Zusammenfassung
Herzrhythmusstörungen entstehen durch eine Dysfunktion des kardialen Erregungsbildungs- oder -leitungssystems. Im EKG präsentieren sie sich mit einem unregelmäßigen Rhythmus und/oder einer abweichenden Herzfrequenz. Die Benennung der Rhythmusstörung richtet sich in den meisten Fällen nach dem Ort der Entstehung und der vorliegenden Frequenz.
Herzrhythmusstörungen sind oft multifaktoriell bedingt; es liegt nicht immer eine Grunderkrankung des Herzens vor. Ab einem gewissen Punkt werden Herzrhythmusstörungen hämodynamisch relevant und können zu Synkopen führen.
Für Pflegefachpersonen ist es wichtig, Herzrhythmusstörungen zu erkennen und interpretieren zu können, um in Notfallsituationen adäquat zu reagieren, bspw. indem frühzeitig ärztliches Personal involviert und so ein schlimmer Verlauf verhindert wird. Gerade für Pflegefachpersonen im Intensiv- und Anästhesiebereich haben Herzrhythmusstörungen eine elementare Bedeutung, da sie ggf. einen Einfluss auf den Verlauf einer Narkose und die Hämodynamik haben. Sollten Herzrhythmusstörungen neu auftreten, muss immer ärztliches Personal informiert werden.
Beobachten/Überwachen
- Monitoring
-
EKG
- Ggf. dauerhaft ein 5-Kanal-EKG anbringen
- Bei neu auftretenden Rhythmusstörungen: 12-Kanal-EKG schreiben
- Herzfrequenz: 1 min durchzählen, um Änderungen im Rhythmus zu erkennen
- Blutdruck: Hypotonie bei einer zu geringen Auswurfleistung
- Sauerstoffsättigung: Hypoxie bei einer zu geringen Auswurfleistung
-
EKG
- Atmung: Dyspnoe
- Vigilanz: Schwindel, Synkopen
- Haut: Ödeme, Zyanose
- Subjektives Empfinden
- Palpitationen: Patient:innen spüren „Herzrasen“ oder „Herzstolpern“
- Schmerzäußerungen: Bspw. Angina pectoris bei vermindertem Herzzeitvolumen
Sollten Patient:innen akute Schmerzen in der Brust angeben, muss sofort ärztliches Personal informiert werden!
Pflege bei Herzrhythmusstörungen
- Prophylaxen
- Sturzprophylaxe: Ggf. Synkope aufgrund der Rhythmusstörung → Sturzgefahr, siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Sturzprophylaxe
- Pneumonieprophylaxe: Ggf. Dyspnoe, was eine Pneumonie begünstigen kann, siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Pneumonieprophylaxe
- Pflege nach Herzschrittmacherimplantation
- Verbandswechsel in den ersten Tagen nach Implantation
- Überwachung der OP-Wunde: Lokale Entzündungszeichen, Mazerationen, Wundheilung
- Einstellungen am Monitor anpassen
- Anleitung und Information
- Unmittelbar nach Implantation: Arm 2 Wochen nicht über den Kopf heben, Sport erst nach ca. 3 Monaten
- Regelmäßige Kontrollen durch zuständigen Kardiologen
- Warnsignale von Rhythmusstörungen erläutern
- Patienteninformationen an die Hand geben
- Erstmaßnahmen in Notfallsituationen
- Bei V.a. Kreislaufstillstand: Hilfe holen und unmittelbarer Beginn einer Reanimation
- Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Pflege in Notfallsituationen
Das Wissen über Reanimation muss kontinuierlich auf dem neuesten Stand gehalten und jederzeit praktisch anwendbar sein!
Herzrhythmusstörungen können zu einer Herzinsuffizienz führen, sodass sich viele pflegerische Maßnahmen an der Pflege bei Herzinsuffizienz orientieren!
Übersicht häufiger Herzrhythmusstörungen
Definitionen
- Bradykardie: Abfall der Herzfrequenz auf <60/min beim Erwachsenen
- Tachykardie: Anstieg der Herzfrequenz auf >100/min beim Erwachsenen
- Arrhythmie: Zeitliche Unregelmäßigkeit der elektrischen Herzaktion
- Sinusrhythmus: Physiologischer Herzrhythmus mit Ursprung im Sinusknoten
- Sinusarrhythmie: Sinusrhythmus mit wechselnder Herzfrequenz, bspw. respiratorische Arrhythmie
- Sinusbradykardie: Sinusrhythmus mit verminderter Herzfrequenz <60/min
- Sinustachykardie: Sinusrhythmus mit erhöhter Herzfrequenz >100/min
- Extrasystolen: Einzelne oder gehäufte Herzaktionen im regulären Herzrhythmus
- Supraventrikuläre Extrasystolen: Vom Vorhof ausgehend
- Frühzeitige Kontraktion während des normalen Herzrhythmus
- Meist kein eigener Krankheitswert
- Ventrikuläre Extrasystolen: Vom Ventrikel ausgehend
- Im EKG verbreiterte QRS-Komplexe (zufällig oder nach bestimmtem Muster)
- Oft symptomlos, ggf. Vorläufer oder Auslöser von ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern
- Supraventrikuläre Extrasystolen: Vom Vorhof ausgehend
- Schenkelblock
- Rechtsschenkelblock: Gestörte Erregungsleitung des rechten Tawara-Schenkels
- Linksschenkelblock: Gestörte Erregungsleitung des linken Tawara-Schenkels
Nicht jede Bradykardie oder Tachykardie ist pathologisch: Sportler:innen haben bspw. häufig einen niedrigen Ruhepuls, was jedoch keine Herzrhythmusstörung darstellt!
Bradykarde Herzrhythmusstörungen
- AV-Block: Reizleitungsstörung im Bereich des AV-Knotens zwischen Vorhof und Kammer
- AV-Block I°
- Erregungsüberleitung durch den AV-Knoten gestört, Behandlung i.d.R. nicht erforderlich
- Ggf. durch Medikamente ausgelöst
- AV-Block II°
- Typ Wenckebach: Überleitungszeit wird immer länger bis eine Herzaktion ausfällt→ Herzfrequenz meist rhythmisch mit plötzlicher Pause → Reduktion der Herzfrequenz auf bradykarde Werte
- Typ Mobitz: Nicht alle Impulse aus dem Sinusknoten werden auf die Kammern übergeleitet → Pausen bei der Kammerfrequenz
- AV-Block III°: Bradykarde Kammerersatzrhythmen, kein Sinusimpuls wird mehr auf die Kammern übertragen
- AV-Block I°
- SA-Block: Reizleitungsstörung im Sinusknoten selbst
Ein AV-Block III° ist immer ein Notfall! Es muss sofort ärztliches Personal informiert und Erstmaßnahmen eingeleitet werden!
Tachykarde Herzrhythmusstörungen
- Supraventrikuläre Tachykardien: Tachykardie mit Ursprung im Vorhof (oberhalb des His-Bündels)
- Vorhofflattern
- Schnelle Vorhofkontraktion (ca. 250–350/min), Überleitung auf Ventrikel 2:1 oder 3:1
- Symptome ähneln denen bei Vorhofflimmern
- Vorhofflimmern
- Schnelle Vorhofkontraktion (ca. 400–600/min), je nach Überleitung bradykarde oder tachykarde Arrhythmia absoluta
- Palpitationen, Dyspnoe, ggf. Symptome einer Herzinsuffizienz, kann ggf. zu einer Synkope führen
- Atrioventrikuläre Reentrytachykardie (AVRT, Wolff-Parkinson-White-Syndrom)
- Verkürzte PQ-Zeit, ggf. verbreiterter QRS-Komplex
- Sehr seltene Erkrankung, meist symptomlos
- AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT): Gekennzeichnet durch anfallsartig auftretende Tachykardien, häufig selbstlimitierend
- Vorhofflattern
- Ventrikuläre Tachykardien: Tachykardie mit Ursprung im Ventrikel (unterhalb des His-Bündels)
- Sonderform: Torsade-de-Pointes-Tachykardie
- Anfallsartige ventrikuläre Tachykardie mit wandernder Ausrichtung um die Null-Linie
- Kann ggf. in lebensbedrohliches Kammerflimmern übergehen
- Kammerflattern: Kammerfrequenzen von 250–320/min
- Kammerflimmern
- Kammerfrequenzen von >320/min mit undulierenden, nicht mehr als QRS-Komplex zu erkennenden Ausschlägen
- Lebensbedrohliche Situation → Sofortige Reanimation!
- Sonderform: Torsade-de-Pointes-Tachykardie
Vorhofflimmern mit gleichzeitigem Blutdruckabfall oder Angina Pectoris ist ein Notfall und muss ggf. kardiovertiert werden!
Kammerflimmern stellt immer eine lebensbedrohliche Situation dar und bedarf einer sofortigen Reanimation!
Herzrhythmusstörungen bei Elektrolytstörungen
- Ursachen
- Falscheinnahme von Medikamenten
- Bei auffälligen Laborparametern Rücksprache mit ärztlichem Personal halten
- Einzelne Gaben kritisch hinterfragen
- Ernährung: Übermäßiger Konsum bestimmter Lebensmittel (seltener)
- Falscheinnahme von Medikamenten
- Hyperkaliämie
- Schwere Hyperkaliämie: Serumkalium ≥6,5 mmol/L
- Symptome: Typischerweise Bradykardie, bei schweren Hyperkaliämien auch Kammerflimmern bis hin zum Herzstillstand, siehe auch: EKG bei Hyperkaliämie
- Maßnahmen
- Siehe: Therapie der Hyperkaliämie
- Bei schwerer Hyperkaliämie siehe: Notfalltherapie der Hyperkaliämie
- Hypokaliämie
- Schwere Hypokaliämie: Serumkalium <2,5 mmol/L
- Symptome: Extrasystolen, Neigung zur Rhythmusinstabilität bis hin zu Kammerflimmern
- Maßnahmen, siehe: Therapie der Hypokaliämie
Der Blutzucker muss nach der Gabe von Glucose-Insulin engmaschig überprüft werden, da die Gefahr einer Hypoglykämie besteht!
Eine Hyperkaliämie kann zu Kammerflimmern führen und stellt somit einen lebensbedrohlichen Notfall dar!