Zusammenfassung
Die Phimose ist eine angeborene oder erworbene Verengung der Vorhaut, die bei Säuglingen und Kleinkindern physiologisch ist. Eine pathologische Phimose (Persistieren der physiologischen Phimose über die Pubertät hinaus oder sekundäre Entstehung durch narbige Fixierung) bedarf einer Therapie. Diese kann konservativ, mit topischen Glucocorticoiden oder operativ durch eine Zirkumzision erfolgen.
Definition
Die Phimose wird definiert als angeborene oder erworbene Verengung des Präputiums mit daraus resultierender Unmöglichkeit der atraumatischen Retraktion über die Glans. [1][2]
- Relative Phimose: Zurückziehen des Präputiums erschwert
- Absolute Phimose: Zurückziehen des Präputiums nicht möglich
- Physiologische Phimose (Vorhautverklebung): Normaler Entwicklungszustand im Kindesalter, spontane Lösung bis zum Abschluss der Pubertät
- Pathologische Phimose
- Primäre Phimose: Persistieren der physiologischen Phimose über die Pubertät hinaus
- Sekundäre Phimose: Erworben durch narbige Fixierung
Epidemiologie
- Inzidenz [1][2][3]
- Physiologische Phimose: Insb. im Säuglings- und Kleinkindalter sehr verbreitet
- 90% mit 1 Jahr
- 9–20% mit 5–13 Jahren [3]
- Primäre Phimose: 1% mit 16–18 Jahren [3]
- Physiologische Phimose: Insb. im Säuglings- und Kleinkindalter sehr verbreitet
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Physiologische Phimose: Verklebung des inneren Blattes des Präputiums mit der Glans penis während der Embryonalentwicklung [2]
- Hypothese für Erweiterung der Vorhaut im Verlauf: Histologische Veränderungen in der Vorhaut, hormonelle Faktoren und Dehnung während der Erektion [3]
- Primäre Phimose: Unklar
- Sekundäre Phimose: Narbenbildung durch [1]
- Traumatische Manipulation oder Dehnung
- Infektionen
- Diabetes mellitus
- Adipositas
- Lichen sclerosus des Penis
Symptomatik
- Zurückziehen des Präputiums nicht möglich [2]
- Entstehung eines weißlichen (ischämischen) Schnürrings beim Versuch, die Vorhaut zurückzuziehen
- Ballonierung der Vorhaut an der Penisspitze bei Miktion
- Dyspareunie
- Schlechte Hygiene [1]
- Entzündungen, bspw. Balanitis
- Ggf. Narbenbildung mit fibrotischer, dicker, weißlicher Vorhaut (sekundäre Phimose) [3]
- Obstruktive Miktionsbeschwerden
- Bei Lichen sclerosus des Penis: Zusätzlich weißliche Plaques und Narben, ggf. auf Glans und Urethra übergehend
Differenzialdiagnosen
- Lichen sclerosus des Penis
- Kongenitale Anomalien
- Buried Penis [3]
- Megapräputium [3][4]
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Diagnostik
- Anamnese: Balanitis, Miktionsstörungen (ggf. mit Ballonierung der Vorhaut an der Penisspitze), Harnwegsinfekte, Paraphimose, Dyspareunie oder Schmerzen bei der Erektion [2]
- Körperliche Untersuchung
- Reponierbarkeit des Präputiums [3]
- Narben
- Entzündungszeichen
- Anzeichen eines Lichen sclerosus des Penis [3]
Die forcierte Retraktion einer engen Vorhaut bei Kindern sollte vermieden werden, um Narbenbildung und eine sekundäre Phimose zu verhindern! [3]
Therapie
Allgemeines [2][3]
- Ziel: Beschwerdefreiheit (vor Ende der Pubertät) und freie Reponierbarkeit (nach Ende der Pubertät)
- Indikation: Pathologische Phimose (primär und sekundär)
- Therapieprinzip
- Konservative Therapie (Therapie der 1. Wahl) meist ausreichend
- Operative Therapie bei Therapieversagen (oder als primäre Therapie bei ausgeprägter sekundärer Phimose, rezidivierenden Harnwegsinfekten oder obstruktiver Miktionsstörung) [1][2]
Eine Phimose ohne klinische Beschwerden ist bis zum Abschluss der Pubertät nicht therapiebedürftig!
Konservative Therapie [2]
- Lokale Glucocorticoide
- Dauer: Über 4(–8) Wochen
- Ab 2 Wochen nach Therapiebeginn: Regelmäßiger und vorsichtiger Versuch die Vorhaut zurückzuziehen
- Bei fehlendem Erfolg: Indikation zur Zirkumzision
- Wirkstoffe
- Clobetasol (Off-Label Use), nicht bei Kindern <3 Jahren
- Darreichungsformen: Lokale Applikation
- Standarddosierung (jedes Alter):
- Alternativ: Betamethason 0,06% und Mometasonfuroat 0,1% topisch
- Clobetasol (Off-Label Use), nicht bei Kindern <3 Jahren
- Erfolgsrate: 75–90%
Schwere Narben und Plaques sprechen oft schlecht auf die konservative Therapie an, weshalb hier eine primäre Zirkumzision zu erwägen ist!
Operative Therapie
- Indikationen: Phimose nach erfolgloser (oder mit wenig erfolgversprechender) konservativer Therapie
- Lichen sclerosus des Penis mit ausbleibender oder unvollständiger Remission nach 3-monatiger hochpotenter Corticoidtherapie [2]
- Medizinisch nicht-indizierte Beschneidungen sind im Beschneidungsgesetz geregelt (unter Tipps & Links)
- Patientenwunsch
- Kontraindikationen
- Urogenitale Fehlbildungen, bei denen die Vorhaut zur Rekonstruktion benötigt wird
- Akute Balanitis
- Gerinnungsstörungen
- Prozedere
- Zirkumzision mit Frenulumplastik und vollständiger oder partieller Vorhautentfernung
- Kinder: Immer Allgemeinanästhesie in Kombination mit Regionalanästhesie
- Für das allgemeine perioperative Management bei Kindern siehe: Grundlagen der Kinderanästhesie
- Erwachsene: Lokalanästhesie durch Peniswurzelblock, alternativ Spinalanästhesie
- Das Resektat soll histologisch untersucht werden [2]
Radikale Zirkumzision (mit vollständiger Vorhautentfernung) [2]
- Chirurgische radikale Zirkumzision (in jedem Alter möglich)
- Radikale Zirkumzision mit Hilfsmitteln
- Plastibell-Technik® (im Säuglings- und Neugeborenenalter möglich)
- Schieben eines Plastikrings zwischen Glans und Vorhaut (dabei Lösen von Verklebungen)
- Dissektionsligatur über der Vorhaut
- Resektion der darüber liegenden Vorhaut
- Verheilen der miteinander verklebenden Wundränder der Vorhautblätter ohne Naht
- Weicher Salbenverband
- Guillotine-Technik
- Besondere Komplikationen: Nicht-zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis oder sogar akzidentelle Glans(teil)amputation oder vollständige Entfernung der Penisschafthaut
- Plastibell-Technik® (im Säuglings- und Neugeborenenalter möglich)
Vorhaut-erhaltende Zirkumzision [2]
- „Triple Incision“ (Welsch-Plastik)
- Inzision des Schnürrings an 2–3 Stellen
- Vernähen der rautenförmigen Läsionen quer zur Schnittrichtung
- Erweiterung der Vorhautenge mit Erhaltung eines großen Vorhautanteils
- Weicher Salbenverband
- Besondere Komplikationen: Rezidivrisiko bis zu 20%, nicht-zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis
Bei partieller Zirkumzision besteht ein Rezidivrisiko!
Siehe auch OP-Video Zirkumzision in Kooperation mit der GESRU
Komplikationen
Allgemeine Komplikationen der Phimose
- Harnwegsinfektion
- Balanitis
- Obstruktive Miktionsbeschwerden
- Harnverhalt
- Peniskarzinom
- Erhöhte Übertragung von Geschlechtskrankheiten
- Erhöhtes Risiko für Zervixkarzinom bei Sexualpartnerin
Paraphimose („Spanischer Kragen“) [1][2]
- Definition: Zirkuläre Einengung mit Schwellung und Minderdurchblutung der Glans durch die zurückgestreifte Vorhaut aufgrund einer Phimose (urologischer Notfall!)
- Klinisches Bild
- Therapie
- Manuelle Reposition
- Lokalanästhesie mit Peniswurzelblock, bei Kindern: Analgosedierung erwägen
- Kompression der Glans und Reposition der Vorhaut oder
- Auspressen des Ödems und vorsichtige Reposition der Vorhaut
- Chirurgische Therapie (bei Versagen der manuellen Reposition)
- Dorsale Inzisur des Schnürrings proximal der Glans (und im Verlauf Zirkumzision)
- Zirkumzision
- Manuelle Reposition
Komplikationen der Zirkumzision [2]
- Häufigkeit: Bis zu 5%
- Häufig
- Nachblutung
- Ödeme
- Wundinfektionen
- Sekretion
- Penisdeviation
- Verdickte Vorhautreste
- Sensibilitätseinschränkungen
- Im Neugeborenenalter zusätzlich: Meatusstenose
- Selten
- Ungewollte Glans(teil)amputation oder vollständige Entfernung der Penisschafthaut (insb. nach Klemmenresektion)
- Nicht-zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis
- Rezidiv bei vorhauterhaltender Zirkumzision
- Urethrokutane Fistel
- Häufig
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
OP-Video Zirkumzision - in Kooperation mit der GeSRU
Siehe: Zirkumzision - GeSRU-Operationsvideos
Kooperation zwischen AMBOSS und der GeSRU [5]
Die durch die GeSRU bereitgestellten Lehrvideos für Operationen bzw. interventionelle Verfahren werden auch den AMBOSS-Nutzern zur Verfügung gestellt. Dadurch gewinnen neben Urologen auch Medizinstudenten und Ärzte anderer Disziplinen einen detaillierten Einblick in die Vorgehensweisen. Die GeSRU als Vereinigung urologischer Weiterbildungsassistenten fördert in Kooperation mit der DGU Nachwuchs für die Forschung in urologischen Themengebieten und stellt Ressourcen zur Weiterbildung zur Verfügung.
GeSRU-StepS! ist eine offen zugängliche urologische Lehrvideoplattform, die qualitativ hochwertige Operationsvideos nach einem einheitlichen Konzept bereitstellt, um besonders die operative Ausbildung urologischer Assistenzärzte zu unterstützen.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N47: Vorhauthypertrophie, Phimose und Paraphimose
- Inklusive: Präputiale Adhäsion, Vorhautverengung
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.