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Periorale Dermatitis

Letzte Aktualisierung: 10.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die periorale Dermatitis (Synonyme: Dermatitis perioralis, Mundrose) ist eine Hauterkrankung, die sich mit erythematösen Papeln bis hin zu Papulovesikeln und/oder -pusteln auf geröteter, geschwollener Haut präsentiert. Typische Lokalisation sind Nasolabialfalten, Kinn und seitliche Mundpartien mit charakteristischem freien Randsaum um das Lippenrot herum. Betroffen sind meistens jüngere Frauen mit bekannter Atopie. Häufig sind eine lokale Glucocorticoidtherapie oder übermäßiger Kosmetikagebrauch als Auslöser eruierbar. Therapeutisch zielführend ist das Absetzen aller Externa (sog. „Nulltherapie“), was jedoch oft nicht toleriert wird, da es vorübergehend die Symptomatik verschlechtern kann. Ggf. kommen lokale Antibiotika und Pimecrolimus zum Einsatz. Bei schwereren, therapieresistenten Verläufen können auch systemische Antibiotika oder Isotretinoin in Erwägung gezogen werden.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Gesamtprävalenz: 0,3% in einer aktuellen monozentrischen Studie [1]
  • Weitere Charakteristika [2][3]
    • Hauttypen: I und II häufiger betroffen
    • Häufigkeitsgipfel: 20–45 Jahre
    • Geschlecht: >

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

  • Epidermale Barrierestörung aufgrund einer Hautirritation durch (i.d.R. übermäßigen) Gebrauch topischer Präparate [2][3][4][5]
    • Genaue Pathogenese unklar
    • Circulus vitiosus: Gebrauch topischer Präparate → Hautirritation → Epidermale Barrierefunktionsstörung → Quellung der Hornschicht → Transepidermaler Wasserverlust → Irritative Follikulitis der Vellushaare → Papeln und Entzündungsreaktion der Haut, Trockenheits- und Spannungsgefühl → Gebrauch topischer Präparate↑
  • Auslösende Präparate
    • Topische Glucocorticoide
      • Häufig nach lokaler Glucocorticoidtherapie leichter Gesichtsekzeme
      • Stärke des Glucocorticoids korreliert mit der Ausprägung der Symptome
    • Kosmetika (u.a. Pflege- und Sonnenschutzcremes)
  • Prädisponierende Faktoren: Atopie
  • Triggerfaktoren, die die Symptomatik verschlimmern

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

  • Lokalisation [2][4]
    • Prädilektionsstelle: Nasolabialfalten
    • Perioral mit Ausbreitung auf Wangen, Kinn
    • Ggf. periorbitale Region, Augenlider und Stirn betroffen
    • Bei schwerem Verlauf: Läsionen am Hals und hinter den Ohren
  • Effloreszenzen
    • Erythematöse, follikulär gebundene Papeln mit wenigen Millimetern Durchmesser, z.T. konfluierend
    • Umgebende Haut gerötet, möglicherweise geschwollen und/oder schuppend
    • Je nach Schweregrad Papulopusteln und Papulovesikel
    • KEINE Komedonen
  • Weitere Symptome
    • Brennen und Spannungsgefühl
    • Selten Juckreiz
  • Verlauf
    • Chronisch über mehrere Monate mit fluktuierendem Schweregrad
    • Verschlimmerung durch fortführenden Gebrauch der auslösenden Kosmetika und/oder UV-Bestrahlung
    • Nach lokaler Glucocorticoidtherapie nach kurzer Verbesserung deutliche Zunahme der Symptome bis hin zum Kortikoderm

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Lupoide periorale Dermatitis [8]

Periorale granulomatöse Dermatitis [10]

Diagnostiktoggle arrow icon

Die Diagnose wird i.d.R. auf Basis von Anamnese und Klinik gestellt, eine Probenentnahme ist nur selten (bspw. bei Therapieresistenz) notwendig [2][4].

  • Anamnese
    • Z.n. lokaler Glucocorticoidtherapie
    • (Übermäßiger) Gebrauch von Kosmetika
    • Verschlechterung der Haut bei UV-Exposition
    • Bekannte Atopie
  • Einschätzung des Schweregrades: PODSI (Perioral Dermatitis Severity Index)
    • Zur Therapieentscheidung
    • Zur Beurteilung von Therapieeffektivität und -verlauf
PODSI (Perioral Dermatitis Severity Index) [13]
Schweregrad Grad 1 Grad 2 Grad 3
Erythem Milde Ausprägung, blass-rosa, diskret Moderate Ausprägung, rötlich, fleckig Starke Ausprägung, dunkelrot, diffus konfluierend
Papeln Wenige, klein, ohne Farbveränderung Einige, disseminiert Viele, erythematös, gruppiert stehend
Hautschuppung Feine Schuppung, kaum sichtbar Mittelgrobe Schuppung, deutlich Ausgeprägt, grobe Schuppung, ausgedehnt
Bewertung: Leicht (0,5–2,5), mittel (3,0–5,5), schwer (6,0–9,0)

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Basismaßnahmen [2][3][4]

  • Nulltherapie
    • Konsequente Karenz aller Kosmetika und Glucocorticoide
    • Wird Karenz nicht akzeptiert : Sparsames Auftragen hydrophiler, nicht-parfümierter Creme
    • Hautreinigung nur mit Wasser und z.B. Mikrofasertuch, ggf. sparsam Syndet
  • Konsequenter Lichtschutz: Besser Meidung der Sonne oder physikalischer Schutz statt Sonnenschutzcremes
  • Schwarzteeumschläge: Bei Spannungsgefühl
  • Maskenhygiene: Bei Verschlimmerung der Symptomatik durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes
    • Tragezeit so kurz wie möglich halten
    • Waschen von Alltagsmasken bei mind. 60 °C
    • Regelmäßiges Wechseln der Maske

Medikamentöse Therapie [3]

Die folgende Therapieempfehlung orientiert sich an der Leitlinie. Aufgrund der mangelnden Datenlage gibt es außer der Nulltherapie keinen Goldstandard in der Therapie und keine explizit für periorale Dermatitis zugelassenen Medikamente. Bei nicht bedrohlichem Krankheitsbild sind die u.g. Medikamente mittleren bis schweren oder therapieresistenten Fällen und Sonderformen vorbehalten. Die Indikation zur medikamentösen Therapie sollte in Anbetracht der unerwünschten Arzneimittelreaktionen und möglicher Resistenzbildungen bei antibiotischer Therapie zurückhaltend gestellt werden. Die Wirkweise der Medikamente auf die periorale Dermatitis ist nicht genau geklärt, scheint aber nicht auf einer antibakteriellen, sondern antientzündlichen Komponente zu beruhen.

Übersicht der medikamentösen Therapieoptionen

Lokaltherapie

Systemische Antibiotika

Systemische Therapie mit Isotretinoin

  • Indikation
    • Unzureichendes Ansprechen auf topische Therapie
    • Gute Wirksamkeit bei schwerwiegendem Befall oder Sonderformen
    • Off-Label Use
  • Rote-Hand-Brief zu Retinoiden: Sorgfältige Patientenselektion und ausführliche Aufklärung in Bezug auf erhöhte Teratogenität und mögliche neuropsychiatrische Nebenwirkungen [14]
  • Zulassung: Ab 12 Jahren
  • Dosierung: Isotretinoin in niedriger Dosis und mit kurzer Therapiedauer oft schon ausreichend
  • Zu weiteren Informationen bzgl. Kontraindikationen und Nebenwirkungen siehe: Isotretinoin

Keine Kombination oraler Retinoide und Tetracycline, da die Entstehung eines Pseudotumor cerebri droht!

Aufgrund der starken Teratogenität muss vor der Therapie mit oralen und topischen Retinoiden eine Schwangerschaft ausgeschlossen und eine sichere Kontrazeption gewährleistet werden!

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Hoepfner et al.:Rosazea und periorale Dermatitis: Eine monozentrische, retrospektive Analyse des klinischen Erscheinungsbildes von 1032 PatientenIn: JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Band: 18, Nummer: 6, 2020, doi: 10.1111/ddg.14120_g . | Open in Read by QxMD p. 561-570.
  2. Plewig et al.: Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie. 7. Auflage Springer-Verlag 2018, ISBN: 978-3-662-49544-5.
  3. Wollenberg et al.:Periorale DermatitisIn: JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Band: 9, Nummer: 5, 2011, doi: 10.1111/j.1610-0387.2010.07329_suppl.x . | Open in Read by QxMD p. 422-428.
  4. Periorale Dermatitis.Stand: 13. Januar 2021. Abgerufen am: 26. Januar 2021.
  5. Dirschka et al.:Impaired skin barrier and atopic diathesis in perioral dermatitis. Hautbarrierestorungen und atopische Konstitution bei perioraler DermatitisIn: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Band: 1, Nummer: 3, 2003, doi: 10.1046/j.1610-0387.2003.02039.x . | Open in Read by QxMD p. 199-203.
  6. Hu et al.:The adverse skin reactions of health care workers using personal protective equipment for COVID-19In: Medicine. Band: 99, Nummer: 24, 2020, doi: 10.1097/md.0000000000020603 . | Open in Read by QxMD p. e20603.
  7. Bhatia et al.:Iatrogenic dermatitis in times of COVID‐19: a pandemic within a pandemicIn: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology. Band: 34, Nummer: 10, 2020, doi: 10.1111/jdv.16710 . | Open in Read by QxMD.
  8. Lupoide periorale Dermatitis.Stand: 20. November 2017. Abgerufen am: 21. Januar 2021.
  9. Lupoides Infiltrat.Stand: 15. Mai 2014. Abgerufen am: 21. Januar 2021.
  10. Dermatitis periorale granulomatöse der Kindheit.Stand: 2. Juni 2019. Abgerufen am: 21. Januar 2021.
  11. Kim et al.:Childhood Granulomatous Periorificial DermatitisIn: Annals of Dermatology. Band: 23, Nummer: 3, 2011, doi: 10.5021/ad.2011.23.3.386 . | Open in Read by QxMD p. 386.
  12. Urbatsch et al.:Extrafacial and Generalized Granulomatous Periorificial DermatitisIn: Archives of Dermatology. Band: 138, Nummer: 10, 2002, doi: 10.1001/archderm.138.10.1354 . | Open in Read by QxMD.
  13. Wollenberg, Oppel:Scoring of Skin Lesions with the Perioral Dermatitis Severity Index (PODSI)In: Acta Dermato-Venereologica. Band: 86, Nummer: 3, 2006, doi: 10.2340/00015555-0044 . | Open in Read by QxMD p. 251-252.
  14. Rote-Hand-Brief - Aktualisierung zu Teratogenität und neuropsychiatrischen Erkrankungen.Stand: 9. September 2019. Abgerufen am: 12. September 2019.

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