorie und Unterklasse oder Typ
    • Gefahr nimmt mit steigender Zahl und späterem Buchstaben im Alphabet ab

Die Einstufung ist verpflichtend und bildet die Grundlage für die Kennzeichnung und alle Schutzmaßnahmen im Betrieb.

  • Sicherheitsdatenblätter nutzen: Sicherheitsdatenblätter (SDB) liefern alle relevanten Informationen zu einem Gefahrstoff, wie bspw.
    • Zusammensetzung
    • Gefahr- und Sicherheitshinweise (H- und P-Sätze)
    • Erste Hilfe- und Notfallmaßnahmen
    • Lager- und Entsorgungsvorschriften
    • Grenzwerte am Arbeitsplatz (AGW)

Vor dem Umgang mit einem Gefahrstoff müssen Mitarbeitende das SDB lesen und verstehen, das gehört zur Unterweisung!

Das Sicherheitsdatenblatt muss am Arbeitsplatz jederzeit einsehbar sein!

Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung ist gesetzlich vorgeschrieben und bildet die Grundlage aller Schutzmaßnahmen im Umgang mit Gefahrstoffen. Sie muss vor der erstmaligen Verwendung eines Stoffes erfolgen und regelmäßig aktualisiert werden. Folgende Elemente gehören zur Gefährdungsbeurteilung:

  • Gefahrstoffverzeichnis erstellen: Dokumentation aller eingesetzten Stoffe inkl. Sicherheitsdatenblätter (SDB)
  • Expositionsanalyse: Bewertung der Art (z.B. inhalativ, dermal, oral), Häufigkeit, Dauer und Intensität des Kontakts
  • Physikalische Eigenschaften prüfen: Bspw. Dampfdruck, Zersetzungsverhalten, Aerosolbildung
  • Schutzstufe festlegen: Einteilung in Schutzstufen 1–4 je nach Gefährdungspotenzial
  • Substitutionsprüfung: Prüfung, ob ein weniger gefährlicher Stoff alternativ eingesetzt werden kann
  • Maßnahmenplanung: Umsetzung von Schutzmaßnahmen nach dem gesetzlich vorgegebenen TOP-Prinzip
    • Technische Schutzmaßnahmen (T): Gefahren an der Quelle vermeiden oder minimieren
    • Organisatorische Schutzmaßnahmen (O): Gefährdungsdauer und -häufigkeit durch organisatorische Vorgaben verringern
    • Persönliche Schutzmaßnahmen (P): Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung, wenn technische und organisatorische Maßnahmen nicht ausreichen

Die vier Schutzstufen

Die Schutzmaßnahmen werden betriebsintern definiert, entsprechend dem Grad der Gefährdung eingestuft und nach gesundheitsschädlichen bzw. physikalisch-chemischen Eigenschaften differenziert.

Praktisches Vorgehen im Betrieb

Die Gefährdungsbeurteilung erfolgt i.d.R. durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzt:innen oder Hygienebeauftragte. Sie analysieren die Arbeitsplatzbedingungen und binden die Beschäftigten mit ein.

  • Ablauf in der Praxis
    1. Einführung oder Veränderung des Einsatzbereiches eines Gefahrstoffes
    2. Anforderung und Auswertung des Sicherheitsdatenblattes
    3. Dokumentation von Arbeitsabläufen, Dosis, Einwirkdauer und Schutzmaßnahmen
    4. Einstufung nach Schutzstufen
    5. Umsetzung und schriftliche Fixierung der Schutzmaßnahmen
    6. Umgang mit dem Stoff erst nach abgeschlossener Beurteilung und Dokumentation

Wer trägt die Verantwortung?

  • Arbeitgeber:innen: Verantwortlich für Organisation, Durchführung und Umsetzung der Schutzmaßnahmen
  • Fachpersonal für Arbeitssicherheit / Hygiene: Unterstützung, Bewertung und Dokumentation
  • Mitarbeitende: Verpflichtet, Gefahren zu melden und Schutzmaßnahmen einzuhalten
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Gesetzliche Grundlagentoggle arrow icon

Zentrale Regelwerke

Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)

Die Gefahrstoffverordnung ist Teil des deutschen Arbeitsschutzrechts und basiert weitgehend auf EU-Richtlinien. Sie gilt für alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen in Betrieben der

  • Privaten Wirtschaft (z.B. Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Labore)
  • Öffentlichen Hand (z.B. Unikliniken, Gesundheitsämter)

Zielsetzung der GefStoffV

Die Verordnung verpflichtet Arbeitgeber:innen, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass

  • Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sicher durchgeführt werden
  • Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten so weit wie möglich gewährleistet ist
  • Umweltschäden vermieden werden

Das wichtigste Ziel ist es, Risiken durch geeignete Schutzmaßnahmen zu minimieren oder ganz zu vermeiden!

Zentrale rechtliche Bausteine

  • EU-Verordnungen
    • REACH-Verordnung: Regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien
    • CLP-Verordnung: Regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien
    • Biozid-Verordnung: Regelt die Marktverfügbarkeit und Verwendung von Biozidprodukten
  • Unterstützende Regelwerke
    • TRGS – Technische Regeln für Gefahrstoffe: Konkretisieren die GefStoffV und erleichtern die Umsetzung im Alltag
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Unterweisung und Qualifikationtoggle arrow icon

Gesetzliche Pflicht zur Unterweisung

Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, alle Beschäftigten vor Aufnahme einer Tätigkeit mit Gefahrstoffen zu unterweisen – und danach mind. einmal jährlich.

Die Unterweisung muss

  • Mündlich und arbeitsplatzbezogen erfolgen
  • Verständlich für die jeweilige Berufsgruppe sein
  • Konkret auf die eingesetzten Gefahrstoffe eingehen
  • Vor Beginn der Tätigkeit und bei Änderungen wiederholt werden
  • Dokumentiert werden (bspw. durch Unterschrift der unterwiesenen Person)

Die Unterweisung ist keine freiwillige Zusatzmaßnahme, sondern gesetzlich vorgeschrieben! Sie ist zwingende Voraussetzung dafür, dass Beschäftigte überhaupt mit Gefahrstoffen arbeiten dürfen!

Inhalte einer Unterweisung

Die Unterweisung muss mind. folgende Punkte beinhalten:

  • Information über Gefahren der verwendeten Stoffe (z.B. reizend, krebserregend)
  • Erklärung der Kennzeichnung nach CLP-Verordnung (Piktogramme, H- und P-Sätze)
  • Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln
  • Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Kontakt, Verschlucken oder Einatmen
  • Richtiges Lagern, Entsorgen und Reinigen
  • Verwendung und Pflege der PSA (persönliche Schutzausrüstung)

Qualifikationsanforderungen

Bestimmte Tätigkeiten dürfen nur von fachlich unterwiesenen oder speziell geschulten Personen ausgeführt werden. Eine besondere fachliche Qualifikation ist u.a. nötig bei:

  • Zubereitung und Verabreichung von Zytostatika
  • Tätigkeiten mit Asbest
  • Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen
  • Arbeit mit Biozid-Produkten

Nicht jede:r darf mit jedem Stoff arbeiten!

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Unfallversicherungsträgertoggle arrow icon

Rolle der Unfallversicherungsträger

Neben den betrieblichen Akteur:innen wie Arbeitgeber:innen, Fachkräften für Arbeitssicherheit und Hygienebeauftragten spielen auch die gesetzlichen Unfallversicherungsträger eine entscheidende Rolle im Umgang mit Gefahrstoffen. Sie unterstützen nicht nur bei der Prävention, sondern auch bei Schulung und Kontrolle, und bilden damit eine wichtige Schnittstelle zwischen Gesetzgebung und Praxis.

Aufgaben im Überblick

  • Prävention: Entwicklung und Bereitstellung von Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
  • Beratung: Unterstützung von Unternehmen durch Präventionsdienste
  • Unterweisung und Schulung: Angebot von Seminaren und digitalen Schulungen für verschiedene Berufsgruppen
  • Beteiligung an Regelsetzung: Mitwirkung bei der Erarbeitung der TRGS (Technische Regeln für Gefahrstoffe) sowie weiterer Vorschriften im Arbeitsschutz
  • Aufsicht und Kontrolle: Überwachung der Einhaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
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Praktische Umsetzung im Arbeitsalltagtoggle arrow icon

Grundregeln für alle Beschäftigten

  • Vor Arbeitsbeginn
    • Sicherheitsdatenblätter einsehen
    • Schutzausrüstung bereitstellen
    • Arbeitsbereich prüfen
    • Bei Unsicherheit Rücksprache halten
  • Während der Arbeit
    • Exakte Dosierung einhalten
    • Gefahrstoffe nicht zweckentfremden
    • Kennzeichnung bei Umfüllungen beachten
    • Persönliche Schutzausrüstung konsequent tragen
  • Nach der Arbeit
    • Arbeitsplatz reinigen
    • Gefahrstoffe korrekt lagern
    • Schutzkleidung wechseln
    • Hände gründlich waschen

Kritische Situationen vermeiden

  • Beachte
    • Kein Fett auf Ventile von Sauerstoffflaschen!
    • Nach dem Händedesinfizieren nicht rauchen!
    • Chemikalien nicht unkontrolliert mischen!
    • Gefahrstoffe nicht in Lebensmittelbehältern aufbewahren!
    • Niemals in Arbeitsbereichen mit Gefahrstoffen essen, trinken oder rauchen!
    • Dosierung der Chemikalien immer wie vom Hersteller angegeben!
    • Keine Zweckentfremdung des Gefahrstoffes!
  • Praktische Tipps für den Arbeitsalltag
    • Bei Unsicherheit mit einem Gefahrstoff: Im Akutfall erfahrene Kolleg:innen hinzuziehen, ansonsten Schulung anstreben
    • Zur Information über verwendete Gefahrstoffe betriebsinternes Intranet nutzen
    • Gültigen Standard zur Handhabung oder passendes Sicherheitsdatenblatt erfragen
    • Auf korrekte Lagerung und Entsorgung dem Sicherheitsdatenblatt nach achten
    • Klare und dauerhafte Kennzeichnung selbst hergestellter Gefahrstoffe (z.B. beim Anmischen)
    • Konsequent an vereinbarte Schutzmaßnahmen halten (z.B. das Tragen von Schutzbrille und Handschuhen)

Verschüttete Gefahrstoffe oder Unfälle sind sofort zu melden und zu dokumentieren!

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