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Artifizielle Störungen

Letzte Aktualisierung: 16.1.2023

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Bei den artifiziellen Störungen fallen die Betroffenen durch absichtliches Erzeugen und/oder Vortäuschen von körperlichen und/oder psychischen Symptomen auf. Beim Münchhausen-Syndrom fügen sich die Betroffenen die Schäden selber zu. Beim Münchhausen-by-proxy-Syndrom (einer Form der Kindsmisshandlung) fügen die Betroffenen ihrem Kind die Schäden zu.

Artifizielle Störungen sind durch das bewusste Erzeugen oder Vortäuschen von Symptomen gekennzeichnet. Im Unterschied zu der offenen Selbstbeschädigung bei einer Borderline-Störung wird die Selbstbeschädigung bei den artifiziellen Störungen heimlich zugefügt. Man unterscheidet zwischen einer Artefaktstörung, einem Münchhausen-Syndrom und einem Münchhausen-by-proxy-Syndrom.

ICD-10 Charakteristikum
Artefaktstörung
  • Heimliche Manipulation an Wunden, Körperteilen und -funktionen
  • In der Regel wird dabei planmäßig und strategisch vorgegangen
Münchhausen-Syndrom
  • Manipulation und Erfindung von Körpersymptomen
    • Erfindung einer umfangreichen Krankengeschichte
  • „Wandern“ von Klinik zu Klinik
Münchhausen-by-proxy-Syndrom
  • Stellvertretende Manipulation und Erfindung von Körpersymptomen mit Erfindung einer umfangreichen Krankengeschichte meist beim eigenen Kind
  • „Wandern“ von Klinik zu Klinik

Betroffene täuschen absichtlich und wiederholt Symptome vor und fügen sich selber Verletzungen/Schäden zu, um Symptome, klinische Zeichen oder Diagnosen zu provozieren. Dabei wird eine umfangreiche Krankengeschichte erfunden. Die Störung ist oft mit Persönlichkeitsstörungen kombiniert. Die Patienten sind als „Hospital Hopper“ bekannt, wobei die Motivation zu diesem Verhalten weitestgehend unklar ist. Die Betroffenen profitieren wahrscheinlich vom sekundären Krankheitsgewinn.

  • Definition: Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom liegt vor, wenn Patienten Symptome und Krankheiten nicht bei sich selbst (Münchhausen-Syndrom), sondern bei Dritten erfinden oder sogar verursachen
  • Charakteristika
    • Zumeist handelt es sich um Mütter, die ihren Kindern Schaden zufügen, um eine medizinische Behandlung zu erwirken.
    • Mütter wirken häufig sehr fürsorglich
    • Enge symbiontische Beziehung zwischen Täter und Opfer
    • Typisch sind zahlreiche Krankenhausbesuche der Kinder
  • Methoden der Kindesmisshandlung
    • Initiierung einer Dehydratation
    • Herauszögerung von Heilungsprozessen
    • Initiierung von Bauchbeschwerden
    • Strangulationen
  • Ätiologie
    • Ursache nicht endgültig geklärt
    • Zusammenhang mit selbstverletzendem Verhalten in der Vorgeschichte der Täter
    • Es wird angenommen, dass es das Ziel der Mütter ist, erhöhte emotionale Zuwendung und Aufmerksamkeit zu erlangen
  • Diagnosestellung: Enge Zusammenarbeit zwischen Psychiatern, Pädiatern, Rechtsmedizinern und der Staatsanwaltschaft
  • Therapie
    • Je nach Schweregrad temporäre Trennung der Betroffenen bis hin zu Eingriffen in das Sorgerecht
  • F68.1: Artifizielle Störung [absichtliches Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen]
    • Durch Institutionen wandernder Patient [peregrinating patient]
    • Hospital-hopper-Syndrom
    • Münchhausen-Syndrom
    • Exklusive: Dermatitis factitia (L98.1), Vortäuschung von Krankheit (mit offensichtlicher Motivation) (Z76.8)

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Bandelow et al.: Kurzlehrbuch Psychiatrie. 2. Auflage Steinkopff 2008, ISBN: 978-3-798-51835-3 .