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Fieberkrampf

Letzte Aktualisierung: 27.1.2023

Abstracttoggle arrow icon

Ein Fieberkrampf oder fieberassoziierter Krampfanfall ist ein zerebraler Krampfanfall bei Kindern jenseits der Neugeborenenperiode, der im Rahmen einer fieberhaften Erkrankung auftritt, die nicht durch eine ZNS-Infektion bedingt ist. Die Pathogenese ist nicht genau geklärt. Meist handelt es sich um unkomplizierte Anfälle, die primär generalisiert auftreten, i.d.R. harmlos verlaufen und (sofern keine Hinweise auf eine Meningitis bestehen) keine Lumbalpunktion erforderlich machen. Ein komplizierter Fieberkrampf mit fokalem Verlauf, einer Dauer von mehr als 5 Minuten, einem wiederholten Auftreten innerhalb von 24 Stunden oder im Alter unter 6 Monaten oder über 5 Jahren erfordert immer eine weiterführende Diagnostik, insb. um eine Herpes-simplex-Enzephalitis oder eine bakterielle Meningitis auszuschließen. Sistieren Fieberkrämpfe nicht innerhalb von 5 Minuten spontan, sollten sie mit Benzodiazepinen durchbrochen werden. Fieberkrämpfe können durch Fiebersenkung nicht verhindert werden, da sie meist im Fieberanstieg auftreten. Eine familiäre Prädisposition gilt als größter Risikofaktor.

Definitiontoggle arrow icon

Definition der International League Against Epilepsy (ILAE): Ein Fieberkrampf oder fieberassoziierter Krampfanfall ist ein zerebraler Krampfanfall bei Kindern jenseits der Neugeborenenperiode (meist im Alter von (3–)6 Monate bis 5 Jahre), der im Rahmen einer fieberhaften Erkrankung auftritt (meist >38 °C), die nicht durch eine ZNS-Infektion bedingt ist. Anfälle symptomatischen Ursprungs und vorausgehende Neugeborenenanfälle oder fieberfreie Anfälle sind Ausschlusskriterien. [1]

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Alter: (3–)6 Monate bis 5 Jahre [1][2]
    • Altersgipfel: 2. Lebensjahr
  • Lebenszeitprävalenz: 3–4% aller Kinder erleiden einen Fieberkrampf [1]

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Klassifikationtoggle arrow icon

Einteilung der Fieberkrämpfe [1]

Unkomplizierter Fieberkrampf (ca. 70%) Komplizierter Fieberkrampf* (ca. 30%)
Klinik
Dauer und Häufigkeit
  • Dauer <5 min [3]
  • Max. 1 Anfall innerhalb von 24 h
  • Dauer ≥5 min [3]
  • Wiederholter Krampfanfall innerhalb von 24 h
Alter
  • 6 Monate bis 5 Jahre
  • <6 Monate oder >5 Jahre
*Sobald eines der Kriterien erfüllt ist, gilt der Fieberkrampf als kompliziert!

Pathophysiologietoggle arrow icon

  • Genaue Pathophysiologie unbekannt [1]
    • Senkung der Krampfschwelle aufgrund ungeklärter Mechanismen
    • Auftreten des Krampfanfalls meist im Fieberanstieg, unabhängig von der eigentlichen Temperatur
    • Häufig zeitliche Zusammenhänge mit Dreitagefieber und Masernimpfungen (Kausalzusammenhang hier ebenfalls nicht geklärt)
  • Risikofaktoren [1]
    • Positive Familienanamnese
    • Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung (erhöhte Infekt- und Fieberwahrscheinlichkeit)
    • Entwicklungsverzögerung und/oder auffällige Perinatalzeit
  • Exkurs: Bei Patienten, die als Kind an komplizierten Fieberkrämpfen und im späteren Leben an einer Temporallappenepilepsie erkranken, geht man davon aus, dass strukturelle Besonderheiten vorliegen, die beide Krankheitsbilder bedingen (sog. duale Pathologie). Die Epilepsie ist eher nicht Folge des Fieberkrampfes. [1]

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Ist eine Todd'sche Parese nicht innerhalb von 2 Stunden rückläufig, sollte sofort eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden!

Diagnostiktoggle arrow icon

Akute Diagnostik

Eine Herpes-simplex-Enzephalitis präsentiert sich meist wie ein komplizierter Fieberkrampf!

Diagnostik im Verlauf

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Maßnahmen

Medikamentöse Anfallsunterbrechung

  • Bei Anfallsdauer über 5 min: Benzodiazepine nasal, rektal oder bukkal, wenn nötig einmalige Wiederholung möglich
  • Bei fehlender Anfallsdurchbrechung oder erneutem Anfall nach Benzodiazepingabe: Antikonvulsiva i.v.

Benzodiazepine nasal, rektal oder bukkal [4]

  • Diazepam
    • Rektale Dosierung Kinder <15 kg
    • Rektale Dosierung Kinder ≥15 kg
    • i.v.-Standarddosierung bei Status epilepticus (jedes Alter)
  • Midazolam
    • Nasale oder bukkale Applikation mittels i.v. Injektionslösung: Standarddosierung jedes Alter
    • Intravenöse Applikation: Standarddosierung jedes Alter
  • Bei Überdosis: Antidot Flumazenil

Antikonvulsiva i.v. [4]

Rezidivprophylaxe und Therapie von Wiederholungskrämpfen (Tipps für zu Hause)

  • Rezeptierung eines Medikaments zur Anfallsunterbrechung
  • Nicht empfohlen:
    • Fiebersenkende Therapie ab einer bestimmten Temperatur: Die Eltern müssen vielmehr darüber aufgeklärt werden, dass auch eine frühzeitige Antipyrese einen weiteren Fieberkrampf nicht verhindern kann.
    • Diazepamprophylaxe im Infekt
  • Eine Rezidivprophylaxe mit Phenobarbital oder Valproat ist wirksam, aber nebenwirkungsträchtig und bleibt Ausnahmefällen vorbehalten

Komplikationentoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognosetoggle arrow icon

  • Wiederholungsrisiko für fieberassoziierte Krampfanfälle 30–40% (bei Auftreten im 1. Lebensjahr 50%) [1]
  • Bei 95% der Kinder mit Fieberkrämpfen gute Prognose (ohne Entwicklungsbeeinträchtigung oder Übergang in eine Epilepsie), auch bei wiederholtem Auftreten
  • Epilepsierisiko (Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung: 1%) [5]
    • 1–2% der Kinder nach unkompliziertem Fieberkrampf
    • 10–15% der Kinder nach kompliziertem Fieberkrampf

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

  • R56.-: Krämpfe, anderenorts nicht klassifiziert

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Hoffmann et al.: Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. 4. Auflage Springer 2014, ISBN: 3-642-41865-1.
  2. Reinhardt et al.: Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. 8. Auflage Springer 2007, ISBN: 3-540-71898-2.
  3. AWMF - Leitlinie Fieberkrämpfe im Kindesalter.Stand: 1. Mai 2021. Abgerufen am: 18. Februar 2022.
  4. Wigger, Stange: Medikamente in der Pädiatrie: Inklusive Neonatologie/ Intensivmedizin. 4. Auflage Urban & Fischer 2013, ISBN: 3-437-21454-3.
  5. Speer, Gahr: Pädiatrie. 4. Auflage Springer 2013, ISBN: 3-642-34268-x.

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