ambossIconambossIcon

Sexuelle Funktionsstörungen

Letzte Aktualisierung: 5.11.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Da es keine allgemeingültige Norm für Sexualität gibt, definiert sich eine sexuelle Funktionsstörung subjektiv durch den persönlichen Leidensdruck, der durch unbefriedigendes Erleben entsteht. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität kann dabei erheblich sein und das Ausmaß chronischer Krankheiten erreichen.

Bei Frauen äußern sich sexuelle Funktionsstörungen v.a. als vermindertes sexuelles Verlangen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Orgasmusprobleme. Bei Männern sind die erektile Störung, deren Häufigkeit mit dem Alter stark zunimmt, sowie Ejakulationsstörungen wie der vorzeitige Samenerguss am weitesten verbreitet.

Die Ursachen sind vielfältig und reichen von psychischen Faktoren wie Stress, Angst oder Depression über Beziehungsprobleme bis hin zu organischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung bilden die Basis der Diagnostik. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und kombiniert oft psychosoziale Interventionen wie Paar- oder Sexualtherapie mit spezifischen medizinischen Ansätzen. Dazu gehören bei Männern bspw. PDE-V-Hemmer, während bei Frauen je nach Störung bspw. Beckenbodentraining Linderung verschaffen kann.

Allgemeine Informationen zu physiologischen Abläufen und Regelkreisen finden sich in den Grundlagenkapiteln Sexualität und Sexualmedizin, Penis, Erektion und Ejakulation und Sexualhormone.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Definitiontoggle arrow icon

Allgemeine diagnostische Kriterien nach DSM-5

  • Symptome seit ≥6 Monaten
  • Klinisch signifikanter Leidensdruck
  • Keine andere Ursache

Weibliche sexuelle Funktionsstörungen

Hypoaktive Störung des sexuellen Verlangens der Frau [2]

  • Fehlen oder Verminderung von ≥3 der folgenden Kriterien
    • Interesse an sexueller Aktivität
    • Sexuelle Gedanken oder Fantasien
    • Initiierung oder Teilnahme an sexuellen Aktivitäten
    • Sexuelle Erregung/Lust bei ≥75% der sexuellen Begegnungen
    • Sexuelle Erregung auf sexuelle Reize
    • Genitale oder nicht-genitale sexuelle Empfindungen bei ≥75% der sexuellen Begegnungen

Genitopelviner Schmerz (Penetrationsstörung)

  • Anhalten oder Wiederkehren von ≥1 der folgenden Kriterien
    • Schwierigkeiten bei der vaginalen Penetration beim Geschlechtsverkehr
    • Starke vulvovaginale oder pelvine Schmerzen beim vaginalen Geschlechtsverkehr oder dessen Versuch
    • Starke antizipatorische Angst in Bezug auf vulvovaginale oder pelvine Schmerzen
    • Starke Anspannung der Beckenbodenmuskulatur beim Versuch der vaginalen Penetration

Weibliche Orgasmusstörung

  • Auftreten von ≥1 der folgenden Kriterien bei ≥75% aller sexuellen Begegnungen
    • Stark verzögerter, seltener oder ausbleibender Orgasmus
    • Reduzierte Intensität der Orgasmusempfindung

Männliche sexuelle Funktionsstörungen

Bei Verletzungen des zervikalen oder thorakalen Rückenmarks kann eine reflexogene Erregung weiter möglich sein!

Hypoaktive Störung des sexuellen Verlangens des Mannes [2]

  • Anhalten oder Wiederkehren von ≥1 der folgenden Kriterien
    • Mangel oder Fehlen sexueller Gedanken
    • Mangel oder Fehlen des Verlangens nach sexueller Aktivität

Erektile Störung oder Dysfunktion (Impotentia coeundi) [3]

  • Auftreten von ≥1 der folgenden Kriterien bei ≥75% aller sexuellen Begegnungen

Ejakulationsstörungen

  • Vorzeitige Ejakulation (Ejaculatio praecox)
    • Anhalten oder Wiederkehren von ≥1 der folgenden Kriterien bei ≥75% aller sexuellen Begegnungen
      • Ejakulation innerhalb von 1–2 Minuten nach dem Eindringen [1][4]
      • Ejakulation, bevor die Person ejakulieren möchte
  • Verzögerte Ejakulation (Ejaculatio retarda)
    • Auftreten von ≥1 der folgenden Kriterien bei ≥75% aller sexuellen Begegnungen mit adäquater sexueller Stimulation und dem Wunsch zu ejakulieren
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Hypoaktive Störung des sexuellen Verlangens der Frau
    • Prävalenz: 6–32% (nimmt mit dem Alter zu) [2]
    • Altersgipfel: Mittleres Lebensalter
  • Genitopelviner Schmerz (Penetrationsstörung): 8–28% der sexuell aktiven Frauen [5][6][7][8]
  • Weibliche Anorgasmie mit Leidensdruck [2]
    • <40 Jahre: 7–8%
    • 40–64 Jahre: 5–7%
    • >64 Jahre: 3–6%
  • Erektile Störung [9]
    • Prävalenz
      • <40 Jahre: <10% [9]
      • 30–80 Jahre: 13–71% (nimmt mit dem Alter zu) [9][10][11]
  • Ejakulationsstörungen [4]
    • Prävalenz (geschätzt): <5%
    • Hohe Dunkelziffer vermutet

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Allgemein

Weibliche sexuelle Funktionsstörungen

Männliche sexuelle Funktionsstörungen

Erektile Störung oder Dysfunktion [9][12]

Ejakulationsstörungen [4]

Bei Verletzungen des zervikalen oder thorakalen Rückenmarks kann eine reflexogene Erregung weiter möglich sein!

Ein plötzlicher Beginn, situative Variabilität oder nächtliche Erektionen deuten auf eine psychogene Ätiologie hin!

Eine erektile Störung kann ein früher Indikator für eine zugrunde liegende Herz-Kreislauf-Erkrankung sein!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Allgemein

  • Lebensstiländerungen [2][9][11][12]
  • Basisinterventionen: Aufklärung, Sexualberatung [13]
  • Sexualpsychotherapie [13]
    • Sensualitätstraining
    • Rekonditionierung sexueller Erregung
    • Partnerschaftstherapie
    • Individuelle Psychotherapie

Weibliche sexuelle Funktionsstörungen [2]

  • Hypoaktive Störung des sexuellen Verlangens der Frau
    • In Deutschland keine zugelassene medikamentöse Therapie
  • Genito-pelvine Schmerz-Penetrations-Störung
    • Spezielle Physiotherapie: Beckenbodenentspannungstraining oder Benutzung von Vaginaldilatatoren , siehe auch: Therapie der Vulvodynie
    • Gleit- und Feuchtigkeitsmittel
    • Bei postmenopausalen Frauen mit mittelschweren bis schweren Symptomen: Östrogencreme, Prasteron
  • Weibliche Orgasmusstörung: Sexuelle Hilfsmittel (bspw. für bessere klitorale Stimulation)

Männliche sexuelle Funktionsstörungen [9][12]

  • Hypoaktive Störung des sexuellen Verlangens beim Mann: Ggf. hormonelle Kausaltherapie (Testosteron)
  • Erektile Störung
    • Sexualpsychotherapie: Teasing [13]
    • Mittel der 1. Wahl: Orale Pharmakotherapie
    • Lokale Pharmakotherapie mit Prostaglandin E1 (Alprostadil)
      • Corpora cavernosa: Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT/ICI) [11]
      • Intraurethral: MUSE
    • Mechanische Hilfsmittel
      • Konstriktionsvorrichtung
      • Unterdruckpumpe: Hohlzylinder mit Vakuumpumpe
    • Operative Therapie: Penisprothese, bspw. aus folgenden Bestandteilen
      • Penil eingesetzte Schwellkörperimplantate
      • Skrotal eingesetzte Pumpe
      • Flüssigkeitsreservoir im Unterbauch
    • Weitere Verfahren: Stoßwellentherapie niedriger Intensität (LiSWT)
  • Vorzeitige Ejakulation [4]
  • Verzögerte Ejakulation [4]
    • Ggf. auslösende Medikamente anpassen oder absetzen
    • Ggf. hormonelle Kausaltherapie (Testosteron)
    • Evtl. komorbide erektile Störung behandeln
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Patienteninformationentoggle arrow icon

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • F52.-: Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
    • F52.0: Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
      • Der Verlust des sexuellen Verlangens ist das Grundproblem und beruht nicht auf anderen sexuellen Störungen wie Erektionsstörungen oder Dyspareunie.
      • Inklusive: Frigidität, sexuelle Hypoaktivität
    • F52.1: Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung
      • Entweder ist der Bereich sexueller Partnerbeziehungen mit so großer Furcht oder Angst verbunden, dass sexuelle Aktivitäten vermieden werden (sexuelle Aversion) oder sexuelle Reaktionen verlaufen normal und ein Orgasmus wird erlebt, aber ohne die entsprechende Lust daran (Mangel an sexueller Befriedigung).
      • Inklusive: Sexuelle Anhedonie
    • F52.2: Versagen genitaler Reaktionen
      • Das Hauptproblem ist bei Männern die Erektionsstörung (Schwierigkeit, eine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr notwendige Erektion zu erlangen oder aufrecht zu erhalten). Bei Frauen ist das Hauptproblem mangelnde oder fehlende vaginale Lubrikation.
        • Erektionsstörung (beim Mann)
        • Psychogene Impotenz
        • Störung der sexuellen Erregung bei der Frau
      • Exklusive: Impotenz organischen Ursprungs (N48.4)
    • F52.3: Orgasmusstörung
      • Der Orgasmus tritt nicht oder nur stark verzögert ein.
      • Inklusive: Gehemmter Orgasmus (weiblich) (männlich), psychogene Anorgasmie
    • F52.4: Ejaculatio praecox
      • Unfähigkeit, die Ejakulation ausreichend zu kontrollieren, damit der Geschlechtsverkehr für beide Partner befriedigend ist.
    • F52.5: Nichtorganischer Vaginismus
    • F52.6: Nichtorganische Dyspareunie
      • Eine Dyspareunie (Schmerzen während des Sexualverkehrs) tritt sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf. Sie kann häufig einem lokalen krankhaften Geschehen zugeordnet werden und sollte dann unter der entsprechenden Störung klassifiziert werden. Diese Kategorie sollte nur dann verwendet werden, wenn keine andere primäre nichtorganische Sexualstörung vorliegt (z.B. Vaginismus oder mangelnde/fehlende vaginale Lubrikation).
      • Inklusive: Psychogene Dyspareunie
      • Exklusive: Dyspareunie (organisch)

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.