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Rotavirus-Infektion

Letzte Aktualisierung: 20.4.2023

Abstracttoggle arrow icon

Rotaviren sind weltweit verbreitet, der Hauptauslöser für Gastroenteritiden im Kindesalter und in Ländern des Globalen Südens außerdem eine Hauptursache der hohen Kindersterblichkeit. Sie werden in der Regel über Kontakt- und Schmierinfektionen übertragen und lösen aufgrund der hohen Infektiosität und kurzen Inkubationszeit schnell Epidemien aus. Da Rotavirus-Epidemien vor allem ohnehin gefährdete Patientengruppen wie ältere Patienten und Kleinkinder betreffen und inzwischen auch eine ökonomische Belastung für die betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen darstellen, sollte großer Wert auf die Einhaltung hygienischer Standards gelegt werden. Klinisch stellt sich die Erkrankung typischerweise mit akut beginnender wässriger Diarrhö dar. Außerdem können Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber und bei rund der Hälfte der Patienten Symptome der oberen Atemwege auftreten. Die Therapie erfolgt rein symptomatisch. Für Säuglinge unter 6 Monaten wird eine Schluckimpfung empfohlen.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Vorkommen: Weltweit
  • Häufigkeit: Häufigster Erreger aller akuten Gastroenteritiden im Kindesalter (60%)
  • Altersgipfel
    1. Kinder 6 Monate bis 2 Jahre
    2. Ältere Personen >60 Jahre
  • Immunität: 90% aller Kinder >3 Jahre und knapp 100% aller Kinder >5 Jahre haben eine Rotavirus-Infektion durchgemacht und bilden Antikörper
    • Wiederholte Infektion in allen Altersgruppen möglich: Nach Ablauf der Infektion existiert eine serotypspezifische, humorale, jedoch nicht anhaltende Immunität
  • Epidemisches Risiko: Gemeinschaftseinrichtungen (bspw. Altenheime, Krankenhäuser, Kindergärten) aufgrund der unmittelbaren Nähe der Kontaktpersonen
  • Saisonalität: Erkrankungsgipfel von Februar bis April

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

  • Erreger: Humane Rotaviren, Familie der Reoviridae
    • Reservoir: Hauptreservoir ist der Mensch
  • Infektionsweg
    • Fäkal-oral: Kontakt- und Schmierinfektion (direkter Kontakt zu Stuhl oder Erbrochenem, kontaminierte Flächen, Lebensmittel oder Trinkwasser)
  • Infektiosität: Sehr hoch!
    • Minimale Infektionsdosis (10 Viruspartikel) reicht aus
    • Ansteckungsrisiko vom Zeitpunkt der Symptomatik bis zum Sistieren des Ausscheidens im Stuhl nach etwa 8 Tagen

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Die Dehydratation kann, wenn nicht rechtzeitig adäquat behandelt, zum Tod führen!

Diagnostiktoggle arrow icon

Verfahren zur Diagnosesicherung sollten nur bei Epidemien zum Einsatz kommen, bspw. um Infektionswege zu klären und diese zu unterbrechen, oder wenn sich aus anderen Gründen eine therapeutische Konsequenz ergibt.

Entscheidend ist die Klinik! Ergebnisse aus Stuhluntersuchungen haben meist keine therapeutische Konsequenz und sollten daher unterlassen werden!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Siehe auch: Ätiologie von Durchfallerkrankungen

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Die Therapie erfolgt rein symptomatisch, da es keine kausale antivirale Therapie gibt.

Überdosierungen von Antiemetika können immer lebensbedrohlich sein!

  • Lactobacillus rhamnosus GG (z.B. LGG®) zum Aufbau der Darmflora
    • Darreichungsform: Kapseln
    • Dosierungsempfehlungen
      • Zugelassen in jedem Alter, auch für Neugeborene, Schwangere, Stillende und Senioren
      • Gleiche Dosis in jedem Alter
      • Bei Schluckbeschwerden: Kapsel öffnen und Inhalt in Wasser oder anderer Flüssigkeit lösen
      • Nicht in Fruchtsäften, Tee, heißen Getränke (>37 °C) lösen, weil Keime dann zerstört werden

Butylscopolamin (z.B. Buscopan®) wird im Kindesalter aufgrund des hohen Nebenwirkungspotenzials sehr zurückhaltend eingesetzt!

Antidiarrhoika (bspw. Loperamid) werden nicht empfohlen! Antiperistaltische Medikamente wirken sogar kontraproduktiv, da der erregerhaltige Stuhl ausgeschieden werden soll!

Antibiotika sind nicht indiziert, da es sich um eine virale Infektion handelt!

Präventiontoggle arrow icon

Rotavirus-Schluckimpfung [2]

  • Die STIKO empfiehlt im Impfkalender die Lebendimpfung gegen Rotaviren mittels Schluckimpfung für alle Säuglinge unter 6 Monaten in 2–3 Impfdosen mit einem Mindestabstand von 4 Wochen
  • Beginn der Impfserie im Lebensalter von 6–12 Wochen
  • Je nach verwendetem Impfstoff zwei (Rotarix®) oder drei (RotaTeq®) Impfdosen im Mindestabstand von 4 Wochen (siehe auch: Rotavirus-Impfstoff)
  • Möglicherweise leicht erhöhtes Risiko für Darminvaginationen (ca.1–2 Fälle auf 100.000 geimpfte Kinder)
    • Risiko innerhalb der 1. Woche nach der 1. Rotaviren-Impfung erhöht
    • Risiko nimmt mit dem Alter der Impflinge zu
    • Deshalb (möglichst) frühzeitige Impfung
      • Beginn der Impfserie im Alter von ≤12 Wochen
      • Abschluss möglichst im Alter von ≤16 Wochen (Rotarix®) bzw. ≤22 Wochen (RotaTeq®)
      • Abschluss spätestens im Alter von ≤24 Wochen (Rotarix®) bzw. ≤32 Wochen (RotaTeq®)
    • Aufklärung der Eltern: Kind mit Invaginationssymptomen sofort notfallmäßig ärztlich vorstellen (bspw. bei schrillem Schreien mit Anziehen der Beine, Erbrechen oder blutigem Stuhl)
  • Ausscheidung des Impfvirus über den Stuhl (Maximum an Tag 7)
    • Übertragung auf Kontaktpersonen möglich, i.d.R. ohne klinische Symptome
  • Bei Immundefizienz bzw. -suppression: Absprache mit Immunologie empfohlen
  • Bei Rotaviren-Infektion vor oder während der Impfserie: Nach Genesung vollständig verabreichen
  • Nach Grundimmunisierung: Schutz für 2–3 Saisons

Da eine Übertragung des Impfvirus über den Stuhl möglich ist, sollte die Impfung von Säuglingen mit Kontakt zu immungeschwächten Personen nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen!

Rotavirus-Hygienemaßnahmen

Das Einhalten von Hygienevorschriften in medizinischen Einrichtungen und Gemeinschaftseinrichtungen sowie in Küchen steht nach wie vor im Vordergrund. Auf Oberflächen oder Handflächen hat das Virus eine lange Überlebenszeit. Für Patienten >6 Monate steht aktuell keine Impfung zur Verfügung.

Meldepflichttoggle arrow icon

  • Arztmeldepflicht
    • Nach § 6 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei Verdachts- oder Krankheitsfall einer Erreger-bedingten Lebensmittelvergiftung oder einer akuten infektiösen Gastroenteritis wenn
      • Eine Person aus der Lebensmittelbranche betroffen ist oder
      • ≥2 Personen von einem möglichen epidemischen Zusammenhang betroffen sind
    • Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen) ): Namentliche Arztmeldepflicht bei Krankheits- oder Todesfällen sowie bei Ausscheidern
  • Labormeldepflicht nach § 7 IfSG
  • Meldepflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 und § 34 (6) IfSG

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

  • A08.-: Virusbedingte und sonstige näher bezeichnete Darminfektionen

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Wigger, Stange: Medikamente in der Pädiatrie: Inklusive Neonatologie/ Intensivmedizin. 4. Auflage Urban & Fischer 2013, ISBN: 3-437-21454-3.
  2. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2021.
  3. Hoffmann et al.: Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. 4. Auflage Springer 2014, ISBN: 3-642-41865-1.
  4. Rotaviren, RKI-Ratgeber für Ärzte.Stand: 31. Juli 2013. Abgerufen am: 15. September 2016.
  5. Speer, Gahr: Pädiatrie. 4. Auflage Springer 2013, ISBN: 3-642-34268-x.