Abstract
Das Reizdarmsyndrom ist eine sehr häufige Erkrankung, unter der fast jeder zweite Patient mit Magen-Darm-Beschwerden leidet. Klinisch liegen unspezifische Veränderungen des Stuhlgangs (Diarrhö und/oder Obstipation) und abdominelle Beschwerden (diffuse Schmerzen, Druckgefühl) vor. Da die Erkrankung eine Ausschlussdiagnose darstellt, müssen zunächst somatische Erkrankungen abgeklärt werden - Voraussetzung für die Diagnosestellung sind unauffällige laborchemische, bildgebende und mikrobiologische Befunde. Die Therapie kann in einer Änderung der Essgewohnheiten, der Gabe von Spasmolytika und vor allem der Aufklärung über die Harmlosigkeit der Erkrankung bestehen.
Epidemiologie
- Frauen deutlich häufiger als Männer betroffen
50% der Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden leiden unter einem Reizdarmsyndrom!
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Pathophysiologie
Die zugrundeliegende Pathophysiologie ist noch nicht verstanden. Festgestellt wurde bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eine verstärkte motorische Darmaktivität und eine viszerale Hypersensitivität (evtl. verursacht durch erhöhte Endorgansensitivität oder ZNS-Modulation). Die gastrointestinale Symptomatik wird durch Stress und Ärger verstärkt. Darminfektionen können ebenfalls ein Reizdarmsyndrom zur Folge haben.
Symptome/Klinik
- Diffuse Bauchschmerzen im gesamten Magen-Darm-Trakt möglich
- Druck- und Völlegefühl nach den Mahlzeiten, Blähungen
-
Obstipation, Diarrhö
- Dünnflüssige, häufige Darmentleerungen
- Ggf. mit Schleimbeimengungen
- Stuhldrang, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
- Besserung des abdominellen Druck- und Völlegefühls nach Darmentleerung
- Schafskotartige Stühle
Warnhinweise, die gegen das Reizdarmsyndrom sprechen, sind nächtliche Diarrhö, Fieber, Blut im Stuhl und Gewichtsverlust!
Verlaufs- und Sonderformen
Reizmagen-Syndrom
- Klinik
- Unspezifische Oberbauchbeschwerden
- Völlegefühl
- Frühe Sättigung
- Diagnostik: Ausschluss somatischer Erkrankungen
Diagnostik
- Anamnese
- Keine nächtliche Diarrhö
- Kein Gewichtsverlust
- Siehe: „Symptomatik“
- Blutuntersuchung
- Blutbild unauffällig
- Normwerte für: CRP, BSG, Pankreasenzyme, Leberenzyme
- Ggf. Bestimmung von Transglutaminase-Antikörper
- Stuhluntersuchung
- Keine Blutbeimengungen, negativer Stuhltest auf okkultes Blut
- Unauffällige bakteriologische/parasitologische Stuhldiagnostik
- Evtl. weitere Ausschlussdiagnostik
- Sonographie
- Digital rektale Untersuchung
- Koloskopie
- Diagnosestellung nach aktueller S3-Leitlinie: Ein Reizdarmsyndrom liegt vor, wenn die folgenden drei Punkte erfüllt sind:
- Es bestehen chronische, länger als drei Monate anhaltende, darmbezogene Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen, Blähungen), die in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen
- Es liegt aufgrund der Symptome eine relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität vor
- Es liegen keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vor, die die Symptomatik erklären könnten
Das Reizdarmsyndrom ist eine Ausschlussdiagnose: Somatische Erkrankungen müssen zunächst abgeklärt werden!
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
- Ärztliche Aufklärung über Harmlosigkeit des Reizdarmsyndroms
- Autogenes Training
- Evtl. diätetische Maßnahmen (ballaststoffreiche Kost, reichlich Flüssigkeit)
- Ggf. Probiotika (Arzneizubereitungen mit lebenden Mikroorganismen, bspw. Lactobacillus, Bifidobacterium- oder Hefe-Spezies)
- Ggf. kurzfristig Spasmolytika bei Schmerzen (z.B. Mebeverin, Butylscopolamin oder auch Pfefferminz- und Kümmelöl)
- Insb. bei Vorliegen einer psychischen Komorbidität (Depression, Angststörung) können Antidepressiva verschrieben werden
- Stehen Obstipation und Schmerzen im Vordergrund: Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
- Stehen Diarrhö und Schmerzen im Vordergrund: Trizyklische Antidepressiva [1]
Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
- K58.-: Reizdarmsyndrom
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.