Abstract
Das durch das Denguevirus ausgelöste Denguefieber wird hauptsächlich über die Mückenart Aedes aegypti übertragen. Als Endemiegebiet gelten die gesamten Tropen, wobei insbesondere im tropischen Asien mit einem vermehrten Auftreten zu rechnen ist. Die Klinik ist klassischerweise von einem dreiphasigen Verlauf geprägt: Die erste Phase geht mit hohem Fieber, Arthralgien und Myalgien einher. Nach einer kurzen fieberfreien Zeit ist ein erneutes Auftreten des Fiebers (biphasisch) sowie gegebenenfalls das Entstehen eines Masern-ähnlichen Exanthems typisch. Die Symptome halten etwa eine Woche an und sistieren dann meist spontan - oder es kommt in einer dritten Phase zum hämorrhagischen Denguefieber mit Schocksymptomatik, Thrombozytopenie und petechialen Blutungen. Die Therapie erfolgt rein symptomatisch.
Seit 2015 ist in einigen Ländern ein tetravalenter Impfstoff zugelassen.
Epidemiologie
- Häufigkeit: Etwa 50–100 Millionen symptomatische Fälle jährlich [1]
- Vorkommen: Tropen weltweit, insb. tropisches Asien (bspw. Thailand)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Denguevirus (RNA-Virus aus dem Genus der Flaviviren)
- Vier Serotypen bekannt: Denguevirus (DENV) 1 bis 4 [2][3]
- Immunität nach Infektion nur gegen den entsprechenden Serotyp, keine Kreuzimmunität
- Infektionsweg: Vektor-Übertragung
-
Mücken der Gattung Aedes (Synonym: Stegomyia)
- Vorwiegend tagaktiv (insb. in der Dämmerung)
- Aedes aegypti (hauptsächlich)
- Aedes albopictus (seltener)
-
Mücken der Gattung Aedes (Synonym: Stegomyia)
Symptome/Klinik
Inkubationszeit
- 2–14 Tage
Symptome [4][5]
- Ca. 75% asymptomatisch
- Ca. 25% symptomatisches Denguefieber
- Stadium I (Tag 1–2)
- Influenza-ähnliche Symptome (plötzlicher Beginn, hohes Fieber, starkes Krankheitsgefühl)
- Arthralgien und Myalgien im Bereich von Wirbelsäule und Extremitäten („Knochenbrecherfieber“)
- Retroorbitale Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Teils transientes makuläres/makulopapulöses Exanthem
- Stadium II (Tag 3–5)
- Erneuter Fieberanstieg nach kurzer fieberfreier Periode
- Variables makulopapulöses, Masern-ähnliches Exanthem mit generalisierter Lymphadenopathie
- Stadium III (nach 1 Woche)
- I.d.R. Abklingen der Symptome
- Hämorrhagisches Denguefieber (Dengue hemorrhagic fever, DHF): In 1–2% der Fälle kommt es zu einer schweren Verlaufsform mit
- Fieber
- Thrombopenien, Kapillarleck und hämorrhagischer Diathese
- Schwerer Organbeteiligung
- Teils Schocksymptomatik
- Stadium I (Tag 1–2)
Antibody-dependent Enhancement (ADE) [6]
- Definition: Verstärkung einer Virusinfektion durch präformierte nicht-neutralisierende Antikörper (seltener durch subneutralisierende Antikörper-Titer)
- Folge: Gehäuft schwere Verläufe
- Auftreten
- Denguevirus: Bei aufeinanderfolgenden Infektionen, insb. durch verschiedene Serotypen [7]
- Möglicherweise: Bei SARS-CoV-1 und MERS-CoV , HIV sowie historischen Totimpfstoffen gegen RSV und Masern [8][9][10][11][12][13]
- Pathophysiologie [7][8][9][14]
- Vorliegen nicht-neutralisierender Antikörper oder subneutralisierender Antikörper-Titer (Entstehung bei durchgemachter Infektion, Impfung, passiver Immunisierung oder durch Nestschutz)
- Mechanismus bei Denguevirus: Opsonierung durch nicht-neutralisierende Antikörper → Virusaufnahme in Immunzellen über Fc-Rezeptoren → Virus-Replikation in den Immunzellen
- Mögliche weitere Mechanismen : Entstehung von Virus-Antikörper-Immunkomplexen, die zu einer Komplementaktivierung und übermäßigen Entzündungsreaktion führen
Das Vorliegen nicht-/subneutralisierender Antikörper führt bei (erneuter) Denguevirus-Infektion – insb. durch andere Serotypen – zu einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe (wie dem hämorrhagischen Denguefieber)!
Diagnostik
Bei klinischem Verdacht aufgrund der Symptomatik und der Reiseanamnese erfolgt die Diagnose durch einen direkten Erregernachweis (über PCR, in der akuten Phase) oder über die Serologie.
- Klinik: Bei Risikopersonen (Reiseanamnese!) sollte bei einer fieberhaften Erkrankung mit den oben beschriebenen Symptomen an Denguefieber gedacht werden
- WHO-Kriterien
- Hohes Fieber (>40°C) und min. 2 Punkte aus:
- Starke Kopfschmerzen
- Retrobulbäre Schmerzen
- Gelenk-/Muskelschmerzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Geschwollene Lymphknoten
- Exanthem
- Hohes Fieber (>40°C) und min. 2 Punkte aus:
- WHO-Kriterien
- Labordiagnostik
- Unspezifische Zeichen
- Thrombopenie
- Leukopenie
- Relative Lymphozytose
- Transaminasenerhöhung
- Direkter Erregernachweis: Tag 3–7
- Serologie: ab Tag 7
- Unspezifische Zeichen
- Praktisches Vorgehen bei begründetem Verdacht in Deutschland:
- Rücksprache mit dem Bernhard-Nocht-Institut (BNITM) (siehe Tipps und Links) : Beratung und ggf. Labordiagnostik hier möglich
Differenzialdiagnosen
Eine Diagnose nur aufgrund der Symptomatik ist kaum möglich, differenzialdiagnostisch kommen viele andere fieberhafte Erkrankungen infrage, bspw:
- Malaria
- Gelbfieber
- Zika
- Influenza
- Hämatologische Erkrankungen wie bspw. akute Leukämien
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Eine kausale Therapie existiert nicht, sodass das Denguefieber symptomatisch behandelt werden muss. Bei schwereren Verläufen stehen der Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes sowie die Beherrschung von Blutungskomplikationen im Vordergrund.
- Aufnahme
- Indikation in Deutschland großzügig stellen, Rücksprache mit Tropenklinik, Bernhard-Nocht-Institut
- Ambulantes Management möglich bei
- geringer Symptomatik und
- oraler Flüssigkeitszufuhr ohne Schwierigkeiten und
- normaler Urinproduktion
- Voraussetzung: Engmaschige (tägliche) Kontrolle!
- Monitoring
- Flüssigkeitsbilanz, Urinproduktion
- Labor: Hämatokrit, Thrombozyten, Elektrolyte
- Teerstuhl/Hämorrhagien
- Flüssigkeitshaushalt
- Wenn möglich oraler Flüssigkeitsersatz
- Bei schwereren Verläufen: Intravenöser Flüssigkeitsersatz mit isotonen Lösungen (Prinzipien beschrieben unter Infusionstherapie)
- Steuerung: In erster Linie über Hämatokrit
- Blutungskomplikationen
- Kein prophylaktischer Einsatz von Erythrozyten- oder Thrombozytenkonzentraten!
- Bei abfallendem Hämatokrit: Erythrozytenkonzentrate vorbereiten
- Medikamente
- Paracetamol zur Symptomkontrolle
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Paracetamol (pädiatrisch)
- Kein ASS, keine NSAID!
- Paracetamol zur Symptomkontrolle
Kein ASS oder Ibuprofen, da an sich schon eine erhöhte Blutungsneigung besteht! Bei unklaren fieberhaften Erkrankungen in Endemiegebieten kann z.B. auf Paracetamol zurückgegriffen werden!
Prognose
- Letalität bei hospitalisierten Patienten
- Unter adäquater supportiver Therapie <1%
- Historisch bei bis zu 20%!
Prävention
Vektorkontrolle
- Eindämmung von Aedes-Mücken
- Schutz vor Mückenstichen
Denguefieber-Impfung [15]
- Keine Standardimpfung in Deutschland
- Zulassung: In Endemiegebieten lebende Personen im Alter von 9–45 Jahren mit stattgehabter Denguevirus-Infektion [16]
- Erhöhtes Risiko schwerer Denguefieber-Verläufe bei Dengue-naiven geimpften Personen [6][7][9][14]
- Bei Patienten, die bereits eine Denguevirus-Infektion hatten, wird durch die Impfung i.d.R. ein anhaltender Schutz erreicht
- Impfstoff: Tetravalenter Vektorimpfstoff, replizierend [17][18][19]
- Impfschema: 3 Impfdosen im Abstand von je 6 Monaten
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht eine namentliche Meldepflicht bei
- Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an Virus-bedingtem hämorrhagischen Fieber
- Direktem und indirektem Nachweis von Erregern hämorrhagischer Fieber, soweit der Nachweis hinweisend ist auf eine akute Infektion
Meditricks
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Studientelegramme zum Thema
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 29-2021-1/3: Deployment of bacteria-infected mosquitoes lowers incidence of symptomatic dengue
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2022
- A97.-: Dengue
- A97.0: Dengue-Fieber ohne Warnzeichen (Hämorrhagisches Dengue-Fieber, Grad 1 und Grad 2; Hämorrhagisches Dengue-Fieber ohne Warnzeichen)
- A97.1: Dengue-Fieber mit Warnzeichen (Hämorrhagisches Dengue-Fieber mit Warnzeichen)
- A97.2: Schweres Dengue (Schweres Dengue-Fieber, Schweres hämorrhagisches Dengue-Fieber)
- A97.9: Dengue, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2022, DIMDI.