Zusammenfassung
Gliome sind primäre Hirntumoren, die gemeinsam mit den glioneuronalen und neuronalen Tumoren eine eigene, neu strukturierte Gruppe in der ZNS-WHO-Klassifikation von 2021 bilden. Zu den Gliomen zählen die diffusen Gliome vom adulten Typ, die diffusen niedriggradigen und hochgradigen Gliome vom pädiatrischen Typ sowie die umschriebenen astrozytären Gliome. In diesem Kapitel werden nur die relevantesten Tumorentitäten behandelt.
Die Symptomatik der Gliome hängt von der Lokalisation ab. Oftmals sind fokal-neurologische Defizite, epileptische Anfälle oder Hirndruckzeichen Erstmanifestationen des Tumors. Eine weitere Eingrenzung gelingt dann i.d.R. mit einer KM-gestützten MRT. Die Diagnose wird histologisch und anhand molekularer Biomarker gestellt. Therapie und Prognose hängen von der Tumorentität und dem ZNS-WHO-Grad ab.
Klassifikation
ZNS-WHO-Klassifikation der Gliome
- Diffuse Gliome vom adulten Typ
- Diffuse niedriggradige Gliome vom pädiatrischen Typ
- Diffuses Astrozytom, MYB-alteriert
- Diffuses Astrozytom, MYBL1-alteriert
- Angiozentrisches Gliom
- Polymorpher niedriggradiger neuroepithelialer Tumor des Jugendalters (PLNTY)
- Diffuses niedriggradiges Gliom, MAPK-Signalweg-alteriert
- Diffuse hochgradige Gliome vom pädiatrischen Typ
- Diffuses Mittelliniengliom, H3-K27-alteriert
- Diffuses hemisphärisches Gliom, H3-G34-mutiert
- Diffuses hochgradiges Gliom vom pädiatrischen Typ, H3-Wildtyp und IDH-Wildtyp
- Hemisphärisches Gliom vom infantilen Typ
- Umschriebene astrozytäre Gliome
- Pilozytisches Astrozytom
- Hochgradiges Astrozytom mit piloiden Merkmalen
- Pleomorphes Xanthoastrozytom
- Subependymales Riesenzellastrozytom
- Chordoides Gliom
- Astroblastom, MN1-alteriert
Die Einteilung in adulte und pädiatrische Typen wird anhand des vorwiegenden Erkrankungsalters vorgenommen, jedoch ist dies nicht als strikte Zuordnung zu verstehen!
Molekulare Biomarker
Isocitratdehydrogenase-1- oder -2-Gen
Mutation im Isocitratdehydrogenase-1- oder -2-Gen (IDH-mutiert)
- Genetische Alteration: Punktmutation im IDH1- oder IDH2-Gen
- Folge: Synthese von D-2-Hydroxyglutarat (D-2-HG) → Kompetitive Hemmung der α-Ketoglutarat-abhängigen Dioxygenase
- Epigenetische Alterationen
- Methylierung von DNA an CpG-Inseln und von Histonen → Gestörte Zelldifferenzierung → Zellwachstum↑ und Proliferation↑
- Beeinträchtigung der DNA-Reparatur
- Akkumulation von D-2-HG (Onkometabolit)
- Klinische Relevanz: Charakteristisch für
IDH-Wildtyp
- Genetische Alteration: Keine Mutation der IDH-Gene
- Klinische Relevanz: Charakteristisch für
- Glioblastom, IDH-Wildtyp
- Diffuses Mittelliniengliom, H3-K27-alteriert
- Diffuses hemisphärisches Gliom, H3-G34-mutiert
- Diffuses hochgradiges Gliom vom pädiatrischen Typ, H3-Wildtyp und IDH-Wildtyp
ATRX-Expression
- Genetische Alteration: Verlust der nukleären Expression des ATRX-Gens (Alpha-Thalassemia/Mental-Retardation-Syndrome-X-linked-Gen)
- Folge: Telomerdysfunktion mit unbegrenzter Teilungsfähigkeit, Defekte in der DNA-Reparatur
- Klinische Relevanz: Charakteristisch für
- Astrozytom, IDH-mutiert
- Diffuses hemisphärisches Gliom, H3-G34-mutiert
1p/19q-Kodeletion
- Genetische Alteration: Verlust des kurzen Arms von Chromosom 1 (1p) und des langen Arms von Chromosom 19 (19q) durch unbalancierte Translokation
- Folge: Verlust von Tumorsuppressorgenen
- Klinische Relevanz
- Charakteristisch für Oligodendrogliome, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert
- Positiver Prädiktor für das Ansprechen von Oligodendrogliomen auf Chemotherapie und Radiotherapie sowie für eine resultierende verlängerte Überlebenszeit
MGMT-Promotor-Hypermethylierung
- Genetische Alteration: Starke DNA-Methylierung des Promotors des MGMT-Gens (O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase-Gens) senkt dessen Expression
- Folge: MGMT-Expression↓ und somit kodiertes DNA-Reparaturenzym↓ → DNA-Schädigungen↑ (z.B. durch Alkylanzien)
- Klinische Relevanz: Positiver Prädiktor für das Ansprechen von Glioblastomen, IDH-Wildtyp auf die Therapie mit Alkylanzien
BRAF-Fusionsgen
- Genetische Alteration: Duplikation des Protoonkogens BRAF und Fusion mit dem KIAA1549::BRAF-Gen
- Folge: Permanente Aktivierung des MAPK-Signalwegs → Tumorwachstum
- Klinische Relevanz: Charakteristisch für pilozystisches Astrozytom
Diffuse Gliome vom adulten Typ
- Definition: Gruppe primärer Hirntumoren aus der ZNS-WHO-Klassifikation 2021
- Zugehörige Tumorentitäten:
- Gemeinsamkeiten
- Ursprung: Neuroektoderm
- Wachstum: Diffus infiltrierend
- Typisches diagnostisches Vorgehen
-
MRT mit KM (alternativ: CT mit KM)
- T1: Hypointens, T2: Hyperintens, DWI: I.d.R. negativ
- KM-Aufnahme: Variabel, aber i.d.R. zunehmend mit höherem Malignitätsgrad
- Molekular- und Histopathologie von Biopsat oder Resektat
-
MRT mit KM (alternativ: CT mit KM)
- Typisches therapeutisches Vorgehen: I.d.R. palliativ
-
Tumor
- Maximal mögliche operative Resektion und
- I.d.R. Chemotherapie sowie begleitende Bestrahlung der erweiterten Tumorregion
- Hirndrucksymptomatik: Dexamethason, ggf. OP, siehe auch: Intrakranielle Druckerhöhung
- Epileptischer Anfall: Anfallssuppressive Medikation (da strukturelle Epilepsie), siehe auch: Epilepsien und Epilepsiesyndrome
-
Tumor
In der aktuellen ZNS-WHO-Klassifikation (2021) haben die „diffusen Gliome vom adulten Typ“ die Gruppe der „diffusen astrozytischen und oligodendroglialen Tumoren“ der alten Klassifikation von 2016 abgelöst![2]
Im Rahmen der Klassifikationsaktualisierung von 2021 wurden die Tumorentitäten neu formiert, wobei einige Bezeichnungen ungültig wurden (bspw. „diffuses Astrozytom, IDH-Wildtyp“, „anaplastisches Astrozytom“, „anaplastisches Oligodendrogliom“, „Glioblastom, IDH-mutiert“)! Außerdem wird „Astrozytome“ nicht mehr als Übergruppe für Astrozytome, Glioblastome und pilozytische Astrozytome genutzt - sie bilden nun jeweils eine eigene Tumorentität. Astrozytom, Glioblastom und Oligodendrogliom werden den diffusen Gliomen vom adulten Typ zugerechnet. Das pilozytische Astrozytom wird in der neuen Klassifikation den umschriebenen astrozytären Gliomen zugeordnet![2]
Astrozytom, IDH-mutiert
Allgemeines [1][3][4][5]
- Definition: Primärer Hirntumor
- Vermutlich ausgehend von glialen Vorläuferzellen ,
- Mit Mutation im IDH1- oder IDH2-Gen
- Klassifikation: Diffuses Gliom vom adulten Typ, ZNS-WHO-Grade 2–4
- Typische Lokalisation: Vorwiegend supratentoriell (insb. im oder nahe dem Frontallappen)
- Wachstumsverhalten: Diffus infiltrierend
- Erkrankungsalter: Überwiegend 30–50 Jahre
- Prognose
- Abhängig insb. von ZNS-WHO-Grad und Erkrankungsalter
- 5-JÜR ca. 30,2–51,6%
Symptomatik
- Fokale neurologische Defizite (abhängig von der Lokalisation)
- Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn, ggf. mit Übergang zu bilateralem tonisch-klonischen Anfall
- Kopfschmerzen
- Hirndruckzeichen
- Dynamik: Eher langsam fortschreitend
Diagnostik [3][4][5]
- Bildgebung: MRT mit und ohne KM
- Typische Befunde
- Häufig frontale Lokalisation, eher Aussparung des Kortex, aber verstrichene Gyri, perifokales Ödem nicht regelhaft vorhanden
- T1-Gewichtung: Hypointens
- T2-Gewichtung: Hyperintens
- T2*: Ggf. Darstellung von Kalzifikationen (ca. 20%)
- DWI: Keine Diffusionsrestriktion
- KM-Aufnahme: Gelegentlich
- Typische Befunde
- Pathologie
- Molekularpathologie: Nachweis einer IDH-Mutation (im IDH1- oder IDH2-Gen) und
- Verlust der nukleären ATRX-Expression oder
- Fehlende 1p/19q-Kodeletion bei erhaltener nukleärer ATRX-Expression
- Histologie: Geringe bis mäßige Zelldichte mit gut differenzierten Zellen (ZNS-WHO-Grad 2) bis hin zu hoher Zelldichte mit anaplastischen Zellen und Nekrosen (ZNS-WHO-Grad 4)
- Molekularpathologie: Nachweis einer IDH-Mutation (im IDH1- oder IDH2-Gen) und
Therapie [5]
- Prinzipien: Palliativer Ansatz
- Operative Therapie: Resektion plus
- I.d.R. Strahlentherapie und Chemotherapie
- Vorgehen: Maximale chirurgische Resektion (soweit möglich) plus
- Bei ZNS-WHO-Grad 2
- Bei einem Alter >40–45 Jahre oder unvollständiger makroskopischer Resektion
- Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion: 50 Gy, 1,8-Gy-Fraktionen und anschließend
- Chemotherapie nach PCV-Schema
- Nachsorge: I.d.R. MRT-Kontrollen alle 3–6 Monate
- Bei einem Alter <40–45 Jahre und makroskopisch vollständiger Resektion und Abwesenheit von Symptomen : Verlaufskontrollen ohne adjuvante Therapie möglich
- Bei einem Alter >40–45 Jahre oder unvollständiger makroskopischer Resektion
- Bei ZNS-WHO-Grad 3: Strahlentherapie bis 60 Gy in 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen, anschließend Temozolomid-Gabe über 12 Zyklen
- Nachsorge: I.d.R. MRT-Kontrollen alle 3–6 Monate
- Bei ZNS-WHO-Grad 4: Strahlentherapie und anschließend Temozolomid-Gabe
- Bei ZNS-WHO-Grad 2
Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert
Allgemeines [1][5]
- Definition: Primärer Hirntumor
- Vermutlich ausgehend von glialen Vorläuferzellen
- Mit Mutation im IDH1- oder IDH2-Gen und 1p/19q-Kodeletion
- Klassifikation: Diffuses Gliom vom adulten Typ, ZNS-WHO-Grade 2–3
- Typische Lokalisation
- Vorwiegend supratentoriell (insb. im Frontallappen) ,
- Kortexbeteiligung möglich
- Wachstumsverhalten: Diffus infiltrierend
- Metastasierung: Gelegentlich entlang der Liquorwege, insb. bei Rezidiv
- Erkrankungsalter: Überwiegend Erwachsene
- Prognose: 5-JÜR ca. 60,2–82,7%
Symptomatik [1][3]
- Fokale neurologische Defizite (abhängig von der Lokalisation)
- Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn, ggf. mit Übergang zu bilateralem tonisch-klonischen Anfall
- Kopfschmerzen
- Hirndruckzeichen
- Dynamik: Langsam fortschreitend
Diagnostik [3][4]
- Bildgebung: MRT mit und ohne KM
- Typische Befunde: Rundliche oder ovale, eher gut abgrenzbare Raumforderung, subkortikal/kortikal gelegen, Strukturänderung der darüber liegenden Schädelkalotte möglich, gewundene Kalzifikationen
- T1-Gewichtung: Hypointens
- T2-Gewichtung/FLAIR: Heterogene Hyperintensität
- T2*: Darstellung von Kalzifikationen (ca. 70–90%)
- DWI: Keine Diffusionsrestriktion
- KM-Aufnahme: Moderate Aufnahme bei ca. 50%
- Molekularpathologie: Nachweis einer IDH-Mutation und 1p/19q-Kodeletion
Therapie [5]
- Prinzipien: Palliativer Ansatz
- Operative Therapie: Vollständige chirurgische Resektion anstreben (sofern möglich) plus
- I.d.R. Strahlentherapie und Chemotherapie
- Vorgehen: Vollständige chirurgische Resektion anstreben (sofern möglich) plus
- Bei ZNS-WHO-Grad 2
- Standard: Strahlentherapie und Chemotherapie nach PCV-Schema
- Nachsorge: I.d.R. MRT-Kontrollen alle 3–6 Monate
- Bei ZNS-WHO-Grad 3
- Strahlentherapie und Chemotherapie nach PCV-Schema
- Nachsorge: I.d.R. MRT-Kontrollen alle 3–4 Monate
- Bei ZNS-WHO-Grad 2
Glioblastom, IDH-Wildtyp
Allgemeines [1][5]
- Definition: Primärer Hirntumor
- Klassifikation: Diffuses Gliom vom adulten Typ, ZNS-WHO-Grad 4
- Subtypen
- Riesenzellglioblastom
- Gliosarkom
- Epitheloides Glioblastom
- Subtypen
- Typische Lokalisation
- Vorwiegend in der weißen Substanz subkortikal (insb. in den Großhirnhemisphären)
- Auftreten grundsätzlich überall im ZNS möglich
- Wachstumsverhalten: Diffus infiltrierend, häufig bereits bei Diagnosestellung in den Kortex oder die benachbarte Hemisphäre infiltriert
- Häufig: Multizentrisches oder multifokales Auftreten
- Mögliche Variante: Schmetterlingsgliom (annähernd symmetrische Ausbreitung in beiden Hemisphären inkl. des Corpus callosum)
- Metastasierung
- Entlang der Liquorwege: Selten
- Extrakraniell: Selten, am ehesten im Rahmen eines Rezidivs
- Epidemiologie
- Häufigster maligner Hirntumor des Erwachsenenalters
- Erkrankungsalter: Jedes Alter, vorwiegend ältere Erwachsene (insb. 55–85 Jahre)
- Prognose
- 5-JÜR ca. 6,8%
- Überlebenszeit nach Therapieende meist ca. 10–18 Monate
Symptomatik [6]
- Fokale neurologische Defizite (abhängig von der Lokalisation)
- Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn, ggf. mit Übergang zu bilateralem tonisch-klonischen Anfall
- Kopfschmerzen
- Hirndruckzeichen
- Dynamik: Häufig rasch progredient
Diagnostik
- Bildgebung [3][5]
-
MRT mit und ohne Kontrastmittel
- Typische Befunde: Inhomogene Struktur und Kontrastmittelanreicherung (meist ring- bzw. girlandenförmig mit zentraler Nekrose), perifokales Ödem
- T1-Gewichtung: Inhomogene und unscharf umrandete Raumforderung mit subakuten Hämorrhagien
- T2-Gewichtung/FLAIR: Heterogene Hyperintensität, unscharfe Begrenzung, ausgeprägtes perifokales Ödem, Nekrosen, Zysten, Hämorrhagien
- T2*: Häufig Artefakte
- DWI: I.d.R. keine Diffusionsrestriktion
- KM-Aufnahme: Ausgeprägt, aber unregelmäßig, Aussparung eines meist zentral gelegenen nekrotischen Anteils, fleckförmige Anreicherungen außerhalb des Kerntumors möglich
- CT mit Kontrastmittel: Inhomogene, KM-aufnehmende Raumforderung mit perifokalem Ödem
-
MRT mit und ohne Kontrastmittel
- Molekularpathologie/Pathologie [1][4]
- Diagnosestellung: Wildtyp des IDH-Gens und des Histon-H3-Gens und
- Histologie passend zu Glioblastom : Bspw. Nekrosen, mikrovaskuläre Proliferation, palisadenartige Anordnung von Tumorzellen oder
- Nachweis einer Mutation des Transkriptase-Promotors (TERTp) oder einer EGFR-Amplifikation oder einer veränderten Kopienzahl der Chromosomen 7 und 10 (+7/–10)
- Biomarker für Prognose des Therapieansprechens: MGMT-Promotor-Hypermethylierung
- Diagnosestellung: Wildtyp des IDH-Gens und des Histon-H3-Gens und
Therapie [5][6]
- Prinzipien: Palliativer Ansatz
- Operative Therapie plus
- I.d.R. Strahlentherapie und Chemotherapie
- Vorgehen: Vollständige makroskopische Resektion (sofern möglich) plus
- Bei einem Alter ≤70 Jahre
- Strahlentherapie: I.d.R. 60 Gy in 1,8–2 Gy-Fraktionen an 5 Tagen/Woche für 6 Wochen
- Chemotherapie, bspw. nach Stupp-Protokoll
- Begleitend zur Strahlentherapie: Temozolomid 75 mg/m2KOF an 7 Tagen/Woche, anschließend 4 Wochen Therapiepause sowie
- Erhaltungstherapie: Temozolomid 150–200 mg/m2KOF an den Tagen 1–5 eines Therapiezyklus, i.d.R. 6 Zyklen à 28 Tage
- Bei einem Alter >70 Jahre: Abhängig von Nachweis einer MGMT-Promotor-Hypermethylierung [5][7]
- Negativ: Strahlentherapie, Protokolle mit geringerer Dosis abhängig vom klinischen Zustand
- Positiv: Temozolomid allein oder hypofraktionierte Strahlentherapie mit Temozolomid
- Uneindeutige Evidenz: Tumortherapiefelder (ergänzend)
- Nachsorge: I.d.R. MRT-Kontrollen alle 3 Monate
- Bei einem Alter ≤70 Jahre
Pilozytisches Astrozytom
Allgemeines [1][3][5]
- Definition: Primärer Hirntumor
- Vermutlich ausgehend von lokalisationsspezifischen neuronalen Stamm- oder Vorläuferzellen
- Ätiologie
- Klassifikation: Umschriebenes astrozytäres Gliom, ZNS-WHO-Grad 1
- Subtypen
- Pilomyxoides Astrozytom
- Pilozytisches Astrozytom mit Anaplasie
- Subtypen
- Typische Lokalisation:
- Insb. Kleinhirn
- Seltener Hirnstamm, N. opticus, Chiasma opticum/Hypothalamus, Basalganglien, Rückenmark, Großhirnhemisphären
- Wachstumsverhalten: Langsam, lokal verdrängend oder lokal infiltrierend
- Metastasierung: Selten, entlang der Liquorwege
- Epidemiologie
- Häufigstes Gliom im Kindesalter
- Erkrankungsalter: Überwiegend ≤20 Jahre
- Prognose
- Maligne Transformation <1%
- 5-JÜR ca. 94,4%
Symptomatik [1]
- Fokale neurologische Defizite (abhängig von der Lokalisation)
- Kopfschmerzen
- Hirndruckzeichen
- Makrozephalus (bei noch nicht verschlossener Fontanelle)
- Dynamik: Langsam progredient, daher oftmals eher subtile Symptome
Diagnostik [1][3]
- Bildgebung
-
MRT mit und ohne Kontrastmittel
-
Hintere Schädelgrube
- Typische Befunde: Zystische, klar abgegrenzte Raumforderung mit wandständiger nodulärer Komponente
- T1- und T2-Gewichtung: Hyperintens im Vergleich zu Liquor (zystische Komponente), iso-/hypointens (noduläre Komponente)
- FLAIR: Keine vollständige MR-Signalunterdrückung von Flüssigkeiten
- KM-Aufnahme: Inhomogen und intensiv im Bereich der nodulären Komponente, fehlend bis moderat in der Zystenwand
- Bereich N. opticus/Chiasma opticum/3. Ventrikel
- Typische Befunde: Meist solide, aber schlecht abgrenzbare Raumforderung, oft mit zentraler Nekrose
- T1-Gewichtung: Iso-/hyperintens im Vergleich zum Parenchym
- T2-Gewichtung/FLAIR: Hyperintens
- KM-Aufnahme: Variabel
-
Hintere Schädelgrube
- CT mit Kontrastmittel: Kalzifikationen bei 10–20%, i.d.R. kaum perifokales Ödem, meist KM-Aufnahme der nodulären Komponente
-
MRT mit und ohne Kontrastmittel
- Histopathologie
- Vorwiegend: Zellen mit haarähnlichen („pilozytischen“) Fortsätzen und nur leichten Kernatypien, Rosenthal-Fasern , Gefäßproliferationen
- Darunter gemischt: Multipolare Zellen mit Mikrozyten in zellarmen, locker strukturierten, GFAP-negativen Arealen
- Molekularpathologie: BRAF-Fusionsgen (KIAA1549::BRAF-Fusion) und andere Genalterationen des MAPK-Signalwegs
Therapie [5]
- Prinzip: Kurativer Ansatz
- Vorgehen
- Operative Therapie: Vollständige Resektion anstreben
- Strahlentherapie: Bei Inoperabilität oder ggf. bei Rezidiv
- Chemotherapie: I.d.R. keine Anwendung
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Astrozytome
Glioblastome
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- C71.-: Bösartige Neubildung des Gehirns
- Exklusive: Hirnnerven (C72.2–C72.5), Retrobulbäres Gewebe (C69.6)
- C71.0: Zerebrum, ausgenommen Hirnlappen und Ventrikel
- Supratentoriell o.n.A.
- C71.1: Frontallappen
- C71.2: Temporallappen
- C71.3: Parietallappen
- C71.4: Okzipitallappen
- C71.5: Hirnventrikel
- Exklusive: IV. Ventrikel (C71.7)
- C71.6: Zerebellum
- C71.7: Hirnstamm
- Infratentoriell o.n.A.
- IV. Ventrikel
- C71.8: Gehirn, mehrere Teilbereiche überlappend
- C71.9: Gehirn, nicht näher bezeichnet
- C72.-: Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
- Exklusive: Meningen (C70.‑), Periphere Nerven und autonomes Nervensystem (C47.‑)
- C72.0: Rückenmark
- C72.1: Cauda equina
- C72.2: Nn. olfactorii [I. Hirnnerv]
- C72.3: N. opticus [II. Hirnnerv]
- C72.4: N. vestibulocochlearis [VIII. Hirnnerv]
- C72.5: Sonstige und nicht näher bezeichnete Hirnnerven
- Hirnnerven o.n.A.
- C72.8: Gehirn und andere Teile des Zentralnervensystems, mehrere Teilbereiche überlappend
- C72.9: Zentralnervensystem, nicht näher bezeichnet
- Nervensystem o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.