Abstract
Die Analfissur ist ein meist längs verlaufender Defekt im Anoderm. Man unterscheidet primäre Fissuren, die i.d.R. traumatisch oder durch einen erhöhten Sphinktertonus bedingt sind, von sekundären Fissuren, die beispielsweise im Rahmen von Grunderkrankungen wie dem Morbus Crohn auftreten. Die Erkrankung wird klinisch diagnostiziert. Charakteristisch für primäre Fissuren ist ein heftiger Schmerz während und nach der Defäkation, der von einem hellroten Blutabgang begleitet werden kann. Therapeutisch stehen konservative Maßnahmen im Vordergrund (bspw. Anwendung antiphlogistischer und analgetischer Salben). Kommt es hierunter zu keiner Besserung kann abhängig vom Leidensdruck eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden (i.d.R. Fissurektomie nach Gabriel unter Schonung des Sphinkterapparates).
Definition
Als Analfissur bezeichnet man einen zwischen Linea dentata und Analkanalrand gelegenen länglichen Defekt im sensiblen Anoderm. Je nach Genese wird zwischen primären und sekundären Analfissuren unterschieden:
- Primäre Analfissur: Spontan auftretende Analfissur, häufig traumatisch bedingt
-
In etwa 80% der Fälle befindet sich diese in der hinteren Kommissur, d.h. bei 6 Uhr in Steinschnittlage.
- Akute Analfissur: Glatt berandeter, i.d.R. konservativ beherrschbarer Riss im Anoderm. Bei einer bis acht Wochen anhaltenden Symptomatik (Maximaldauer) gilt die Fissur als akut
- Chronische Analfissur: Über einen längeren Zeitraum anhaltender, ulkusartiger Defekt im Anoderm, der zum Teil mit Sekundärveränderungen wie einer Vorpostenfalte, einer hypertrophen Analpapille oder freiliegenden Fasern des M. sphincter ani internus einhergeht
-
In etwa 80% der Fälle befindet sich diese in der hinteren Kommissur, d.h. bei 6 Uhr in Steinschnittlage.
- Sekundäre Analfissur: Im Rahmen von Begleiterkrankungen (bspw. Infektionen, Tumoren, Morbus Crohn) auftretender Defekt im Anoderm; im Gegensatz zur primären Analfissur ist der Defekt oft an atypischer Stelle (d.h. nicht in der vorderen bzw. hinteren Kommissur) gelegen
Ätiologie
Die Ätiologie der Analfissur scheint multifaktoriell zu sein.
- Primäre Analfissur
- Mechanisch
- Harter Stuhlgang, chronische Obstipation oder Diarrhö
- Analverkehr
- Neuromuskulär: Chronischer Spasmus bzw. erhöhter Tonus des M. sphincter ani internus [1]
- Vaskulär: Minderperfusion in der hinteren Kommissur
- Infektiös: Auf dem Boden einer Kryptitis
- Mechanisch
- Sekundäre Analfissur (Begleitfissur), u.a. bei:
- Grunderkrankungen: Bspw. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Analkarzinom, HIV-, HSV-Infektion
- Lokale und systemische Infekte: Bspw. Kryptitis, HIV-/HSV-Infektion
- Systemische Arzneimitteltherapie (z.B. mit Ergotamin)
- Chemotherapie
- Vorausgegangene proktologische Operationen
Bei einer Analfissur in atypischer Lage (≠ hintere oder vordere Kommissur) sollte auch an Ursachen wie eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung gedacht werden!
Symptome/Klinik
Die primäre Analfissur ist häufig sehr schmerzhaft, wohingegen die sekundäre Analfissur seltener Beschwerden verursacht.
- Perianale Schmerzen während und nach der Defäkation → Angst vor der Defäkation
- Schmerzhafter Sphinkterkrampf
- Blutung (meist hellrot): Häufig berichten die Patienten über eine hellrote Blutspur am Toilettenpapier bzw. hellrot streifige Auflagerungen auf dem Stuhlgang
Diagnostik
Die Diagnose einer Analfissur wird anamnestisch und klinisch gestellt.
Anamnese
- Schmerzen
- Abhängig vom Stuhlgang
- Akuter Beginn
- Auslösende Faktoren (harter Stuhlgang, sexuelle Praktiken)
- Blutauflagerungen, Blutabgang
- Obstipationsneigung, Ernährungsgewohnheiten
- Begleiterkrankungen (insb. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, HIV, Karzinom)
- Koloskopie in der Vergangenheit
Klinische Untersuchung
- Inspektion: Beim Spreizen der Nates (Gesäßhälften) ist oftmals der distale Anteil der Fissur sichtbar
- Digital-rektale Untersuchung (DRU): Teils wegen starker Schmerzen nur in Lokalanästhesie möglich
- Ggf. weiterführende Diagnostik (wie Koloskopie, Rektoskopie) unter adäquater Analgesie zur Abklärung einer transanalen Blutung/weiterer Differenzialdiagnosen
- Fistelausschluss, insb. bei sekundären Fissuren
Differenzialdiagnosen
- Analfistel oder -abszess
- Analkarzinom
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die Therapie der Analfissur sollte primär konservativ erfolgen. Bringen konservative Maßnahmen keinen Behandlungserfolg, kann abhängig vom Leidensdruck eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden.
Konservativ
- Stuhlregulierung (ballaststoffreiche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr↑, ggf. Macrogol )
- Antiphlogistische und analgetische Salben: Bspw. auf Lidocain-Basis oder Cinchocain-Basis
- Vasodilatierende oder muskelrelaxierende Salben auf Basis von:
-
Nitraten wie
- Glyceroltrinitrat
- Bspw. hydrophile Glyceroltrinitrat-Rektalcreme oder Rectogesic Rektalsalbe®
- Alternativ: Isosorbiddinitrat
- Glyceroltrinitrat
- Calciumantagonisten wie Diltiazem
-
Nitraten wie
- Sitzbäder bspw. mit:
- Kamillenextrakt
- Adstringenzien (Zusätze) wie bspw. Tannosynt® oder Tannolact®
- Ggf. Reduktion des Sphinktertonus: Botulinumtoxin-A-Injektion in M. sphincter ani int.
Operativ
Die Indikation zur Operation ist aufgrund der potenziellen Sphinkterverletzung streng zu stellen. In Deutschland ist die operative Therapie der Wahl die sphinkterschonende Fissurektomie nach Gabriel.
Präoperatives Management
- Aufklärung: Komplikationen der Fissurektomie
- Ggf. (in Abhängigkeit von den Schmerzen und vom Operateur) präoperativ Verabreichen eines Klistiers
Operationsverfahren
- Fissurektomie nach Gabriel: Lokales Ausschneiden des Ulkus/der narbigen Veränderungen unter Mitnahme von Begleitveränderungen (Analpapille, Vorpostenfalte) und unter Schonung des Sphinkterapparates [2]
- Laterale Sphinkterotomie (seitliche Durchtrennung des Musculus sphincter ani internus): Gilt aufgrund der Gefahr der Inkontinenz in Deutschland als obsolet einzustufendes Operationsverfahren
- Reduzierter Sphinktertonus → Abheilung der Fissur
- Vergesellschaftet mit einer höheren Inkontinenzrate
Aufgrund der drohenden Inkontinenz sollte immer erst eine konservative Therapie angestrebt werden!
Postoperatives Management
- Kontrolluntersuchungen
- Inspektion: Augenmerk auf Infekt (putride Sekretion, belegte Wunde), mögliche Nachblutung (reichlich Blut in der Vorlage)
- Bedarfsorientierte Medikation
- Antiphlogistika: Bspw. Ibuprofen bei gegebenen Risikofaktoren in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer , z.B. Pantoprazol
- Alternative oder zusätzliche Analgetika: Bspw. Metamizol
- Ggf. zusätzlich analgetische Salben, siehe: konservative Therapie
- Entlassungsmanagement / Hinweise für die Patienten
- Mehrfach tägliches Ausduschen des Wundgebietes insb. nach erfolgter Defäkation
- Stuhlgangsregulation bspw. mit Macrogol-Beuteln
- Verweis auf möglichen Abgang von (wenig) Blut
- Verzicht auf Analverkehr bis Abheilung
Komplikationen
- Komplikationen der Analfissur
- Entwicklung einer chronischen Analfissur
- Infektionen
- Komplikationen der Fissurektomie
- Inkontinenz
- Nachblutung, Infektion, Wundheilungsstörungen [2]
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- K60.-: Fissur und Fistel in der Anal- und Rektalregion (siehe auch Analfistel - Kodierung nach ICD)
- Exklusive: Mit Abszess oder Phlegmone (K61.‑)
- K60.0: Akute Analfissur
- K60.1: Chronische Analfissur
- K60.2: Analfissur, nicht näher bezeichnet
- K60.3: Analfistel
- K60.4: Rektalfistel (Rektum-Haut-Fistel)
- Exklusive: Rektovaginalfistel (N82.3), Vesikorektalfistel (N32.1)
- K60.5: Anorektalfistel
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.