Abstract
Ein stenosierendes oder verschließendes Blutgerinnsel in einer tiefen Vene (Phlebothrombose) entsteht meist infolge einer Veränderung der Blutzusammensetzung (Hyperkoagulation), der Strömungsverhältnisse (Stase) oder durch eine Endothelschädigung. Diese sog. Virchow-Trias wird wiederum durch bestimmte Risikofaktoren begünstigt, von denen insb. die Immobilisation, Malignome und eine zuvor stattgehabte Thrombose zu nennen sind. Klinisch zeigt sich die Erkrankung durch Schwellung, Druckschmerz und Zyanose der betroffenen Extremität. Diagnostisch stellt die Farbduplex-Kompressionssonografie den Goldstandard dar, mittels derer sich Ausmaß und Lokalisation der Erkrankung nachweisen lassen. Bei der laborchemischen Bestimmung der D-Dimere ist zu beachten, dass diese bei negativem Ergebnis eine Thrombose (oder Lungenembolie) weitgehend ausschließen können – ein positives Ergebnis hingegen ist unspezifisch und kann viele Ursachen haben. Es weist also keinesfalls eine Thrombose nach. Therapeutisch steht eine Antikoagulation im Vordergrund, die i.d.R. zunächst mit Heparin in therapeutischer Dosis durchgeführt wird. Im Verlauf erfolgt dann unter Beachtung der Kontraindikationen meist eine Umstellung auf orale Antikoagulantien (z.B. Cumarine). Die Behandlungsdauer richtet sich u.a. nach Risikofaktoren, Komorbidität und aktuellem Befund.
Beim Auftreten von Luftnot, Kollapsereignissen oder plötzlicher Verschlechterung des Allgemeinzustandes sollte immer an die Möglichkeit einer Lungenembolie gedacht werden, die im Rahmen der tiefen Venenthrombose durch Verschleppung von Thrombusanteilen über die venöse Strombahn entstehen kann. Die Lungenembolie wird in einem separaten Kapitel behandelt.
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Ätiologie
Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose
- Positive Anamnese → ca. 30-fache Risikosteigerung
- Immobilisation → ca. 20-fache Risikosteigerung
- Adipositas (BMI >30)
- Alter >60 Jahre
- Aktive Malignome, insb. Magen, Pankreas, Lunge, Lymphome, gynäkologische und urologische Tumoren
- Antiphospholipid-Syndrom
- Östrogentherapie → Rauchen potenziert das Thromboserisiko im Zusammenhang mit einer Östrogentherapie
- Schwangerschaft und Wochenbett bis zu sechs Wochen postpartal
- Für tiefergehende Informationen: Siehe Indikationen für eine Thromboseprophylaxe
Alleine eine Immobilisation (bspw. postoperativ, bei Langstreckenflug oder Verletzungen mit eingeschränkter Mobilität) führt zu einer ca. 20-fachen Risikosteigerung für eine Thrombose!
Weitere Zustände mit erhöhtem Thromboserisiko
Bei vielen Erkrankungen können qualitative und quantitative Veränderungen der Gerinnungsfaktoren und ihrer Interaktion bestehen. Eine Erkrankung kann aber auch eine verminderte Mobilität des Patienten oder veränderte Flusssituationen des Blutes verursachen und so das Thromboserisiko verändern.
- Chronische Erkrankungen
- Herzinsuffizienz (ab NYHA III)
- Erkrankungen, die zu einer erhöhten Blutviskosität führen
- Hämatologisch: Essenzielle Thrombozythämie, Morbus Waldenström, Polycythaemia vera, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
- Exsikkose und Hypovolämie: Häufig iatrogen durch (forcierte) Diuretikatherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz
- Rheumatologische Erkrankungen: Vor allem bei Lupus erythematodes, Morbus Behcet und Granulomatose mit Polyangiitis
- Nephrotisches Syndrom
- Respiratorische Insuffizienz bei COPD
- Patienten mit arteriosklerotischen Erkrankungen (Schlaganfall und/oder Myokardinfarkt in der Anamnese)
- Infektionen
- Infektionen über zentralvenöse Kathetersysteme (auch Portkatheter) oder intravenösem Drogenabusus
- Sepsis und systemische Infektionszustände
- Medikamente: HIT Typ II
- Labor: Hyperhomocysteinämie
Eine Thrombose, die sich klar einem erworbenen Risikofaktor zuordnen lässt, wird als provozierte Thrombose bezeichnet. In anderen Fällen liegt eine unklare Ätiologie vor – man spricht auch von idiopathischen Thrombosen!
Hereditäre Thrombophilie (autosomal-dominant vererbt)
Neben den Risikofaktoren für eine Thrombose im Sinne einer erworbenen Thrombophilie bestehen genetisch determinierte, sog. primäre Formen der Thrombophilie. Eine Gemeinsamkeit der in der Tabelle dargestellten gängigsten primären Thrombophilien ist der autosomal-dominante Vererbungsmodus.
Defekt | Prävalenz in Normalbevölkerung | Relatives Risiko für Erstereignis Thromboembolie (und für eine Rezidivthrombose ) |
---|---|---|
APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation) | Heterozygotie: ca. 5% | Heterozygotie: ca. 8-fach (ca. 1,4-fach) |
Homozygotie: <1% | Homozygotie: ca. 80-fach (ca. 4-fach) | |
Faktor-VIII-Erhöhung | ca. 5% | ca. 7-fach (gleich) |
Prothrombin-Mutation | ca. 3% | Heterozygotie: ca. 3-fach (ca. 1,4-fach) |
Homozygotie: ca. 50-fach | ||
Protein S-Mangel | ca. 1% | ca. 8-fach (ca. 2,5-fach) |
Protein C-Mangel | <1% | |
Antithrombin-Mangel | ca. 0,1% | |
Angelehnt an Coppola A et al., Inherited thrombophilia: implications for prevention and treatment of venous thromboembolism, Semin Thromb Hemostas, 2009 |
- Sehr selten: Hereditärer Plasminogenmangel
Klassifikation
Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Venenthrombose nach Wells [1]
Der Kanadier Phil Wells hat sowohl einen Score für die Wahrscheinlichkeit einer tiefen Beinvenenthrombose als auch den als Wells-Score bekannten Score für die Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie entwickelt.
Wells-Score bei Phlebothrombose (TVT) | Punkte | |
---|---|---|
Anamnese |
| 1 |
| 1 | |
Immobilisation |
| 1 |
| 1 | |
Klinik am betroffenen Bein | 1 | |
| 1 | |
| 1 | |
| 1 | |
| 1 | |
Differenzialdiagnostik |
| -2 |
Interpretation: ≥2: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch; <2: Wahrscheinlichkeit für TVT nicht hoch |
Bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose soll bei ambulanten Patienten vor weiteren Maßnahmen basierend auf Anamnese und körperlicher Untersuchung eine Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit erfolgen. Hierzu eignet sich insbesondere der weit verbreitete Wells-Score. Abhängig von der klinischen Wahrscheinlichkeit soll die Akuttherapie wie auch der weitere diagnostische Prozess erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme 2)
Phlebothrombose-Risikorechner (Wells-Score)
Lokalisation der Beinvenenthrombose (Etagenmodell)
Im klinischen Sprachgebrauch ist das Etagenmodell weiterhin bedeutsam. Dabei werden Becken, Oberschenkel, Knie und Unterschenkel jeweils als Etagen gesehen – insg. also vier. Betrifft eine Thrombose mehrere dieser Etagen, wird von einer Mehretagenthrombose gesprochen
- Beckenvenenthrombose (oberhalb des Ligamentum inguinale): ca. 10–20%
- Oberschenkelvenenthrombose (zwischen Lig. inguinale und Fossa poplitea): ca. 50%
- Popliteavenenthrombose (im Bereich der Fossa poplitea bis zur Trifurkation in die Unterschenkelvenen ) : ca. 10–20%
- Unterschenkelvenenthrombose (unterhalb der Trifurkation): ca. 20–30% der Thrombosen
Als Faustregel kann man sich einprägen: Je proximaler eine Thrombose, desto höher das Embolie- und Rezidivrisiko!
Pathophysiologie
Virchow-Trias
Die Virchow-Trias beschreibt die drei wesentlichen pathophysiologischen Ursachen, die zur Entstehung einer Thrombose führen.
- Schädigung des Gefäßendothels: Entzündlich, traumatisch
- Herabsetzung der Blutströmungsgeschwindigkeit: Varizen, äußerer Druck auf Extremität, Immobilisation (postoperativ, Langstreckenreise, Bettlägerigkeit), lokale Wärmeanwendung
- Veränderungen der Blutzusammensetzung: Hyperkoagulabilität, gesteigerte Adhäsionstendenz der Thrombozyten, erblich oder medikamentös bedingte Verstärkung der Blutgerinnung, Thrombophilie
Thrombosen des linken Beines häufiger: Aufgrund anatomischer Gegebenheiten, die zu einer Herabsetzung der Blutströmungsgeschwindigkeit führen, ereignet sich eine tiefe Beinvenenthrombose häufiger auf der linken als auf der rechten Seite. Dies liegt an einer Kompression der linken Vena iliaca communis durch die rechte Arteria iliaca communis (Überkreuzungsphänomen) sowie an einer gehäuft auftretenden bindegewebigen Endothelveränderung im Lumen der linken Beckenvene (Venensporn nach May, bei ca. 20% der Erwachsenen).
Entstehung von Thrombosen
- Häufigster Entstehungsweg
- Aszendierende Thrombose
- Seltenere Entstehungswege
- Transfasziale Thrombose
- Deszendierende Beckenvenenthrombose
Abheilung einer Thrombose
- Die physiologischen Vorgänge von Entzündungsreaktion, Fibrinolyse und bindegewebiger Vernarbung bei Abheilung einer Thrombose werden auch unter dem Begriff der Organisation zusammengefasst. Eine Organisation mündet nicht immer in einer vollständigen Rekanalisierung der thrombosierten Vene.
- Zunächst entzündet sich das umgebende Gewebe, in der Folge setzt die körpereigene Fibrinolyse ein.
- Durch die Stase, den präthrombotisch-distal erhöhten venösen Druck und den entzündlich-fibrotischen Umbau verlieren die Venenklappen ihre Funktion → Folge ist ein postthrombotisches Syndrom, welches wiederum einen Risikofaktor für ein Thromboserezidiv darstellt
Symptome/Klinik
- Betroffenes Bein
- Allgemein: Plötzlich auftretende Luftnot, Schwindel- und Schwächegefühl bei einer Lungenembolie
Die klinische Symptomatik ist nicht zuverlässig! Bei klinischem Verdacht auf eine Thrombose kann nur in der Hälfte der Fälle eine Thrombose nachgewiesen werden. Nicht selten tritt eine Thrombose durch Tachypnoe und/oder Thoraxschmerzen als Symptome einer Lungenembolie zutage!
Verlaufs- und Sonderformen
Im Folgenden sind seltene Formen mit besonderem Verlauf bzw. nicht in den Beinvenen lokalisierte Formen der Phlebothrombose aufgeführt .
Phlegmasia coerulea dolens
- Definition: Maximalvariante einer Phlebothrombose mit Verschluss aller Venen einer Extremität → Sekundäre Kompression des arteriellen Flusses
- Symptome/Klinik
- Diagnostik: Doppler-Sonografie
- Therapie
- Notfalloperation
- Venöse Thrombektomie
- Fasziotomie
- Fibrinolysetherapie, bei Versagen der operativen Therapie
- Grenzzonenamputation als Ultima Ratio
- Notfalloperation
- Komplikationen
- Prognose: Hohe Letalität
Tiefe Armvenenthrombose inkl. Thrombose par effort (syn. Paget-von-Schroetter-Syndrom)
- Definition: Akute Thrombose der V. brachialis, V. axillaris oder V. subclavia
- Ätiologie
- Primäre Form im Rahmen eines Thoracic-Inlet-Syndroms
- Sekundär
- „Thrombose par effort“ : Durch extreme Belastung des Arms (z.B. durch Sport)
- Fremdkörper (ZVK, Schrittmachersonde, siehe auch unten)
- Symptome/Klinik: Analog zu den allgemeinen Symptomen einer Beinvenenthrombose
- Typische Anamnese je nach Auslöser
- Postthrombotische Syndrome der Armvenen und Lungenembolien sind selten (etwa 5%)
- Diagnostik: Duplexsonografie, wenn nötig ergänzt durch eine Phlebografie
- Therapie: Antikoagulation für drei Monate i.d.R. ausreichend
- Katheter-Thrombolyse in spezialisierten Zentren möglich, wenn ein ausgeprägtes Beschwerdebild vorliegt und die Thrombose nicht länger als 10 Tage besteht
Thrombose in Schwangerschaft und im Wochenbett
- Bedeutung: Thrombembolien sind in der Schwangerschaft und im Wochenbett eine der häufigsten tödlich verlaufenden Erkrankungen. Das Risiko ist gegenüber nicht schwangeren Frauen etwa vierfach erhöht.
- Diagnostik
- Duplexsonografie der Beinvenen als Goldstandard in der Schwangerschaft
- D-Dimere sind praktisch nutzlos
- MRT-Phlebografie ohne Kontrastmittel bei speziellen Fragestellungen erwägen
- Therapie
- Therapeutische Antikoagulation, vorzugsweise mit niedermolekularem Heparin – mindestens 3 Monate; danach in ggf. reduzierter Dosierung bis sechs Wochen nach der Geburt
- Auswahl, Dosierung und Praxishinweise zur therapeutischen Antikoagulationsbehandlung siehe: Antikoagulation während der Schwangerschaft
Katheter-assoziierte Thrombose
- Ätiologie
- Armvenenthrombose, die infolge eines einliegenden zentralen Venenkatheters oder eines Portkatheters auftritt
- Auftreten auch im Rahmen einer Katheterinfektion möglich (Septische Thrombose)
- Diagnostik
- Goldstandard: Duplexsonografie der Armvenen
- CT-Phlebografie mit Kontrastmittel
- Katheterdarstellung im konventionellen Röntgen
- Therapie
- Antikoagulation für 6–12 Wochen
- Passagere Katheter (z.B. ZVK, Shaldon) werden entfernt
- Permanente Kathetersysteme (Port, Broviac-Katheter) werden bei Okklusion oder Infektion explantiert
Diagnostik
Klinische Untersuchungsbefunde
- Meyer-Zeichen: Wadenkompressionsschmerz
- Homans-Zeichen: Wadenschmerz bei Dorsalextension des Fußes
- Payr-Zeichen: Fußsohlenschmerz bei Druck auf mediale Fußsohle
- Seitendifferente Beinumfänge >3 cm
- Siehe auch sonstige Kriterien der Wells-Klassifikation der tiefen Beinvenenthrombose
Laborbefunde
- D-Dimere↑
- Erhebung nicht notwendig bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit: In der Situation einer hohen klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Phlebothrombose (z.B. Wells-Score hoch) ist die D-Dimer-Bestimmung nicht mehr sinnvoll. Es kann direkt zur bildgebenden Untersuchung übergegangen werden.
- D-Dimere zur Verlaufsbeurteilung: Werden vier Wochen nach Beendigung einer Antikoagulation erhöhte D-Dimer-Werte (bei 15% der Patienten) festgestellt, besteht ein erhöhtes Rezidivrisiko
- Sonderfall: D-Dimer-Negative-Thrombose, hierbei ist trotz negativer D-Dimere eine Thrombose bildgebend nachweisbar
- Insb. bei eindeutigen klinischen Zeichen einer Thrombose sollten negative D-Dimere mit Vorsicht interpretiert werden; im Zweifel sollte stets eine Duplexsonografie erfolgen!
- BSG-Erhöhung
- Leukozytose
Bildgebende Verfahren
- Goldstandard: (Farbduplex‑)Kompressionssonografie der Beinvenen
- Durchführung: Von der Leistenregion nach distal werden die tiefen Beinvenen in Abständen von wenigen Zentimetern durch Ausüben von Druck mit dem Schallkopf auf ihre Komprimierbarkeit geprüft
- Zur Beurteilung der proximal des Leistenbandes gelegenen Venen (Beckenvenen, V. cava inferior) ist die Flussbeurteilung mittels Farbduplex hilfreich
- Im deutschsprachigen Raum ist eine Untersuchung des kompletten betroffenen Beines üblich
- Verlaufsuntersuchung per Duplexsonografie der Beinvenen
- Beim Absetzen einer Antikoagulationsbehandlung nach 3–6 Monaten
- Bei klinischer Verschlechterung
- Weitere bildgebende Verfahren
- Phlebografie: Untersuchungsverfahren zur Darstellung der Venen mit Röntgenstrahlen
- CT-Phlebografie: Einsatzgebiet ist vor allem die Visualisierung von Thrombosen mit Fortsetzung oberhalb des Leistenbandes; Nachteil ist die hohe Strahlenbelastung .
- MRT-Phlebografie: Einsatz vor allem bei geplanten operativen Eingriffen am Venensystem
Diagnostischer Algorithmus bei V.a. TVT
Vorgehen bei Rezidivverdacht
- D-Dimer-Bestimmung
- Heranziehen des Befundes der letzten Verlaufsuntersuchung
- Phlebografie und MRT-Phlebografie können die Unterscheidung zwischen Residuen der vorigen Thrombose und einem Rezidiv ermöglichen
Weiterführende Diagnostik bei Phlebothrombose
Die ätiologische Abklärung einer Phlebothrombose sollte immer angestrebt werden, da therapeutische Konsequenzen hieraus abzuleiten sind .
- Tumorsuche
- Indikation
- Thrombosen mit unklarer Ätiologie (insb. bei Auftreten ab dem 50. Lebensjahr), um ein Malignom auszuschließen
- Thrombosen im Bereich der Beckenvenen und Vena-cava-Thrombosen sind bei älteren Patienten öfter ein Hinweis für eine lokale tumorbedingte Gefäßkompression
- Diagnostik
- Orientiert an Früherkennungsmaßnahmen → Gezielte Anamnese und Erfassung bisher erfolgter Vorsorgemaßnahmen → Ggf. Aktualisierung der Früherkennungsuntersuchungen nach individuellem Risiko → Sonografie des Abdomens und Röntgen-Thorax-Untersuchung
- Bei Beckenvenenthrombosen oder besonderem Verdacht → Erweiterung um CT/MRT-Aufnahmen (Abdomen und Thorax)
- Indikation
- Thrombophilie-Diagnostik (siehe auch: Ätiologie)
- Indikation: Junge Patienten, ungewöhnliche Lokalisation, positive Familienanamnese, klinische Hinweise
- Zeitpunkt der Testung: Die Testung sollte möglichst ohne Einfluss von Antikoagulantien erfolgen; der Zeitpunkt etwa 2 Wochen nach geplantem Absetzen einer Antikoagulation ist daher empfehlenswert
- Thrombophilie-Screening: Faktor-V-Leiden-Mutation, Prothrombin-20210-Mutation , Protein C, Protein S, Antithrombin, Faktor VIII, Autoantikörperdiagnostik bzgl. eines Antiphospholipid-Syndroms (Lupus-Antikoagulans, Cardiolipin-Antikörper, β2-Glykoprotein-I-Antikörper und ggf. weitere Antiphospholipid-Antikörper)
- Interpretation: Besonders hohe Risiken für thromboembolische Manifestationen und Rezidive bestehen für das Anti-Phospholipid-Syndrom, für den Mangel an Antithrombin-III (AT-III), Protein C oder S und für die Homozygotie für Faktor-V-Leiden-Mutation bzw. Prothrombin-Mutation 20210
Differenzialdiagnosen
- Muskelfaserriss und posttraumatische Schwellungszustände/Hämatom
- Kompartment-Syndrom
- Lymphödem
- Erysipel
- (Rupturierte) Baker-Zyste
- Thrombophlebitis
- Definition: Thrombose und Entzündung einer oberflächlichen Vene bzw. einer varikös veränderten Vene (Varikophlebitis)
- Symptome/Klinik: Kurzstreckige strangförmige Rötung, druckschmerzhafte Verhärtung
- Therapie
-
NSAR, Kühlen, Anlage eines Kompressionsverbandes, Mobilisation, beim Sitzen hochlagern
- Bei frischer Thrombophlebitis zur Schmerzfreiheit vorher Stichinzision mit Thrombektomie möglich
- Antikoagulation bei Thrombophlebitiden mit Beziehung zum tiefen Venensystem (analog zur Therapie der Phlebothrombose)
- Antikoagulation für 4–6 Wochen bei Thrombusausdehnung ≥5 cm in größeren oberflächlichen Venen wie Vena saphena magna und parva
- Chirurgische Sanierung einer Varikosis
-
NSAR, Kühlen, Anlage eines Kompressionsverbandes, Mobilisation, beim Sitzen hochlagern
Rezidivierende Thrombophlebitiden ohne Vorliegen einer Varikosis bzw. ohne andere erkennbare Ursachen können auf eine Systemerkrankung mit Vaskulitis oder als Paraneoplasie auf ein Malignom hinweisen!
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Akuttherapie
- Allgemeinmaßnahmen
- Kompressionsbehandlung für mindestens drei Monate : Initial durch elastischen Wickelverband , im Verlauf tagsüber angepasster Kompressionsstrumpf der Klasse II
- Symptomadaptierte Vollmobilisation – keine Bettruhe!
- Medikamentös
- Antikoagulation in therapeutischer Dosis für mindestens fünf Tage (Auswahl, Dosierung und Praxishinweise siehe: Therapeutische Antikoagulation - Klinische Anwendung)
- Maßnahmen zur Rekanalisierung
- Methoden: Chirurgisch als Thrombektomie oder interventionell durch kathetergestützte pharmakomechanische Thrombektomie
- Indikation
- Beckenvenenthrombosen mit ausgeprägter Symptomatik, insb. bei jüngeren Patienten
- Phlegmasia coerulea dolens → Zur Verhinderung einer Extremitätenamputation
- Vena-cava-Filter [2]
- Prinzip: Interventionelle Anlage eines Filters in die V. cava inferior, um embolisches Material aufzufangen und eine Lungenembolie zu verhindern
- Indikation
- Zurückhaltend einsetzen
- Anwendung in Einzelfällen erwägen
- Rezidivierende Lungenembolien trotz adäquater Antikoagulation
- Kontraindikationen für eine Antikoagulation bei Personen mit TVT und hohem Risiko für eine Lungenembolie
Patienten mit einer Venenthrombose jedweder Lokalisation und Morphologie sollen nicht immobilisiert werden, es sei denn zur Linderung starker Schmerzen! (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)
Sekundärprophylaxe [3]
- Auf die initiale Antikoagulation folgt eine geeignete Erhaltungstherapie zur Verhinderung früher Rezidive (Auswahl, Dosierung und Praxishinweise siehe: Therapeutische Antikoagulation - Klinische Anwendung)
- Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)
- Vitamin-K-Antagonisten (VKA): Ziel-INR 2,0–3,0
- Niedermolekulare Heparine (NMH): Therapiestandard bei Tumorerkrankungen
Dauer der Antikoagulation bei Phlebothrombose
- Die Behandlungsdauer richtet sich nach Genese, Anzahl der vorherigen Thrombosen, Risikofaktoren und Komorbidität
- Nach erstmalig aufgetretener Thrombose
- Grundregel: Grundsätzlich mindestens drei Monate, bei hohem Risiko eines postthrombotischen Syndroms (Thrombosen der Vena poplitea und oberhalb davon) eher sechs Monate
-
Drei Monate i.d.R. ausreichend bei:
- Transientem Risikofaktor (vorangegangene Operation, Immobilität)
- Distalen Thrombosen idiopathischer Genese (Unterschenkel)
- Armvenenthrombosen
- Thrombosen der Vena jugularis interna
- Eher sechs Monate (bzw. verlängerte Erhaltungstherapie) bei:
- Proximaler Thrombose des Beines bzw. Beckenvenenbeteiligung, insb. bei unklarer Ätiologie
- Lungenembolie, insb. bei unklarer Ätiologie
- Relevanter Thrombophilie, danach verlängerte Erhaltungstherapie nach individuellem Risiko (s.u.)
- Malignomerkrankung
-
Drei Monate i.d.R. ausreichend bei:
- Grundregel: Grundsätzlich mindestens drei Monate, bei hohem Risiko eines postthrombotischen Syndroms (Thrombosen der Vena poplitea und oberhalb davon) eher sechs Monate
- Bei rezidivierender Thrombose/Lungenembolie
- Verlängerte Erhaltungstherapie über 3–6 Monate hinaus bei fortbestehenden Risikofaktoren
- Faktoren, die für eine verlängerte Erhaltungstherapie über 3–6 Monate hinaus sprechen
- Unklare Genese mit bereits eingetretenem Rezidiv
- Schwere Thrombophilie
- Nach einer Phlebothrombose/Lungenembolie bei Anti-Phospholipid-Syndrom wird eine dauerhafte Antikoagulation empfohlen, siehe auch: Therapie des Antiphospholipidsyndroms [4]
- Schwere Manifestation einer Thromboembolie mit Rezidiv (z.B. Zustand nach Lungenembolie, nun Rezidivthrombose)
- Malignom
- Dauerhafte Immobilisation (z.B. traumatische Tetraparese, neurodegenerative Erkrankungen)
- Langstreckiger Thrombus oder proximale Lokalisation
- Nachweis erhöhter D-Dimere vier Wochen nach Absetzen einer 3–6-monatigen Antikoagulation oder duplexsonografisch residualer Thrombus
- Postthrombotisches Syndrom
- Geringes Blutungsrisiko
- Gute Verträglichkeit einer bisherigen Antikoagulation
- Bisher unproblematische Durchführung durch den betreffenden Patienten
- Männliches Geschlecht
Die Zeitdauer einer langfristigen medikamentösen Sekundärprophylaxe nach venöser Thromboembolie (VTE) soll jährlich bezüglich der VTE-Rezidiv- und Blutungsrisiken neu abgewogen werden (DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie).
Bei alleinigem Nachweis eines heterozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation oder Prothrombin-Polymorphismus soll eine dauerhafte medikamentöse Sekundärprophylaxe nach venöser Thromboembolie (VTE) nicht erfolgen (DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie).
AMBOSS-Pflegewissen: Phlebothrombose
Insb. immobile Patient:innen, die vor kurzem operiert wurden, sind gefährdet, eine Phlebothrombose zu entwickeln. Pflegekräfte und Ärzt:innen versuchen, das Risiko durch eine adäquate Thromboseprophylaxe zu senken. Im Folgenden sind die Pflegemaßnahmen bei bereits aufgetretener Phlebothrombose aufgeführt. Zu den häufigsten Komplikationen zählen die Lungenembolie und das postthrombotische Syndrom.
Beobachten/Überwachen
- Basismonitoring: Insb. auf Symptome einer Lungenembolie achten
- Herzfrequenz: Tachykardie
- Atmung: Dyspnoe, Tachypnoe, atemabhängige Schmerzen
- Betroffenes Bein: Regelmäßige pDMS-Kontrolle
- Kontrolle von Pulsen
- Beinumfang
- Hautfarbe und -temperatur
- Schmerzen und Sensibilität
- Flüssigkeitsbilanz: Auf ausreichende Trinkmenge achten
- Nebenwirkungen der Medikamente bei begonnener Antikoagulation: Auf Blutungen, insb. an Haut und Schleimhäuten, sowie in den Ausscheidungen achten
Keine i.m. Injektionen bei V.a. auf eine Phlebothrombose, vor oder unter laufender Antikoagulation!
Mobilisation/Bewegung
- Ohne Symptome für eine Lungenembolie und unter adäquater Therapie : Frühe Mobilisation
- Abrupte Bewegungen sind zu vermeiden
- Bei Symptomen einer Lungenembolie und/oder noch keiner begonnenen Therapie: Bettruhe
- Positionierung: Betroffenes Bein hochlegen (lassen)
Prophylaxen
- Obstipationsprophylaxe: Auf ausreichende Trinkmenge achten, möglichst ballaststoffreiche Kost, an den Allgemeinzustand angepasste Mobilisation/Bewegung
- Weitere Prophylaxen: Bedarfsgerecht, insb. bei Bettruhe
- Pneumonieprophylaxe
- Dekubitusprophylaxe
- Kontrakturenprophylaxe
- Thromboseprophylaxe
- Bei Bettruhe: Fokus auf Durchführung der Therapie (medikamentöse Antikoagulation, Kompressionstherapie)
- Nach Akutstadium bzw. wenn keine Bettruhe angeordnet ist: Bewegungsübungen bzw. Mobilisationen durchführen
Körperpflege
- In der Akutphase: Kompressionstherapie mittels Kompressionsverband (siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Kompressionstherapie)
- Im weiteren Verlauf: Medizinische Kompressionsstrümpfe der Klasse II–III, Tragedauer nach ärztlicher Anordnung
- Unterstützung bei der Körperpflege: Insb. bei starken Schmerzen und/oder Bettruhe
- Warmes und/oder ausgedehntes Duschen vermeiden
- Kein Ausstreichen des betroffenen Beines: Sanftes Pflegen des Beines, abrupte Bewegungen vermeiden
Prävention und Beratung
- Nach ärztlicher Anordnung, i.d.R. mind. 3 Monate: Tragen von Kompressionsstrümpfen
- Schulung im Umgang mit den Kompressionsstrümpfen
- Insb. bei älteren Patient:innen: Meist langfristige Kompressionstherapie erforderlich
- Angeordnete Antikoagulation/Medikamente einnehmen: Auf erhöhtes Blutungsrisiko hinweisen (siehe auch AMBOSS-Pflegewissen: Pflege und Beratung bei Blutungsneigung)
- Rezidivprophylaxe: Auf weiterhin bestehende erhöhte Thrombosegefahr hinweisen
- Nikotinentwöhnung
- Erhöhte Gefahr bei hormonellen Kontrazeptiva („Pille“)
- Vor längeren Bus-/Flugzeugreisen: Möglichkeit einer Low-Dose-Heparinisierung mit Hausärzt:innen besprechen
- Bewegung und Anregung des venösen Rückflusses (siehe auch: Thromboseprophylaxe)
- Beine häufig hochlegen
- Sportgruppen der Krankenkasse, lange Spaziergänge
- Verhalten im Notfall: Über Symptome einer Phlebothrombose/Lungenembolie und Verhalten beim Auftreten von Symptomen aufklären
Komplikationen
- Lungenembolie
- Postthrombotisches Syndrom
- Rezidiv
- Aszendieren der Thrombose (bis in die Beckenvenen oder die V. cava inferior)
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prävention
Siehe Abschnitt: Thromboseprophylaxe
Thromboseprophylaxe
Basismaßnahmen zur Thromboseprophylaxe [5]
- Bewegungsübungen/Muskelpumpe
- Frühmobilisation nach Operationen
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Beine hochlagern
- Einschnürende Kleidung vermeiden
Auch wenn es keine Evidenz für die Basismaßnahmen gibt, besteht gemeinhin Einigkeit, dass sie bei jeder Thromboseprophylaxe durchgeführt werden sollten.
Physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
- Komprimierende Strümpfe
- Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (Anti-Thrombose-Strümpfe)
- Strumpf entfaltet einen hohen Ruhedruck (Druck ohne Bewegung) durch hohe Elastizität
- Einsatz auch bei Bettlägerigkeit möglich
- Medizinische Kompressionsstrümpfe
- Strumpf entfaltet einen von distal nach proximal abnehmenden Druck bei Bewegung der Beine
- Einsatz nur bei erhaltener Mobilität effektiv
- Abgrenzung Stützstrümpfe
- Allgemeine Verwendungstipps
- Auf Faltenfreiheit achten
- Kompressionsstrümpfe morgens anziehen (Beine sind nach langer Liegezeit meist dünner)
- Regelmäßiges Waschen nach entsprechender Waschanleitung (um Elastizitätsverlust vorzubeugen)
- Ggf. zusätzlich Anziehhilfe als Hilfsmittel oder eine Behandlungspflege für das korrekte Anziehen verordnen
- Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (Anti-Thrombose-Strümpfe)
Einteilung der medizinischen Kompressionsstrümpfe nach Kompressionsdruck (KKL) | |
---|---|
KKL 1 | 18–21 mmHg (2,4–2,8 kPa) |
KKL 2 | 23–32 mmHg (3,1–4,3 kPa) |
KKL 3 | 34–46 mmHg (4,5–6,1 kPa) |
KKL4 | >49 mmHg (>6,5 kPa) |
- Intermittierende pneumatische Wadenkompression (IPK)
- Kontraindikationen für physikalische Maßnahmen
- Absolut
- Relativ
- Fortgeschrittene periphere Neuropathie (z.B. bei Diabetes mellitus)
- Nässende Wunden bzw. Infektionen der Haut
Medikamentöse Thromboseprophylaxe [5]
- Heparine: Breitestes Zulassungsspektrum
- Niedermolekulares Heparin (NMH): Günstigeres Nebenwirkungsprofil und längere Halbwertszeit als UFH → NMH möglichst gegenüber UFH bevorzugen [5]
- Unfraktioniertes Heparin (UFH)
- Pentasaccharide: Ähnlich breites Zulassungsspektrum wie Heparine
- Direkte orale Antikoagulantien (DOAK): Zulassung beschränkt
- Vitamin-K-Antagonisten: Zulassung zur Thromboseprophylaxe, werden jedoch insb. wegen des verzögerten Wirkeintritts kaum eingesetzt
- Zur differenzierten Indikationsstellung nach individuellem Risiko: Siehe Risikogruppen bei der Thromboseprophylaxe
Dauer der Thromboseprophylaxe
- Bei operativen Eingriffen: Prinzipiell bis zur Mobilisation bzw. bei eingriffsspezifischer Empfehlung auch darüber hinaus
- 7 Tage nach viszeralchirurgischen Eingriffen
- 11–14 Tage nach Kniegelenkersatz
- 4–5 Wochen nach Hüftgelenkersatz bzw. hüft- und beckennaher Frakturversorgung
- Sonderfall: Bei Tumorpatienten über 4 Wochen fortführen [5][8]
- Therapiedauer nach individuellem Risiko
Indikationen für eine Thromboseprophylaxe
Thromboseprophylaxe - Indikationsstellung und Eskalationsstufen
- Risiko für eine venöse Thromboembolie (VTE) ermitteln
- Disposition durch intrinsische Risikofaktoren (siehe unter "Ätiologie": Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose)
- Expositionelle Risikofaktoren: Bspw. Operationen oder Immobilisation
- Maßnahmen richten sich nach dem Risiko
- Niedriges Thromboserisiko: Basismaßnahmen zur Thromboseprophylaxe
- Mittleres oder hohes Thromboserisiko: Zusätzlich medikamentöse Thromboseprophylaxe
- Jeweils zusätzlich anwendbar: Physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
- Keine Evidenz für zusätzliche Wirksamkeit in Kombination mit medikamentösen Maßnahmen
Klinische Anwendung - Einschätzung des Risikos für venöse Thromboembolien (VTE-Risiko) je nach OP/Erkrankung | |||
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Operativ | Nicht-operativ | Maßnahmen | |
Niedriges VTE-Risiko |
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| Basismaßnahmen zur Thromboseprophylaxe (+ physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe) |
Mittleres VTE-Risiko |
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| Basismaßnahmen zur Thromboseprophylaxe + medikamentöse Thromboseprophylaxe (+ physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe) |
Hohes VTE-Risiko |
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Zusammengefasst aus der S3-Leitlinie VTE-Prophylaxe 2015 (AWMF), in Anlehnung an ACCP-Guidelines 2004 |
Thromboseprophylaxe - Operative Indikationen (nach Fachgebiet)
(Postoperative) medikamentöse Maßnahme | Wahl des Medikaments | Physikalische Maßnahmen | Basismaßnahmen | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|
Neurochirurgie (ZNS) | Fakultativ (Off-Label Use) | NMH (oder UFH) | Obligat | Obligat | Individuell |
Kardiochirurgie | Obligat ab mittelgroßer Operation | Zusätzlich empfohlen | |||
Thoraxchirurgie | |||||
Gefäßchirurgie an Arterien der unteren Extremität | Obligat | I.d.R. keine | |||
Viszeral- und Gefäßchirurgie, Gynäkologie und Urologie | Obligat ab mittlerem VTE-Risiko | Fakultativ | 7 Tage | ||
Operationen mit Immobilisation der oberen Extremität | I.d.R. keine | – | |||
Operationen mit Immobilisation der unteren Extremität | Obligat | NMH | Keine Empfehlung vorhanden | Individuell | |
Elektive Hüftendoprothese | NMH, Fondaparinux oder DOAK | Fakultativ | 28–35 Tage | ||
Elektive Kniegelenkprothese | 11–14 Tage | ||||
Kniegelenknahe Frakturen und Osteotomien | Fondaparinux oder NMH | ||||
Hüftgelenknahe Frakturen und Osteotomien, Beckenringfrakturen und Azetabulumfrakturen | 28–35 Tage | ||||
Arthroskopie der unteren Extremität | Nach längeren Eingriffen empfohlen | Keine Empfehlung vorhanden | Mind. 7 Tage | ||
Wirbelsäulenverletzungen | Obligat | NMH | Fakultativ | ||
Polytrauma | Obligat, zumindest auf Intensivstation | Fakultativ | Individuell | ||
Zusammengefasst aus der S3-Leitlinie VTE-Prophylaxe 2015 (AWMF) |
Thromboseprophylaxe - Nicht-operative Indikationen (stationär)
(Postoperative) medikamentöse Maßnahme | Wahl des Medikaments | Physikalische Maßnahmen | Basismaßnahmen | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|
Verbrennungen | Obligat bei Immobilisation oder intrinsischen Risikofaktoren | Keine Empfehlung vorhanden | Keine Empfehlung vorhanden | Obligat | Individuell |
Malignompatienten | Obligat | NMH oder Fondaparinux | Zeit des stationären Aufenthalts | ||
Akute internistische Erkrankung | Obligat bei stationären, immobilen Patienten | 6–14 Tage | |||
Schlaganfall | Obligat bei Beinparese | NMH (oder UFH) | |||
Intensivmedizin | Obligat | NMH (oder UFH) | Individuell | ||
Sepsis | Zusätzlich empfohlen | Individuell | |||
Zusammengefasst aus der S3-Leitlinie VTE-Prophylaxe 2015 (AWMF) |
Thromboseprophylaxe - Nicht-operative Indikationen (ambulant)
(Postoperative) medikamentöse Maßnahme | Wahl des Medikaments | Physikalische Maßnahmen | Basismaßnahmen | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|
Immobilität bei akuter Erkrankung | Kann notwendig sein | Keine Empfehlungen vorhanden | Fakultativ | Obligat | Individuell |
Immobilität ohne akute Erkrankung | Keine | – | Keine | Zu empfehlen | – |
Langstreckenflug | Nur in Einzelfällen | Immer Off-Label Use | Bei intrinsischen Risikofaktoren | Einmalgabe | |
Zusammengefasst aus der S3-Leitlinie VTE-Prophylaxe 2015 (AWMF) |
Perioperative Thromboseprophylaxe
Perioperative medikamentöse Thromboseprophylaxe [5][8]
- Indikation: Unabhängig davon, ob minimal-invasives oder konventionell-offenes Vorgehen
- Beginn der medikamentösen Prophylaxe: Unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem expositionellen Risiko
- Am Vorabend der Operation oder
- Am Abend des Operationstages [5]
- Wirkstoff/Dosierung
- Bei hohem Risiko für venöse Thromboembolie [5]
- Niedermolekulares Heparin (NMH), bspw. Dalteparin oder Enoxaparin
- Alternativ: Fondaparinux
- Bei mittlerem Risiko für venöse Thromboembolie
- Niedermolekulares Heparin (NMH), bspw. Dalteparin oder Enoxaparin [5]
- Alternativ: Unfraktioniertes Heparin (UFH)
- Bei geringem Risiko für venöse Thromboembolie: Keine medikamentöse Thromboseprophylaxe erforderlich
- Bei hohem Risiko für venöse Thromboembolie [5]
- Für ausführlichere Informationen: Siehe Medikamentöse Thromboseprophylaxe
Zusätzliche perioperative Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
- Rasche Mobilisierung, siehe auch Basismaßnahmen zur Thromboseprophylaxe
- Ggf. zusätzlich medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe („MTPS“) anordnen, siehe auch: Physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
Weitere praktische Hinweise zur Durchführung einer Thromboseprophylaxe
Thrombozytenkontrolle bei Thromboseprophylaxe
Zur Erkennung der Komplikation werden im Rahmen der Thromboseprophylaxe Kontrollen der Thrombozytenwerte zum Therapiebeginn und nach Therapieeinleitung empfohlen. Umfang und Häufigkeit der Kontrollen sind von der eingesetzten Heparinart abhängig.
- Niedermolekulares Heparin: Auf eine Kontrolle kann i.d.R. verzichtet werden
- Unfraktioniertes Heparin: Kontrolle empfohlen, bspw. 2–3×/Woche
Poststationäre Thromboseprophylaxe
Durch immer kürzere Verweildauer im Krankenhaus verlagert sich das Thema der Thromboseprophylaxe zunehmend in die ambulante Versorgung, dabei sollten nach kritischer Prüfung des Hausarztes nach Möglichkeit die Empfehlungen des Krankenhauses umgesetzt werden. Eine individuelle Anpassung der Therapielänge durch den Hausarzt kann unter Berücksichtigung von Patientenwille(!), Mobilisation und Belastbarkeit nötig sein.
- Wichtige Informationen im Entlassungsbrief
- Empfehlung über Dauer und Art der Thromboseprophylaxe
- Angabe der Gründe bei von der Standarddosierung abweichendem Vorgehen (z.B. Niereninsuffizienz, Blutungsrisiko, Begleitmedikation)
- Dokumentation von Ausgangswerten (Labor)
- Thrombozyten bei Therapie mit Heparinen (HIT)
- Kreatinin
- Ggf. Transaminasen bei Therapie mit Fondaparinux
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 272-2023-2/3: Prophylaxe nach tumorassoziierter Thromboembolie
- Studientelegramm 271-2023-2/3: SYMPTOMS und CASTING: Zwei Studien zum World Thrombosis Day
- Studientelegramm 264-2023-1/3: Kein COVID-Kolibri? Langzeitkomplikationen schwerer Infektionen
- Studientelegramm 263-2023-1/3: Don’t poke the bear!
- Studientelegramm 262-2023-3/3: CANVAS: Rezidivprophylaxe malignomassoziierter venöser Thromboembolien
- Studientelegramm 239-2022-2/3: DOAK bei VTE: Apixaban oder Rivaroxaban?
- Studientelegramm 223-2022-3/3: Venöse Thromboembolie bei dialysepflichtiger CKD: Apixaban oder Vitamin-K-Antagonist?
- Studientelegramm 146-2020-1/3: CKD als Risikofaktor für schwere Verläufe bei Thromboembolien
- Studientelegramm 121-2020-2/3: CARAVAGGIO: Apixaban in der tumorassoziierten VTE-Behandlung
- Studientelegramm 115-2020-1/3: ACC-Kongress in Chicago: CARAVAGGIO
- Studientelegramm 87-2019-3/3: Don’t stop me now? – Rezidiv-Thromboembolien nach Absetzen einer Antikoagulation
- Studientelegramm 84-2019-3/3: ISTH-Kongress-Update Nr. 3: MRT-Diagnostik der rekurrenten Beinvenenthrombose
- Studientelegramm 60-2019-3/3: “Jede Jeck is anders” – kardiovaskuläre Risikofaktoren und venöse Thromboembolien
- Studientelegramm 56-2018-2/3: Nachbericht zum ASH-Kongress 1: Der Beginn der DOAK-Therapie bei Tumorpatienten?
- Studientelegramm 55-2018-2/3: Wickelt weiter – Direkter Start einer Kompressionstherapie bei TVT verhindert postthrombotisches Syndrom
- Studientelegramm 28-2018-3/3: „Viel hilft viel“? Über- und Unterversorgung bei der Thromboseprophylaxe
- Studientelegramm 28-2018-2/3: Rivaroxaban vs. NMH zur thromboembolischen Sekundärprävention bei Krebspatienten
- Studientelegramm 11-2018-1/4: Edoxaban zur Therapie Tumor-assoziierter Thromboembolien
- Studientelegramm 10-2017-2/3: Mechanische Thrombolyse bei tiefer Beinvenenthrombose
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 83-2023-1/3: Hormonal contraception and NSAIDs: a risky tango
- One-Minute Telegram 77-2023-2/3: DOACs safe and effective in cancer-associated VTE
- One-Minute Telegram 68-2023-1/3: After orthopedic trauma, two aspirin a day keep fatal blood clots away
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Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- I80.-: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis
- Inklusive: Endophlebitis, Periphlebitis, Phlebitis suppurativa, Venenentzündung
- Exklusive: Phlebitis und Thrombophlebitis
- Als Komplikation bei: Abort, Extrauteringravidität oder Molenschwangerschaft (O00–O07, O08.7), Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett (O22.-, O87.‑)
- Intrakraniell, nichteitrig (I67.6), Intrakraniell und intraspinal, septisch oder o.n.A. (G08), Intraspinal, nichteitrig (G95.18), Pfortader [V. portae] (K75.1), Postthrombotisches Syndrom (I87.0‑), Thrombophlebitis migrans (I82.1)
- I80.0: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis oberflächlicher Gefäße der unteren Extremitäten
- I80.1: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis der V. femoralis
- I80.2-: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten
- I80.20: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis der Beckenvenen
- I80.28: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten / Tiefe Venenthrombose o.n.A.
- I80.3: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis der unteren Extremitäten, nicht näher bezeichnet (Embolie und Thrombose von Gefäßen der unteren Extremität o.n.A.)
- I80.8-: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger Lokalisationen
- I80.80: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis oberflächlicher Gefäße der oberen Extremitäten / Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis:
- I80.81: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis tiefer Gefäße der oberen Extremitäten / Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis:
- I80.88: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger Lokalisationen
- I80.9: Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis nicht näher bezeichneter Lokalisation
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.