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Pharynxkarzinom

Letzte Aktualisierung: 3.12.2023

Abstracttoggle arrow icon

Das Pharynxkarzinom bezeichnet einen malignen Tumor des Rachens. Hauptrisikofaktoren analog zum Larynxkarzinom sind Nikotinkonsum und Alkoholabusus. Eine Ausnahme stellt das Nasopharynxkarzinom dar, das mit Epstein-Barr-Virus-Infektionen assoziiert ist und schon in jungen Jahren auftreten kann. Dem gegenüber sind humane Papillomaviren gehäuft an der Ätiologie des Oropharynxkarzinoms beteiligt. Die Erstsymptome sind abhängig von der Lokalisation und meist sehr unspezifisch. Therapeutisch kommen für Oro- und Hypopharynxkarzinome meist eine operative Resektion mit ggf. Neck Dissection und anschließender Radio(chemo)therapie infrage. Das Nasopharynxkarzinom wird primär strahlentherapeutisch behandelt.

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Geschlecht: > (ca. 4–7:1)
  • Alter: Häufigkeitsgipfel 45.–75. Lebensjahr
  • Vorkommen: Das Nasopharynxkarzinom zeigt eine auffällige geografische Verteilung, aufgrund derer umweltbedingte Ursachen angenommen werden
    • Meist Südostasien
    • Weiterhin erhöhte Inzidenz in Nordafrika, Grönland und Alaska
  • Inzidenz [1][2]
    • Nasopharynxkarzinom: 0,5–1 pro 100.000 pro Jahr
    • Oropharynxkarzinom: 2–3 pro 100.000 pro Jahr
    • Hypopharynxkarzinom: 1–2 pro 100.000 pro Jahr

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

Klassifikationtoggle arrow icon

Nach der anatomischen Lokalisation [3]

Die geläufigste Terminologie unterscheidet zwischen Nasopharynx-, Oropharynx- und Hypopharynxkarzinom. Zum anatomischen Aufbau der Pharynxabschnitte siehe auch: Pharynx. Nachfolgende Einteilung in Unterbezirke ist insb. für die TNM-Klassifikation von Bedeutung.

Nach der Histologie

  • Plattenepithelkarzinome (mit Abstand häufigste Form, 90%)
  • Adenokarzinome (bei Holzarbeitern als Berufskrankheit)
  • Lymphoepitheliales Karzinom (Schmincke-Tumor)
    • Undifferenziertes Karzinom des Nasopharynx
    • Besteht aus Tumorzellen epithelialen Ursprungs, die von lymphozytenreichem Stroma umgeben sind
    • Assoziation mit vorausgegangener EBV-Infektion
  • Beim Oropharynxkarzinom: Expression von p16 und HPV-DNA-Nachweis [4][5]

TNM-Klassifikation maligner Pharynxtumoren (8. Edition, 2017) [3][6][7]

TNM-Klassifikation maligner Pharynxtumoren
TNM Hypopharynxkarzinom und Oropharynxkarzinom Nasopharynxkarzinom
T1
  • Tumorgröße ≤2 cm und
  • Bei Hypopharynxkarzinom: Auf einen Unterbezirk begrenzt
T2
  • Tumorgröße 2–4 cm oder
  • Bei Hypopharynxkarzinom: Invasion mehrerer Unterbezirke
  • Parapharyngeale Ausbreitung oder
  • Infiltration Pterygoid- und/oder prävertebraler Muskulatur
T3
  • Tumorgröße >4 cm oder
  • Bei Hypopharynxkarzinom: Fixation des Hemilarynx
  • Bei Oropharynxkarzinom: Tumorausbreitung auf linguale Fläche der Epiglottis
T4
pN1
pN2
pN3

Lymphknoten >6 cm und/oder

M1
  • Fernmetastasen

Stadieneinteilung der UICC (Union for International Cancer Control) beim Hypopharynxkarzinom und Oropharynxkarzinom (p16‑)

Stadium TNM
Stadium I T1
Stadium II T2
Stadium III T3 oder N1
Stadium IVa T4a oder N2
Stadium IVb T4b oder N3
Stadium IVc M1

Stadieneinteilung der UICC (Union for International Cancer Control) beim Oropharynxkarzinom (p16+)

Stadium TNM
Stadium I T1, T2 mit N0, N1
Stadium II

T1, T2 mit N2

T3, T4 mit N0, N1
Stadium III T3, T4 mit N2
Stadium IV M1

Stadieneinteilung der UICC (Union for International Cancer Control) beim Nasopharynxkarzinom

Stadium TNM
Stadium I T1
Stadium II T1 mit N1 oder T2 mit N0, N1
Stadium III

T1, T2 mit N2

ab T3

Stadium IVa

T4 oder N3
Stadium IVb M1

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Diagnostiktoggle arrow icon

  • Laryngoskopie
    • Stets obligate Beurteilung der Stimmlippenbeweglichkeit bei Tumor mit Larynxbeteiligung
    • Beim Hypopharynxkarzinom oft nur indirekte Hinweise feststellbar mittels Speichelsee am Eingang des Sinus piriformis
  • Funktionsprüfung der kaudalen Hirnnerven
  • Schnittbildgebung (CT oder MRT Hals): Beurteilung der Infiltrationstiefe des Tumors und ob bereits Nachbarstrukturen betroffen sind (insb.Knocheninfiltration)
  • Sonografie Hals: Beurteilung der zervikalen Lymphknoten und ggf. Tumorausbreitung bei fortgeschrittener Infiltration
  • Endoskopische Untersuchung (Panendoskopie) + Inzisionsbiopsie: Beurteilung und Ausdehnungsbestimmung des Tumors + Gewinnung von Material zur histologischen Aufarbeitung (u.a. zum Grading) und Diagnosesicherung
  • Tonsillektomie beidseits, Nasopharynxbiopsie, Zungengrundtonsillenabtragung: Zur Suche des Primärtumors bei fehlendem Tumornachweis in der Panendoskopie [8]
  • Staginguntersuchungen
  • Keine Empfehlung zur Wächterlymphknoten-Biopsie

Zervikale Lymphknotenmetastasen, bei denen trotz ausführlicher Diagnostik kein Primärtumor gefunden werden kann, werden als „Cancer of unknown Primary“ (CUP) klassifiziert. [9]

Therapietoggle arrow icon

Stadiengerechte Therapie des Pharynxkarzinoms

Adjuvante Therapie beim Pharynxkarzinom

Die postoperative Strahlentherapie sollte möglichst früh nach Abschluss der Wundheilung begonnen und innerhalb eines Zeitraums von höchstens 11 Wochen nach der Operation beendet werden.

  • Adjuvante Radiatio bei
    • Mind. pT3
    • Mehr als einem befallenen Lymphknoten
    • Perineural-/Gefäßinvasion
  • Adjuvante Radiochemotherapie (bspw. mit 60 Gy und mit Cisplatin) bei
    • R1-Situation
    • Extrakapsulärem Tumorwachstum im Lymphknoten, sog. extranodale Ausbreitung
  • Ablauf Radiatio
    • Bei durchschnittlichem Risiko mit 54–60 Gy in 27–30 Fraktionen über 5,5–6 Wochen
    • Bei Tumoren mit erhöhtem Rezidivrisiko mit 66 Gy in 33 Fraktionen über 6,5 Wochen
  • In Studien aktuell: PD-1-Inhibitoren

Primäre Radiochemotherapie bei Kopf-Hals-Karzinomen

  • Simultane Radiatio mit Cisplatin-haltiger Chemotherapie, ggf Cetuximab bei Unverträglichkeit
    • 70–72 Gy in konventioneller Fraktionierung (5× 1,8–2,2 Gy pro Woche)
  • Zahnärztliche Kontrolle vor Therapiebeginn
  • Schnittbildgebung zum Ausschluss eines Residualtumors bzw. Residualmetastasen 8–12 Wochen nach Abschluss der Therapie
  • PET-CT nach 10–12 Wochen zur Beurteilung der Halslymphknoten bei prätherapeutischem cN+-Status

Palliative Therapie bei metastasiertem Kopf-Hals-Karzinom oder nicht resezierbarem Rezidiv [12][13][14]

Bei nicht-identifizierbarem Primärtumor und Diagnose eines CUP-Syndroms wird in lokalisierten Stadien eine lokale radikale Therapie in kurativer Intention angestrebt, i.d.R. mittels modifizierter radikaler Neck Dissection und/oder lokaler Radiatio! [18][19]

Prognosetoggle arrow icon

  • Aufgrund spät eintretender Symptomatik schlecht
  • 5-Jahres-Überlebensrate insg.: 15–50%
    • Nasopharynxkarzinom [20]
      • Stadium I und II: 60%
      • Stadium III und IV: 25%
    • Oropharynxkarzinom [20]
      • Tonsille: Stadium I–II: 84-93%, Stadium III–IV: 35–50%
      • Zungengrund: Stadium I–II: 50–68%, Stadium III–IV: 18–37%
      • Verschlechterung der 5-Jahres-Überlebensrate um 45% bei Lymphknotenbefall
      • HPV-induzierte Oropharynxkarzinome mit deutlich besserer Prognose
    • Hypopharynxkarzinom [20]
      • Stadium I: 70%
      • Stadium II–IV: 14–28%
      • Diagnosestellung meist erst im fortgeschrittenen Stadium

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

An dieser Stelle werden die Karzinome der Mundhöhle abgehandelt, um die vielen Gemeinsamkeiten (u.a. Epidemiologie, Ätiologie, Histologie) mit dem Pharynxkarzinom zu verdeutlichen. Zudem gibt es bei den Karzinomen des Aerodigestivtraktes eine Besonderheit: Es treten gehäuft synchron oder metachron (nacheinander) Zweitkarzinome in anatomischer Nachbarschaft auf (z.B. Ösophaguskarzinome und Tonsillenkarzinome, Hypopharynxkarzinome und Mundbodenkarzinome oder Larynx- und Bronchialkarzinome).

Mundhöhlenkarzinom (oft Mundbodenkarzinom) [1][13][21]

Der HPV-Status beim Mundhöhlenkarzinom – im Gegensatz zum Oropharynxkarzinom – spielt als prognostischer Faktor nach derzeitiger Studienlage keine Rolle!

Pharynxkarzinome und Mundhöhlenkarzinome haben Nikotin- und Alkoholabusus als gemeinsamen Risikofaktor!

Patienteninformationentoggle arrow icon

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

C04.-: Bösartige Neubildung des Mundbodens

  • C04.0: Vorderer Teil des Mundbodens
    • Von vorn bis zum Prämolar-Eckzahn-Übergang
  • C04.1: Seitlicher Teil des Mundbodens
  • C04.8: Mundboden, mehrere Teilbereiche überlappend
  • C04.9: Mundboden, nicht näher bezeichnet

C05.-: Bösartige Neubildung des Gaumens

C09.-: Bösartige Neubildung der Tonsille

  • Exklusive: Rachentonsille (C11.1), Zungentonsille (C02.4)
  • C09.0: Fossa tonsillaris
  • C09.1: Gaumenbogen (vorderer) (hinterer)
  • C09.8: Tonsille, mehrere Teilbereiche überlappend
  • C09.9: Tonsille, nicht näher bezeichnet

C10.-: Bösartige Neubildung des Oropharynx

  • Exklusive: Tonsille (C09.‑)
  • C10.0: Vallecula epiglottica
  • C10.1: Vorderfläche der Epiglottis
    • Epiglottis, freier Rand [Margo]
    • Plica(e) glosso-epiglottica(e)
    • Exklusive: Epiglottis (suprahyoidaler Anteil) o.n.A. (C32.1)
  • C10.2: Seitenwand des Oropharynx
  • C10.3: Hinterwand des Oropharynx
  • C10.4: Kiemengang
    • Branchiogene Zyste [Lokalisation der Neubildung]
  • C10.8: Oropharynx, mehrere Teilbereiche überlappend
  • C10.9: Oropharynx, nicht näher bezeichnet

C11.-: Bösartige Neubildung des Nasopharynx

C12 Bösartige Neubildung des Recessus piriformis

  • Inklusive: Fossa piriformis

C13.-: Bösartige Neubildung des Hypopharynx

C14.-: Bösartige Neubildung sonstiger und ungenau bezeichneter Lokalisationen der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Strutz et al.: Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie. 2. Auflage Thieme 2009, ISBN: 978-3-131-16972-3.
  2. Malignome des Nasopharynx.
  3. Lydiatt et al.:Head and neck cancers-major changes in the American Joint Committee on cancer eighth edition cancer staging manualIn: CA: A Cancer Journal for Clinicians. Band: 67, Nummer: 2, 2017, doi: 10.3322/caac.21389 . | Open in Read by QxMD p. 122-137.
  4. Wiest et al.:Involvement of intact HPV16 E6/E7 gene expression in head and neck cancers with unaltered p53 status and perturbed pRb cell cycle control.In: Oncogene. Band: 21, Nummer: 10, 2002, doi: 10.1038/sj.onc.1205214 . | Open in Read by QxMD p. 1510-7.
  5. Pannone et al.:Evaluation of a combined triple method to detect causative HPV in oral and oropharyngeal squamous cell carcinomas: p16 Immunohistochemistry, Consensus PCR HPV-DNA, and In Situ Hybridization.In: Infectious agents and cancer. Band: 7, 2012, doi: 10.1186/1750-9378-7-4 . | Open in Read by QxMD p. 4.
  6. Kaanders J.H.A.M. et al.: Hypopharynxkarzinom. Springer Medizin Verlag 2006, ISBN: 978-3-540-31303-8, p. 5870-5873.
  7. Pan et al.:Proposal for the 8th edition of the AJCC/UICC staging system for nasopharyngeal cancer in the era of intensity-modulated radiotherapyIn: Cancer. Band: 122, Nummer: 4, 2015, doi: 10.1002/cncr.29795 . | Open in Read by QxMD p. 546-558.
  8. Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms.Stand: 1. September 2012. Abgerufen am: 11. Oktober 2020.
  9. S3 Leitlinie Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms.Stand: 1. Dezember 2019. Abgerufen am: 11. Oktober 2020.
  10. Hellweg et al.:Die Bedeutung der Tonsillektomie und der Zungengrundtonsillenabtragung beim Cup-SyndromIn: Laryngo-Rhino-Otologie. Band: 83, Nummer: 02, 2004, doi: 10.1055/s-2004-823263 . | Open in Read by QxMD.
  11. Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinome.Stand: 1. Oktober 2022. Abgerufen am: 2. November 2023.
  12. Reiß: Facharztwissen HNO-Heilkunde: Differenzierte Diagnostik und Therapie. 1. Auflage Springer 2009, ISBN: 978-3-540-89440-7.
  13. Boenninghaus, Lenarz: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 13. Auflage Springer 2007, ISBN: 978-3-540-48721-0.
  14. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Larynxkarzinoms.Stand: 1. November 2019. Abgerufen am: 2. September 2020.
  15. Statement der AG Kopf-Hals-Tumore zur Erstlinientherapie des RMSCCHN.
  16. Vermorken et al.:Platinum-based chemotherapy plus cetuximab in head and neck cancer.In: The New England journal of medicine. Band: 359, Nummer: 11, 2008, doi: 10.1056/NEJMoa0802656 . | Open in Read by QxMD p. 1116-27.
  17. Burtness et al.:Pembrolizumab alone or with chemotherapy versus cetuximab with chemotherapy for recurrent or metastatic squamous cell carcinoma of the head and neck (KEYNOTE-048): a randomised, open-label, phase 3 studyIn: The Lancet. Band: 394, Nummer: 10212, 2019, doi: 10.1016/s0140-6736(19)32591-7 . | Open in Read by QxMD p. 1915-1928.
  18. Ferris et al.:Nivolumab for Recurrent Squamous-Cell Carcinoma of the Head and NeckIn: New England Journal of Medicine. Band: 375, Nummer: 19, 2016, doi: 10.1056/nejmoa1602252 . | Open in Read by QxMD p. 1856-1867.
  19. CUP-Syndrom - Krebserkrankungen mit unbekanntem Primärtumor.Stand: 1. Juni 2023. Abgerufen am: 2. November 2023.
  20. Krämer et al.:Cancer of unknown primary: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-upIn: Annals of Oncology. Band: 34, Nummer: 3, 2023, doi: 10.1016/j.annonc.2022.11.013 . | Open in Read by QxMD p. 228-246.
  21. Pharynx- und Larynxtumoren.

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