Zusammenfassung
Im Rahmen der Pränataldiagnostik können vorgeburtliche Untersuchungen vorgenommen werden, um kindliche Fehlbildungen oder chromosomale Störungen frühzeitig zu erkennen. Etwa 2–3% der Kinder kommen mit relevanten Fehlbildungen zur Welt (sog. Basisrisiko). Nicht-invasive Screeninguntersuchungen helfen dabei, die Raten an invasiven Untersuchungen (Amniozentesen oder Chorionzottenbiopsien) mit einhergehendem Abortrisiko zu senken. Vor einer geplanten diagnostischen Maßnahme ist meist eine genetische Beratung, Aufklärung und schriftliche Einwilligung gemäß Gen-Diagnostik-Gesetz (GenDG) notwendig. In diesem Zuge sollte auch thematisiert werden, dass ein auffälliges Untersuchungsergebnis ggf. zu invasiver Diagnostik führt und mitunter eine belastende Entscheidung für oder gegen das Fortführen einer Schwangerschaft nach sich ziehen kann. Die folgenden Verfahren sind weder Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien noch der empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen und werden somit i.d.R. nicht von der GKV übernommen. [1]
Nicht-invasive Untersuchungen
Etwa 2–3% der Kinder kommen mit relevanten Fehlbildungen zur Welt (sog. Basisrisiko). Die nicht-invasive Pränataldiagnostik umfasst verschiedene Screeningmethoden zur Einschätzung des Risikos für fetale Chromosomenanomalien. Das Ersttrimester-Screening kombiniert u.a. die sonografische Nackentransparenzmessung mit biochemischen Markern (PAPP-A, β-hCG), während der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) fetale zellfreie DNA im mütterlichen Blut analysiert und somit eine höhere Sensitivität für Trisomien aufweist. Der Triple-Test wird heute nur noch selten verwendet.
Die nicht-invasiven Untersuchungen sind lediglich Screeningtests. Vor einem Schwangerschaftsabbruch sollten auffällige Befunde stets mittels invasiver Diagnostik abgeklärt werden!
Ersttrimester-Screening
Allgmeines [2][3][4]
- Zeitpunkt: Zwischen 11+0 und 13+6 SSW
- Kostenübernahme: Meist keine Leistung der GKV [4]
- Ziel: Risikoberechnung für Trisomie 21 (meist auch für Trisomie 13 und 18)
Methode
Berechnung des individuellen Risikos für fetale Anomalien anhand von
- Maternalem Alter
- Gestationsalter (gemäß Scheitel-Steiß-Länge)
- Fetale Nackentransparenzmessung (NT) : >95. Perzentil → Unspezifischer Hinweis auf eine Anomalie (insb. numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen und Herzfehlbildungen, bspw. Aortenisthmusstenose) [5][6][7]
- Mediane Normwerte: 1,2–2,5 mm
- Dicke der NT hängt vom Schwangerschaftsalter ab [8]
- Grenzwert für direkte invasive Diagnostik: NT >95. Perzentil oder NT ≥3,0 mm, spätestens >3,5 mm
- Wichtige Aspekte der Aufklärung [3]
- Screeninginstrument, das „nur“ Wahrscheinlichkeiten(!) berechnet
- Ggf. invasive Testung bei auffälligem Ergebnis
- Laboruntersuchung [9]
- β-HCG
- Meist erhöht bei Trisomie 21
- Meist erniedrigt bei Trisomie 13, 18
- Invasive Diagnostik bei β-HCG <0,2 MoM oder β-HCG >5,0 MoM
- PAPP-A
- Meist erniedrigt bei Trisomie 13, 18, 21
- Medianer Normwert: MoM=1
- Invasive Diagnostik bei PAPP-A <0,2 MoM
- β-HCG
- Auswertung [4][10][11]
- Risiko <1:1.000 (niedriges Risiko): Reguläre Schwangerenvorsorge
- Risiko 1:51–1:1.000 (intermediäres Risiko)
- Sonografische Untersuchung: Nasenbein oder Blutfluss des Ductus venosus oder Blutfluss der Trikuspidalklappe
- Oder NIPT
- Risiko ≥1:50 (hohes Risiko): Invasive Pränataldiagnostik
Bei sonografisch nachgewiesenen Fehlbildungen oder erhöhter Nackentransparenz (≥3,0, spätestens ab 3,5 mm) ist anstatt einer NIPT direkt die invasive Diagnostik (Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie) indiziert!
Nicht-invasiver Pränataltest (NIPT)
Allgemeines [4][12][13]
- Zeitpunkt: Ab 9+0 SSW
- Kostenübernahme: Leistung der GKV, wenn
- Ziel: Screening auf Trisomien 13, 18, 21 (keine Aussage zu strukturellen Fehlbildungen!)
Methode
- Fetale DNA: Gewinnung, Isolierung und Untersuchung zellfreier fetaler DNA (cfDNA) aus dem mütterlichen venösen Blut [14]
- Ausreichende fetale Fraktion nötig: Tests meist ab FF ≥4% aussagekräftig (je nach Labor)
- Kombination mit Sonografie vor Blutentnahme
- Vorteil gegenüber der Amniozentese: Nicht-invasive Methode; dadurch kein (Abort‑)Risiko für den Fötus
- Vorgehen bei nicht-auswertbarem NIPT (Fetale Fraktion unzureichend)
- Wiederholung des NIPT nach ca. 2 Wochen
- Bei erneut nicht-auswertbarem NIPT: Erhöhtes Risiko für Chromosomenstörungen (v.a. Trisomie 18, 13 und Triploidie)
- Weiterführende Abklärung: Invasive Diagnostik oder sonografische Risikoevaluation (kombiniertes Ersttrimester-Screening )
- Wiederholung des NIPT nach ca. 2 Wochen
- Vorgehen bei auffälligem NIPT
- Sonografische Fehlbildungsdiagnostik
- Auffällig (Hinweis auf Chromosomenstörung) → Chorionzottenbiopsie
- Unauffällig → Amniozentese
- Sonografische Fehlbildungsdiagnostik
Triple-Test
Allgmeines [15][15][16][17][18]
- Zeitpunkt: Zwischen 14+0 und 17+6 SSW
- Kostenübernahme: Meist keine Leistung der GKV
- Ziel: Risikoberechnung, u.a. für Trisomie 21 (Trisomie 18 und fetale Verschlussstörungen)
Methode
Bestimmung von freiem Östriol, HCG und AFP (Bildungsort in fetaler Leber und Dottersack), aus dem maternalen Blut und Risikoberechnung
- Hinweise für Trisomie 21: Freies Östriol↓, AFP↓ und HCG↑ [19]
- Hinweise für Trisomie 18: Freies Östriol↓, AFP↓ und HCG↓
- Hinweis auf Bauchwand- und Neuralrohrdefekte: AFP↑↑
- Quadruple-Test
- Zusätzliche Bestimmung von Inhibin A zwischen der 14+0 und 18+0 SSW
- Hinweis auf Trisomie 21: Inhibin A↑
- Vorgehen bei erhöhtem Risiko: Weiterführende Diagnostik, bspw. mittels
- Sonografischer Fehlbildungsdiagnostik (insb. bei Bauchwand-/Neuralrohrdefekten)
- Invasiver Diagnostik zwecks Chromosomenanalyse
- Kritik
- Hohe Falsch-positiv-Rate
- Geringe Sensitivität und Spezifität
- Weitestgehend durch ETS / NIPT abgelöst
Invasive Untersuchungen
Die invasive Pränataldiagnostik ermöglicht die direkte genetische Untersuchung fetaler bzw. plazentarer Zellen und umfasst die Chorionzottenbiopsie (Entnahme von Plazentagewebe) und die Amniozentese (Gewinnung fetaler Zellen aus dem Fruchtwasser). Beide gehen mit einem Fehlgeburtsrisiko von ca. 0,1% einher. Die Chordozentese (ab 17+0 SSW) dient der Untersuchung fetalen Bluts aus der Nabelschnurvene unter Transfusionsbereitschaft, insb. bei fetaler Anämie oder Infektionen. Zur Karyotypisierung liefert der pränatale Schnelltest (z.B. FISH oder QF-PCR) innerhalb von 24–48 Stunden eine erste Einschätzung zu chromosomalen Störungen, ist der vollständigen (länger dauernden) Karyotypisierung jedoch diagnostisch unterlegen.
Chorionzottenbiopsie
- Zeitpunkt: Von 11+0 bis 14+0 SSW [3][20][21][22]
- Ziel: Direkte genetische Analyse plazentarer Zellen und Detektion von Chromosomenaberrationen (13, 18, 21, X, Y); ggf. zytogenetische, molekularzytogenetische oder molekulargenetische Analyse
- Methode: Transzervikale (transvaginale) ab 10+0 SSW oder transabdominelle (ab 11+0 SSW) Entnahme von Chorionzottengewebe unter sonografischer Kontrolle zur genetischen Diagnostik in der Frühschwangerschaft
- Bei Rhesus-negativen Frauen: Rhesusprophylaxe
- Komplikationen
- Abort (Risiko ca. 0,1% ) [22]
- Infektionen wie bspw. Triple I
- Vorzeitiger Blasensprung
Amniozentese
Methode
- Transabdominelle Punktion der Amnionhöhle unter sonografischer Kontrolle zur diagnostischen Gewinnung fetaler Zellen im Fruchtwasser
-
Durchführung i.d.R. zwischen 15+0 und 17+6 SSW , in Ausnahmefällen ab 11+0 SSW. [3][23]
- Bei Rhesus-negativen Frauen: Rhesusprophylaxe
Indikation
- In der Frühschwangerschaft
-
Zur Karyotypisierung bei V.a. kindliche Chromosomenaberrationen
- Mütterliches Alter >35 Jahre
- Nach pathologischem Triple-Test
- Sonografische Darstellung eines fetalen Nackenödems im Ersttrimester-Screening
- Toxoplasmoseverdacht
-
Zur Karyotypisierung bei V.a. kindliche Chromosomenaberrationen
- In der Spätschwangerschaft
- Bilirubinbestimmung bei Rhesusinkompatibilität
- Elektrolytkontrolle bei V.a. Nierenagenesien
- Einschätzung der Lungenreife mittels Lecithinbestimmung bei Frühgeburtsbestrebungen
- Insulinbestimmung bei Diabetes mellitus der Mutter
- Ablassen von überschüssigem Fruchtwasser bei Polyhydramnion oder Fruchtwasserersatz bei Oligohydramnion
Komplikationen
- Abort (Risiko ca. 0,1% ) [22]
- Vorzeitiger Blasensprung
- Infektion
Chordozentese
- Zeitpunkt [3][22]
- Ab 17+0 SSW [3][22]
- Ziel: Abklärung fetaler Infektionen , Diagnostik und Therapie fetaler Anämie , Rhesus-Inkompatibilität oder Chromosomenstörungen (Karyotypisierung)
- Methode: Ultraschallkontrollierte Punktion der Nabelschnurgefäße, ggf. gleichzeitige intrauterine Transfusion (bspw. über die Nabelschnurvene zur Therapie einer fetalen Anämie) [3]
- Bei Rhesus-negativen Frauen: Rhesusprophylaxe
- Komplikationen
- Abort (0,5–1%)
- Infektionen
- Verletzungen
- Vorzeitige Wehentätigkeit
- PROM
Pränataler Schnelltest
- Ziel: Nachweis oder Ausschluss von Trisomie 21, 13 sowie 18 und numerischen gonosomalen Chromosomenaberrationen [24]
- Durchführung: Im Rahmen einer invasiven Pränataldiagnostik
- Material: Unkultivierte Fruchtwasserzellen, unkultivierte Chorionzellen oder Nabelschnurblut
- Technik: FISH oder PCR
- Indikation: Schnelle Abklärung notwendig
- Klinische Angaben für das Labor
- Schwangerschaftsentstehung (natürlich vs. künstliche Befruchtung)
- Schwangerschaftswoche
- Anzahl der Föten
- Sonografisches Geschlecht
- Vorbefunde (bspw. ETS, NIPT)
- Vorherige Sonografiebefunde
- Wichtige Hinweise
- Ergänzungsverfahren(!) zu einer Amniozentese
- Diagnostische Unterlegenheit gegenüber der Karyotypisierung
- Keine Detektion chromosomaler Strukturanomalien