Zusammenfassung
Die Gruppe der periodischen Paralysen sind seltene, autosomal-dominant vererbte Erkrankungen, die durch Genmutationen in muskulären Ionenkanälen verursacht werden. Die daraus resultierende Störung des Ionenflusses führt zu einer vorübergehenden Unerregbarkeit der Muskelzellmembran und den namensgebenden, episodischen schlaffen Lähmungen. Ausgelöst werden die Anfälle je nach Subtyp durch Schwankungen des Kaliumspiegels (Hypo- oder Hyperkaliämie), aber auch durch Ruhe nach Anstrengung oder kohlenhydratreiche Mahlzeiten. Als wichtiges Nebensymptom kann bei der hyperkaliämischen Form eine Myotonie (Muskelsteifheit) zwischen den Anfällen auftreten. Eine Sonderstellung nimmt das Andersen-Tawil-Syndrom ein, das mit einem Long-QT-Syndrom assoziiert ist und wegen der Gefahr des plötzlichen Herztodes eine engmaschige kardiologische Mitbehandlung erfordert. Therapeutisch sind die periodischen Paralysen im Anfall durch eine gezielte Beeinflussung des Kaliumspiegels behandelbar. Prophylaktisch stehen neben der konsequenten Vermeidung der individuellen Trigger medikamentöse Optionen zur Verfügung.
Epidemiologie
- Periodische Paralysen (gesamt): ∼0,5/100.000
- Andersen-Tawil-Syndrom: 0,1/100.000
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie und Pathophysiologie
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Gemeinsames pathophysiologisches Prinzip: Autosomal-dominant vererbte Genmutation → veränderter Ionenstrom → Änderungen im Ruhemembranpotential der Zelle + zusätzliche Trigger → anhaltende Depolarisation mit temporärer Unerregbarkeit der Muskelzelle → anfallsartige schlaffe Lähmungen
| Ätiologie und Pathophysiologische der periodischen Paralysen | ||
|---|---|---|
| Betroffener Ionenkanal / Genmutation [1] | Pathophysiologie | |
| Hypokaliämische periodische Paralyse (HypoPP) |
| Trigger → übermäßiger Kaliumeinstrom vom Blut in die Muskelzellen (Hypokaliämie) → passagere Unerregbarkeit der Muskelzellmembran (schlaffe Lähmung) [2] |
| Hyperkaliämische periodische Paralyse (HyperPP) |
| Dauerhaft erhöhter Natriumeinstrom durch fehlende Inaktivierung des Natriumkanals und zusätzlich erhöhter Kaliumspiegel → Übererregtheit der Zelle (Myotonie) → dauerhafte Zelldepolarisation → schlaffe Lähmung |
| Andersen-Tawil-Syndrom |
| Veränderter Kaliumeinstrom in die Herz- und Skelettmuskelzellen → schlaffe Lähmung, Herzrhythmusstörungen |
| Normokaliämische periodische Paralyse |
| Ähnlich wie bei der HypoPP, aber mit variabler Kaliumsensitivität |
Diagnostik
- Während Attacke [1]
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Neurologische Untersuchung
- Schlaffe Paresen und Areflexie
- Ggf. bei HyperPP zusätzlich Myotonie
- EMG
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EKG (normales Ruhe-EKG, ggf. auch Belastungs- und Langzeit-EKG erwägen)
- Zeichen der Dyskaliämie, siehe
- Andersen-Tawil-Syndrom: Detektion von Long-QT-Syndrom und ventrikulären Arrhythmien
- Serum
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Neurologische Untersuchung
- Diagnosesicherung: Molekulargenetischer Mutationsnachweis durch Gensequenzierung [1]
Symptome und Therapie
| Übersicht: Periodische Paralysen [1][3][4] | ||
|---|---|---|
| Erkrankung | Symptome | Therapie |
| Hypokaliämische periodische Paralyse (HypoPP) |
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| Hyperkaliämische periodische Paralyse (HyperPP) |
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| Andersen-Tawil-Syndrom [6] |
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| Normokaliämische periodische Paralyse |
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- G72.-: Sonstige Myopathien
- G72.3: Periodische Lähmung
- Periodische Lähmung (familiär)
- Hyperkaliämisch
- Hypokaliämisch
- Myotonisch
- Normokaliämisch
- Periodische Lähmung (familiär)
- G72.3: Periodische Lähmung
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.