Zusammenfassung
- Autor: Prof. Dr. med. Stefan W. Krause, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO)
- Co-Autoren: Michael Oldenburg, Ulf Seifart, Michael Hallek, Andreas Neubauer
- Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) beteiligt sich an der Initiative „Klug entscheiden“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Dazu hat die DGHO eine Arbeitsgruppe „Klug entscheiden“ gegründet, die in Abstimmung mit dem Vorstand auf Basis aktueller Evidenz Empfehlungen vorgelegt hat. Die DGHO-Mitglieder wurden in einer Umfrage, auf die 492 Antworten eingegangen sind, in die Entwicklung der Empfehlungen einbezogen.
Übersicht
Initiative
Die Initiative „Klug entscheiden“ wurde 2015 von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ins Leben gerufen, inspiriert durch die amerikanische „Choosing Wisely“-Initiative. Ihr Ziel ist es, durch Aufklärung über Über- und Unterversorgung die medizinische Versorgung zu verbessern.
„Klug entscheiden“ fokussiert auf diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die entweder zu häufig oder zu selten angewendet werden – obwohl sie entweder nicht nötig oder tatsächlich erforderlich wären. Ziel ist es, die Qualität der Versorgung zu steigern.
Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen entstehen durch einen transparenten Prozess, der Vorschläge aus Fachgesellschaften sowie Konsensuskonferenzen mit Experten und Patientenvertretern umfasst. Diese Empfehlungen werden regelmäßig aktualisiert, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand der medizinischen Versorgung sind.
Die Empfehlungen basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und bestehenden Leitlinien.
Weitere Schwerpunkte
- DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Infektiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Gastroenterologie
- DGIM - Klug entscheiden in der internistischen Intensivmedizin
- DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Geriatrie
- DGIM - Klug entscheiden in der Palliativmedizin
Positiv-Empfehlungen
Antibiotika bei neutropenischem Fieber
Bei Patienten mit Fieber in der Neutropenie (Neutrophile < 0,5 G/Loder < 1 G/L mit sinkender Tendenz) soll nach der Abnahme von 2 unabhängigen Blutkulturen und ohne Zeitverzögerung durch weitere Diagnostik eine empirische Therapie mit Breitbandantibiotika begonnen werden.
- Fieber in Neutropenie bei Patienten mit Malignomen nach zytostatischer Chemotherapie wird zu einem erheblichen Anteil durch bakterielle Infektionen verursacht und ist eine wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität bei diesen Patienten (1).
- Die umgehende Einleitung einer empirischen antibiotischen Therapie ist deshalb indiziert (2).
- Die möglichst rasche Einleitung einer Antibiotikatherapie ist bei Patienten mit klinischen Zeichen einer Sepsis eindeutig belegt, Hinweise gibt es auch für die febrile Neutropenie insgesamt (3–4).
- Nur für einen Teil der Patienten wird im Verlauf ein verantwortliches infektiöses Agens gefunden.
- Für die Wahl des Antibiotikums sind das lokale Resistenzprofil sowie vorangegangene prophylaktische und therapeutische Antibiotikagaben zu berücksichtigen.
- Für die Entscheidung über das weitere Management sollte, z. B. anhand des MASCC-Score das Risiko für einen komplizierten Verlauf abgeschätzt werden.
1. Kuderer NM, et al.: Mortality, morbidity, and cost associated with febrile neutropenia in adult cancer patients. Cancer 2006; 106 (10): 2258–66.
2. Heinz WJ, et al.: Diagnosis and empirical treatment of fever of unknown origin (FUO) in adult neutropenic patients: guidelines of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society of Hematology and Medical Oncology (DGHO). Ann Hematol 2017; 96 (11): 1775–92.
3. Ferrer R, et al.: Empiric antibiotic treatment reduces mortality in severe sepsis and septic shock from the first hour: results from a guideline-based performance improvement program. Crit Care Med 2014; 42 (8): 1749–55.
4. Perron T, Emara M, Ahmed S: Time to antibiotics and outcomes in cancer patients with febrile neutropenia. BMC Health Serv Res 2014; 14: 162.
Palliativmedizin rechtzeitig einbeziehen
Patienten mit malignen Erkrankungen in palliativer Therapiesituation sollen Zugang zu einer spezifischen palliativmedizinischen Versorgung haben, wenn diese benötigt wird. Der Kontakt mit der Palliativmedizin soll rechtzeitig hergestellt werden, gegebenenfalls auch parallel zur tumorspezifischen Therapie.
- Trotz aller medizinischen Fortschritte verstirbt etwa die Hälfte der Krebspatienten an den Folgen ihrer Erkrankung.
- In der letzten Lebensphase stehen die Linderung von Beschwerden und das subjektive Wohlbefinden ganz im Vordergrund der Therapie.
- Für viele Patienten können diese Ziele besser erreicht werden, wenn ein spezialisiertes Palliativteam in der ambulanten oder stationären Versorgung an der Behandlung beteiligt wird (1).
- Ein Hinweis dafür, einem Patienten die Mitbetreuung durch die Palliativmedizin anzubieten, kann zum Beispiel sein, wenn die „surprise question“ verneint wird („wären Sie überrascht, wenn Ihr Patient innerhalb der nächsten 6 Monate versterben würde?“).
- Der Nutzen einer frühzeitigen palliativmedizinischen Intervention wurde in einer Studie bei Patienten mit fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen publiziert (2).
- Dies wurde für andere Diagnosen nicht gleichermaßen gezeigt (3–4).
- Eine palliativmedizinische Mitbetreuung bedeutet dabei nicht regelhaft den Verzicht auf eine antineoplastische Tumortherapie.
- Die Gewichtung tumorspezifischer und symptomorientierter Therapiemaßnahmen soll entsprechend den Zielen des Patienten und in enger Absprache zwischen den Fachdisziplinen erfolgen.
1. S3-Leitlinie: Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. Langversion 1.1 – Mai 2015. AWMF-Registernummer: 128/001OL.
2. Temel JS, Greer JA, Muzikansky A, Gallagher ER, Admane S, et al.: Early palliative care for patients with metastatic nonsmall- cell lung cancer. N Engl J Med 2010; 363: 733–42.
3. Zimmermann C, Swami N, Krzyzanowska M, Hannon B, Leighl N, et al.: Early palliative care for patients with advanced cancer: a cluster-randomised controlled trial. Lancet 2014; 383: 1721–30.
4. Gaertner J, Wolf J, Voltz R: Early palliative care for patients with metastatic cancer. Curr Opin Oncol 2012; 24: 357–62.
Psychoonkologischen Bedarf immer erheben
Bei Patienten mit malignen Erkrankungen soll der Bedarf für eine psychoonkologische Mitbetreuung evaluiert und gegebenenfalls eine solche Mitbetreuung in die Wege geleitet werden.
- Eine allgemeine hohe psychische Belastung (Distress), Ängste und Depressivität treten bei einem großen Teil der Krebspatienten auf, in einem niedrigeren Prozentsatz findet man psychische Störungen, die die Kriterien einer Nebendiagnose gemäß ICD-10/DSM-IV erfüllen (1).
- Die Erfassung der psychosozialen Belastung und der individuellen psychoonkologischen Behandlungsbedürftigkeit sollte frühzeitig und dann wiederholt im Krankheitsverlauf erfolgen.
- Hierfür sollten validierte Screening- Instrumente eingesetzt werden.
- Psychoonkologische Interventionen sollten entsprechend dem individuellen Bedarf in allen Sektoren der Versorgung sowie in allen Phasen der Erkrankung sowohl Krebspatienten als auch ihren Angehörigen qualitätsgesichert und möglichst wohnortnah angeboten werden (2–4).
- Ergänzend sollte bei entsprechenden Diagnosen eine Psychopharmakotherapie erfolgen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen im Hinblick auf die Verbesserung der Lebensqualität der
1. Zabora J, BrintzenhofeSzoc K, Curbow B, Hooker C, Piantadosi S: The prevalence of psychological distress by cancer site. Psychooncology 2001; 10: 19–28.
2. Schumacher A: Stellenwert der Psychoonkologie im neuen deutschen Gesundheitssystem. Der Onkologe 2004; 10: 98–102.
3. Holland JC, Breitbart WS, Jacobsen PB, Lederberg MS, Loscalzo MJ, McCorkle R, Herausgeber. Psycho-Oncology. New York: Oxford University Press; 2010.
4. S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten, Langversion 1. Januar 2014, AWMF-Registriernummer: 032/051OL.
Konsequente Schmerztherapie
Tumorschmerzen sollen konsequent nach dem WHO-Stufenschema behandelt werden. Hierzu gehören Schmerzanamnese, individuell titrierte Dauertherapie, Bedarfsmedikation sowie die Behandlung Morphin-induzierter Nebenwirkungen.
- Starke oder mittelstarke Tumorschmerzen treten bei 70 bis 80 % der Tumorpatienten im fortgeschrittenen Stadium auf.
- Bei den meisten können diese mit einer adäquaten Schmerztherapie deutlich gelindert werden (1–3).
- Daher sollen alle Ärzte, die mit der Versorgung onkologischer Patienten befasst sind, die entsprechenden Kenntnisse erwerben und in der täglichen Praxis konsequent anwenden.
- Hierzu gehört der Umgang mit Betäubungsmittelrezepten und den entsprechenden Regularien.
- Für Patienten, bei denen eine ausreichende Symptomkontrolle mit dem WHO Stufenschema nicht gelingt, sollte ein spezialisierter Schmerztherapeut oder Palliativmediziner zugezogen werden.
1. S3-Leitlinie: Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. Langversion 1.1 – Mai 2015. AWMF-Registernummer: 128/001OL.
2. Ventafridda V, et al.: A validation study of the WHO method for cancer pain relief. Cancer 1987; 59: 850–6.
3. Zeppetella G, Davies AN: Opioids for the management of breakthrough pain in cancer patients. Cochrane Database Syst Rev 2013; 10: CD004311.
Gemeinsame realistische Therapieplanung
Die Chancen und Risiken der Therapie müssen dem Patienten verständlich gemacht werden. Die Therapiestrategie soll unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen festgelegt werden.
- Es scheint selbstverständlich, dass der Arzt die Erkenntnisse der Evidenz- basierten Medizin zurate zieht und die medizinisch sinnvollen Optionen im Sinne eines „informed consent“ mit den individuellen Vorstellungen und Präferenzen des Patienten abgleicht.
- Bei diesem Prozess sollte dem Patienten der mögliche Nutzen und der mögliche Schaden der Therapieoptionen realistisch vermittelt werden. In der Praxis ist dies nicht immer einfach umzusetzen, weil unterschiedliche Wertvorstellungen und Erwartungen von Arzt und Patient sowie Zeitknappheit der Ärzte den Entscheidungsprozess erschweren können (1–2).
- Dies ist besonders ungünstig, wenn aus einer unrealistischen Hoffnung heraus Therapien begonnen oder fortgeführt werden, deren Nebenwirkungen den Nutzen überwiegen;
- oder wenn das Thema der Therapiebegrenzung nicht angesprochen wird, was zu belastenden (und kostenträchtigen) Maßnahmen in der letzten Lebensphase führen kann (3).
- Es ist deshalb ärztliche Aufgabe, den Patienten möglichst umfassend zu beraten und ihm gegebenenfalls zusätzliche palliativmedizinische oder psychoonkologische Betreuung anzubieten (s. a. Empfehlungen I1, I2 und II2).
1. Weeks JC, Catalano PJ, Cronin A, Finkelman MD, Mack JW, Keating NL, Schrag D: Patients’ expectations about effects of chemotherapy for advanced cancer. N Engl J Med 2012; 367: 1616–25.
2. Glare P, Virik K, Jones M, Hudson M, Eychmuller S, Simes J, Christakis N: A systematic review of physicians’ survival predictions in terminally ill cancer patients. BMJ 2003; 327: 195–8.
3. Earle CC, Neville BA, Landrum MB, Ayanian JZ, Block SD, Weeks JC: Trends in the aggressiveness of cancer care near the end of life. J Clin Oncol 2004; 22: 315–21.
Molekulare Tumordiagnostik konsequent durchführen
Eine molekulare Tumordiagnostik soll bei allen Patienten durchgeführt werden, bei denen diese eine relevante therapeutische Konsequenz hat.
- In den letzten Jahren wurden einige Erkrankungen oder Subgruppen von Erkrankungen definiert, bei denen aufgrund molekularer Veränderungen spezifisch wirksame Medikamente eingesetzt werden können (1–3). Ein bekanntes Beispiel ist die Bestimmung des BCR-ABL-Rearrangement bei der chronischen myeloischen Leukämie (und der zielgerichteten Therapie mit spezifischen Kinaseinhibitoren).
- Zum zweiten wurden molekulare Marker definiert, die eine Voraussage zur Prognose erlauben (4–5) oder über die die Resterkrankung unter Therapie quantifiziert werden kann, was dann wiederum die weiteren Therapieschritte beeinflusst.
- Wenn für solche molekularen Untersuchungen in Studien gezeigt werden konnte, dass sich aus den Resultaten patientenrelevante therapeutische Konsequenzen ergeben, sind die entsprechenden Untersuchungen auch in der klinischen Routine einzusetzen, um dem Patienten eine möglichst effektive Therapie anzubieten (s. a. Empfehlungen II4).
1. Baccarani M, Deininger MW, Rosti G, Hochhaus A, Soverini S, et al.: European LeukemiaNet recommendations for the management of chronic myeloid leukemia: Blood 2013; 122: 872–84.
2. Shaw A, Kim D, Nakagawa K, Seto T, Crinó L, et al.: Crizotinib versus chemotherapy in advanced ALK-positive lung cancer. N Engl J Med 2013; 20; 368: 2385–94.
3. Chapman P, Hauschild A, Robert C, Haanen JB, Ascierto P, Larkin J, et al.: BRIM-3 Study Group: Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation. N Engl J Med 2011; 364: 2507–16.
4. Allegra C, Jessup J, Somerfield M, Hamilton SR, Hammond EH, et al.: American Society of Clinical Oncology provisional clinical opinion: testing for KRAS gene mutations in patients with metastatic colorectal carcinoma to predict response to anti-epidermal growth factor receptor monoclonal antibody therapy. J Clin Oncol 2009; 27: 2091–6.
5. Zelenetz AD, Gordon LI, Wierda WG, Abramson JS, Advani RH, Andreadis CB, Bartlett N, Byrd JC, Czuczman MS, Fayad LE, Fisher RI, Glenn MJ, Habermann TM, Harris NL, Hoppe RT, Horwitz SM, Kelsey CR, Kim YH, Krivacic S, LaCasce AS, Nademanee A, Porcu P, Press O, Rabinovitch R, Reddy N, Reid E, Saad AA, Sokol L, Swinnen LJ, Tsien C, Vose JM, Wilson L, Yahalom J, Zafar N, Dwyer M, Sundar H; National comprehension cancer network. Chronic lymphocytic leukemia/small lymphocytic lymphoma, version 1.2015. J Natl Compr Canc Netw 2015; 13: 326–62.
Negativ-Empfehlungen
Umstellung Antibiotika bei persistierendem Fieber in Neutropenie
Bei klinisch stabilen Patientinnen und Patienten mit persistierendem Fieber in der Neutropenie soll keine routinemäßige Umstellung der empirischen Antibiotikatherapie erfolgen.
- Betroffene mit persistierendem Fieber in Neutropenie ohne ersichtliche Ursache stellen eine fachliche und emotionale Herausforderung dar.
- Oft erfolgt in dieser Situation eine sequenzielle Umstellung der antibiotischen Therapie.
- Die Präferenz aktiv zu handeln (action bias), ist ein bekannter negativer Einflussfaktor bei der Verordnung von Antibiotika (1).
- Dieses Vorgehen nutzt den Betroffenen nicht, sondern begünstigt Resistenzbildungen und das Auftreten von Nebenwirkungen (2).
- Entzündungswerte allein sind keine ausreichende Grundlage für eine Therapieumstellung (3).
- Klinikerinnen und Kliniker müssen wissen, dass die mittlere Zeit bis zur Entfieberung in der Neutropenie im Durchschnitt länger dauert; häufig 4–5 Tage (4).
- Bei klinisch stabilen Patientinnen und Patienten in Neutropenie soll trotz persistierenden Fiebers in Abwesenheit eines Erreger- oder Fokusnachweises keine Umstellung der initialen Antibiotikatherapie erfolgen, zumindest in den ersten 96 Stunden (2,4).
- Vielmehr sollte die klinische, laborchemische und mikrobiologische Fokus-/Erregersuche regelmäßig wiederholt werden – mit ergänzenden bildgebenden Untersuchungen je nach klinischer Situation –, um gegebenenfalls die Therapie gezielt anzupassen.
- Eine empirische Umstellung der antibiotischen Therapie ist nur bei klinischer Verschlechterung zu diskutieren (4).
- Bei > 96 h anhaltendem Fieber ist ein Computertomogramm des Thorax auch ohne respiratorische Symptome indiziert; bei respiratorischen Symptomen umgehend.
1. Thorpe A, Sirota M, Juanchich M, et al.: Action bias in the public’s clinically inappropriate expectations for antibiotics. J Exp Psychol Appl 2020; 26: 422–31.
2. Cometta A, Kern WV, De Bock R, et al.: Vancomycin versus placebo for treating persistent fever in patients with neutropenic cancer receiving piperacillin-tazobactam monotherapy. Clin Infect Dis 2003; 37: 382–9.
3. Wu CW, Wu JY, Chen CK, et al.: Does procalcitonin, C-reactive protein, or interleukin-6 test have a role in the diagnosis of severe infection in patients with febrile neutropenia? A systematic review and meta-analysis. Supportive Care Cancer 2015; 23: 2863–72.
4. Heinz WJ, Buchheidt D, Christopeit M, et al.: Diagnosis and empirical treatment of fever of unknown origin (FUO) in adult neutropenic patients: guidelines of the Infectious Diseases Working Party (AGIHO) of the German Society of Hematology and Medical Oncology (DGHO). Ann Hematol 2017; 96: 1775–92.
Antibakterielle Prophylaxe bei Neutropenie
Eine antibakterielle Prophylaxe soll bei Patientinnen und Patienten mit Neutropenie, die keine schwere Neutropenie (< 0,5 G/L) haben, und auch bei denjenigen, bei denen die Neutropenie bis zu 7 Tage andauert und keine zusätzlichen Risikofaktoren vorliegen, nicht durchgeführt werden.
- Das Konzept der antibiotischen Prophylaxe sollte vor dem Hintergrund global zunehmender bakterieller Resistenzen kritisch diskutiert werden (1).
- Aktuelle Studien zeigen, dass durch den Einsatz von Fluorchinolonen und damit einhergehendem Selektionsdruck das Auftreten resistenter Erreger im Darmmikrobiom gefördert wird (2).
- Im Verlauf kann es zudem zu einer Dominanz dieser Erreger im Mikrobiom kommen.
- Aufgrund vorliegender Barrierestörungen, etwa Schäden der Darmschleimhaut nach Chemotherapie, stellen Auftreten und Dominanz resistenter Erreger bei hämatologischen und onkologischen Patienten einen relevanten Risikofaktor für bakterielle Translokation mit nachfolgender Infektion dar (3)
- . Der Einsatz antibakterieller Prophylaxen kann das Auftreten von Fieber sowie bakteriellen Infektionen in Neutropenie nach Chemotherapie reduzieren, eine Verbesserung des Gesamtüberlebens ist jedoch nicht gesichert.
- Aktuelle Leitlinien empfehlen daher keine Prophylaxe für Patienten mit mäßig ausgeprägter Neutropenie (> 0,5 G/L) und für Patienten mit Neutropenie (< 0,5 G/L) und erwarteter Dauer ≤ 7 Tage (4).
- Bei erhöhtem Risiko für Fieber in der Neutropenie (> 20 % bezogen auf die Gesamttherapiedauer) sollte die prophylaktische Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor erwogen werden (4).
- Bei erwarteter Neutropeniedauer ≤ 7 Tagen (< 0,5 G/L) und Vorliegen relevanter zusätzlicher Risikofaktoren wie Herz- oder Niereninsuffizienz oder erster Zyklus einer intensiven Chemotherapie, sollte die Indikation zur Prophylaxe individuell nach Abwägen von Nutzen und Risiken gestellt werden.
- Auch bei prolongierter Neutropenie (> 7 Tage, < 0,5 G/L) wird eine Antibiotikaprophylaxe nicht mehr zwingend empfohlen, sondern sollte vom individuellen Risikoprofil abhängig gemacht werden 4.
1. European Antimicrobial Resistance Collaborators. The burden of bacterial antimicrobial resistance in the WHO European region in 2019: a cross-country systematic analysis. Lancet Public Health 2022; 7: e897–913.
2. Chong Y, Shimoda S, Miyake N, et al.: Incomplete recovery of the fecal flora of hematological patients with neutropenia and repeated fluoroquinolone prophylaxis. Infect Drug Resist 2017; 10: 193–9.
3. Vehreschild MJ, Hamprecht A, Peterson L, et al.: A multicentre cohort study on colonization and infection with ESBL-producing Enterobacteriaceae in high-risk patients with haematological malignancies. J Antimicrob Chemother 2014; 69: 3387–92.
4. Classen AY, Henze L, von Lilienfeld-Toal M, et al.: Primary prophylaxis of bacterial infections and Pneumocystis jirovecii pneumonia in patients with hematologic malignancies and solid tumors: 2020 updated guidelines of the Infectious Diseases Working Party of the German Society of Hematology and Medical Oncology (AGIHO/DGHO). Ann Hematol 2021; 100: 1603–20.
Parenterale Ernährung bei fortgeschrittener inkurabler Tumorerkrankung
Eine parenterale Ernährung ist bei fortgeschrittener inkurabler Tumorerkrankung mit Appetitverlust und eingeschränkter Lebenserwartung in der Regel nicht indiziert.
- „Nicht mehr essen können“ ist bei Patienten, Angehörigen, und auch bei medizinischem Personal mit großen Sorgen verbunden (1).
- Ungefähr die Hälfte der Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung leiden unter tumorbedingter Kachexie und diese kann zum Tod beitragen.
- Die Datenlage für die Behandlung der Tumorkachexie ist nicht ganz befriedigend (2).
- Existierende Leitlinien sind trotzdem hilfreich für die Entscheidungsfindung (3).
- Für die Therapieentscheidung ist die Festlegung des Krankheitsstadiums unerlässlich (4).
- Patienten mit einer noch längeren Lebenserwartung (> 3–6 Monate) und Chancen auf eine Verbesserung der onkologischen Situation durch therapeutische Maßnahmen können von einer Ernährungstherapie profitieren (3).
- Während grundsätzlich eine enterale Ernährung zu bevorzugen ist, rechtfertigt die derzeitige Studienlage bei anatomisch bedingtem Unvermögen, zum Beispiel HNO-Tumore, Stenosen bei gastrointestinalen Erkrankungen oder Peritonealkarzinosen, den Versuch, eine parenterale Ernährung einzuleiten (1,5).
- Bei einer kürzeren Lebenserwartung ist Zurückhaltung angebracht und bei einer Lebenserwartung von weniger als 1 Monat sollte die Symptomlinderung ganz im Vordergrund stehen (3).
- Das Vollbild einer Tumorkachexie in der letzten Lebensphase ist durch parenterale Ernährung nicht zu behandeln (6–7). Eine solche Therapie verbessert weder die Lebensqualität noch verlängert sie das Überleben (8).
- In der letzten Lebensphase einer Tumorerkrankung verspüren die Patienten in aller Regel keinen Hunger mehr und profitieren von einer adäquaten palliativmedizinischen Betreuung („comfort care“).
- Dabei sollten natürlich die Wünsche der Patienten und Angehörigen berücksichtigt und gegebenenfalls unrealistische Vorstellungen in Gesprächen entsprechend adressiert werden (9).
- Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien profitieren nicht nur nicht mehr von einer parenteralen Ernährung, sondern haben auch ein hohes Risiko für infusionstherapiebedingte Nebenwirkungen.
- Das hohe Risiko zeigte sich auch in einer kürzlich aktualisierten Metaanalyse, sogar über alle Krankheitsstadien hinweg (10).
1. Amano K, Baracos VE, Hopkinson JB: Integration of palliative, supportive, and nutritional care to alleviate eating-related distress among advanced cancer patients with cachexia and their family members. Crit Rev in Oncol Hematol 2019; 143: 117–23. CrossRef MEDLINE
2. Tobberup R, Thoresen L, Falkmer UG, et al.: Effects of current parenteral nutrition treatment on health-related quality of life, physical function nutritional status, survival and adverse events exclusively in patients with advanced cancer: A systematic literature review. Crit Rev Oncol Hematol 2019; 139: 96–107. CrossRef MEDLINE
3. Arends J, Strasser F, Gonella S, et al.: Cancer cachexia in adult patients: ESMO Clinical Practice. ESMO Open 2021; 6 (3): 100092. CrossRef MEDLINE PubMed Central
4. Orrevall Y: Nutritional support at the end of life. Nutrition 2015; 31: 615–6. CrossRef MEDLINE
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6. Arends J, Jordan K: Supplemental parenteral nutrition: decisions based on weak evidence. ESMO Open 2020; 5 (4): e000831. CrossRef MEDLINE PubMed Central
7. Raijmakers NJH, van Zuylen L, Costantini M, et al.: Artificial nutrition and hydration in the last week of life in cancer patients. A systematic literature review of practices and effects. Ann Oncol 2022; 22: 1478–86. CrossRef MEDLINE
8. Bouleuc C, Anota A, Cornet C, et al.: Impact on Health-related Quality of Life of Parenteral Nutrition for Patients with Advanced Cancer Cachexia: results from a Randomized Controlled Trial. Oncologist 2020; 25: e843–51. CrossRef MEDLINE PubMed Central
9. McCann RM, Hall WJ, Groth-Juncker A: Comfort care for terminally ill patients. The appropriate use of nutrition and hydration. JAMA 1994; 272: 1263–6. CrossRef MEDLINE
10. Chow R, Bruera E, Arends J, et al.: Enteral and parenteral nutrition in cancer patients a comparison of complication rates: an updated systematic review and (cumulative) meta-analysis. Support Care Cancer 2020; 28: 979–1010. CrossRef MEDLINE
Restriktive Erythrozytentransfusionen bei Anämie
Bei Indikation zur Transfusion von Erythrozyten bei Patienten mit chronischer Anämie sollten nicht mehr Einheiten gegeben werden, als notwendig sind, um einen sicheren Bereich zu erreichen.
- Ziel-Hämoglobin (Hb um 7 g/dl beziehungsweise 4,3 mmol/l abhängig von der Symptomatik bei stabilen Patienten ohne schwere kardiale Begleiterkrankung.
- Das Ziel einer Erythrozytentransfusion ist es, eine manifeste anämiebedingte Hypoxie zu vermeiden beziehungsweise zu therapieren (1).
- Bei Vorliegen klinischer Transfusionstrigger, wie kardiopulmonale oder vaskuläre Symptome, ist eine Transfusion indiziert.
- Bei Erreichen eines solchen klinischen Triggers liegt der Hb in der Regel zwischen 6 und 9 g/dl.
- Wird bei stabilen Patienten der Hb-Wert als Transfusionstrigger benutzt, dann führt eine restriktive gegenüber einer liberaleren Transfusionsindikationsstellung auch bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien oder soliden Tumoranämien zu keiner Verschlechterung der Letalität oder Morbidität, aber zu einer Abnahme der transfundierten Erythrozytenkonzentrate (2–3).
- In den meisten Studien mit restriktiver Indikationsstellung wurde ein Hb < 7 g/dl als Transfusionsindikation angenommen.
- Da die Transfusion von einem Erythrozytenkonzentrat bei einem normalgewichtigen Erwachsenen zu einem Hb-Anstieg um circa 1 g/dl führt, kann durch die Transfusion eines einzelnen Erythrozytenkonzentrats der Bereich der transfusionsinduzierenden Anämie verlassen werden, wenn nicht gleichzeitig eine akute Blutung oder eine Hämolyse vorliegen (4–5).
1. Beschluss der Bundesärztekammer über die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten, Gesamtnovelle 2020. Dtsch Arztebl 2020; 117 (40): A-1883/B-1603. VOLLTEXT
2. Carson JL, Sieber F, Cook DR, et al.: Liberal versus restrictive blood transfusion strategy: 3-year survival and cause of death results from the FOCUS randomised controlled trial. Lancet 2015; 385 (9974): 1183–89. CrossRef MEDLINE
3. Carson JL, Stanworth SJ, Denis JA, et al.: Transfusion thresholds for guiding red blood cell transfusion. Cochrane Database Syst Rev 2021; 12 (12): CD002042 CrossRef MEDLINE PubMed Central
4. Berger MD, Gerber B, Arn K, et al.: Significant reduction of red blood cell transfusion requirements by changing from a double-unit to a single-unit transfusion policy in patients receiving intensive chemotherapy or stem cell transplantation. Haematologica 2012; 97: 116–22. CrossRef MEDLINE PubMed Central
5. Leahy MF, Trentino KM, May C, et al.: Blood use in patients receiving intensive chemotherapy for acute leukemia or hematopoietic stem cell transplantation: the impact of a health system-wide patient blood management program. Transfusion 2017; 57: 2189–96. CrossRef MEDLINE
Keine Routine CT in der Lymphom-Nachsorge und bei CLL
Computertomographische (CT)- Untersuchungen und/oder Positronenemissionstomographien (PET) bei Patienten mit aggressivem Lymphom und Hodgkin-Lymphom ohne Symptome sollen in der Nachsorge nach Therapieende nicht routinemäßig durchgeführt werden. Routine-CT sind verzichtbar bei asymptomatischen Patienten mit CLL.
- Untersuchungen mittels CT sind unverzichtbar für die Therapieplanung und für die Beurteilung des Behandlungserfolgs maligner Lymphome.
- Diese Untersuchungen sind jedoch mit einem (geringen) kumulativen Risiko verbunden, selbst maligne Erkrankungen auszulösen.
- Sie bergen gleichzeitig das Risiko, irrelevante Zufallsbefunde zu detektieren, deren weitere Abklärung die Patienten beeinträchtigen kann; sie sind zeitaufwendig und verursachen Kosten.
- Diese Untersuchungen sollten deshalb nur dann eingesetzt werden, wenn sich aus den Befunden voraussichtlich eine therapeutische Konsequenz ergibt.
-
CT-Untersuchungen in der Nachsorge asymptomatischer Patienten nach Behandlung eines aggressiven Lymphoms oder eines Hodgkin- Lymphoms führen nur selten zur Diagnose eines Rezidives.
- Der viel größere Teil wird durch Symptome zwischen den Nachsorgeterminen bemerkt (1–7).
- Es gibt keine Hinweise dafür, dass eine etwas frühere Entdeckung von Rezidiven mittels CT bei asymptomatischen Patienten die Prognose verbessert.
- Viele Patienten mit CLL werden in einem asymptomatischen Stadium diagnostiziert.
- Die empfohlene Strategie für die Betroffenen ist die aktive Beobachtung, da es keine Belege dafür gibt, dass eine frühe Therapieeinleitung die Prognose verbessert.
- Indikationen für eine Therapieeinleitung ergeben sich aus klinischen Symptomen oder aus einer Verschlechterung des Blutbildes.
- Gemäß der klinischen Situation ist eine Bildgebung vor Therapieeinleitung und zur Kontrolle der Remission zu erwägen.
- Für den Nutzen einer CT in der asymptomatischen Phase oder in der Nachsorge gibt es keine Belege (8–10).
1. Dührsen U, Michael A. Fridrik MA, Schmitz N: Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom. Leitlinie der DGHO, 2014; www.onkope dia.com/de/onkopedia/guidelines/.
2. Zelenetz AD, Wierda WG, Abramson JS, Advani RH, Andreadis CB, et al.: National Comprehensive Cancer Network. National Comprehensive Cancer Network (NCCN) Clinical Practice Guidelines in Oncology: non-Hodgkin’s lymphomas: Version 1.2013. Fort Washington (PA): NCCN.2013.
3. Hodgkin Lymphom. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkin Lymphoms bei erwachsenen Patienten. Version 1.0, Februar 2013. AWMF Registernummer: 018/029OL.
4. Shenoy P, Sinha R, Tumeh JW, Lechowicz MJ, Flowers CR: Surveillance computed tomography scans for patients with lymphoma: is the risk worth the benefits? Clin Lymphoma Myeloma Leuk 2010; 10: 270–7.
5. Lin TL, Kuo MC, Shih LY, Dunn P, Wang PN, et al.: Value of surveillance computed tomography in the follow-up of diffuse large B-cell and follicular lymphomas. Ann Hematol 2012; 91: 1741–5.
6. Guppy AE, Tebbutt NC, Norman A, Cunningham D: The role of surveillance CT scans in patients with diffuse large B-cell non-Hodgkin’s lymphoma. Leuk Lymphoma 2003; 44: 123–5.
7. Dryver ET, Jernström H, Tompkins K, Buckstein R, Imrie KR: Follow-up of patients with Hodgkin’s disease following curative treatment: the routine CT scan is of little value. Br J Cancer 2003; 89: 482–6.
8. Oscier D, Dearden C, Eren E, Fegan C, Follows G, et al.: British Committee for Standards in Haematology: Guidelines on the diagnosis, investigation and management of chronic lymphocytic leukaemia. Br J Haematol 2012; 159: 541–64.
9. Scarfo L, Zibellini S, Tedeschi A, Maura F, Neri A, et al.: Impact of B cell count and imaging screening in cMBL: any need to revise the current guidelines? Leukemia 2012; 26: 1703–7.
10. Eichhorst BF, Fischer K, Fink AM, Elter T, Wendtner CM, et al.: Limited clinical relevance of imaging techniques in the followup of patients with advanced chronic lymphocytic leukemia: results of a meta-analysis. Blood 2011; 117: 1817–21.
Tumortherapie rechtzeitig beenden
Eine spezifische Therapie bei Patienten mit soliden Tumoren soll nicht durchgeführt werden, wenn alle der folgenden Kriterien vorliegen: a) schlechter Allgemeinzustand (WHO/ECOG > 2), b) kein Ansprechen bei vorherigen evidenzbasierten Tumortherapien, c) keine harte Evidenz, die den klinischen Nutzen weiterer Tumortherapie unterstützt.
- In einer solchen Situation ist mit großer Sicherheit zu erwarten, dass Patienten objektiv nicht von einer weiteren systemischen Tumortherapie profitieren werden.
- Deren Indikation ist auch dann kritisch zu prüfen, wenn nur ein oder zwei der Kriterien vorliegen. Trotzdem wird oft gegen diese Regel verstoßen, weil Patient und/oder Arzt unrealistische Hoffnungen in eine weitere Tumortherapie legen (1–2).
- Dies führt dazu, dass ein erheblicher Anteil an Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung bis kurz vor dem Lebensende mit Chemotherapie behandelt wird, obwohl sich dadurch die Lebenserwartung nicht verbessern lässt und die Lebensqualität aufgrund der Nebenwirkungen verschlechtert werden kann.
- Zudem besteht eine Korrelation zwischen einer bis ans Lebensende fortgesetzten Tumortherapie und weiteren intensiven Maßnahmen am Lebensende (3–4).
- In dieser Situation sollte der Wechsel zu einer symptomorientierten Versorgung vollzogen werden (5–8).
- Dieser Perspektivwechsel kann für Ärzte und Patienten eine große Herausforderung darstellen und erfordert Zeit für die notwendigen Gespräche.
1. Weeks JC, Catalano PJ, Cronin A, Finkelman MD, Mack JW, Keating NL, Schrag D: Patients’ expectations about effects of chemotherapy for advanced cancer. N Engl J Med 2012; 367: 1616–25.
2. Glare P, Virik K, Jones M, Hudson M, Eychmuller S, Simes J, Christakis N: A systematic review of physicians’ survival predictions in terminally ill cancer patients. BMJ 2003; 327: 195–8.
3. Earle CC, Neville BA, Landrum MB, Ayanian JZ, Block SD, Weeks JC: Trends in the aggressiveness of cancer care near the end of life. J Clin Oncol 2004; 22: 315–21.
4. Prigerson HG, Bao Y, Shah MA, Paulk ME, LeBlanc TW, et al.: Chemotherapy Use, Performance Status, and Quality of Life at the End of Life. JAMA Oncol 2015; 1: 778–84.
5. Azzoli CG, Temin S, Aliff T, et al.: 2011 focused update of 2009 American Society of Oncology clinical practice guideline update on chemotherapy for stage IV non–small cell lung cancer. J Clin Oncol 2011; 29: 3825–31.
6. Ettinger DS, Akerley W, Bepler G, et al.: Non-small cell lung cancer. J Natl Compr Canc Netw 2010; 8: 740–801.
7. Carlson RW, Allred DC, Anderson BO, et al.: Breast cancer. J Natl Compr Canc Netw 2009; 7: 122–92.
8. Engstrom PF, Benson AB 3rd, Chen YJ, et al.: Colon cancer clinical practice guidelines. J Natl Compr Canc Netw 2005; 3: 468–91.
Targeted therapy nicht unspezifisch einsetzen
Eine gezielte Tumortherapie (Targeted Therapy) soll nur gegeben werden, wenn die Tumorzellen des Patienten den spezifischen Biomarker aufweisen, der ein Ansprechen auf diese Substanz mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt.
- Gezielte Therapien sollen in den Tumorzellen genau an den Stellen angreifen, die für die maligne Transformation ursächlich notwendig sind.
- Im günstigsten Fall haben solche Substanzen dadurch weniger Nebenwirkungen bei höherer antitumoröser Effektivität.
- Eine Wirkung ist aber nur bei solchen Neoplasien zu erwarten, welche genau die entsprechende Genveränderung tragen, die das Ziel des Therapeutikums darstellt (1–3).
- Dies ist in der Regel nur eine Subgruppe einer histologisch definierten Tumorentität. Andere Mutationen können in Tumorzellen die Wirksamkeit von spezifischen Therapien aufheben; sie müssen daher vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden.
- Ohne entsprechend vorangestellte molekulare Diagnostik sollen solche Therapien daher nicht eingesetzt werden (s. a. Empfehlung I5)
1. Shaw A, Kim D, Nakagawa K, Seto T, Crinó L, et al.: Crizotinib versus chemotherapy in advanced ALK-positive lung cancer. N Engl J Med 2013; 20; 368: 2385–94.
2. Chapman P, Hauschild A, Robert C, Haanen JB, Ascierto P, Larkin J, et al.: BRIM-3 Study Group: Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation. N Engl J Med 2011; 364: 2507–16.
3. Le Tourneau C, Delord JP, Gonçalves A, Gavoille C, Dubot C, et al.: SHIVA investigators: Molecularly targeted therapy based on tumour molecular profiling versus conventional therapy for advanced cancer (SHIVA): a multicentre, open-label, proofof- concept, randomised, controlled phase 2 trial. Lancet Oncol 2015; 16: 1324–34.
G-CSF nur bei spezifischer Indikation einsetzen
Auf die Anwendung von G-CSF im Kontext einer Chemotherapie-induzierten Neutropenie soll in Situationen ohne belegten klinischen Nutzen verzichtet werden. Dies gilt insbesondere bei manifester Neutropenie (außer bei Infekt mit zusätzlichen Risikofaktoren) und prophylaktisch bei niedrigem Risiko einer febrilen Neutropenie (<20%).
- G-CSF und Derivate können die Neutropenie-Phase nach Chemotherapie verkürzen, verursachen aber spezifische Nebenwirkungen (insbesondere Knochenschmerzen) und Kosten.
- Sie sollten deshalb nur zum Einsatz kommen, wenn ein klinisch relevanter Nutzen belegt ist.
- Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Medikamente geplant prophylaktisch kurz nach Ende der Chemotherapie gegeben werden, denn dann kann die Infektrate in der Neutropenie verringert werden.
- Die Leitlinien empfehlen die Gabe von Wachstumsfaktoren für Zytostatika- Regime, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer febrilen Neutropenie bei über 20 % liegt (1).
- Bei Patienten mit höherem individuellem Risiko für Infektkomplikationen kann ihr Einsatz auch bei etwas weniger intensiven Regimen erwogen werden.
- Treten Infektionen bei manifester Neutropenie längere Zeit nach Chemotherapie auf, sollten Wachstumsfaktoren für solche Patienten erwogen werden, bei denen zusätzlich besondere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf vorliegen.
- Es gibt keine Belege dafür, dass die Gabe von G-CSF bei bereits manifester Neutropenie ohne Infekt einen klinischen Nutzen erbringt (2).
1. Smith TJ, Bohlke K, Lyman GH, Carson KR, Crawford J, et al.: American Society of Clinical Oncology. Recommendations for the Use of WBC Growth Factors: American Society of Clinical Oncology Clinical Practice Guideline Update. J Clin Oncol 2015, 33: 3199–212.
2. Hartmann LC, Tschetter LK, Habermann TM, Ebbert LP, Johnson PS, et al.: Granulocyte colony-stimulating factor in severe chemotherapy-induced afebrile neutropenia. N Engl J Med 1997, 336: 1776–80.