Zusammenfassung
Parkinson-Medikamente werden hauptsächlich zur symptomatischen Therapie der Parkinson-Krankheit angewendet. In der initialen Monotherapie werden L-Dopa, Non-Ergot-Dopaminagonisten (bspw. Pramipexol) und MAO-B-Hemmer (bspw. Rasagilin) eingesetzt. Entgegen früheren Empfehlungen gibt es – unabhängig vom Patientenalter – kein universales Medikament der 1. Wahl mehr. Die Therapieentscheidung soll vielmehr individualisiert erfolgen. Da L-Dopa die Symptomatik zuverlässig bessert, werden mit Fortschreiten der Erkrankung fast alle Betroffenen damit behandelt. Die Therapie kann in frühen Stadien eine Reihe der Symptome abmildern, wodurch sich die Patient:innen deutlich besser fühlen (sog. Honeymoon-Phase). Pharmaka, die nur im Rahmen einer Kombinationstherapie oder in speziellen klinischen Situationen eingesetzt werden, sind bspw. NMDA-Antagonisten oder COMT-Hemmer. Neben der Parkinson-Krankheit werden einige Parkinson-Medikamente auch bei anderen Indikationen eingesetzt, bspw. beim sekundären Parkinson-Syndrom oder beim Restless-Legs-Syndrom.
Übersicht
Zur Behandlung der Parkinson-Krankheit im frühen Stadium sind L-Dopa, Non-Ergot-Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer gleichberechtigte Mittel der 1. Wahl. Die Auswahl soll anhand der individuellen klinischen und anamnestischen Umstände erfolgen!
L-Dopa (Levodopa)
Wirkstoffe
L-Dopa wird immer in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer verabreicht!
Wirkung
- Pharmakokinetik
- Effekte
- Erhöhung der Dopaminkonzentration im ZNS
- Wirkung auf Akinese > Rigor > Tremor
- Wirksamste Einzelsubstanz beim Parkinson-Syndrom (Goldstandard)
- Wirkverstärkung: Kombination mit einem peripheren Decarboxylasehemmer
- Periphere Decarboxylasehemmer hemmen die periphere Umwandlung von L-Dopa in Dopamin
- Dies führt zu einer Erhöhung der zentralen Verfügbarkeit von L-Dopa und ermöglicht eine Dosisreduktion von L-Dopa
- Des Weiteren werden periphere Dopamin-Nebenwirkungen gesenkt
Zu beachten
- Einnahmezeitpunkt: Zwischen den Mahlzeiten [2]
- Wichtige Nebenwirkungen
- Nausea und Emesis
- Orthostatische Hypotonie
- Unruhe
- Verwirrtheit
- Halluzinationen bis hin zu L-Dopa-induzierten Psychosen
- Für Parkinson-Krankheit-spezifische Nebenwirkungen siehe: Hypo- und hyperkinetische Wirkungsfluktuationen
Indikationen
- Parkinson-Krankheit: Initiale Therapie und fortgeschrittene Erkrankungsstadien, siehe
- Sekundäre Parkinson-Syndrome
- Vorrangig: Behandlung der Grunderkrankung
- L-Dopa + Benserazid ggf. vorübergehend zur Symptomlinderung, siehe Therapie sekundärer Parkinson-Syndrome
- Ausgenommen: Medikamenteninduzierte Parkinson-Syndrome, siehe hierzu: Parkinsonoid
- Restless-Legs-Syndrom
- L-Dopa + Benserazid nur noch als intermittierende Therapie empfohlen
- Siehe auch: Restless-Legs-Syndrom - Medikamentöse Therapie
MAO-B-Hemmer
Wirkstoffe
- Selegilin
- Rasagilin
- Safinamid
Wirkung
- Hemmung des zentralnervösen Dopamin- und Katecholaminabbaus → Verlängerung der Dopaminwirkung → L-Dopa-Bedarf↓
Zu beachten
- Wichtige Wechselwirkung: Gefahr eines Serotonin-Syndroms bei Kombination mit SSRIs oder SSNRIs [3]
- Wichtige Nebenwirkungen
- Kopfschmerzen, Dyskinesien, psychische Störungen (bspw. Halluzinationen)
- Bei hohen Dosierungen: Statt selektiver Hemmung von MAO-B auch MAO-A-Hemmung → amphetaminerge Nebenwirkungen (bspw. Tachykardie, Hypertonie)
Indikationen
- Parkinson-Krankheit
- Initiale Therapie: Alternative zu L-Dopa oder Dopaminagonisten (ausgenommen: Safinamid )
- Kombinationstherapie (mit L-Dopa oder Dopaminagonisten): Bei unzureichender Wirksamkeit oder Wirkungsfluktuationen in fortgeschrittenen Stadien
- Siehe auch: Allgemeine Behandlungsprinzipien bei der Parkinson-Krankheit, Stadienabhängige Therapie der Parkinson-Krankheit
Dopaminagonisten
Wirkstoffe
- Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Ropinirol
- Pramipexol
- Rotigotin
- Piribedil
- Apomorphin
- Ergot-Dopaminagonisten
Dopaminagonisten werden nach ihrer chemischen Struktur in Derivate des Mutterkornalkaloids Ergotamin (= „Ergot“) und solche, die nicht vom Ergotamin abstammen (= „Non-Ergot“), eingeteilt!
Die Ergot-Dopaminagonisten (bspw. Bromocriptin und Cabergolin) sollen heutzutage nicht mehr in der Parkinson-Therapie eingesetzt werden! Informationen zu dieser Substanzklasse finden sich im Kapitel Prolaktinom!
Wirkung
- Agonistische Wirkung an postsynaptischen Dopaminrezeptoren → Direkte dopaminerge Wirkung, unabhängig vom Funktionszustand der präsynaptischen striatalen Neurone
- Wirkung auf Akinese > Rigor > Tremor
Zu beachten
- Wichtige Nebenwirkungen
- Vegetativ: Übelkeit, Erbrechen, orthostatische Hypotension, Schwindel
- Motorisch: Dyskinesien (selten)
- Psychisch
- Unruhe
- Impulskontrollstörung, bspw. gesteigerte Libido, zwanghaftes Einkaufen, Glücksspielsucht
- Punding: Zwanghaftes Ausführen repetitiver, nicht-zielgerichteter Verhaltensweisen (bspw. Putzen, sinnloses Umsortieren)
- Halluzinationen bis hin zur Psychose
- Delir
- Vermehrte Tagesmüdigkeit und Schlafattacken
Abruptes Absetzen von Dopaminagonisten kann zu einem malignen neuroleptischen Syndrom führen!
Bei Patient:innen mit Parkinson-Krankheit und kognitiver Leistungseinschränkung, Demenz und/oder psychotischem Erleben sollten Dopaminagonisten nicht eingesetzt werden!
Indikationen
- Parkinson-Krankheit: Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Initiale Therapie: Alternative zu L-Dopa oder MAO-B-Hemmern (außer Apomorphin)
- Fortgeschrittene Stadien: Kombinationstherapie bei Wirkungsfluktuationen (i.d.R. mit L-Dopa)
- Siehe auch: Stadienabhängige Therapie der Parkinson-Krankheit
- Siehe auch: Allgemeine Behandlungsprinzipien bei der Parkinson-Krankheit
- Restless-Legs-Syndrom: Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin
- Siehe auch: Restless-Legs-Syndrom - Medikamentöse Therapie
COMT-Hemmer
Wirkstoffe
- Immer in Kombination mit L-Dopa und Decarboxylasehemmer
- Opicapon
- Entacapon
- Tolcapon
Wirkung
- Hemmt über Inhibition der Catechol-O-Methyltransferase (= COMT) den Dopaminabbau → Verstärkung Dopaminwirkung, Verbesserung Wirkfluktuatione (Reduktion der Zeit mit Off-Phase)
Zu beachten
- Wichtige Nebenwirkungen
- Gastrointestinale Nebenwirkungen
- Dyskinesien
- Psychische Störungen (bspw. Halluzinationen)
- Tolcapon: Hepatotoxizität
Indikationen
- Parkinson-Krankheit
- Fortgeschrittene Stadien mit End-of-dose-Wirkungsfluktuationen: Als Kombinationstherapie mit L-Dopa + Decarboxylasehemmer zur Reduktion der Zeit mit Off-Phasen
- Siehe auch: Stadienabhängige Therapie der Parkinson-Krankheit
NMDA-Antagonisten
Wirkstoffe
- Amantadin
- Budipin [1]
Weitere Medikamente mit antagonistischer Wirkung bzw. Wirkkomponente an NMDA-Rezeptoren sind bspw. Memantin, Ketamin/Esketamin oder Acamprosat!
Wirkung
- Wiederherstellung eines Gleichgewichts von Glutamat und Dopamin im Gehirn
- Antagonismus am Glutamat- bzw. NMDA‑Rezeptor → Relativer Glutamat-Überschuss↓
- Wirkung als indirekter Dopaminagonist an den Dopaminrezeptoren bzw. indirektes Dopa-Mimetikum → Dopaminfreisetzung↑
- Budipin hemmt zusätzlich MAO-B und den muskarinergen Acetylcholinrezeptor
- Wirkung auf Hypokinese > Rigor > Tremor
Zu beachten
- Wirkungsverlust nach einigen Monaten Behandlungsdauer
- Wichtige Nebenwirkungen
- Vegetativ
- Nausea und Emesis
- Orthostatische Hypotonie
- Anticholinerge Nebenwirkungen
- Psychisch
- Unruhe
- Verwirrtheit
- Halluzinationen bis hin zu Psychosen
- Delir
- Zusätzlich: QT-Zeit-Verlängerung
- Vegetativ
Als Nebenwirkung sind QT-Zeit-Verlängerungen möglich! Daher ist die Gabe bei schweren kardialen Vorerkrankungen kontraindiziert!
Indikationen (Amantadin)
- Parkinson-Krankheit
- Akinetische Krise (i.v. Präparate)
- L-Dopa-induzierte Dyskinesien (als Kombinationstherapie)
- Medikamenten(insb. Antipsychotika)-induzierte extrapyramidale Symptome (Frühdyskinesie, Akathisie, Parkinsonoid)
- Influenza A: Therapie und Chemoprophylaxe, siehe: Antivirale Pharmaka gegen Influenzaviren
Anticholinergika
Wirkstoffe
- Biperiden
- Bornaprin
- Metixen
- Trihexpyhenidyl
Wirkung
- Hemmung exzitatorischer cholinerger Neurone → Acetylcholinspiegel↓
Zu beachten
- Wirkungsverlust nach einigen Monaten Behandlungsdauer
- Nebenwirkungen
- Ungünstige Nebenwirkungen insb. bei alten oder kognitiv eingeschränkten Patient:innen → Gefahr der Verschlechterung einer Demenz, Entwicklung eines anticholinergen Delirs
- Siehe auch: Anticholinerge Nebenwirkungen
Indikationen
- Medikamenten-induzierte extrapyramidale Symptome
- Parkinson-Krankheit: Nur in wohl abgewogenen Ausnahmefällen zur Behandlung eines Tremors [1]
- Zusätzliche Indikationen einzelner Wirkstoffe
- Biperiden Injektionslösung
- Akute Medikamenten-induzierte extrapyramidale Symptome (Bspw. akute Dystonie nach Metoclopramid-Einnahme)
- Vergiftung mit Nicotin oder Phosphorverbindungen
- Bornaprin: Hyperhidrosis
- Biperiden Injektionslösung
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
L-Dopa
Dopaminagonisten
MAO-Hemmer
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