Abstract
Die Elektrokardiographie ist ein bedeutendes Standarddiagnostikum in der Erkennung kardialer Erkrankungen. Durch Anlage externer Elektroden wird die kardiale Erregungsausbreitung abgeleitet und in Form einer charakteristischen Linie festgehalten. Zu den Beurteilungskriterien gehören Lagetyp, Frequenz und Regelmäßigkeit des Ausschlags sowie Abstände und Amplituden der einzelnen Komplexe (z.B. P-Welle, PQ-Strecke, QRS-Komplex, ST-Strecke). In diesem Kapitel erfolgt ein Überblick über die wichtigsten Beurteilungskriterien, während spezielle Befunde im Rahmen der jeweiligen Erkrankungen abgehandelt werden.
Ablauf/Durchführung
Ableitungen
- Standard: 12-Kanal-EKG
- 6 Extremitätenableitungen (I, II, III, aVL, aVF, aVR ) und
- 6 Brustwandableitungen (V1–V6).
- Extremitätenableitungen
- 6 Ableitungen in der Frontalebene
- 3 bipolare Extremitätenableitungen: I, II, III (Einthoven-Ableitungen)
- 3 unipolare Extremitätenableitungen: aVR, aVL, aVF (Goldberger-Ableitungen)
- Praktische Anwendung (Anlage eines EKGs): Vom rechten Arm ausgehend werden im Uhrzeigersinn die Elektroden in den Ampelphasen rot, 'gelb' und grün platziert, zuzüglich einer 4. Elektrode am rechten Bein
- Notfall-EKG
- Tragbares 3-Kanal-EKG ausschließlich mit Extremitätenableitungen nach Einthoven und Goldberger
- Elektroden: Über der lateralen Clavicula rechts (rot) und links (gelb) sowie auf dem Oberbauch links (grün)
- Lewis-Ableitung [1]
- Modifizierte Ableitung I zur Hervorhebung der P-Wellen
- Elektroden: Rot (rechter Arm) ans Manubrium sterni, gelb (linker Arm) 5. ICR rechts parasternal, grün (linkes Bein) rechts lateral am Rippenbogen
- Skalierung: 20mm/mV
- 6 Ableitungen in der Frontalebene
- Brustwandableitungen
- 6 unipolare Brustwandableitungen V1–6 (Wilson-Ableitungen) in der Horizontalebene
- Weitere Ableitungen bei speziellen Fragestellungen
- Linksdorsale Ableitungen V7–9: Bei V.a. proximalen oder lateralen Hinterwandinfarkt z.B. durch Verschluss des proximalen Ramus circumflexus
- V3–6 spiegelbildlich auf der rechten Seite (V3r–6r): Bei Verdacht auf Myokardinfarkt des rechten Ventrikels oder Situs inversus
- Bei Patienten mit einem Lungenemphysem und entspr. Thoraxdeformität können die Elektroden der Brustwandableitungen versuchsweise einen ICR tiefer angelegt werden (Ggf. Verbesserung der Ableitungsqualität).
- Benachbarte Ableitungen: Es ist nicht die Nachbarschaft auf dem EKG-Streifen, sondern die dem Versorgungsgebiet entsprechende anatomische Nachbarschaft gemeint. Benachbarte Ableitungen sind entsprechend:
- V1–6: Entspricht der Vorderwand
- II, III und aVF: Entspricht der Hinterwand
- I und aVL: Entspricht der Seitenwand des linken Ventrikels
Projektionen der Extremitätenableitungen
Ableitungen | Bezeichnung | Projektion |
---|---|---|
I, aVL | Hohe linkslaterale Ableitungen | Hohe Seitenwand des linken Ventrikels |
II, III, aVF | Inferiore (diaphragmale) Ableitungen | Hinterwand des linken Ventrikels |
Anmerkung: Der Vektor von aVR ist vom Herzen abgewandt und spielt daher in der EKG-Diagnostik eine untergeordnete Rolle |
Projektionen der Brustwandableitungen
Ableitung | Projektion | Lokalisation der Brustwandelektroden | |
---|---|---|---|
V1 | Rechtspräkordiale Ableitungen | Vorderwand beider Ventrikel | 4. ICR parasternal rechts |
V2 | 4. ICR parasternal links | ||
V3 | Apikale Ableitungen | Vorderwand linker Ventrikel | Zwischen V2 und V4 |
V4 | 5. ICR medioklavikular links | ||
V5 | Tiefe linkslaterale Ableitungen | (Tiefe) Seitenwand linker Ventrikel | Vordere Axillarlinie gleiche waagerechte Höhe wie V4 |
V6 | Mittlere Axillarlinie gleiche waagerechte Höhe wie V4 | ||
V7 | Linksdorsale Ableitungen | Hinterwand linker Ventrikel | Hintere Axillarlinie gleiche waagerechte Höhe wie V4 |
V8 | Scapularlinie gleiche waagerechte Höhe wie V4 | ||
V9 | Paravertebrallinie gleiche waagerechte Höhe wie V4 | ||
V3r-6r | Rechtsthorakale Ableitungen | Rechter Ventrikel | Spiegelbildlich zu V3-6 |
Anhand der Extremitätenableitungen kann sowohl die Bewegung des elektrischen Summationsvektors in der Frontalebene betrachtet werden, als auch ein ungefährer Lagetyp bestimmt werden (siehe auch: Vereinfachte Lagetypbestimmung)!
Papiervorschub
- Standard für 12-Kanal-EKGs in Deutschland: Papiervorschub von 50 mm/s → Auf Millimeterpapier lassen sich die Zeitabstände daher leicht erfassen
- 1 mm = 0,02 s
- Standard für Rhythmusstreifen für 12-Kanal-EKGs in Deutschland: Papiervorschub von 25 mm/s
- 1 mm = 0,04 s
- Amplitude: 1 mm (vertikal) entspricht 0,1 mV
- Leider wird nicht immer Millimeterpapier verwendet oder die Millimeterabstände sind nicht immer zu sehen!
Bei der Bestimmung der Herzfrequenz oder der Dauer einer Herzaktion können sich leicht Fehler einschleichen, wenn der Papiervorschub nicht beachtet wird!
Interpretation/Befund
Strukturierte Befundung
Bei der Befundung eines EKGs ist es wichtig, die Befunde sowohl im Zusammenhang mit der Klinik des Patienten als auch (wenn möglich) im Vergleich zu vorherigen EKGs zu beurteilen . Es ist sinnvoll, einem festen Schema zu folgen, um alle Aspekte der elektrischen Herzaktivität zu beachten und keine Pathologie zu übersehen. Die Reihenfolge der folgenden Abschnitte zeigt beispielhaft ein schematisches Vorgehen
- Rhythmus
- Herzfrequenz
- Lagetyp
- Zeiten
- Morphologie
- → Siehe auch: Praxistipp EKG-Befundung
Übersicht über die Bestandteile der EKG-Linie
Bedeutung | Dauer | Morphologie der Ausschläge | |
---|---|---|---|
P-Welle | Erregungsausbreitung in den Vorhöfen | ≤0,1 s | I.d.R. positiv |
PQ-Zeit | Erregungsausbreitung in Vorhöfen (P-Welle) und atrioventrikuläre Überleitung | 0,12–0,2 s | Die Strecke vor dem QRS-Komplex definiert das isoelektrische Nullniveau des EKGs |
QRS-Komplex | Erregungsausbreitung in den Kammern | ≤0,1 s | Q ist immer negativ, R immer positiv und S immer negativ |
J-Punkt | Übergang des QRS-Komplexes in die ST-Strecke | ||
ST-Strecke | Depolarisation der ganzen Kammer mit nachfolgender Repolarisation (T-Welle) | Keine relevanten Normwerte | |
T-Welle | Erregungsrückbildung der Kammer | Keine relevanten Normwerte | Meist konkordant (positiv) zum QRS-Komplex |
QT-Zeit | Gesamtzeit von Erregungsausbreitung und -rückbildung der Kammer | Ca. 0,35–0,44 s (stark frequenzabhängig) | |
U-Welle | Zusätzliche positive Welle nach der T-Welle (und vor der nächsten P-Welle) | Bis zu halb so groß wie vorangehende T-Welle, meist am deutlichsten in V2+3 |
Bestimmung von Herzfrequenz und Rhythmus
Bestimmung des Rhythmus
Kriterien für das Vorliegen eines Sinusrhythmus
- Vorliegen normal konfigurierter P-Wellen
- Auf jede P-Welle folgt regelmäßig ein QRS-Komplex
Sind zudem die PP-Intervalle konstant → Regelmäßiger Sinusrhythmus
Siehe auch Herzrhythmusstörungen
Bestimmung der Frequenz
- Bestimmung
- Praktischer Tipp: Annäherungsweise kann die Frequenz abgeschätzt werden, indem die Anzahl der QRS-Komplexe, die sich innerhalb einer Ableitung auf dem DIN-A4-Blatt befindet, mit 10 multipliziert wird. Doch Vorsicht: Diese Frequenzbestimmung ist nur sehr grob und daher lediglich einer ersten Orientierung dienlich!
- Genauer ist es, die Herzfrequenz (HF) zu berechnen
- In der Praxis wird die Frequenz i.d.R. mithilfe eines EKG-Lineals bestimmt
- Interpretation
- Normale Herzfrequenz: 50–100/Min.
- Tachykardie: >100/Min. (siehe auch Tachykarde Rhythmusstörungen)
- Bradykardie: <50–60/Min. (siehe auch Bradykarde Rhythmusstörungen)
Bestimmung des Lagetyps
Vereinfachte Lagetypbestimmung
Der Lagetyp entspricht der intraventrikulären Erregungsausbreitung und projiziert sich auf die Frontalebene (wird aus den Extremitätenableitungen I,II,III, aVR, aVL, aVF bestimmt). Man betrachtet den QRS-Komplex und bewertet, ob dieser positiv oder negativ ist. Positiv ist ein QRS-Komplex, wenn die Fläche oberhalb der isoelektrischen Linie größer ist als unterhalb - bei negativem QRS-Komplex entsprechend umgekehrt . Der Hauptvektor (Lagetyp der elektrischen Herzachse) ist der Ableitung mit dem höchsten positiven Ausschlag (bzw. genau genommen mit der „größten positiven Fläche“) am nächsten.
Lagetyp | Extremitätenableitung | ||
---|---|---|---|
I | II | III | |
Überdrehter Linkstyp (ÜLT) | + | – | – |
Linkstyp (LT) | + | + | – |
Indifferenztyp* (IT) | + | + | + |
Steiltyp* (ST) | + | + | + |
Rechtstyp (RT) | – | + | + |
Überdrehter Rechtstyp (ÜRT) | – | – /+ | + |
*wenn alle Ableitungen positiv: I>III = Indifferenztyp, III>I = Steiltyp |
- Exakte Lagetyp-Bestimmung mit Hilfe des Cabrera-Kreises
Seltene Lagetypen
- Erklärung: Der Lagetyp liegt normalerweise in der Frontalebene, dabei verläuft die Herzachse von "oben" nach "unten". Verläuft die Herzachse von "hinten" nach "vorne" ist der Cabrera-Kreis nicht geeignet, um die Herzachse zu bestimmen. Folgend werden Lagetypen unterschieden, wobei eine Unterscheidung dieser Typen von Autoren unterschiedlich definiert wird. Klinisch gemeinsam ist den Lagetypen, dass sie an eine rechtsventrikuläre Belastung, z.B. bei Lungenembolie, denken lassen, aber auch physiologisch vorkommen können.
- SISIISIII-Typ: In allen Extremitätenableitungen sind sowohl R- als auch S-Zacken vorhanden
- Sagittaltyp: Zusätzlich haben R- und S-Zacken eine ähnlich hohe Amplitude
- SIQIII-Typ: Tiefe S-Zacke in Abl. I und tiefe Q-Zacke in Abl. III
Klinische Bedeutung des Lagetyps
- Die physiologische Herzachse liegt im Bereich −30° bis 90° und reicht damit von Links- über Indifferenz- zu Steiltyp. Ein Abweichen der Herzachse von diesem Bereich kann verschiedene Ursachen haben, bspw. eine Hypertrophie oder eine akute Belastung eines Ventrikels .
- Physiologische Lagetypen
- Rechtstyp: Bei Kindern und Jugendlichen
- Steiltyp: Bei Jugendlichen und schlanken Erwachsenen
- Indifferenztyp (Normaltyp): Klassischer Lagetyp
- Linkstyp: V.a. bei Adipositas
Mit zunehmendem Alter und Gewicht verschiebt sich die Herzachse von rechts nach links. Ein Lagetyp alleine ist nicht pathologisch. Insb. Sagittal- und Rechtstypen sollten beim Erwachsenen an eine Rechtsherzbelastung denken lassen!
Beurteilung der P-Welle
- Definition: Die P-Welle entspricht der intraatrialen Erregungsausbreitung
- Morphologie: Halbrunder, i.d.R. positiver Ausschlag
- Dauer: ≤0,10 Sekunden
- Amplitude <0,25 mV
- Praxistipp: Am besten ist die P-Welle in Ableitung II zu sehen. Als Maß für die P-Dauer und -Höhe zählt aber immer der längste bzw. höchste Ausschlag.
- Bei speziellen Fragestellungen: Lewis-Ableitung nutzen [1]
- Interpretationshilfe
- P-pulmonale u./o. P-mitrale finden sich v.a. in den Ableitungen II,III und V1
- Schlechte Sensitivität und Spezifität
- P-biatriale sehr selten
Pathologien
P-Welle | Befund | Pathophysiologie | Mögliche Ursachen |
---|---|---|---|
| Sinusarrest oder SA-Block | Keine Erregung des Vorhofmyokards |
|
| P-pulmonale (P-dextroatriale, P-dextrocardiale) | Folge eines vergrößerten rechten Vorhofs |
|
P-mitrale (P-sinistroatriale, P-sinistrocardiale) | Folge eines vergrößerten linken Vorhofs |
| |
| P-biatriale (Kombination von P-mitrale und P-pulmonale) | Folge einer Vergrößerung beider Vorhöfe |
|
Beurteilung der PQ-Zeit
- Definition: Die PQ-Zeit entspricht der intraatrialen Erregungsausbreitung (P-Welle) und der atrioventrikulären Überleitung von AV-Knoten über HIS-Bündel, Tawara-Schenkel und Purkinje-Fasern.
- Bestimmung
- Praxistipp: Die Strecke vom Ende der P-Welle bis Anfang des QRS-Komplexes definiert das isoelektrische Nullniveau des EKGs. Alle gemessenen Amplituden (z.B. ST-Hebung, Höhe der P-Welle) beziehen sich auf diese Nulllinie.
- PQ-Zeit - Interpretationshilfe
Pathologien
PQ-Zeit | Befund | |
---|---|---|
Dauer | Variabilität | |
<0,12 s | konstant | Physiologisch bei schnellerer atrioventrikulärer Überleitung, z.B. bei Jugendlichen |
Möglicher Hinweis auf ein Präexzitationssyndrom (WPW-Syndrom), v.a. in Verbindung mit trägem Anstieg des QRS-Komplexes (Delta-Welle) | ||
0,12–0,2 s | konstant | Physiologisch |
>0,2 s | konstant | AV-Block I° |
Zunehmende PQ-Zeit bei gleichbleibender PP-Zeit bis zum Ausfall eines QRS-Komplexes nach regulärer Vorhoferregung | variabel | AV-Block II° Typ 1 Wenckebach (bzw. Mobitz I) |
Plötzlicher Ausfall eines QRS-Komplexes nach vorangegangener P-Welle; erst auf die zweite (bzw. dritte) P-Welle folgt ein QRS-Komplex (2:1- bzw. 3:1-Überleitung) | konstant | AV-Block II° Typ 2 Mobitz (bzw. Mobitz II) |
P-Wellen und QRS-Komplexe kommen unabhängig voneinander in regelmäßigen Abständen vor → Vollständige Entkopplung von P-Wellen und QRS-Komplex | variabel | AV-Block III° |
Beurteilung der Q-Zacke
- Definition: Ist der erste Ausschlag nach der P-Welle negativ, wird er als Q-Zacke bezeichnet . Sie entspricht dem Beginn der Kammererregung.
- Physiologische Q-Zacke
- In fast allen Ableitungen kann physiologisch eine schmale Q-Zacke zu sehen sein. Lediglich in den Ableitungen V1 und V2 sind normalerweise keine Q-Zacken aufzufinden.
- Pathologische Q-Zacke (Pardee-Q)
- Wenn sie abnorm breit (≥0,04 Sekunden) oder tief (>¼ der folgenden R-Zacke) ist
- Wenn sie in V1–V2 auftritt
- Siehe auch: Diagnosekriterien: Pathologisches Q
- Mögliche Ursachen: Myokardinfarkt, hypertrophe Kardiomyopathie, SIQIII-Typ als Zeichen für eine Rechtsherzbelastung
Beurteilung des QRS-Komplexes
- Definition: Der QRS-Komplex entspricht der intraventrikulären Erregungsausbreitung. Ein ausschließlich negativer QRS-Komplex wird auch als QS-Komplex bezeichnet.
- Morphologie
- Q-Zacke: Initial negativer Ausschlag des QRS-Komplexes
- R-Zacke: Jeder positive Ausschlag des QRS-Komplexes. Ein zweiter positiver Ausschlag wird als R' bezeichnet.
- R/S-Umschlag: Im physiologischen Zustand nimmt die Amplitude der R-Zacke von V1/2 bis V6 an Höhe zu, wohingegen die Amplitude der S-Zacke kontinuierlich abnimmt. Die R-Zacke ist typischerweise zwischen V2 und V3 oder zwischen V3 und V4 zum ersten Mal größer als die S-Zacke, was als „R/S-Umschlag“ bezeichnet wird.
- Oberer Umschlagspunkt (OUP) = Beginn der letzten Abwärtsbewegung innerhalb des QRS-Komplexes (endgültige Negativierung); erleichtert die Unterscheidung zwischen Links- und Rechtsschenkelblock
- Gemessen wird die Strecke von Beginn des QRS-Komplexes (erste Abweichung nach der P-Welle von der isoelektrischen Linie) bis zu dem Punkt, an dem sich die Kurve endgültig absteigend der isoelektrischen Linie nähert und nicht mehr positiv wird.
- S-Zacke: Jeder negative Ausschlag eines QRS-Komplexes, dem ein R vorangeht. Ein zweiter negativer Ausschlag nach R' wird als S' bezeichnet.
- Sind zwei R-Zacken und/oder zwei S-Zacken im EKG sichtbar, wird der kleinere Ausschlag mit einem Kleinbuchstaben (r bzw. r' und s bzw. s') und der größere Ausschlag mit einem Großbuchstaben (R bzw. R' und S bzw. S') bezeichnet.
- Dauer: ≤0,1 Sekunden
- Praxistipp: Die Dauer des QRS-Komplexes sollte in der Ableitung bestimmt werden, in der er am längsten ist. Voraussetzung ist, dass der QRS-Komplex klar abgrenzbar ist.
Pathologien
- R-Verlust bzw. gestörte R-Progression : Ausbleibende oder verzögerte Größenzunahme der R-Zacke. Mögliche Ursachen:
- S-Persistenz : Verbleiben einer deutlichen S-Zacke bis V6. Mögliche Ursachen:
- Rechtsherzbelastung
- Linksanteriorer Hemiblock
- Knotung: Unspezifische Erregungsausbreitungsstörung in einzelnen Ableitungen, die durch eine zusätzliche Zacke in umgekehrter Polarität im normal breiten QRS-Komplex gekennzeichnet ist und oft keine diagnostische Wertigkeit hat.
Schenkelblock
Durch eine gestörte Erregungsleitung in einem der Tawara-Schenkel wird das Myokard dieser Seite verspätet innerviert, wodurch ein verbreiterter Kammerkomplex entstehen kann.
- Rechtsschenkelblock (RSB) : Verspäteter oberer Umschlagspunkt in den rechtspräkordialen Ableitungen V1 und V2
- rSR'-Formation in V1,2 (meist M-förmig), manchmal auch V3 bei komplettem Rechtsschenkelblock
- Linksschenkelblock (LSB) : Verspäteter oberer Umschlagspunkt in den linkspräkordialen (=linkslateralen) Brustwandableitungen V5 und V6
- Tiefe S-Zacken in V1,2: R sehr niedrig oder nicht vorhanden (QS-Komplexe) bei komplettem Linksschenkelblock
- Kompletter Schenkelblock: Typische Schenkelblock-Morphologie des QRS-Komplexes und Dauer des QRS-Komplex ≥0,12 Sekunden
- Inkompletter Schenkelblock: Oberer Umschlagspunkt verspätet, QRS-Komplex über der Norm (>0,1 Sekunden), jedoch <0,12 Sekunden
Beim RECHTSschenkelblock findet sich das Blockbild (typischerweise „M-förmig“) in den RECHTSpräkordialen Ableitungen V1 und V2, beim LINKSschenkelblock ist das Blockbild (typischerweise „abgebrochener Zuckerhut“) in den LINKSpräkordialen Ableitungen V5 und V6 sichtbar!
Detektion von Schenkelblöcken
QRS-Dauer | Oberer Umschlagspunkt | Befund/ggf. EKG-Charakteristikum | |
---|---|---|---|
≤0,1 s |
| Physiologisch | |
>0,1 und <0,12 s | In V1>0,03 s | Inkompletter Rechtsschenkelblock | |
In V6>0,05 s* | Inkompletter Linksschenkelblock | ||
≥0,12 s | In V1>0,03 s | Kompletter Rechtsschenkelblock (RSB) | |
In V6>0,05 s* | Kompletter Linksschenkelblock (LSB) | ||
* Der Grenzwert für den OUP bei LSB ist leider nicht einheitlich. Einige Quellen geben auch einen Grenzwert von 0,055 s an. |
Weitere Merkmale von Schenkelblöcken und Ursachen
Diagnose | EKG-Merkmale | Häufigkeit und Ursachen |
---|---|---|
Kompletter Rechtsschenkelblock |
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Kompletter Linksschenkelblock |
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Linksanteriorer Hemiblock |
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Linksposteriorer Hemiblock |
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Eine verzögerte R-Progression, ein persistierendes S und ein verspäteter R/S-Umschlag sind häufig ohne pathologischen Wert. Bei einem R-Verlust muss aber immer auch an einen (zurückliegenden) Myokardinfarkt gedacht werden!
Der (inkomplette) Rechtsschenkelblock ist häufig und hat oft keinen pathologischen Wert. Ein Linksschenkelblock hingegen ist i.d.R. Folge einer Herzerkrankung, die mit einer Verkürzung der Lebenserwartung einhergeht!
Ein neu aufgetretener Linksschenkelblock mit Angina-pectoris-Beschwerden wird als STEMI gewertet!
Bifaszikulärer Block
- Definition: Oberbegriff für den Ausfall von zwei der drei intraventrikulären Leitungsbahnen (es gibt eine linksanteriore, eine linksposteriore und eine rechte Bahn bzw. Faszikel).
- Klassische Form: Totaler Rechtsschenkelblock und gleichzeitig linksanteriorer Hemiblock
- Therapie: Keine, wenn PQ-Zeit normwertig
- Selten und schwer im EKG erkennbar: Totaler Rechtsschenkelblock und gleichzeitig linksposteriorer Hemiblock
- Formal handelt es sich bei einem totalen Linksschenkelblock distal auch um einen (unilateralen) bifaszikulären Block
Beurteilung der ST-Strecke- und T-Welle
Einleitung
Elektrophysiologisch sind ST-Strecke und T-Welle unterschiedliche Zeitabschnitte. Sie werden klinisch jedoch zusammen betrachtet, da Veränderungen der ST- Strecke und der T-Welle meist gemeinsam auftreten und dann allgemein als Erregungsrückbildungsstörungen bezeichnet werden. Diese gehören zu den häufigsten Auffälligkeiten im EKG und ihre korrekte Einordnung bedarf klinischer Erfahrung, da selbst dezente Veränderungen mit einer bedeutenden organischen Ursache einhergehen können, während umfangreiche Veränderungen mitunter unspezifisch sind.
- Definition: Die ST-Strecke entspricht der vollständigen Depolarisation der Ventrikel vom Ende des QRS-Komplexes bis zum Anfang der T-Welle
- Morphologie: Die ST-Strecke verläuft i.d.R. entlang der isoelektrischen Linie
- Praxistipps
- Zur Ausmessung von ST-Hebungen und -Senkungen gilt die Strecke vor dem QRS-Komplex als isoelektrisches Nullniveau
- ST-Hebungen <0,1 mV oder -Senkungen <0,05 mV sind als unspezifisch zu werten
- Voraussetzung für den EKG-Verdacht auf eine Ischämie sind ST-Strecken-Veränderungen in 2 benachbarten Ableitungen
Pathologien der ST-Strecke
ST-Hebungen
- Bestimmung: Signifikant ab einer Höhe von ≥0,1 mV am J-Punkt
- Mögliche Ursachen (siehe auch Differentialdiagnose ST-Hebung im EKG)
- ST-Hebungen aus dem absteigenden R: Wichtigste Ursache ist der Myokardinfarkt
- ST-Hebungen aus einem (tiefen) S heraus: Perimyokarditis, Brugada-Syndrom (in V1-3)
- Siehe auch: EKG bei Myokardinfarkt
Die wichtigste Ursache einer ST-Streckenhebung aus einem absteigenden R ist der Myokardinfarkt!
ST-Senkungen
- Deszendierende oder horizontale ST-Senkung
- Hinweis auf eine subendokardiale Minderversorgung oder Schädigung des Myokards
- Kann Hinweis auf einen akuten transmuralen ST-Hebungsinfarkt sein
- NSTEMI (Innenschichtischämie)
- Auftreten unter Belastung: Hinweis auf KHK
- Bei ventrikulärer Hypertrophie:
- ST-Senkungen mit präterminalen T-Negativierungen in V4-6 bei Linksherzhypertrophie
- ST-Senkungen mit präterminalen T-Negativierungen in V1-3(4) bei Rechtsherzhypertrophie
- Aszendierende ST-Senkung: Bei geringer Ausprägung meist Normvariante, z.B. bei Tachykardie; starke Ausprägung Hinweis auf eine KHK
- Muldenförmige ST-Senkung: Bei Digitalis-Einwirkung charakteristisch
T-Welle
- Definition: Die T-Welle entspricht der intraventrikulären Repolarisation
- Morphologie: Meist konkordant zum QRS-Komplex = positiv, wenn QRS-Komplex positiv bzw. negativ, wenn QRS-Komplex negativ („Konkordanz der T-Welle“)
- Amplitude von 1/6 bis 2/3 der vorangehenden R-Zacke
- Eine einzelne Diskordanz in III und aVF kann physiologisch sein
- Praxistipps
- Die T-Welle ist i.d.R. höher und breiter als die P-Welle
- Der Übergang der ST-Strecke in die T-Welle ist meist nicht klar abgrenzbar, sodass keine allgemein etablierten Normwerte für die Dauer der T-Welle existieren.
T-Welle - Pathologien
- T-Negativierungen
- Präterminale T-Negativierung
- Möglicher Hinweis auf KHK, Ventrikelhypertrophie, Perimyokarditis
- Terminale T-Negativierung
- Mögliches Zeichen eines Myokardinfarkts, z.B. STEMI (im Zwischenstadium) oder NSTEMI
- Persistierendes negatives T nach Myokardinfarkt kann Hinweis auf ein Aneurysma sein
- Perimyokarditis
- Präterminale T-Negativierung
- Überhöhtes, „zeltförmiges“ T
- Frühestmögliches Infarktzeichen („Erstickungs-T“)
- Hyperkaliämie
- Hoher Vagotonus („vegetatives T“), meist bei jungen Männern
- Abflachung der T-Welle: Hypokaliämie
Liegt eine pathologische Erregungsausbreitung vor (Schenkelblock), zeigt sich auch eine gestörte Erregungsrückbildung → Zuverlässige Beurteilung der ST-Strecke sowie der T-Welle nicht möglich!
Beurteilung der QT-Zeit
- Definition: Die QT-Zeit repräsentiert die gesamte intraventrikuläre Erregungsdauer. Gemessen wird vom Anfang der Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle.
- Bestimmung: Die QT-Zeit ist abhängig von der Herzfrequenz, sodass eine Frequenzkorrektur erforderlich ist → Frequenzkorrigierte QT-Zeit = QTc
- Normwert ca. 350–440(–470 ms)
- Bazett-Formel zur Berechnung: QTc = Absolute QT-Zeit / Wurzel (RR-Abstand in s)
- Verlängerte QT-Zeit bei Hypokalzämie, Hypokaliämie , entzündlichen Herzerkrankungen (Myokarditis, Perikarditis), Schenkelblöcken, hohem Vagotonus, seltenen angeborenen Syndromen (z.B. kongenitales Long-QT-Syndrom wie das Romano-Ward-Syndrom), Hypothyreose oder als Medikamentennebenwirkung (Antiarrhythmika, Antidepressiva, Antibiotika u.a.)
- Siehe auch → Erworbenes Long-QT-Syndrom
- Verkürzte QT-Zeit bei Hyperkalzämie, Digitalis-Einnahme oder erhöhtem Sympathikotonus (z.B. bei Hyperthyreose oder Fieber)
Jede QT-Zeit >440 ms sollte aus Sicherheitsgründen dokumentiert werden. Ggf. muss dieser Umstand bei der Verordnung berücksichtigt werden!
QT-Zeit (Rechner)
Erworbenes Long-QT-Syndrom
- Klinische Problemdefinition: Verlängerungen der QT-Zeit prädisponieren zur Ausbildung von Herzrhythmusstörungen wie Torsades de pointes und ventrikulärer Tachykardie
- Wesentliche Einflussgrößen: Medikation, Vorerkrankungen bzw. akute Erkrankungszustände und genetische Faktoren
- Siehe auch: Torsades de pointes - klinisches Management, Angeborenes Long-QT-Syndrom
Torsade des pointes sind lebensbedrohliche Rhythmusstörungen, daher ist eine umsichtige Medikation zur Prävention unerlässlich!
Diagnostische Kriterien einer verlängerten QT-Zeit
- Korrigierte QT-Zeit (QTc) >470 ms bei Frauen bzw. QTc >450 ms bei Männern
- Mindestens 1 Medikament mit Potential zur QT-Zeit-Verlängerung in der Medikation
- Nachweisliche QT-Zeit-Veränderung >30 ms nach Ansetzen bzw. Absetzen einer verdächtigten Medikation
Risikokonstellationen einer verlängerten QT-Zeit
- QT-Zeit verlängernde Medikamente: Insb. eine Kombination mehrerer QT-Zeit verlängernder Medikamente (Ausnahme: Antiarrhythmika und Überdosierung von Einzelsubstanzen)
- Interaktionen: Medikation, die den Metabolismus eines oder mehrerer QT-Zeit verlängernder Medikamente hemmt (Risikopotenzierung!)
- Klinische Risikosituationen: Insb. Patienten, die Risikomedikamente einnehmen und akute Veränderungen ihres Gesundheitszustandes erleiden; Beispiele sind
- Eine neu auftretende Bradykardie bei Patienten mit Risikomedikamenten
- Geriatrische Patienten mit akuter Verschlechterung der Nierenfunktion, ggf. kumulieren hierbei auch bradykardisierende Medikamente
- Die Entwicklung einer Hypokaliämie bzw. Hypomagnesiämie
- Das Auftreten zusätzlicher Risikofaktoren für Torsade de pointes (siehe: Übersicht weiterer Risikofaktoren für Torsades de pointes)
- Patienten-Risikogruppen für QT-Zeit-Verlängerungen: Insb. Patienten, die aufgrund akuter Erkrankungen zusätzlich zu einer bestehenden Medikation weitere riskante Medikamente erhalten
- HIV-Patienten mit Candidose bzw. (opportunistischen) Infektionen und antibiotischer bzw. antimykotischer Therapie
- Abhängige mit Methadon-Substitution und Psychopharmaka-Medikation
- Alte Patienten mit Vorerkrankungen (Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz) und akuter Gesundheitsverschlechterung
- Immunsupprimierte Patienten (Organtransplantation)
- Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen und Mehrfachmedikation
Prävention einer verlängerten QT-Zeit
- EKG-Kontrollen: In allen Risikofällen!
- I.d.R. vor Einleitung einer Risikomedikation und 4–7 Tage nach Therapiebeginn ausreichend
- Jedoch engmaschigere Kontrolle und ggf. Monitoring bei hochriskant einzuschätzenden Situationen
- Absetzen des Medikaments bei Überschreiten des QTc-Grenzwertes (>470 ms)
- Weitere Grundsätze
QT-Zeit verlängernde Medikamente
- Häufigkeit: Ca. 5–10 % der Patienten in der Versorgung weisen eine riskante Kombinationstherapie auf. Nach einer in 2003 durchgeführten Kohortenstudie mit 5 Millionen Patienten wurde eine Prävalenz von 9,4 % festgestellt.
- Potenzierende Genuss- und Nahrungsmittel: Grapefruitsaft, Kaffee, Alkohol und Nikotin können das Risiko erhöhen
- Pharmakokinetik: Insb. (schnelle) intravenöse Gaben von riskanten Wirkstoffen können akute Rhythmusstörungen hervorrufen
- CYP3A4-Inhibitoren: Kombination aus QT-Zeit verlängerndem Medikament und einem Inhibitor potenziert das Risiko; einige Wirkstoffe sind sowohl CYP3A4-Inhibitoren als auch QT-Zeit verlängernd
Bei Patienten mit akuter Erkrankung und erforderlicher Verordnung einer Risikomedikation unbedingt die bestehende Medikation im Hinblick auf Risikofaktoren für Torsade des pointes und QT-Verlängerung prüfen!
Niedervoltage
- Definition: Kleine QRS-Amplituden in Extremitäten und/oder Brustwandableitungen, die oft durch zusätzliches Gewebe zwischen Herz und Ableitungselektroden verursacht werden. Die folgenden Grenzwerte sind je nach Quelle unterschiedlich definiert.
- Periphere Niedervoltage: Amplitude des QRS-Komplexes ≤0,5 mV in den Extremitätenableitungen
- Totale Niedervoltage: Zusätzlich Amplitude des QRS-Komplexes ≤0,7 mV in den Brustwandableitungen
- Bestimmung: Gemessen wird die Amplitude des QRS-Komplexes, also zwischen R-Spitze und ggf. S- oder Q-Zacke
- Physiologische Ursachen
- Selten bei Adipositas
- Anasarka
- Lungenemphysem bei COPD oder Asthma bronchiale
- Hypothyreose (häufig!)
- Grenzwertige Befunde als Normvariante auch ohne weitere Ursache möglich
- Pathologische Ursachen
-
Perikarderguss bspw. bei
- Herzwandruptur nach Myokardinfarkt
- Rupturierter Aortendissektion
- Kombinierter Vorderwand- und Hinterwandinfarkt
-
Perikarderguss bspw. bei
Bei Niedervoltage immer an eine Hypothyreose als Ursache denken!
Hypertrophiezeichen im EKG
EKG-Merkmale für Linksherzhypertrophie
- Lagetypverschiebung durch Verlagerung der Herzachse nach links: Linkstyp oder bei starker Hypertrophie überdrehter Linkstyp
- QRS-Komplex
- Große R-Zacke in allen linkslateralen Ableitungen: V5+6 (I, aVL) >1 mV
- Kleines R und zunehmend tiefes S in rechtspräkordialen Ableitungen V1+2 Es kann in diesen Ableitungen auch zu einem R-Verlust (QS-Komplex) kommen, ohne dass ein Vorderwandinfarkt stattgefunden hat.
- Zunächst keine QRS-Verbreiterung, später zunehmende Verbreiterung des QRS-Komplexes auf meist <0,12 Sekunden
- Zunächst T-Abflachung, später diskordantes Verhalten von QRS-Komplex und ST-Strecke mit ST-Senkung und präterminaler T-Negativierung
EKG-Merkmale für Rechtsherzhypertrophie
- Lagetypverschiebung durch Verlagerung der Herzachse nach rechts: Sagittaltyp, Steiltyp oder Rechtstyp
- Große R-Zacke in allen rechtspräkordialen Ableitungen V1+2
- Kleines R und zunehmend tiefes S in den linkslateralen Ableitungen V5+6
- Bei ausgeprägter rechtsventrikulärer Hypertrophie (selten) diskordante ST-Senkung und T-Negativierung in den rechtspräkordialen Ableitungen V1+2
- Hilfestellung
- Hauptmerkmal einer Rechtsherzhypertrophie ist ein hohes R in V1 in Verbindung mit einer Verlagerung der Herzachse nach rechts
- Die Merkmale für eine Rechtsherzhypertrophie gelten nicht bei einem Rechtsschenkelblock
Kinder, Jugendliche und teilweise auch junge Erwachsene haben deutlich höhere R-Amplituden, sodass die Hypertrophiezeichen erst ab einem Lebensalter von 30 J. herangezogen werden können!
Sokolow-Lyon-Index
Aus den oben genannten Zeichen der Rechts- und Linksherzhypertrophie lassen sich zahlreiche Indices herleiten, von denen der Sokolow-Lyon-Index der etablierteste ist.
- Definition: Vorderwandzeichen für Herzhypertrophie
- Sokolow-Lyon-Index für Linksherzhypertrophie positiv, wenn SV1 oder 2 + RV5 oder 6 ≥3,5 mV
- Sokolow-Lyon-Index für Rechtsherzhypertrophie positiv, wenn RV1 oder 2 + SV5 oder 6 ≥1,05 mV
R in V1 und S in V5 → „RechtS“ → Hinweis auf Rechtsherzhypertrophie!
Der Sokolow-Lyon-Index ist nur für Männer >40 J. validiert!
Nicht bei jedem Patienten mit einer Myokardhypertrophie finden sich entsprechende Zeichen im EKG. Mitunter treten diese erst im Verlauf auf oder fehlen selbst bei ausgeprägten Befunden völlig (bspw. bei schwerer Adipositas). Umgekehrt machen jedoch Hypertrophiezeichen im EKG eine Hypertrophie sehr wahrscheinlich!
Physiologische EKG-Veränderungen bei Sportlern
Durch den Vagotonus und die physiologische Hypertrophie des Herzens ergeben sich insb. bei Ausdauersportlern EKG-Veränderungen , die eine Pathologie vortäuschen können. Selbst Experten fällt es im Rahmen der Befundung eines Sportler-EKGs schwer, physiologische Veränderungen von Zeichen, die auf eine Herzkrankheit mit dem Risiko eines plötzlichen Herztodes hinweisen, abzugrenzen.
Physiologische trainingsbedingte Veränderungen eines ‚Sportler-EKGs'
- Durch erhöhten Vagotonus
- Sinusbradykardie und Sinusarrhythmie
- AV-Block I° und AV-Block II° Typ Wenckebach
- Frühe Repolarisation mit ST-Hebung von mindestens 0,1 mV in V2–4
- Durch Hypertrophie des Herzens
- Erhöhte QRS-Amplituden
- Inkompletter Rechtsschenkelblock
Pathologische Veränderungen
- Achsabweichung des Herzens
- ST-Senkung und T-Wellen-Inversion
- LSB, RSB und linksanteriorer und -posteriorer Hemiblock
- Q-Pardee
- Präexzitation
- Zeichen eines Brugada-Syndroms
- Pathologische QT-Zeit
Praxistipp EKG-Befundung
Aufgrund seiner Komplexität empfiehlt sich bei der EKG-Befundung ein strukturiertes Vorgehen. Folgende Schritte und dazugehörige Fragen können dabei helfen, alle gängigen Pathologien zu erfassen.
- Rhythmus (i.d.R. bestmögliche Beurteilung der P-Welle in Ableitung II)
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Sinusrhythmus und regelmäßige QRS-Komplexe?
- P-Wellen mit sich verändernden Abständen zum QRS?
- Sehen die QRS-Komplexe gleich- oder verschiedenartig aus?
- Haben andersartig aussehende QRS-Komplexe eine sich wiederholende Abfolge (z.B. 1:1 oder 2:1)?
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Sinusrhythmus und regelmäßige QRS-Komplexe?
- Herzfrequenz (in jeder Ableitung beurteilbar)
- Annäherungsweise kann bei EKGs mit einer Schreibgeschwindigkeit von 50 mm/s die Frequenz abgeschätzt werden, indem die Anzahl der QRS-Komplexe, die sich innerhalb einer Ableitung auf dem DIN-A4-Blatt befindet, mit 10 multipliziert wird.
- Bradykardie <50–60/Min., Tachykardie >100/Min.
- Annäherungsweise kann bei EKGs mit einer Schreibgeschwindigkeit von 50 mm/s die Frequenz abgeschätzt werden, indem die Anzahl der QRS-Komplexe, die sich innerhalb einer Ableitung auf dem DIN-A4-Blatt befindet, mit 10 multipliziert wird.
- Lagetypbestimmung nach vereinfachter Methode (Ableitungen I–III wegweisend, siehe vereinfachte Lagetypbestimmung)
- Passt der Lagetyp zum Patient?
- Ist das EKG richtig abgeleitet?
- Zeiten (i.d.R. bestmögliche Beurteilung der P-Welle in Ableitung II)
- PQ-Zeit ≤0,2 Sekunden und konstant? → AV-Block ausgeschlossen
- QRS-Komplex ≤0,1 Sekunden? → Schenkelblock ausgeschlossen
- Frequenzkorrigierte QT-Zeit <440 ms? → Long QT-Syndrom unwahrscheinlich
- Morphologie (jede der 12 Ableitungen einzeln betrachten )
- Tiefe Q-Zacken (Q-Pardee) bzw. QS-Komplexe vorhanden?
- Signifikante ST-Streckenhebungen (≥0,1 mV) in benachbarten Ableitungen?
- Horizontale oder deszendierende ST-Senkungen?
- Korrelieren ST-Senkungen und Hebungen anatomisch?
- Sind alle ST-Strecken verändert?
- Liegen diskordante T-Negativierungen vor?
EKG-Normalbefund und Notation: Sinusrhythmus mit einer Frequenz von X/Min., Linkstyp, PQ-Zeit nicht verlängert, QRS nicht verbreitert, keine signifikanten ST-Streckenveränderungen, keine Erregungsrückbildungsstörungen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir dir durchdachte Merkhilfen zum Einprägen relevanter Fakten, dies sind animierte Videos und Erkundungsbilder. Die Inhalte sind vielfach auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend. Viele Meditricks gibt es in Lang- und Kurzfassung, oder mit Basis- und Expertenwissen, Quiz und Kurzwiederholung. Eine Übersicht über alle Inhalte findest du in dem Kapitel Meditricks. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – welche, siehst du im Shop.
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