Abstract
Die häufigste Ursache einer schlafbezogenen Atemstörung ist eine Obstruktion der oberen Atemwege durch Kollaps der Schlundmuskulatur während des Schlafes, das sogenannte Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Die Patienten sind meist adipös und leiden unter starker Tagesmüdigkeit. Fremdanamnestisch geben die Lebenspartner Atempausen und starkes Schnarchen während des Schlafens an. Die Lebenserwartung der Patienten ist durch kardiovaskuläre Folgen einer sekundären Hypertonie eingeschränkt, kann aber durch konsequente Gewichtsreduktion und nächtliche Überdruckbeatmungstherapie (nCPAP) normalisiert werden. Der Therapieerfolg bedarf einer hohen Patientencompliance mit regelmäßiger Therapieüberwachung durch Schlafuntersuchungen.
Definition
- Schlafapnoe-Syndrom: Nächtliche Atmungsstörung mit klinischer Beschwerdesymptomatik und/oder gesundheitlichen Risiken
- Apnoe: Atempausen von ≥10 Sekunden
- Hypopnoe: Reduktion des Atemflusses um ≥50% für ≥10 Sekunden kombiniert mit Sauerstoffsättigungsabfall ≥3% oder Arousal
- Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI): (Hypopnoen + Apnoen)/Stunde Schlafzeit
- Ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) wird diagnostiziert, wenn ein AHI >15/ Stunde Schlafzeit oder >5/Stunde Schlafzeit in Kombination mit einer typischen klinischen Symptomatik vorliegt
- Respiratory Effort related Arousal (RERA): Sequenz von Atemzügen (mind. 10sek.), die durch eine erhöhte Atemanstrengung zu einem Arousal führen
- Respiratory disturbance index (RDI) (Hypopnoen + Apnoen + Respiratory Effort related Arousal)/Stunde Schlafzeit
Epidemiologie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Klassifikation des Schlafapnoe-Syndroms
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS; >90%)
- Schlafbezogene Atemstörung mit Obstruktion der oberen Atemwege durch Kollaps der Schlundmuskulatur während des Schlafens
- Atemantrieb und damit Atembewegungen bleiben erhalten
- Risikofaktoren: Erkrankungen, die den Atemfluss der oberen Atemwege behindern (z.B. Tonsillenhyperplasie, Nasenseptumdeviation)
- Zentrales Schlafapnoe-Syndrom (<10%)
- Schlafbezogene Atemstörung durch mangelnde Stimulation des zentralen Atemzentrums ohne Obstruktion der oberen Atemwege
- Durch zeitweise fehlende Innervation der Atemmuskulatur bleiben thorakale und/oder abdominelle Atembewegungen aus
- Risikofaktor: Herzinsuffizienz (Cheyne-Stokes-Atmung)
- Sonderform: Obesitas-Hypoventilationssyndrom (Pickwick-Syndrom; Adipositas-Hypoventilationssyndrom)
- Pathologische Adipositas (BMI >30)
- Schlafapnoe
- Tageshyperkapnie, ausgeprägte Tagesmüdigkeit,
- Polyglobulie, pulmonale Hypertonie
Typische Begleiterkrankungen und begünstigende Faktoren
- Alkohol- und Tabakkonsum
- Einnahme von Sedativa, Beta-Blockern
- Metabolisches Syndrom
Die meisten Patienten mit Schlafapnoe-Syndrom sind adipös!
Symptome/Klinik
- Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
- Lautes und unregelmäßiges Schnarchen mit Atemaussetzern (Fremdanamnese)
- Starke Tagesschläfrigkeit mit verminderter Leistungsfähigkeit (Sekundenschlaf), morgendliche Kopfschmerzen
- (Nächtliches) Erwachen aus dem Schlaf, Depressivität, Potenz-/Libidostörung
- Zentrales Schlafapnoe-Syndrom
- Symptome der Grunderkrankung (kein Schnarchen, selten Tagesschläfrigkeit) → Herzinsuffizienz
Diagnostik
Allgemeines
- Anamnese: Standardisierte Fragebögen mit Fremdanamnese (Partner nach Schnarchen und Atemaussetzern fragen)
- 24-h-RR-Messung
Schlafuntersuchung
- Polygraphie
- Es werden während des Schlafens folgende Parameter gemessen: Atemfluss, Atempausen, Sauerstoffsättigung im Blut, Herzfrequenz, Schnarchgeräusche und Atembewegungen von Brustkorb und Bauch. Hieraus ist die Bestimmung von Apnoen, Hypopnoen und des Apnoe-Hypopnoe-Index möglich.
- Polysomnographie
- Neben den Parametern der Polygraphie zusätzlich:
- Corticale Potentialschwankungen mittels Elektroenzephalographie (EEG) → Ermöglicht Einteilung in Schlafphasen und Schlafstadien
- Augenbewegungen mittels Elektrookulographie (EOG) → Zur Erfassung der REM-Phasen
- Muskelaktivität mittels Elektromyographie (bspw. durch Sensoren für die Bewegungen der Beine oder am Kinn)
- Oft (aber nicht zwangsläufig) Elektrokardiographie (EKG)
- Klassische Befunde
- Apnoen und Hypopnoen (Apnoe-Hypopnoe-Index >15)
- Sauerstoffentsättigungen
- Weckreaktionen (Arousal)
- Fragmentierung des Schlafs mit pathologischer Abnahme des Traumschlafs (REM-Schlafs) und des Tiefschlafs
- Neben den Parametern der Polygraphie zusätzlich:
Das Schlafapnoe-Syndrom ist eine sehr häufige Ursache einer sekundären Hypertonie!
Die Dauer und der Anteil der REM-Schlafphasen nimmt im Verlauf der Nacht zu!
Bei Adipösen, Diabetikern, Patienten mit Vorhofflimmern und Patienten mit Hypertonie, die über Schnarchen berichten, soll die Diagnostik zum Ausschluss eines Schlafapnoesyndroms erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie)
Therapie
Allgemein
- Behandlung der Grunderkrankung (z.B. die Herzinsuffizienz bei zentralem Schlafapnoe-Syndrom oder Operation einer Septumdeviation beim OSAS)
- Risikofaktor reduzieren: Gewichtsreduktion, eventuell mittels bariatrischer Chirurgie
- Meiden von Alkohol, Nikotin und Sedativa
- Schlafhygiene: Regelmäßiger und ausreichender Schlaf, Schlaf auf der Seite und nicht auf dem Rücken
- Einstellung des Blutdrucks
Nächtliche Beatmung
- nCPAP (Nasal continuous positive airway pressure)
- BIPAP (Biphasic positive airway pressure)
Beim symptomatischen obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom ist die Überdruckbehandlung in der Nacht mittels nCPAP-Therapie das Mittel der Wahl. Für den Therapieerfolg bedarf es einer hohen Patientencompliance mit regelmäßiger Therapieüberwachung durch Schlafuntersuchungen!
Operative Verfahren beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom
Die wesentliche Engstelle beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom liegt zwischen Zungengrund und Rachenhinterwand. Bei unzureichendem konservativem Therapieerfolg ist eine operative Erweiterung möglich.
- Operative Begradigung der Nasenscheidewand bei Septumdeviation und gestörter Nasenatmung
- Tonsillektomie/Adenotomie erwägen bei Obstruktion durch adenoide Vegetationen [2]
- Uvulopalatopharyngoplastik (UPPP): Straffung des weichen Gaumens, eine Kürzung der Uvula und Tonsillektomie. Es stellt lediglich eine therapeutische Ergänzung oder Alternative dar.
- Zungengrund(teil‑)resektion: Späte Therapieoption bei schwerem obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom. Die Operation ist sehr schmerzhaft und führt zumindest vorübergehend zur Einschränkung beim Schlucken und Sprechen.
- Maxillo-mandibuläres Advancement (Bimaxilläre Umstellungsosteotomie): Protrusion (Vorverlagerung) von Ober- und Unterkiefer um bis zu 2cm → Straffung des Weichteilgewebes von weichem Gaumen und Zungengrund = Sehr effektiv, aber aufwendig
Komplikationen
- Genereller Pathomechanismus: Hypopnoe/Apnoe → pO2↓, pCO2↑ → Obstruktives Ersticken, Atemantrieb↑ → Stresshormone↑, Arousal↑ → RR↑
- Daraus resultierende Komplikationen
- Arterielle Hypertonie
- Erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und plötzlichen Herztod
- Ischämische Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz
- Hypoxie-induzierte Herzrhythmusstörungen
- Globale respiratorische Insuffizienz
- Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale [3]
- Unfallrisiko durch Sekundenschlaf
- Erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer vaskulären Demenz
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Unbehandelt haben alle Patienten aufgrund der Hypertonie eine erhöhte Mortalitätsrate an kardiovaskulären Erkrankungen
- Durch konsequente nCPAP-Beatmung kann das Mortalitätsrisiko bei obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom auf das der Normalbevölkerung gesenkt werden
Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
- G47.-: Schlafstörungen
- G47.3-: Schlafapnoe
- Exklusive: Pickwick-Syndrom (E66.29) Schlafapnoe beim Neugeborenen (P28.3)
- G47.30: Zentrales Schlafapnoe-Syndrom
- G47.31: Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
- G47.32: Schlafbezogenes Hypoventilations-Syndrom
- Kongenitales zentral-alveoläres Hypoventilations-Syndrom
- Schlafbezogene idiopathische nichtobstruktive alveoläre Hypoventilation
- G47.38: Sonstige Schlafapnoe
- G47.39: Schlafapnoe, nicht näher bezeichnet
- G47.3-: Schlafapnoe
- P28.-: Sonstige Störungen der Atmung mit Ursprung in der Perinatalperiode
- P28.3: Primäre Schlafapnoe beim Neugeborenen
- Schlafapnoe beim Neugeborenen: obstruktiv, o.n.A., zentral
- P28.3: Primäre Schlafapnoe beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.