Pseudokrupp oder Epiglottitis?
Kommt ein Kind mit inspiratorischem Stridor und ggf. Luftnot in die Ambulanz, stellt sich immer die Frage: Pseudokrupp oder Epiglottitis? Der echte Krupp, der auch differenzialdiagnostisch in Frage kommt, ist in Deutschland glücklicherweise sehr selten.
Differenzialdiagnose: Krupp/Pseudokrupp/Epiglottitis
Echter Krupp (Kehlkopfdiphtherie) | Pseudokrupp | Epiglottitis | |
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Erreger |
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Erkrankungsalter |
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Krankheitsbeginn |
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Inspiratorischer Stridor |
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Schluckbeschwerden |
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Therapie |
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Auftreten |
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Vorgehen bei Pseudokrupp
Beim Pseudokrupp handelt es sich um eine klinische Diagnose. Wer den charakteristischen inspiratorischen Stridor bei heiserer Stimme und bellendem Husten einmal gehört hat, wird ihn i.d.R. sofort wiedererkennen.
Prozedere
- Erstes Gebot: Keine Aufregung, da sich dadurch die Luftnot verschlimmert
- Nur Anamnese und nötigste Untersuchung, insb. Auskultation der Lunge
- Systemische Glucocorticoide (Prednison rektal oder Prednisolon rektal ) nach oder während der Untersuchung
- Bei zusätzlich vorliegender bronchialer Obstruktion erfolgt außerdem die Inhalation mit Salbutamol.
- Kaltlufttherapie
- Kind am offenen Fenster auf dem Schoß der Eltern platzieren oder (wenn stabil) mit den Eltern für ca. 30 min vor das Gebäude an die frische Luft schicken
- Alternativ: Inhalation von isotonischer Kochsalzlösung über Feuchtvernebler mit Maske
- Ggf. inhalative Adrenalintherapie
Anamnese beachten! Hib-Impfung erfragen! Eine Epiglottitis als Differenzialdiagnose gilt es sofort auszuschließen! Racheninspektion mit Spatel sollte immer unterlassen werden, weil der taktile Reiz ein Zuschwellen bewirken kann!
Tipps für zu Hause
- Ruhe bewahren!
- Kind beruhigen, auf den Arm nehmen oder aufsetzen
- Kind ans offene Fenster, auf den Balkon oder ins Badezimmer bringen und kalte feuchte Luft einatmen lassen
- Um einem erneuten Anfall vorzubeugen, hilft es i.d.R., das Kind bei offenem Fenster schlafen zu lassen
Glucocorticoide zur rektalen oder oralen Applikation sollten bei Entlassung mitgegeben werden!
Für weitere Dosierungen siehe: Systemische Glucocorticoide und inhalatives Epinephrin (Adrenalin) im Kindes- und Jugendalter
Für weitere Informationen siehe: Therapeutisches Vorgehen bei Pseudokrupp
Vorgehen bei Epiglottitis
Seit Einführung der Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ b (Hib) ist die meist fulminat verlaufende Epiglottitis im (Klein‑)Kindesalter seltener geworden. Inzwischen sind vorwiegend Ungeimpfte und Impfversager (gegen Hib) betroffen.
Klinik und Diagnosestellung
- Inkubationszeit: Wenige Tage
- Klinik bei Kindern
- Plötzliches, hohes Fieber
- Reduzierter Allgemeinzustand
- Hals- und Schluckschmerzen, Dysphagie, kloßige (oft schmerzhafte) Sprache, erhöhter Speichelfluss
- Atemnot mit inspiratorischem Stridor , Einziehungen und Zyanose
- I.d.R. kein Husten
- Typische Körperhaltung: Sitzend, nach vorn gebeugt mit nach hinten geneigtem Kopf zur Erweiterung der Atemwege
- Angst und Unruhe
- Verlauf: Hochakut, fulminant mit Symptommanifestation binnen weniger Stunden
Als Leitsymptome der Epiglottitis kann man sich die „5S“ merken: Stridor, Sabbern, Sprache (kloßig), Schluckbeschwerden, schnorchelnde Atmung.
Die Diagnosestellung erfolgt anhand der Klinik, eine Inspektion des Rachens sollte nur in Intubationsbereitschaft erfolgen!
Procedere
- Immer stationäre, intensivmedizinische Behandlung!
- Beruhigen von Patient bzw. Kind und Eltern
- Wenn respiratorisch stabil (SpO2 >92% ohne Stridor oder Tachydyspnoe)
- Patient aufrecht lagern (Kinder gern auf dem Schoß der Bezugsperson)
- Möglichst wenig Manipulation am Kind
- Medikamentöse Therapie
- Unter Pulsoxymetrie Therapiewirkung abwarten
- Bei Dyspnoe
- Sofort Sauerstoffvorlage
- Frühzeitige Intubation bei Dyspnoe
- Sedierung mit volatilem Inhalationsanästhetikum zum Legen des i.v. Zugangs, anschließend Sedierung mit Thiopental oder Propofol
- Zur Optimierung der Intubationsbedingungen und Vermeidung von Stimmlippenschäden ggf. Muskelrelaxantien wie Succinylcholin oder Atracurium
- Intubation orotracheal, ggf. mit Säuglingstubus
- CPAP oder Beatmung
- Bei Unmöglichkeit der Intubation: Koniotomie oder Tracheotomie (ggf. schon präklinisch)
- Gute Fixierung und Analgosedierung (zur Vermeidung akzidenteller Extubation)
- Extubation frühestens 2–3 Tage nach Beginn der antibiotischen Therapie
- Intravenöse Flüssigkeitssubstitution
Medikamentöse Therapie
- Intravenöse antibiotische Therapie [1]
- Cefotaxim oder Ceftriaxon
- Alternativpräparate: Ampicillin/Sulbactam oder Amoxicillin/Clavulansäure
- Bei Penicillinallergie: Levofloxacin oder Moxifloxacin
- Ggf. Umstellung der antibiotischen Therapie nach Erregernachweis
- Bei Hib ohne β-Lactamase: Ampicillin nach Extubation Amoxicillin p.o. über 5 Tage
- Bei β-Lactamase-Bildern: Cefotaxim über 10 Tage i.v., Ceftriaxon erwägen
- Bei Verdacht auf MRSA: Zusätzlich Clindamycin i.v.
- Hochdosierte intravenöse Glucocorticoidtherapie z.B. mit Prednisolon
- Kinder <15 kg
- Kinder 15–30 kg
- Kinder 30–60 kg
- Kinder und Jugendliche >60 kg
- Zum Abschwellen der Schleimhaut, kurzfristige wiederholte Gabe möglich, Therapie über mindestens 2 Tage
- Adrenalin-Inhalation
- Altersunabhängige Standarddosierung von Epinephrin zur Vernebelung
- Altersunabhängige Standarddosierung fertige Verneblerlösung
Bei adäquater und vorallem frühzeitiger Therapie hat die akute Epiglottitis eine gute Prognose.