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Neurologische Untersuchung

Letzte Aktualisierung: 19.4.2023

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Die körperliche Untersuchung nimmt in der neurologischen Diagnostik eine zentrale Rolle ein. Anhand einer Funktionsprüfung des Nervensystems werden Informationen gesammelt, die eine Zuordnung zu einem Syndrom sowie möglicherweise auch zur Art einer Schädigung ermöglichen. Für Rückschlüsse auf den Ort einer Schädigung im Nervensystem sind fokal-neurologische Defizite von großer Bedeutung, also Funktionsbehinderungen, die sich auf den Ausfall einer bestimmten Struktur oder Region des zentralen oder peripheren Nervensystems beziehen lassen. Dieses Kapitel beschreibt als Kompendium ausführlich die Untersuchungen der verschiedenen neurologischen Funktionsbereiche mit den jeweils zu erwartenden Normalbefunden sowie möglichen pathologischen Befunden oder Abweichungen. Die lockere Reihung der einzelnen Abschnitte ist dabei nicht als eine strenge Chronologie zu verstehen, sondern stellt einen Kompromiss aus inhaltlicher Zusammengehörigkeit und praktikabler Abfolge dar. Insb. die hier an die Untersuchung der Vigilanz angeschlossene Beurteilung neuropsychologischer Funktionen wird nicht in vollem Umfang am Anfang jeder neurologischen Untersuchung stehen.

Der Umfang der neurologischen Untersuchung muss an die klinische Fragestellung angepasst werden. Während die orientierende neurologische Untersuchung die standardisierte Erfassung des neurologischen Status und dabei insb. die hinreichend sichere Erfassung des neurologischen Normalzustands zum Ziel hat, dienen leitsymptomorientierte fokussierte neurologische Untersuchungen einer gezielteren differenzialdiagnostischen Einordnung. Im Rahmen des Notfallmanagements steht die standardisierte Abklärung neurologischer Störungen („D“, siehe: Notfallmanagement - Disability) an, wenn entsprechend dem cABCDE-Schema Störungen auf höheren Dringlichkeitsstufen („cABC“) ausgeschlossen wurden; siehe: Orientierende neurologische Notfalluntersuchung.

Spezielle neurologische Untersuchungstechniken, die i.d.R. ausschließlich im Kontext bestimmter Leitsymptome bzw. Erkrankungen verwendet werden, sind in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt (siehe bspw.: Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel - Diagnostik oder Myasthenia gravis - Diagnostik).

Für den AMBOSS-Anamnese- und Untersuchungsbogen siehe: Link in Zitation [1]

Die neurologischen Untersuchungstechniken haben nach wie vor eine immense Bedeutung für das klinische Fach, und insb. fortgeschrittene Kolleg:innen entwickeln dabei eigene Abläufe und Standards. Der AMBOSS-Redaktion ist bewusst, dass in diesem Kapitel nicht alle Varianten und Einsatzgebiete dargestellt werden können. Wir möchten vielmehr gerade wegen der herausragenden Bedeutung der Untersuchung eine fundierte und hilfreiche Ressource für Lernende und Wiederholende bieten, auf deren Grundlage die persönliche klinische Praxis auf- und ausgebaut werden kann.

  • Reflexhammer
    • Hammerförmiges Instrument
    • Insb. zur Reflexprüfung
    • Wird zur Untersuchung locker zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten und der Schwerkraft folgend auf den jeweiligen Reizort fallen gelassen
  • Untersuchungsleuchte
    • Kleine Taschenlampe mit definiertem Lichtkegel
    • Insb. zur Prüfung des Pupillenreflexes
  • Wattestäbchen: U.a. zur Prüfung der Oberflächensensibilität oder zur Reizauslösung auf Schleimhäuten
  • Zwei-Punkt-Diskriminator
    • Sternförmiges Instrument mit in definierten Abständen angebrachten Spitzen, die auf die Haut aufgesetzt werden
    • Zur Prüfung der Zwei-Punkt-Diskrimination
  • Holzspatel: U.a. zur Untersuchung des Mundraums und zur Prüfung bestimmter Primitivreflexe
  • Stimmgabel
    • Instrument zum Erzeugen eines Vibrationsreizes mit definierter Frequenz (64–128 Hz), i.d.R. mit Anzeige der Vibrationsstärke
    • Zur Prüfung der Pallästhesie
  • Frenzel-Brille
    • Brille mit bikonvexen Vergrößerungsgläsern und Lichtquellen zur Beleuchtung der zu untersuchenden Augen
    • Zur Nystagmusbeurteilung (bessere Sichtbarkeit durch Vergrößerung und Aufhebung der Fixation ) und zur besseren Sichtbarkeit der Augenbewegungen allgemein

Generelles zur Testung höherer Hirnleistungen

  • Überschneidet sich teilweise mit Erhebung des psychopathologischen Befundes und der Untersuchung anderer neurologischer Funktionsbereiche
  • Voraussetzung: Ausreichende Wachheit (Vigilanz)
  • Bildungsstand, Herkunft und Muttersprache berücksichtigen, da ansonsten die Gefahr besteht, kognitive Defizite zu übersehen oder zu überdiagnostizieren

Vor der Durchführung neuropsychologischer Testungen sollten möglichst der Bildungsstand, die Herkunft und die Muttersprache der zu untersuchenden Person in Erfahrung gebracht werden!

Beurteilung des quantitativen Bewusstseins

  • Quantitatives Bewusstsein

Vigilanzprüfung

Beurteilung des qualitativen Bewusstseins

Orientierungsprüfung

  • Allgemeines: I.d.R. Testung der Orientierung zu Zeit, Ort, Situation und eigener Person
  • Durchführung: Unterschiedliche Qualitäten nacheinander abfragen
    • Zeit: „Welches Jahr haben wir?“, „In welcher Jahreszeit/welchem Monat befinden wir uns?“
    • Ort: „An welchem Ort befinden wir uns gerade?“, „In welchem Bundesland sind wir?“
    • Situation: „Wissen Sie, warum wir gerade hier sind?“, „Verstehen Sie, was ich gerade mache?“
    • Person: „Können Sie mir Ihren Namen und Ihren Geburtstag sagen?“
  • Normalbefund: Alle Fragen können rasch korrekt beantwortet werden, voll orientiert zu allen Qualitäten
  • Pathologischer Befund: Orientierungsstörung
    • Teildesorientierung zu einer oder mehrerer Qualitäten
    • Globale Desorientiertheit

Prüfung von Aufmerksamkeit und Konzentration

  • Definition von Aufmerksamkeit und Konzentration: Fähigkeit, Bewusstseinsinhalte zu selektieren und sich über einen längeren Zeitraum konzentriert einem Thema oder einer Tätigkeit zuzuwenden
  • Durchführung
    • Spontane Interaktion der zu untersuchenden Person im Gespräch und mit der Umgebung beobachten
    • Von 100 in 3er- oder 7er-Schritten subtrahieren lassen
    • Von 20 rückwärts zählen lassen
    • Aufmerksamkeitsbelastungstest (d2-R, auch: d2-Konzentrationstest)
  • Normalbefund: Keine Ablenkung durch äußere Reize, Aufgaben werden schnell und ohne Zögern erfüllt
  • Pathologische Befunde: Patient:in macht lange Pausen, wirkt abgelenkt, lässt einzelne Zahlenschritte aus oder bricht ab
  • Für weitere Informationen siehe: Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen im AMBOSS-Kapitel Psychopathologischer Befund

Erkennen eines Neglects

  • Definition des Neglects
    • Vernachlässigung oder Nichtbeachtung einer Raum- oder Körperhälfte, die verschiedene Modalitäten betreffen und durch Fokussierung aufgehoben werden kann
    • Meist als Hemineglect (halbseitiger Neglect) nach Schädigung der rechten, nicht-sprachdominanten Hemisphäre
    • Häufig mit Auslöschungsphänomen
  • Durchführung
    • Voraussetzung: Vor der Untersuchung sicherstellen, dass keine Parese, Sensibilitätsstörung oder Hemianopsie die Untersuchung verfälscht
    • Testung auf visuellen Neglect
      • Spontane Interaktion der zu untersuchenden Person im Gespräch und mit der Umgebung beobachten
      • Ein Bild nachzeichnen lassen
        • Normalbefund: Bild wird vollständig nachgezeichnet
        • Pathologischer Befund: Auf der betroffenen Seite fehlt ein Teil der Zeichnung
      • Testung auf visuelle Auslöschung
    • Testung auf motorischen Neglect
      • Durchführung
        1. Heben Sie den linken Arm“: Patient:in hebt den linken Arm
        2. „Heben Sie den rechten Arm“: Patient:in hebt den rechten Arm
        3. „Heben Sie beide Arme gleichzeitig“
      • Normalbefund: Patient:in hebt beide Arme
      • Pathologischer Befund: Bei Aufforderung, beide Arme zu heben, wird nur der rechte Arm gehoben (motorischer Hemineglect links)
    • Testung auf sensiblen Neglect

Fast immer ist die linke Seite von einem Neglect betroffen, da die Störung meist nach einer Schädigung der rechten nicht-sprachdominanten Großhirnhemisphäre auftritt!

Wahrnehmung

Für Informationen zu illusionären Verkennungen, Halluzinationen und weiteren Wahrnehmungsstörungen siehe: Wahrnehmungsstörungen im AMBOSS-Kapitel Psychopathologischer Befund

Beurteilung der Sprache

Die Beurteilung der Sprache berücksichtigt die Sprachproduktion, das Sprachverständnis und die zentrale Kompetenz der Sprache. Eine klare Abgrenzung dieser drei Aspekte voneinander ist nicht möglich, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Man sollte sich daher immer mit einer Testung aller Teilaspekte einen Gesamtüberblick verschaffen. Gleichzeitig ist die Testung der Sprache aus praktischen Gesichtspunkten eng verknüpft mit der Testung des Sprechens, siehe: Untersuchung des Sprechens.

Vor Beurteilung der Sprache sind die Muttersprache und mögliche mangelnde Sprachkenntnisse sowie Störungen des Hörvermögens zu eruieren!

Redefluss

  • Durchführung: Tempo und Melodie der Sprachproduktion sowie Wortfindung/Wortwahl und Grammatik beobachten
  • Normalbefund: Patient:in spricht flüssig und melodisch
  • Pathologische Befunde
    • Störung der motorischen Sprachproduktion, siehe: Dysarthrie
    • Sprachliches Suchverhalten
      • Lange Pausen
      • Perseveration: Krankhaftes Wiederholen gleicher Worte, die unmittelbar zuvor gesagt wurden, aber im weiteren Kontext nicht mehr sinnvoll oder notwendig sind
        • Beispiel: „Dann habe ich eine Gabel… mit der Gabel… die Gabel… mit der Gabel den Kuchen gegessen.“
      • Satzabbrüche
      • Verwendung von Mimik, Gestik, Pantomime statt Wörtern
    • Paraphasien: Wortverwechselungen
      • Phonematische Paraphasie: Erschaffung neuer Wörter, die der Lautfolge nach nicht existieren, dem Ursprungswort aber ähnlich sind (z.B. „Bulme“ statt „Blume“), oder Verwendung existierender Wörter mit ähnlicher Lautfolge, aber deutlich abweichender Bedeutung (z.B. „Maus“ statt „Haus“)
        • Phonematischer Jargon: Phonematische Paraphasien sind in der Alltagssprache so dominant, dass kein sinnvolles Wort zu erkennen ist
      • Semantische Paraphasie: Statt korrekter Wörter werden andere, aber der Bedeutung nach verwandte Wörter verwendet (z.B. „Hund“ statt „Katze“ oder „rollen“ statt „laufen“)
        • Semantischer Jargon: Semantische Paraphasien sind in der Alltagssprache so dominant, dass trotz intakter Lautstruktur das Gesagte keinen Sinn ergibt
    • Neologismen: Wortneuschöpfungen, die im Sprachgebrauch so nicht existieren
      • Beispiele: „Augenhaare“ statt „Wimpern“ (Ursprung erkennbar), „Lalale“ statt „Blume“ (Ursprung entstellt), „Eisflügelpferd“ (völlige Neuschöpfung)
    • Sprachautomatismen: Häufige Verwendung inhaltsleerer Floskeln bis hin zu aneinandergereihten sinnlosen Silben
    • Echolalie: Automatisches Nachsprechen von Gesagtem, ohne dabei auf Inhalt und Sinn zu achten
    • Paragrammatismus: Meist komplexer, aber falscher Satzbau mit abweichender Abfolge von Satzteilen, Satzteilverdopplungen, Satzabbrüchen, fehlerhaften Konjugationen, Deklinationen
      • Beispiel: „Ich habe ja Fußball gerne im Verein Fußbälle gerne gespieltet.“
    • Agrammatismus: Grammatikalisch fehlerhafte Formulierungen (neu aufgetretene Syntaxstörung), kann mit zunehmender Ausprägung von leichten Deklinations- und Konjugationsstörungen bis zu Ein-Wort-Sätzen reichen

Sprachverständnis

  • Durchführung: Patient:in bei der Ausführung von 2- und 3-Schritt-Aufgaben beobachten
    • Mögliche Aufgaben
      • “Falten Sie dieses Blatt in der Mitte, lassen Sie es auf den Boden fallen und heben es wieder auf.“
      • “Fassen Sie mit Ihrer linken Hand an Ihr rechtes Ohr.“
  • Normalbefund: Aufgaben werden korrekt ausgeführt
  • Pathologischer Befund: Gestörtes Sprachverständnis
    • Aufgaben werden gar nicht, nur teilweise oder inkorrekt ausgeführt

Benennen

  • Durchführung: Alltagsgegenstände benennen lassen
    • Mögliche Frage: Bspw. einen Kugelschreiber zeigen: „Was ist das?“
  • Normalbefund: Alle Gegenstände werden korrekt benannt
  • Pathologischer Befund: Benennstörung
    • Gegenstand wird nicht benannt oder es kommt zu Paraphasien

Nachsprechen

  • Durchführung: Einen Satz oder eine Silbenkette nachsprechen lassen
    • Mögliche Aufforderung: Bspw. „Bitte wiederholen Sie, was ich sage: Die Mutter gibt dem kleinen Kind das Glas“, „Kein wenn und oder aber“
  • Normalbefund: Satz oder Silbenkette werden fehlerfrei nachgesprochen
  • Pathologische Befunde: Wörter werden ausgelassen, die Reihenfolge wird geändert oder es kommt zu Artikulationsfehlern

Erworbene Sprachstörungen (Aphasien)

Im Folgenden sind einige der wichtigsten erworbenen Sprachstörungen (Aphasien) aufgelistet, die sich anhand der oben genannten Prüfungen erkennen lassen.

Erworbene Sprachstörungen
Pathologischer Befund Definition Ursache
Broca-Aphasie (motorische oder expressive Aphasie)
  • Sprachproduktion: Expressive Sprachstörung mit telegrammartiger, agrammatikalischer Sprache und verzögertem Sprachduktus
  • Sprachverständnis meist intakt
  • Häufig gesteigerte Sprechanstrengung
  • Läsionen im Versorgungsgebiet der A. praecentralis, d.h. des Broca-Areals (Brodmann-Areale 44, 45)
Wernicke-Aphasie (sensorische Aphasie)
Globale Aphasie (expressiv-rezeptive Aphasie)
  • Kombination aus expressiver und sensorischer Aphasie
  • Sprachproduktion und Sprachverständnis stark reduziert
  • Läsionen im Versorgungsgebiet des Hauptstamms der linken A. cerebri media, sodass die betroffenen Großhirnrindengebiete von den frontalen (Sprachzentren) bis zu den temporoparietalen Sprachregionen (Broca-Areal und Wernicke-Areal) reichen
Amnestische Aphasie (anomische Aphasie)
  • Fokale Läsionen
    • Temporaler Kortex
    • Temporoparietaler Kortex
    • Frontaler Kortex
  • Diffuse Läsionen in mehreren Kortexarealen

Transkortikale Aphasie

motorisch
  • Nachsprechen möglich
  • Sprachverständnis erhalten
  • Kaum eigenständige Formulierungen
  • Präzentrale Hirnareale
sensorisch
  • Nachsprechen ohne Sprachverständnis möglich
  • Wenig Spontansprache
  • Kaum Sprachverständnis
  • Postzentrale Hirnareale

Für weitere Informationen zu erworbenen Sprachstörungen und deren Ätiologie, Diagnostik und Therapie siehe: Aphasien - Klinische Anwendung

Prüfung der Exekutivfunktionen

  • Definition der Exekutivfunktionen: Durch Aufmerksamkeitsprozesse vermittelte Aufnahme und Auswahl von Informationen und deren Einsatz in Handlungsprozesse
    • Neuroanatomische Zuordnung
      • Funktionen wurden früher voll umfassend dem Frontalhirn zugerechnet
      • Aktuell eher Annahme eines über das gesamte Gehirn verteilten Netzwerks, in dem das Frontalhirn einen essenziellen Bestandteil bildet → Exakter Rückschluss von einer Störung auf ein betroffenes Areal nicht möglich
    • Bestandteile: Handlungsplanung, Handlungsüberwachung und teilweise auch Funktionen des Arbeitsgedächtnisses
    • Dysexekutive Syndrome: Störungen der Exekutivfunktionen

Im Folgenden ist die Prüfung auf die wichtigsten und mit geringem Aufwand festzustellenden dysexekutiven Syndrome aufgeführt.

Planung und Ausführung willkürlicher zielgerichteter Handlungen

  • Durchführung
    • Alltägliche Bewegungsabläufe durchführen lassen
    • Luria-Test: Eine sich in variabler Länge wiederholende, immer gleiche Abfolge dreier Gesten (Faust zeigen, Handrücken zeigen, Handfläche zeigen) soll imitiert werden
  • Pathologische Befunde: Apraxien = Störungen der Ausführung willkürlicher zielgerichteter Bewegungen trotz intakter motorischer Funktion
    • Ideomotorische Apraxie
      • Vorgeführte Handlungsabläufe können nicht korrekt nachgeahmt werden (z.B. Winken wird nicht reproduziert, stattdessen Kratzen am Ohr)
      • Spontan können die Handlungen dagegen korrekt durchgeführt werden, sodass die Störung im Alltag teilweise nicht bemerkt wird
      • Dabei kommt es zu Perseverationen (ständige Wiederholung eines Bewegungsablaufs)
    • Ideatorische Apraxie
      • Komplexe Handlungsabfolgen können nicht durchgeführt werden; "Idee" für eine Handlungsabfolge fehlt
      • Betroffene haben Schwierigkeiten in alltäglichen Situationen und benutzen Gegenstände auf falsche Weise
    • Visuomotorische Apraxie: Danebengreifen beim Versuch, Gegenstände im kontraläsionalen Gesichtsfeld zu greifen

Modalitätsspezifisches Erkennen

  • Durchführung, z.B.
    • Gezeigte Objekte sowie Objekte nach alleinigem Betasten benennen lassen
    • Bilder berühmter Persönlichkeiten benennen lassen
    • Patient:in auf bestimmte eigene Körperteile zeigen lassen
    • Bewegungen der zu untersuchenden Person im Raum beobachten (z.B. beim Versuch, den Ausgang zu erreichen)
  • Pathologische Befunde: Agnosien = Störungen des modalitätsspezifischen (visuellen, auditiven etc.) Erkennens ohne Vorliegen elementarer Defizite der Sensorik
    • Stereoagnosie (auch Astereognosie oder taktile Agnosie): Unfähigkeit, Gegenstände durch alleiniges Tasten zu erkennen („Tastblindheit“); die visuelle Erkennung ist dabei nicht beeinträchtigt
    • Räumliche Agnosie: Unfähigkeit, sich im Raum zu orientieren
    • Prosopagnosie: Unfähigkeit, bekannte Gesichter zu erkennen; Physiognomie eines bekannten Gesichts wird als fremd empfunden (Gesichtsblindheit)
    • Autotopagnosie: Körperschemastörung; Schwierigkeit, nach Aufforderung Teile des eigenen Körpers zu zeigen

Erkennenkönnen neurologischer Störungen

  • Durchführung: Zu offensichtlichen neurologischen Störungen befragen
  • Pathologischer Befund
    • Anosognosie: Nicht-Erkennenkönnen neurologischer Störungen

Lesefähigkeit

  • Durchführung: Einfachen Text vorlesen lassen
  • Pathologische Befunde
    • Alexie: Nicht-Erkennenkönnen von Buchstaben, Wörtern oder Sätzen; Form der visuellen Agnosie, die ohne Einschränkung des Sehvermögens zum kompletten selektiven Verlust der Lesefähigkeit führt
    • Dyslexie: Teilweiser Verlust der Lesefähigkeit

Fähigkeit zum Umgang mit Zahlen

  • Durchführung: Einfache Rechenaufgabe lösen lassen
  • Pathologische Befunde
    • Akalkulie: Unfähigkeit im Umgang mit Zahlen trotz intakter Intelligenz
    • Dyskalkulie: Teilweiser Verlust der Fähigkeit zum Umgang mit Zahlen

Schreibprobe (Schriftprobe)

  • Hinweis: Testet nicht nur die höhere Hirnleistung der Produktion geschriebener Sprache, sondern dient auch als Schriftprobe
  • Durchführung: Einfachen Text schreiben lassen
  • Pathologische Befunde
    • Agrafie: Unfähigkeit zu schreiben trotz intakter Motorik und Intelligenz
    • Dysgrafie: Teilweiser Verlust der Fähigkeit zu schreiben
    • Mikrografie: Stetig, mit der Schreibrichtung immer kleiner werdende Handschrift , bspw. bei Morbus Parkinson

Prüfung der Gedächtnisfunktionen

  • Definition des Gedächtnisses: Ermöglicht das Speichern von Informationen und Wahrnehmungen
  • Gedächtnisstörungen
    • Untersuchung und Einteilung anhand
      • Betroffener Gedächtnisfunktion
      • Ihrer zeitlichen Ausprägung
      • Ggf. auslösender Faktoren
    • Ausprägungsformen
      • Anterograde Amnesie: Erinnerungslosigkeit für die Zeit nach einem Ereignis oder generelle Störung der Neugedächtnisbildung
      • Retrograde Amnesie: Erinnerungslosigkeit für die Zeit vor einem Ereignis oder Altgedächtnisstörung
      • Globale Amnesie: Erinnerungslosigkeit für die Zeit vor (retrograd) und nach einem Ereignis (anterograd)
      • Zeitgitterstörung (Ekmnesie): Zeitlich falsche Zuordnung von Gedächtnisinhalten
      • Katathyme Amnesie: Gedächtnisstörung aufgrund unbewusster innerpsychischer Vorgänge, bei der Betroffene einzelne Gedächtnisinhalte vergessen
      • Dissoziative Amnesie: Durch ein traumatisches Ereignis ausgelöster Erinnerungsverlust bzgl. belastender Informationen oder Ereignisse

Für weitere Informationen zu den Gedächtnisformen und den beteiligten anatomischen Strukturen siehe: Limbisches System und Gedächtnis; für die Abklärung eines demenziellen Syndroms siehe: Demenz - Diagnostik

Arbeitsgedächtnis

  • Durchführung: Von 100 in 1er-, 3er- oder 7er-Schritten subtrahieren lassen
  • Normalbefund: Subtraktion erfolgt rasch und ohne langes Zögern; Arbeitsgedächtnis ist intakt
  • Pathologische Befunde
    • Abbruch der Aufgabe
    • Abbruch der Aufgabe ohne Erinnerung an die Aufgabenstellung

Kurzzeitgedächtnis

  • Durchführung: Zahlenabfolge wiederholen lassen und so lange verlängern, bis sie nicht mehr korrekt wiedergeben werden kann
    • Bspw. „Wiederholen Sie die Zahlenabfolge: 1-4“ (4-6-3; 2-6-3-8 usw.)
  • Normalbefund: Zahlenabfolge wird korrekt wiedergegeben
  • Pathologische Befunde
    • Zahlenabfolge kann nicht wiedergegeben werden
    • Es kann nur eine kurze Zahlenabfolge wiedergegeben werden

Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis

  • Durchführung: Namen dreier Objekte merken und direkt wiedergeben lassen; nach 5–10 Min. erneut um Wiedergabe bitten
    • Bspw. „Merken Sie sich die Begriffe: Ball – Schlüssel – Apfel.“
  • Normalbefund: Alle 3 Begriffe werden sofort und nach 5–10 Min. korrekt wiedergegeben
  • Pathologische Befunde
    • Alle 3 Begriffe können unmittelbar nicht korrekt wiedergegeben werden → Störung des Kurzzeitgedächtnisses
    • Die 3 Begriffe werden nach 5–10 Min. unvollständig oder gar nicht wiedergegeben → Störung des Langzeitgedächtnisses
  • Hinweis: Diesen einfachen Tests werden vereinfachte, klinisch-praktisch relevante Definitionen von Kurz- und Langzeitgedächtnis zugrunde gelegt, die von den in der kognitiven Neurowissenschaft verwendeten Definitionen u.U. abweichen

Autobiografisches Gedächtnis

  • Definition des autobiografischen Gedächtnisses: Teil des Gedächtnisses, der autobiografische Erinnerungen, die für das Individuum von großer Bedeutung sind, dauerhaft speichert und dadurch die Identität der Person bildet
  • Durchführung: Biografische Meilensteine (Schulzeit, Beruf etc.) abfragen
    • Mögliche Fragen: „Wo sind Sie zur Schule gegangen?“; „Welchen Beruf haben Sie ausgeübt?“
  • Normalbefund: Biografische Daten können erinnert und korrekt wiedergegeben werden
  • Pathologische Befunde

Episodisches Gedächtnis

  • Durchführung: Persönliche Erlebnisse abfragen
    • Mögliche Frage: „Was haben Sie letztes Wochenende gemacht?“
  • Normalbefund: Persönliche Erlebnisse können korrekt wiedergegeben werden
  • Pathologische Befunde
    • Persönliche Erlebnisse können nicht erinnert werden
    • Konfabulation

Semantisches Gedächtnis

  • Durchführung: Faktenwissen abfragen
    • Mögliche Frage: „Wer ist zur Zeit Bundeskanzler:in?“
  • Normalbefund: Faktenwissen wird korrekt wiedergegeben
  • Pathologische Befunde
    • Faktenwissen kann nur teilweise oder nicht erinnert werden
    • Konfabulation

Zwischen Gedächtnisstörungen und exekutiven Funktionsstörungen bestehen einige phänomenologische Überschneidungen. So kann z.B. die klinische Unterscheidung einer Agnosie von einer semantischen Gedächtnisstörung im Einzelfall schwierig sein. Zur genauen Differenzierung höherer Hirnleistungsstörungen ist daher immer eine ausführliche und standardisierte neuropsychologische Funktionstestung zu empfehlen!

Mini-Mental-Status-Test

  • Anwendung: Standardisierter Kurztest zur Erst- und Verlaufsbeurteilung verschiedener kognitiver Fähigkeiten , z.B.
    • Orientierung
    • Aufmerksamkeit
    • Auffassung
    • Einige Exekutiv- und Gedächtnisfunktionen
  • Für mehr Informationen siehe: Mini-Mental-Status-Test
  • Für den Testbogen siehe: Link in Zitation [2]

Aus pragmatischen Gründen orientiert sich die Untersuchung der neurologischen Funktionen in der Kopf- und Halsregion traditionell grob an der Reihung der Hirnnerven und wird meist als ein Abschnitt aufgefasst (ugs. „Hirnnervenstatus“). Die Untersuchungen in dieser Region gehen allerdings über die Testung der reinen Hirnnervenfunktionen hinaus und umfassen Elemente aus allen neurologischen Funktionsdomänen (Motorik, Reflexe, Sensorik/Sensibilität, Koordination), welche die Kopf- und Halsregion betreffen. Für die Funktionsprüfung des Geruchs- und Geschmackssinns existieren standardisierte Tests als Teil der speziellen HNO-Funktionsdiagnostik.

AMBOSS-Video-Tutorial zur Untersuchung von Kopf und Hirnnerven:

Kurzübersicht zur Untersuchung der Hirnnerven
Hirnnerv Was wird geprüft? Wie wird geprüft?
N. olfactorius I Prüfung des Geruchssinns
  • Im Rahmen der klinisch-neurologischen Untersuchung i.d.R. anamnestisches Erfragen
  • Alternativ: Überprüfung durch Riechen eines aromatischen Stoffes (z.B. Kaffee)
N. opticus II Einfache Visusprüfung
  • Gegenstand/Schrift in bestimmter Entfernung erkennen lassen
Fingerperimetrische Gesichtsfeldprüfung
  • Finger von allen Seiten dem Gesichtsfeld der zu untersuchenden Person annähern
Prüfung der Pupillomotorik
Ggf. Beurteilung der Papille
  • Spiegelung des Augenhintergrundes mit einem Ophthalmoskop (bspw. zum Nachweis einer Abblassung der Papille bei Optikusatrophie)
Nn. oculomotorius, trochlearis und abducens III, IV, VI Prüfung der Augenbeweglichkeit
  • Augenbewegungen: Blick dem Finger folgen lassen nach oben, unten, zur Seite, in der Diagonale
  • Konvergenzreaktion: Finger auf die zu untersuchende Person zubewegen
Prüfung von Lidhebung und Lidschluss
  • Augen öffnen und schließen lassen
N. trigeminus V Sensibilitätsprüfung
  • Bestreichen unterschiedlicher Gesichtsregionen
  • Palpation der Nervenaustrittspunkte
Prüfung der Motorik der Kaumuskulatur
  • Mund öffnen und schließen lassen, gleichzeitige Palpation der Masseteren
Reflexprüfungen
  • Masseterreflex: Finger auf das Kinn der zu untersuchenden Person legen, deren Mund leicht geöffnet sein sollte; durch das Beklopfen des Fingers mit dem Reflexhammer eine Kieferschlussbewegung induzieren
  • Kornealreflex: Wattebausch vom Lidrand an die Kornea heranführen → Bei Berührung der Kornea erfolgt ein Lidschluss
N. facialis VII Prüfung der Motorik der mimischen Muskulatur
  • Patient:in auffordern, Stirn zu runzeln, Augen zuzukneifen, Nase zu rümpfen, Wangen aufzublasen, Zähne zu zeigen, zu pfeifen
Prüfung der Geschmacksempfindung
  • Prüfung der Qualitäten süß, salzig und sauer mittels verschiedener Geschmacksstoffe
N. vestibulocochlearis VIII Hörprüfung
Prüfung des vestibulo-okulären Reflexes
  • Kopfimpulstest
    • Kopf wird in der Horizontalen passiv ruckartig um etwa 20° gedreht, während die Nase der untersuchenden Person fixiert wird
    • Alternativ: Der um 20° gedrehte Kopf wird passiv ruckartig in die Mittelstellung zurückbewegt (invertierte Testung)
    • Normalbefund: Blick bleibt während und nach der passiven Drehbewegung ohne erkennbare Abweichung auf dem zentralen Zielpunkt
Nn. glossopharyngeus und vagus IX, X Prüfung der Schluckmotorik
  • Palpation des Kehlkopfs während eines bewussten Schluckakts
  • Inspektion von Uvula und Gaumensegel
    • Bei Störung der Innervation: Abweichung des Gaumensegels zur gesunden Seite
  • Würgereflexprüfung: Holzspatel/langen Wattebausch kurz und vorsichtig Richtung Uvula führen
Nur IX: Prüfung der Geschmacksempfindung
  • Orale Gabe eines Bitterstoffes
    • Bei Störung der Innervation: Keine Geschmacksempfindung
Nur X (N. laryngeus recurrens): Stimmprüfung
N. accessorius XI Prüfung der Motorik von M. trapezius und M. sternocleidomastoideus
N. hypoglossus XII Untersuchung der Zungenmotorik
  • Zunge herausstrecken lassen
    • Bei Störung der Innervation: Abweichen der Zunge zur kranken Seite durch ein Überwiegen der Muskulatur der gesunden Seite
  • Zunge von innen in die Wange drücken lassen und Kraftprüfung von außen

Siehe auch: Hirnnerven-Syndrome, Mediathek: Untersuchungsvideos

Einfache Visusprüfung

  • Ziel: Feststellung eines mind. ausreichenden Visus, um andere, sich auf den Sehsinn stützende Untersuchungen bewerten zu können
  • Durchführung: Seitengetrennte Prüfung, ggf. mit gewohnter Sehhilfe
    • Patient:in mit jeweils einem abgedeckten Auge eine Leseprobe (Zeitung, Zeitschrift, Bildschirm) vorlesen lassen
    • Gelingt dies nicht: In mehreren Durchgängen unterschiedliche viele Finger präsentieren, deren Anzahl korrekt benannt werden soll
    • Gelingt auch dies nicht: Erkennen mit den Händen erzeugter Schatten in beiden Gesichtsfeldern prüfen
    • Alternativ: Visusprüfung mittels Sehprobentafeln (z.B. mit Landolt-Ringen) in standardisierter Entfernung
  • Pathologische Befunde: Vorlesen gelingt nicht oder nicht fehlerfrei bzw. Anzahl vorgehaltener Finger wird nicht korrekt erkannt bzw. Schatten werden nicht erkannt
  • Hinweis: Untersuchung lässt das Erkennen eines ausreichenden Visus zu, ferner eine grobe Graduierung einer mono- oder binokularen Visusstörung bis zur Blindheit, allerdings keine genauere Zuordnung der Ursache

Die einfache Visusprüfung kann und soll eine exakte (optometrische) Messung des Visus nicht ersetzen!

Fingerperimetrische Gesichtsfeldprüfung

  • Ziel: Insb. schnelles Erkennen von retro-orbitalen (Sehnerv) und retro-chiasmalen Sehstörungen (Sehbahn) mittels Fingerperimetrie, ggf. in Ergänzung mit standardisierter kinetischer Perimetrie
  • Durchführung
    • Seitengetrennte Prüfung
      1. Gegenüber der zu untersuchenden Person mittig und auf Augenhöhe positionieren („Nase auf Nase“)
      2. Eigenes Auge abdecken, Patient:in macht es beim gegenüberliegenden Auge genauso; nun jeweils das offene Auge des Gegenübers fixieren
      3. In dieser Position einen gut erkennbaren Gegenstand (oder den erhobenen Zeigefinger) von außen in die einzelnen Quadranten der monokularen Gesichtsfelder führen
      4. Patient:in signalisiert verbal, ab wann der Gegenstand gesehen wird
      5. Den Gegenstand jeweils auch in die Mitte beider Gesichtsfelder führen und erfragen, ob er weiterhin sichtbar bleibt
    • Gleichzeitige Prüfung beider Gesichtsfelder
      1. Gegenüber der zu untersuchenden Person mittig und auf etwa gleicher Augenhöhe positionieren, Patient:in fixiert Nase des Gegenübers
      2. Einen gut erkennbaren Gegenstand (oder erhobenen Zeigefinger) in der Ebene zwischen Untersucher:in und Patient:in jeweils von seitlich in das kombinierte, binokulare Gesichtsfeld führen
  • Normalbefund: Patient:in erkennt den Gegenstand an derselben Stelle wie die untersuchende Person (in seitengetrennter Prüfung) bzw. in allen Gesichtsfeldhälften und -quadranten ohne Einengung der Außengrenzen
  • Pathologische Befunde: Gesichtsfelddefekte, insb.

Testung auf visuelle Auslöschung

  • Ziel: Erkennen eines möglichen Auslöschungsphänomens im Rahmen eines visuellen Neglects (visuelle Aufmerksamkeitsstörung)
    • Primäres visuelles Systems ist dabei erhalten
    • Tritt auf bei supratentorieller, meist parietaler kortikaler Schädigung
  • Durchführung: Erweiterung der o.g. fingerperimetrischen Gesichtsfeldprüfung um eine Prüfung mit beidseits geöffneten Augen
    • Beide Hände in den temporalen Gesichtsfeldern beider Augen der zu untersuchenden Person präsentieren
    • In mehreren Durchgängen jeweils eine und dann beide Hände bewegen
    • Patient:in signalisiert verbal, auf welcher Seite eine Handbewegung wahrgenommen wird
  • Normalbefund: Handbewegungen werden einseitig und beidseitig korrekt erkannt
  • Pathologischer Befund: Insb. bei visuellem Hemineglect = einseitige Handbewegungen werden erkannt , beidseitige Handbewegungen werden nur einseitig auf der nicht vom visuellen Neglect betroffenen Seite wahrgenommen
  • Hinweis: Nur zu bewerten bei mind. ausreichend erhaltenem Visus und ausgeschlossenem Gesichtsfelddefekt

Prüfung der Pupillomotorik

Inspektion der Pupillen

  • Ziel: Erkennen einer Asymmetrie der Pupillengröße und -form
  • Normalbefund: Seitengleiche runde Form und bei normalem Tageslicht oder Raumbeleuchtung jeweils mittelgroßer Durchmesser, dessen Seitendifferenz max. 1 mm betragen darf
  • Pathologische Befunde: Immer in Zusammenschau mit anderen Befunden
    • Mydriasis trotz hellen Umgebungslichts, z.B. bei sympathikotoner Intoxikation (dann beidseitig) oder iatrogen („weitgetropft“)
    • Miosis trotz dunklen Umgebungslichts, z.B. bei parasympathikotoner Intoxikation (dann beidseitig) oder einseitig im Rahmen eines Horner-Syndroms
    • Anisokorie: Seitendifferenz der Pupillendurchmesser >1 mm
    • Entrundete Pupille: Verlust der runden Pupillenkontur
      • In Kombination mit (maximal) weitgestellter Pupille und/oder bei gleichzeitigem Vorhandensein weiterer Hirndrucksymptome als dringendes Warnsignal zu werten
      • Möglich als Folge zurückliegender augenärztlicher Eingriffe an der Iris

Eine isolierte Anisokorie ohne weitere Auffälligkeiten und insb. ohne Bewusstseinsstörung ist in aller Regel kein Grund zur Sorge. Eine Anisokorie ist nicht selten Folge augenärztlicher Eingriffe (z.B. nach Linsenersatz), nach denen deshalb immer gefragt werden sollte!

Lichtreaktionsprüfung (Pupillenreflex)

Eine gestörte Lichtreaktion ist (insb. bei gleichzeitiger Bewusstseinsstörung) ein wichtiges Hirndruckzeichen! Ein erhöhter intrakranieller Druck wirkt sich über eine Kompression der parasympathischen Anteile des N. oculomotorius (Ganglion ciliare) gegen die Klivuskante direkt auf die Pupillenfunktion aus.

Prüfung der Okulomotorik

Anhand der Untersuchung der Okulomotorik lassen sich Informationen über mehrere komplexe Funktionssysteme gewinnen. Aus neurologischer Sicht sind v.a. die neu aufgetretenen Okulomotorikstörungen (Lähmungsschielen und supranukleäre Okulomotorikstörungen) von Bedeutung. Für die spezielle, systematische klinische Untersuchung und Beurteilung von Nystagmen, insb. in Kombination mit der Beschwerde Schwindel, siehe: Nystagmusbeurteilung.

Inspektion der Bulbusstellung

Chronische Abweichungen von der normalen Blickposition sind meist nicht-neurogenen Ursprungs und gehen i.d.R. nicht (mehr) mit Wahrnehmung von Doppelbildern einher. Bei Auffälligkeiten sollte daher immer nach einem bekanntem Strabismus gefragt werden!

Prüfung der Augenbeweglichkeit

Die Begriffe „Augenbeweglichkeit“ oder „okuläre Motilität“ meinen hier die Fähigkeit der Augen, einem Blickziel grundsätzlich in eine bestimmte Richtung oder Position folgen zu können. In Abgrenzung davon ist die zerebellär vermittelte Fähigkeit, einem sich bewegenden Ziel kontinuierlich und unterbrechungsfrei zu folgen, hier noch nicht gemeint.

  • Ziel: Erkennen von Störungen okulomotorischer Hirnnerven und übergeordneter okulomotorischer Zentren
  • Durchführung
    1. Patient:in instruieren, einem visuellen Ziel mit beiden Augen zu folgen, ohne dabei den Kopf zu bewegen, das Auftreten evtl. Doppelbilder zu signalisieren und diese zu beschreiben
    2. Ein visuelles Ziel (gut erkennbaren Gegenstand oder erhobenen Zeigefinger) in der Horizontalen, der Vertikalen und den Diagonalen bewegen
      • Während der Bewegung auf das Auftreten eines blickrichtungsabhängigen Nystagmus achten
    3. Den Kopf der zu untersuchenden Person zu beiden Seiten neigen und nach Auftreten, Verstärkung oder Abschwächung von Doppelbildern und ggf. nach deren Versatz fragen
  • Normalbefunde
  • Pathologische Befunde , u.a.
  • Hinweis: Nur zu bewerten bei mind. ausreichend erhaltenem Visus und erhaltenem zentralen Gesichtsfeld

Einfacher Abdecktest

  • Ziele
    • Erkennen einer latenten bzw. durch visuelle Fixation (teil‑)kompensierten Okulomotorikstörung, siehe auch: Abdecktest und Alternierender Abdecktest (Augenheilkunde)
    • Genauere Zuordnung von Doppelbildern
  • Durchführung
    • Patient:in in der Neutralposition die Nase der untersuchenden Person fixieren lassen, im mehrfachen Wechsel jeweils ein Auge abdecken und evtl. auftretende Korrekturbewegungen eines Auges (Refixationssakkaden) nach dem Aufdecken beobachten
    • Bei Angabe von Doppelbildern in einer bestimmten Blickposition: In der betreffenden Blickposition jeweils ein Auge abdecken und erfragen, ob die Doppelbilder verschwinden, sowie (wenn ja), welches der beiden Bilder
  • Normalbefund: Keine Angabe von Doppelbildern, keine Refixationssakkaden
  • Pathologische Befunde
    • Beim Abdecken verschwindende Doppelbilder bei allen (teil‑)kompensierten Abweichungen der Blickachsen möglich
    • Persistierende Doppelbilder trotz Abdeckens bei funktioneller/psychogener Störung

Beurteilung der Blickfolge

Der grundsätzlich mehrdeutige Begriff „Blickfolge“ meint hier die zerebellär vermittelte Fähigkeit der Augen, einem sich bewegenden Ziel kontinuierlich und unterbrechungsfrei zu folgen, was durch den englischen Begriff „smooth pursuit“ besser zum Ausdruck kommt. Es handelt sich also um einen Teilbereich der Koordination. In Abgrenzung davon ist die (voraussetzende) Fähigkeit, einem Blickziel grundsätzlich in eine bestimmte Richtung oder Position folgen zu können (okuläre Motilität), hier nicht gemeint.

  • Ziel: Beurteilung der zerebellär vermittelten Augenbewegungkoordination
  • Durchführung
    1. Patient:in instruieren, einem visuellen Ziel mit beiden Augen zu folgen, ohne dabei den Kopf zu bewegen
    2. Ein visuelles Ziel (gut erkennbaren Gegenstand oder erhobenen Zeigefinger) zunächst in der Horizontalen in einer kontinuierlichen Bewegung hin- und herbewegen, wobei an den Wendepunkten keine Unterbrechungen auftreten dürfen und die Geschwindigkeit langsam-stetig variiert
    3. Wiederholung der Untersuchung in den vertikalen Blickrichtungen
  • Normalbefund: Glatte Folgebewegung, d.h. ohne ruckartige Unterbrechungen oder Nachhängen in allen vorgegebenen Geschwindigkeiten
  • Pathologischer Befund: Sakkadierte Blickfolge = konjugierte Folgebewegung der Augen mit (unterschiedlich grob) ruckartigen Unterbrechungen bzw. erkennbaren Einzelsakkaden
    • Sakkadiert in alle Richtungen: Hinweis auf panzerebelläre Störung oder Störung des Vestibulocerebellums, z.B. bei Degeneration , kommt auch unter Substanzeinfluss oder als Medikamentennebenwirkung vor
    • Sakkadiert in eine (horizontale) Richtung: Hinweis auf fokale zerebelläre Pathologie

Prüfung der Konvergenzreaktion

  • Definition der Konvergenzreaktion
    • Über den N. oculomotorius vermittelte reflektorische Adduktionsbewegung beider Augen in Kombination mit beidseitiger Pupillenverengung und Linsenakkommodation bei Fixation naher Objekte
    • Reflexbogen über supranukleäre Strukturen, kein Hirnstammreflex
  • Ziele
    • Funktionsprüfung mesenzephaler Anteile des okulomotorischen System
    • Ggf. genauere Zuordnung anderer Pupillo- und Okulomotorikstörungen
  • Durchführung: Patient:in bitten, ein von vorn auf die Nasenspitze hin bewegtes Objekt zu fixieren
  • Normalbefund: Adduktion beider Augen und bds. Pupillenverengung bei Näherung des visuellen Ziels
  • Pathologischer Befund: Ausfall der Konvergenzreaktion
    • Fehlende bds. Adduktion und/oder Pupillenverengung
    • Kann auf mesenzephale Pathologie deuten, kommt aber auch bei Gesunden vor

Beurteilung der Willkürsakkaden

  • Definition der Sakkaden: Schnelle, konjugierte Blicksprünge von einem Fixationspunkt zum anderen, die sowohl willkürlich als auch unwillkürlich generiert werden
  • Ziel: Beurteilung der zerebellär vermittelten Augenbewegungskoordination und der Funktion okulomotorischer Zentren in Hirnstamm und Kortex
  • Durchführung
    • Patient:in bitten, auf Kommando jeweils abwechselnd die auf Augenhöhe in etwa 20 cm Entfernung und 1 m Abstand zueinander gehaltenen Zeigefinger der untersuchenden Person zu fixieren, zunächst in der Horizontalen, dann in der Vertikalen
    • Zielgenauigkeit/Metrik und Geschwindigkeit der Sakkaden beurteilen
  • Normalbefund: Bulbi bewegen sich mit minimaler Latenz auf das Kommando schnell, konjugiert und zielgenau, um den Zeigefinger zu fixieren (schnelle und metrische Sakkaden)
  • Pathologische Befunde
    • Dysmetrische Sakkaden (hyper- oder hypometrisch) mit erkennbarer Rück- oder Nachstellbewegung
    • Verlangsamte Sakkaden
      • Isoliert die Vertikale betreffend: Typisches Zeichen einer progressiven supranukleären Blickparese (PSP) im Frühstadium
      • In allen Richtungen: Bspw. bei progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) im späteren Stadium oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen
    • Diskonjugierte Augenbewegungen: Bewegung der Bulbi erfolgt nicht konjugiert, z.B. bei (inkompletter) internukleärer Ophthalmoplegie

Prüfung des vestibulo-okulären Reflexes

  • Ziele
    • Beurteilung der Hirnstammfunktion (insb. bei Bewusstseinsstörungen) und Erkennen einer möglichen Afferenzstörung
    • Beurteilung der Überwindbarkeit einer Okulomotorikstörung durch Auslösen des vestibulo-okulären Reflexes zur Unterscheidung zwischen supranukleären und nukleären (infratentoriellen) Schädigungen
  • Durchführung: Auslösen des vestibulo-okulären Reflexes mittels Kopfimpulstest
    • Bei Wachheit: Patient:in bitten, bei leicht inkliniertem Kopf die Nase der untersuchenden Person zu fixieren , Kopf dann passiv ruckartig um ca. 20° zu beiden Seiten drehen (zentrifugal); alternativ kann der Kopf aus jeweils 20° gedrehter Position ruckartig in die Nullposition bewegt werden (zentripetal)
    • Bei fehlender Wachheit: Bei passiv gehobenen Lidern den Kopf ruckartig um ca. 20° nacheinander zu beiden Seiten drehen
  • Normalbefund (veraltet: „Puppenkopfphänomen“)
    • Bei Wachheit: Blick bleibt während und nach der passiven Drehbewegung ohne erkennbare Abweichung auf dem zentralen Zielpunkt
    • Bei fehlender Wachheit: Eine mit minimaler Latenz einsetzende (ggf. leicht verlangsamte) und zur Kopfdrehung gegenläufige Blickbewegung sorgt für die Beibehaltung der ursprünglichen Blickrichtung
  • Pathologischer Befund
    • Bei Wachheit: Blick weicht mit der passiven Kopfdrehung vom zentralen Zielpunkt ab und wird nach Ende der Bewegung auf den Zielpunkt zurückgestellt (Korrektursakkade)
    • Bei fehlender Wachheit: Blick weicht mit der passiven Kopfdrehung ab, Blickrichtung verändert sich in Relation zum Kopf nicht („Blick bleibt starr“ )
  • Hinweis: Beispiele für supranukleäre Okulomotorikstörungen, die sich durch das Auslösen des vestibulo-okulären Reflexes überwinden und damit von Hirnstammläsionen unterscheiden lassen
    • Kortikal bedingte konjugierte horizontale Blickdeviation oder -parese , z.B. im Rahmen von Schlaganfällen („Herdblick“)
    • Vertikale Sakkadenverlangsamung oder Blickparese bei progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) oder Parinaud-Syndrom

Die Prüfung des vestibulo-okulären Reflexes ist in der Horizontalebene standardisiert und gut reproduzierbar. Grundsätzlich ist die Reflexprüfung aber auch in anderen Bewegungsrichtungen in analoger Weise möglich (im Liegen allerdings nicht in der Vertikalebene)!

Der Begriff „Puppenkopfphänomen“ ist in der Literatur weiterhin verbreitet, sollte aber in der klinischen Kommunikation und Dokumentation nicht verwendet werden, weil nicht einheitlich definiert ist, ob damit der unauffällige oder der erloschene vestibulo-okuläre Reflex gemeint ist!

Prüfung der Fixationssuppression des vestibulo-okulären Reflexes

  • Ziel: Beurteilung der zentral(-vestibulär) vermittelten aktiven Unterdrückbarkeit des vestibulo-okulären Reflexes durch willkürliche Fixation eines sich mit dem Kopf bewegenden Blickziels
  • Durchführung
    1. Patient:in bitten, den Kopf leicht zu inklinieren, die Arme vor der Brust auszustrecken, die Hände zu falten und einen Daumen auszustrecken
    2. Patient:in instruierten, die ausgestreckten Daumen der eigenen Hände zu fixieren sowie Oberkörper, Kopf/Hals und ausgestreckte Arme nicht mehr zu bewegen
    3. Den Oberkörper der zu untersuchenden Person in mittlerer Geschwindigkeit nacheinander mehrmals in beide Richtungen drehen und dabei die Stabilität des Blicks auf die ausgestreckten Daumen beobachten
  • Normalbefund (intakte Fixationssuppression): Während der Drehung verharrt der Blick starr in Relation zum Kopf und auf dem sich mitbewegenden Daumen
  • Pathologischer Befund (gestörte/aufgehobene Fixationssuppression des vestibulo-okulären Reflexes): Repetitive Korrektursakkaden auf den Zielpunkt während der Drehung als Zeichen für einen nicht-unterdrückten vestibulo-okulären Reflex

Fixationssuppression“ (= Unterdrückung durch Fixation) ist begrifflich nicht zu verwechseln mit „Unterdrückung der Fixation“ (z.B. durch eine Frenzelbrille)!

Untersuchung der Motorik (Gesicht, Hals)