Abstract
Östrogen ist eines der wichtigsten weiblichen Sexualhormone. Das Steroidhormon wird hauptsächlich in den Ovarien (weniger auch z.B. in Nebennierenrinde und Fettgewebe) durch Umwandlung von Androgenen gebildet und zyklusabhängig ausgeschüttet. Östrogen ist zur Ausprägung und Aufrechterhaltung der primären und sekundären Geschlechtsorgane essenziell, wirkt aber auch an multiplen anderen Organsystemen im Körper (z.B. Knochenstoffwechsel, Blutgerinnung, Leber). Im Rahmen des Klimakteriums kommt es zu einer Abnahme des Östrogenspiegels mit entsprechenden körperlichen Veränderungen. Auch Männer produzieren Östrogene, physiologischerweise überwiegt jedoch die Androgenwirkung. Kommt es aber zu einem hormonellen Ungleichgewicht, kann sich beispielsweise eine Gynäkomastie - eine Vergrößerung der Brustdrüse beim Mann - ausbilden.
Allgemeines
Östrogen fördert die sexuelle Entwicklung der Frau und stimuliert die Reifung/Ausprägung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale.
Synthese
- Synthese im Rahmen des hormonellen Zyklus in den Granulosazellen des Ovars
- LH: Stimulation der Androgensynthese (zunächst in den Thekazellen des Ovars)
- FSH: Stimulation der Umwandlung dieser Androgene in Östrogene
- Umwandlung von Androgenen (Testosteron) in Östrogene durch das Enzym Aromatase
- Östrogenproduktion auch in anderen Geweben möglich, die das Enzym Aromatase besitzen, v.a.
- Formen: Östradiol (Estradiol), Östron (Estron), Östriol (Estriol)
Adipositas führt zu einer vermehrten Östrogensynthese in den Fettzellen und ist dadurch ein wichtiger Risikofaktor für Mamma- und Endometriumkarzinome!
Wirkung
Genital
- Uterus: Östrogene bewirken die Proliferation des Endometriums; die Kontraktilität des Myometriums und die Empfindlichkeit für Oxytocin werden erhöht → Vorbereitung der Nidation
- Zervix: Vermehrte Produktion und Spinnbarkeit des Zervixschleims, Weitstellung der Zervix → Erleichterung der Spermienaszension
- Vagina: Vermehrte Proliferation des Plattenepithels
- Mamma: Entwicklung der Brustdrüse
- Genitalregion: Intimbehaarung und Pigmentierung
Extragenital
- Knochen: Knochenaufbau über Hemmung der Osteoklasten und Aktivierung der Osteoblasten, Schluss der Epiphysenfugen [1]
- Gefäßsystem: Protektiver Effekt (positiver Effekt auf Fettstoffwechsel, antihypertensiv)
- Blutgerinnung: Erhöhte Thrombose- und Gerinnungsneigung
- Weibliche Fettverteilung
- Niere: Wasser- und Natriumretention erhöht → Wassereinlagerung
- Proteinsynthese: Verstärkt (anabole Wirkung)
- Leber: Verminderung der Bilirubinausscheidung
Nebenwirkungen
- Mögliche Nebenwirkungen eines erhöhten Östrogenspiegels durch endogene Produktion oder medikamentöse Gabe
- Gewichtszunahme (Wassereinlagerung)
- Übelkeit, Erbrechen
- Hepatotoxizität
- Vergrößerung der Mammae (Gynäkomastie beim Mann, s. unten), Galaktorrhö
- Erhöhte Thromboseneigung → Vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse
- Depressive Verstimmung
- Änderung der Stimmlage
- Einfluss auf das Risiko von Karzinomen bei
- Hormonsubstitution in der Menopause
- Endometriumkarzinom↑ (bei Östrogen-Monotherapie) [2]
- Ovarialkarzinom↑ [2][3]
- Kolorektales Karzinom↓ [2][4]
- Mammakarzinom: Möglicherweise↑ [2]
- Hormoneller Kontrazeption (Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate)
- Ovarial-, Endometrium- und Kolonkarzinom↓
- Zervixkarzinom↑ [5]
- Mammakarzinom: Unklar [6][7]
- Hormonsubstitution in der Menopause
Erhöhte Thromboseneigung!
Östrogenmangel
Siehe Klimakterium
Gynäkomastie
Echte Gynäkomastie
- Definition: Vermehrung von Brustdrüsengewebe beim Mann
- Ätiologie [8][9]
- Erhöhter Östrogenspiegel: Z.B. bei Adipositas , Hormontherapie eines Prostatakarzinoms, östrogenproduzierenden Hodentumoren oder Pathologien von Hypothalamus/Hypophyse
- Mangel an Androgenen: Hypogonadismus
- Medikamentennebenwirkungen: Z.B. Spironolacton
- Verminderter Östrogenabbau: Z.B. bei Leberzirrhose
- Bei Allgemeinerkrankungen : Z.B. bei terminaler Niereninsuffizienz
- Bei malignen Hodentumoren
- Häufig wird keine Ursache gefunden
- Diagnostik
-
Körperliche Untersuchung
- Tastuntersuchung der Brust
- Tastuntersuchung des Hodens
- Labor
- Hormonbestimmung: LH und FSH, Prolaktin, Testosteron, Östradiol
- Weitere Laborwerte: Leber- und Nierenwerte , β-HCG und AFP
- Ggf. Chromosomenanalyse
- Bildgebung
-
Körperliche Untersuchung
- Therapie
- Therapie der Grunderkrankung
- Symptomatisch: Subkutane Mastektomie möglich
- Differenzialdiagnosen: Männlicher Brustkrebs
Falsche Gynäkomastie [9]
- Definition: Lipomastie (Fetteinlagerung) in die Brust bei Adipositas
- Ätiologie: Adipositas
- Therapie: Gewichtsabnahme
Physiologische Gynäkomastie
- Bei Neugeborenen
- Während der Pubertät
- Im höheren Lebensalter
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- N62: Hypertrophie der Mamma [Brustdrüse]
- Inklusive: Gynäkomastie
-
Hypertrophie der Mamma:
- massiv, pubertätsbedingt
- o.n.A.
-
Hypertrophie der Mamma:
- Inklusive: Gynäkomastie
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.