Abstract
Als hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen (Alport-Syndrom) wird eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, bei denen infolge erblicher Genmutationen fehlerhaftes Kollagen Typ IV gebildet wird. Da dieses ein wichtiger Bestandteil u.a. der glomerulären Basalmembran ist, kann dadurch eine progrediente Nierenschädigung entstehen. Die Ausprägung hängt davon ab, ob die Betroffenen heterozygote oder homozygote Träger der Genmutation sind: Während heterozygote Träger oftmals asymptomatisch sind oder lediglich unter einer (Mikro‑)Hämaturie leiden, können homozygote Träger das Vollbild des Alport-Syndroms aufweisen (Hämaturie, Proteinurie, Innenohrschwerhörigkeit und typische Augenveränderungen), was im Verlauf immer zu einer Dialysepflichtigkeit führt. Eine kausale Therapie existiert nicht. Entscheidend sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen und ggf. der frühzeitige Beginn einer nephroprotektiven Therapie.
Klassifikation
- Definition: Gruppe von Erkrankungen, bei denen sich infolge erblicher Genmutationen fehlerhaftes Kollagen Typ IV (wichtiger Bestandteil u.a. der glomerulären Basalmembran) bildet und dadurch eine progrediente Nierenschädigung entstehen kann
- Formen
- Heterozygote Genmutation: Syndrom der dünnen Basalmembran, mittlerweile auch dem Alport-Syndrom zuzuordnen
- X-chromosomal hemizygot oder autosomal homozygot: Vollbild des Alport-Syndroms
- Sonderform: Alport-Syndrom mit Leiomyomatose (Bei besonders ausgeprägten Mutationen)
Epidemiologie
- Ca. 1% der Bevölkerung sind heterozygote Träger der Genmutation
- >1% der Dialysepflichtigen haben ein heterozygotes Alport-Syndrom
- Vollbild des Alport-Syndroms selten
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Symptome/Klinik
- Heterozygote Träger: Häufig asymptomatisch, gelegentlich (Mikro‑)Hämaturie
- Vollbild des Alport-Syndroms
- Hämaturie und Proteinurie
- Innenohrschwerhörigkeit
- Typische Augenveränderungen
- Ggf. Leiomyomatose (meist des Ösophagus)
Diagnostik
Erstdiagnostik
- Anamnese: Positive Eigen- bzw. Familienanamnese für Hämaturie, chronische Nierenerkrankung, Innenohrschwerhörigkeit, Augenveränderungen
- Urindiagnostik: Hämaturie, (i.d.R. leichte) Proteinurie
- Blutuntersuchung: Retentionsparameter je nach Stadium erhöht
- Augenärztliche und HNO-ärztliche Vorstellung
- Genetische Untersuchung: Zur Diagnosesicherung
- Nierenbiopsie: Immer Elektronenmikroskopie → Typische Veränderungen der glomerulären Basalmembran (bspw. Verdünnung)
Kontrolluntersuchungen
- Bei heterozygoten Personen lebenslang jährlich
- Bei X-chromosomal hemizygoten oder autosomal homozygoten Personen halbjährlich
Klinisch und elektronenmikroskopisch sind Personen mit heterozygoter Genmutation und mit X-chromosomal hemizygoter oder autosomal homozygoter Mutation in frühen Stadium der Erkrankung nicht zu unterscheiden!
Therapie
- Keine kausale Therapie vorhanden
- Frühzeitig nephroprotektive Therapie mit ACE-Hemmern → Kann Dialysepflichtigkeit um Jahre hinauszögern!
- Strenge Blutdruckeinstellung
- Studienteilnahme ermöglichen
- Bei Dialysepflichtigkeit frühzeitig Nierentransplantation anstreben
Bei nachgewiesener Genmutation und Proteinurie sollte frühzeitig eine nephroprotektive Therapie begonnen und Familienmitglieder untersucht werden – so lässt sich eine Dialysepflichtigkeit mitunter um Jahre hinauszögern!
Prognose
- 100% der X-chromosomal hemizygoten oder autosomal homozygoten Personen entwickeln im Laufe des Lebens ein terminales Nierenversagen
- Heterozygote Personen: Risiko für terminales Nierenversagen
- Ohne weitere Risikofaktoren und ohne Proteinurie: 1–5%
- Mit Risikofaktoren und/oder Proteinurie: Bis zu 40%
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 188-2021-3/3: Neue KDIGO-Leitlinie zur Glomerulonephritis
- Studientelegramm 142-2020-1/3: STOP-IgAN: Kein Vorteil einer Immunsuppression bei IgA-Nephritis
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 51-2022-3/3: Are glucocorticoids a safe and effective treatment for IgA nephropathy?
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- N02.-: Rezidivierende und persistierende Hämaturie
-
Q87.8: Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungssyndrome, anderenorts nicht klassifiziert
- Alport-Syndrom
- Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom
- Zellweger-Syndrom
Morphologische Veränderungen bei glomerulären Krankheiten
- 0: Minimale glomeruläre Läsion
- Minimal changes glomerulonephritis
- 1: Fokale und segmentale glomeruläre Läsionen
- Fokal und segmental:
- Hyalinose
- Sklerose
- Fokale Glomerulonephritis
- Fokal und segmental:
- 2: Diffuse membranöse Glomerulonephritis
- 3: Diffuse mesangioproliferative Glomerulonephritis
- 4: Diffuse endokapillär-proliferative Glomerulonephritis
- 5: Diffuse mesangiokapilläre Glomerulonephritis
- Membranoproliferative Glomerulonephritis, Typ I und III, oder o.n.A.
- 6: Dense-deposit-Krankheit
- 7: Glomerulonephritis mit diffuser Halbmondbildung
- Extrakapilläre Glomerulonephritis
- 8: Sonstige morphologische Veränderungen
- Proliferative Glomerulonephritis o.n.A.
- 9: Art der morphologischen Veränderung nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.