Abstract
Das Kapitel „Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen“ umfasst die Gestationshypertonie (schwangerschaftsinduzierter Hypertonus = SIH), die Präeklampsie sowie deren Komplikation Eklampsie. Das HELLP-Syndrom, welches ebenfalls zur Familie der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen gehört, wird in einem separaten Kapitel behandelt.
Pathophysiologisch liegt den hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen eine gestörte Plazentation zugrunde, welche auch in Form einer Dysfunktion der uteroplazentaren Einheit in Erscheinung treten und zu einer direkten Gefährdung des Fötus führen kann.
Das Leitsymptom der hier aufgeführten Störungen ist i.d.R. der Blutdruckanstieg, wobei insb. das HELLP-Syndrom und die Eklampsie auch ohne Hypertonie auftreten können. Die Präeklampsie kann außerdem mit einer ausgeprägten Flüssigkeitsretention einhergehen, die zur Entwicklung eines Lungenödems oder einer akuten Nierenschädigung bei der Mutter führen kann. Der gefürchteten Komplikation Eklampsie kann durch eine frühe adäquate Blutdrucktherapie begegnet werden. Kommt es zu einem eklamptischen Anfall, wird in erster Linie mit Magnesiumsulfat therapiert.
Um eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung rechtzeitig diagnostizieren zu können, gehören neben einer dezidierten Anamneseerhebung regelmäßige Blutdruckmessungen, Gewichtskontrollen und Urin-Untersuchungen zu den Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien.
Definition
Schwangerschaftsassoziierte Hypertonieformen [1]
- Schwangerschaftsinduzierter Hypertonus (SIH)
- Definition: Im Verlauf der Schwangerschaft erstmalig auftretende Blutdruckwerte ≥140/90 mmHg
- Schwere Gestationshypertonie bei Blutdruckwerten ≥160/110 mmHg
- 25% Risiko für eine Präeklampsie
- Gestationsproteinurie
- Definition: In der Schwangerschaft neu auftretende Proteinurie ≥300 mg/d oder Protein-Kreatinin-Ratio ≥30 mg/mmol ohne vorbestehende renale Ursache
- Tritt die Proteinurie vor der 20. SSW auf, ist dies ein Hinweis auf eine vorbestehende Nierenerkrankung
- Definition: In der Schwangerschaft neu auftretende Proteinurie ≥300 mg/d oder Protein-Kreatinin-Ratio ≥30 mg/mmol ohne vorbestehende renale Ursache
- Präeklampsie
- Definition: (Vorbestehende) Hypertonie ≥140/90 mmHg in der Schwangerschaft, zusätzlich
- Mind. eine erstmalig aufgetretene Organmanifestation (meist ist die Niere betroffen: Proteinurie ≥300 mg/d oder Protein-Kreatinin-Ratio ≥30 mg/mmol ) oder
- Pathologische Präeklampsie-Marker im Serum [2]
- Early-Onset-Präeklampsie: Auftreten bis inkl. 33+6 SSW (höhere Morbidität und Mortalität für Mutter und Kind als bei der Late-Onset-Präeklampsie) [1]
- Late-Onset-Präeklampsie: Auftreten ab 34+0 SSW [1]
- Schwere Präeklampsie: Auftreten eines oder mehrerer der folgenden Kriterien
- RR ≥160/110 mmHg (geht mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einher)
- Neurologische Störungen
- Leberfunktionsstörung
- Hämatologische Alterationen (Thrombozytopenie <100.000/μL, Hämolysezeichen)
- Nierenfunktionsstörung (Oligurie, Serumkreatininwerte >1,1 mg/dL = 97 μmol/L)
- Respiratorische Störungen (z.B. Lungenödem)
- Intrauterine Wachstumsretardierung
- Veraltet: EPH-Gestose (Edema Proteinuria Hypertension Gestosis): Nicht mehr verwendeter Begriff für Präeklampsie
- Komplikation: Eklampsie
- Definition: (Vorbestehende) Hypertonie ≥140/90 mmHg in der Schwangerschaft, zusätzlich
- HELLP-Syndrom: Lebensbedrohlicher Zustand in der Schwangerschaft, welcher mit typischen Laborveränderungen einhergeht
Schwangerschaftsunabhängige Hypertonie
- Chronische Hypertonie: Bereits bestehender oder im ersten Trimenon diagnostizierter Hypertonus; Unterteilung in
- Veraltet: Pfropfgestose: Chronische schwangerschaftsunabhängige Hypertonie, bei der es nach der 20. SSW zu einer Proteinurie und demnach zu einer Präeklampsie kommt
Epidemiologie
- Inzidenz [1][21778;350]
- Hypertensive Erkrankungen während der Schwangerschaft: 6–8% aller Schwangerschaften
-
Präeklampsie: 2% aller Schwangerschaften in Europa, assoziiert mit 10–15% der maternalen Todesfälle
- HELLP-Syndrom: 10–20% aller Patientinnen mit Präeklampsie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Die genauen Ursachen sind bis dato noch nicht hinreichend geklärt. Man geht jedoch davon aus, dass sowohl exogene als auch endogene Faktoren (bspw. genetische Dispositionen, immunologischer, hormoneller und vaskulärer Status) eine Rolle spielen.
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Präeklampsie [3][4]
Risikofaktoren | Relatives Risiko |
---|---|
Allgemeine Faktoren | |
Autoimmunerkrankungen (insb. Antiphospholipid-Syndrom und systemischer Lupus erythematodes) | ↑↑↑ |
Adipositas: BMI >30 | ↑↑ |
Vorbestehender Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 | ↑↑ |
Chronische Hypertonie | ↑↑ |
Familiäre Belastung | ↑ |
Vorbestehende Nierenerkrankung | ↑↑ |
Alter >40 Jahre | ↑ |
Ethnizität (afroamerikanisch) [1][5] | ↑ |
Schwangerschaftsassoziierte Faktoren | |
Z.n. Präeklampsie | ↑↑↑ |
Erstgebärend | ↑↑ |
Mehrlingsschwangerschaft | ↑↑ |
Z.n. IVF/Eizellspende | ↑↑↑ |
(Z.n.) Schwangerschaft mit IUGR | — |
Gestationsdiabetes | ↑↑ |
Fetale Chromosomenaberrationen (Trisomien, Hydrops fetalis, Blasenmole) | ↑ |
Bilaterales Notching / erhöhter Widerstand in den uterinen Gefäßen >24. SSW | ↑↑ |
Pathophysiologie
Im Detail sind die einzelnen pathophysiologischen Mechanismen noch nicht abschließend geklärt und daher Gegenstand aktueller Forschung. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird als Ursache der Krankheit eine gestörte Entwicklung des plazentaren Gefäßsystems angesehen, die über zahlreiche Mechanismen zu einer Minderperfusion und folglich zu einer Gewebeischämie der Plazenta führt. Auf Grundlage dieser Pathophysiologie stellt die Beendigung der Schwangerschaft die einzige kausale Therapie dar. [3][6]
- Gestörte Entwicklung des plazentaren Gefäßsystems
- Gestörte Plazentation [4]
- Invasion der Trophoblasten erfolgt nicht bis ins Myometrium → Ausbleiben des Remodelings kleinlumiger zu großlumigen Spiralarterien → Der uteroplazentare Widerstand bleibt erhöht → Minderperfusion und Hypoxie der nachfolgenden Strombahn
- Verminderte Vaskularisation der Plazenta: Erhöhte Konzentration antiangiogenetischer Faktoren , erniedrigte Konzentration angiogenetischer Faktoren (VEGF und PlGF), dadurch
- Gestörte Angiogenese der Plazenta
- Generalisierte endotheliale Dysfunktion durch Einschwemmung plazentarer Faktoren in den maternalen Kreislauf → Proteinurie, Hypertonie und andere Komplikationen
- Immunologisch maternale-paternale Maladaptation [7][8]
- Verminderte Expression der Transplantationsantigene HLA-G und HLA-E, welche den Trophoblast vor maternalen natürlichen Killerzellen schützen → Lytische Effekte auf den Trophoblasten werden nicht verhindert → Abstoßung der Plazenta
- Gestörte Plazentation [4]
- Generalisierte endotheliale Dysfunktion: Alle Organsysteme können betroffen sein
- Hämostase: Unkontrollierte Gerinnungsaktivierung mit Verbrauch von Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren → DIC, thrombotische Mikroangiopathie, Infarkte in betroffenen Organen
- Gefäßsystem
- Gestörte Gefäßpermeabilität (Ödeme)
- Imbalance vasoaktiver Substanzen zugunsten der Vasokonstriktion (Endothelin)
- Gesteigerte Sensitivität gegenüber Vasopressoren wie Angiotensin II / vermehrte Aktivität RAAS → Hypertonie
- Niere: Proteinurie, glomeruläre Endothelschwellung
- ZNS: Hypoxische Hirnschädigung, Hirnödem mit neurologischen Störungen bis hin zu Krampfanfällen
- Leber: Leberzellschädigung mit Oberbauchschmerzen
- Plazenta: Inflammation, Infarkte, IUGR, Abruptio placentae
- Lunge: Lungenödem mit akuter Dyspnoe und retrosternalem Schmerz
In manchen Fällen können sich Symptome der Präeklampsie/Eklampsie oder des HELLP auch postpartal zeigen! Dies ist vermutlich bedingt durch eine verzögerte Clearance antiangiogener Faktoren, durch eine Aktivierung des Komplementsystems nach Geburt und infolge von Mobilisierung extrazellulärer Flüssigkeit in das intravasale Kompartiment!
Symptome/Klinik
Symptome eines schwangerschaftsinduzierten Hypertonus [7][9]
- Herz/Kreislauf: Arterielle Hypertonie
- Zusätzlich Symptome einer Organmanifestation: Definitionsgemäß liegt Präeklampsie vor
Symptome einer Präeklampsie
- Allgemeinsymptome: Übelkeit, Erbrechen
- Niere
- Periphere/generalisierte Ödeme [9]
- Oligurie
- Proteinurie
- Lunge
- Dyspnoe
- Retrosternale Schmerzen
- Respiratorische Störungen (z.B. Lungenödem)
- Leber: Rechtsseitige Oberbauchschmerzen (Warnzeichen HELLP-Syndrom!)
- ZNS
- Starke Kopfschmerzen
- Hyperreflexie
- Visuelle Beeinträchtigung (Augenflimmern, Gesichtsfeldausfälle)
- Krampfanfälle
- Schlaganfall
- Augen
- Cotton-Wool-Herde
- Retinale Einblutungen
- Plazenta
Die Symptome einer Präeklampsie müssen nicht zusammen auftreten und jedes Organ kann betroffen sein!
Warnzeichen für die Entwicklung einer schweren Präeklampsie sind Zeichen einer Endorganschädigung (Leber-, Nieren-, Blutbild- oder neurologische Beteiligung) und/oder fetale Wachstumsretardierung!
Diagnostik
Blutdruckmessung
Ausgangskriterium ist im klinischen Alltag meist die Blutdruckerhöhung >140/90 mmHg, die zunächst immer durch eine 24-h-Blutdruckmessung abzuklären ist (Ausschluss „White Coat Hypertension“).
- Zeitpunkt: Bei Aufnahme engmaschige Blutdruckmessung bis zur Normalisierung der RR-Werte, im Verlauf 1–3×/Tag
CTG
- Beurteilung der kindlichen Herztöne ab Lebensfähigkeit nach Standard (meist Fischer- oder FIGO-Score)
- Zeitpunkt: Sofort bei Aufnahme, im Verlauf 1–3×/Tag
Körperliche Untersuchung
- Abdominelle Untersuchung insb. auf Oberbauchschmerzen (siehe auch: HELLP-Syndrom - Symptome und HELLP-Syndrom - Diagnostik)
- Auskultation und ggf. Pulsoxymetrie
- Untersuchung auf Petechien
- Ausschluss zentralnervöser Symptome: Fingerperimetrie , Kalottenklopfschmerz, Reflextestung
- Untersuchung auf Ödeme, tägliche Gewichtsmessung
Labordiagnostik
Laborkontrollen sollten regelmäßig und abhängig vom klinischen Verlauf durchgeführt werden.
Folgende Laborparameter können typischerweise verändert sein:
- Blutbild: Hämoglobin >13 g/dL , Haptoglobin↓, Hämatokrit ≥38%, Thrombozyten <100.000/μL
- Gerinnung: Rapider D-Dimer-Anstieg als Zeichen für DIC
- Leberwerte: Transaminasenerhöhung auf das 2-Fache, indirektes Bilirubin >1,2 mg/dL
- Nierenwerte: Harnsäure >5,9 mg/dL, Kreatinin ≥0,9 mg/dL
- Weitere Parameter: LDH-Anstieg auf das 2-Fache (Hämolysezeichen), Gesamteiweiß↓
- Urin
- Urinstatus
- Bestimmung der Protein-Kreatinin-Ratio im Spontanurin (>30 mg/mmol) oder Bestimmung der Gesamtproteinmenge im 24-h-Sammelurin (>300 mg/Tag)
Biochemische Marker
- Kein routinemäßiges sFlt-1/PlGF-Screening (laut Leitlinie, Stand 2019)
- Bei V.a. Präeklampsie: sFlt-1/PlGF-Bestimmung zum Ausschluss/zur Diagnosesicherung
- sFlt-1/PlGF ≤38: Manifestation einer Präeklampsie innerhalb der nächsten Woche kann sicher ausgeschlossen werden [10][11]
- sFlt-1/PlGF >85 (ab 30. SSW): Eine Präeklampsie liegt vor oder droht
- sFlt-1/PlGF >110 (ab 34. SSW): Eine Präeklampsie liegt vor oder droht
- Siehe auch: Präeklampsie-Screening
Sonografie
- Fetometrie, Beurteilung der Fruchtwassermenge und Plazenta
- Durchführung: Bei stationärer Aufnahme, Fetometrie max. alle 14 Tage während Klinikaufenthalt
- Geburtshilfliche Doppler-Sonografie: Nicht-invasive Methode zur fetalen und maternalen Risikoevaluierung und intensiven fetalen Überwachung
Ophthalmologisches Konsil
- Optional
- Befund
- Fundus hypertonicus mit Papillenödem und retinalen Einblutungen
- Cotton-Wool-Herde
Ein negativer Fundusbefund schließt eine hypertensive Schwangerschaft nicht aus!
Therapie
Eine stabile SIH ohne weitere Symptome kann unter der Voraussetzung regelmäßiger Kontrollen auch ambulant überwacht werden.
Indikationen zur stationären Aufnahme
- Klinisch gesicherte Präeklampsie
- Verschlechterung des Zustandes einer Risikopatientin
- RR ≥160/110 mmHg
- RR ≥140/90 mmHg und zusätzliche Risikofaktoren
- Proteinurie
- Rasch zunehmende Ödeme (v.a. Gesichtsödem), Gewichtszunahme ≥1 kg/Woche im III. Trimenon
- Prodromalsymptome einer HELLP/Eklampsie: Oberbauchschmerzen, zentralnervöse Symptome, Übelkeit, Erbrechen etc.
- Hinweise für fetale Bedrohung: Suspektes CTG, suspekte Doppler-Sonografie, IUGR, Oligohydramnion
- Milde Hypertonie oder Proteinurie in Kombination mit weiteren Risikofaktoren für die Entwicklung einer Präeklampsie
Antihypertensive Therapie bei hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen [3][7]
- Allgemeinmaßnahmen: Stressvermeidung, Ernährungsberatung
- Medikamentöse Therapie
- Indikation
- RR >150–160/100–110 mmHg
- Bei RR >160/110 mmHg: Einleitung der medikamentösen Therapie unter stationärer Überwachung
- Zielblutdruck: <150/80–100 mmHg
- Medikamente
- Mittel der Wahl: α-Methyldopa p.o.
- Metoprolol
- Nifedipin
- Medikamentöse Akuttherapie bei hypertensiver Entgleisung: Urapidil (Off-Label Use) oder unretardiertes Nifedipin
- Zur postpartalen Therapie siehe auch: Postpartales Management der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen
- Indikation
Antikonvulsive Therapie bei hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen [3][7]
- Als „Eklampsieprophylaxe“: Beim Auftreten von Prodromi (Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Hyperreflexie) oder manifestem eklamptischem Anfall
- Magnesium
- Engmaschige Überwachung auf Überdosierung: Kontrolle des Patellarsehnenreflexes, der Atemfrequenz (mind. 12/min) und Nierenfunktion (Ausscheidung mind. 100 mL/4 h)
- Antidot bei Magnesium-Überdosierung: Calciumgluconat
- Alternativ zu Magnesium bei Überdosierung/Problemen: Immer in Intubationsbereitschaft - Phenytoin oder Diazepam
Therapie eines Lungenödems oder einer Herzinsuffizienz [1]
Indikation zur Entbindung
Die Entbindung stellt die einzige kausale Therapie dar. Generell ist bei stabilem fetalem und maternalem Zustand eine vaginale Entbindung möglich. Bei gut eingestellten Patientinnen mit normotonen Blutdruckwerten ist eine vorzeitige Entbindung nicht indiziert.
≥37+0 SSW [12]
- Milde Präeklampsie: Ab 37+0 SSW
- Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie: Ab 37+0 SSW
- Chronische Hypertonie: Ab 38+0 SSW
34+0 SSW–36+6 SSW
- Schwere Präeklampsie
- Wachstumsretardierung <5. Perzentile
- Pathologischer fetaler oder fetoplazentarer Doppler (A. umbilicalis, A. cerebri media, Ductus venosus), siehe auch: Geburtshilfliche Doppler-Sonografie
24+0 SSW–33+6 SSW
Die Entbindung vor der abgeschlossenen 34. SSW ist nur in wenigen Fällen indiziert und sollte gründlich gegenüber dem Risiko der Frühgeburtlichkeit abgewägt werden. I.d.R. ist ein konservatives Vorgehen zu bevorzugen. Vor einer Entbindung sollte möglichst die Lungenreifeinduktion abgeschlossen sein.
- Organkomplikationen der Mutter
- Therapierefraktäre schwere Hypertonie
- Zunehmende Niereninsuffizienz
- Kardiale Dekompensation
- Akutes Lungenödem
- DIC
- Vorzeitige Plazentalösung
- Intrauteriner Fruchttod
- Persistierende, schwere Oberbauchschmerzen
- Zentralnervöse Symptome
- Wachstumsretardierung <5. Perzentile in Kombination mit hoch pathologisch fetalem oder fetoplazentarem Doppler (A. umbilicalis, A. cerebri media, Ductus venosus), siehe auch: Geburtshilfliche Doppler-Sonografie
- Eklampsie
<24+0 SSW
- Individuelle Entscheidung
- Erheblich erhöhtes Risiko für fetale und maternale Mortalität und Morbidität
Die einzige kausale Therapie einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie ist die Beendigung der Schwangerschaft!
Postpartales Management und Nachsorge
Obwohl sich der Blutdruck in den meisten Fällen kurz nach der Geburt wieder normalisiert, sollten alle Patientinnen mit einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung auch im postpartalen Verlauf eine gewisse Zeit lang überwacht werden. Dadurch kann eine mögliche postpartale Exazerbation rasch therapiert werden. Langfristig ist eine internistische Kontrolle und Risikoabklärung indiziert. Das Ziel der postpartalen Nachbetreuung ist es, Langzeitschäden zu vermeiden, über die weitere Lebensführung zu beraten und sekundäre Ursachen der Hypertonie auszuschließen.
Management nach Geburt
Der folgende Abschnitt behandelt das unmittelbar postpartale Management während des Klinikaufenthaltes.
Postpartale Überwachung
- Allgemeine Kontrolle: Siehe: Ärztliche Visite im Wochenbett
- Blutdruckkontrolle bei
- Schwangerschaftsinduzierter Hypertonie: Tägl. für mind. 2 Tage
- Präeklampsie: ≥4× tägl. während des Klinikaufenthaltes
- Vitalparameter: Regelmäßige Kontrolle abhängig vom klinischen Bild , inkl.
- Flüssigkeitsbilanzierung
- Labor
Postpartale medikamentöse Therapie
Antihypertensive Therapie
- Indikation: Persistierende Hypertonie
- Ziel-RR: ≤150/100 mmHg
- Prozedere
- Fortsetzen der bisherigen (präpartalen) antihypertensiven Therapie
- Umstellung auf orale Medikation erwägen
- Dosisanpassung ab 4. postpartalem Tag möglich
- Voraussetzung: RR-Werte↓, Laborwerte unauffällig
- Bei RR >150–160/100–110 mmHg >15 Min. oder diastolischem RR >120 mmHg mit Endorganschäden: Gabe kurzwirksamer i.v. Medikamente
- Fortsetzen der bisherigen (präpartalen) antihypertensiven Therapie
- Medikamente (in der Stillzeit zugelassen)
- Mittel der Wahl: Nifedipin, α-Methyldopa und Metoprolol [1][13][14][15]
- Weitere Medikamente: Labetalol, Enalapril, Captopril und Atenolol
- Bei hypertensiver Entgleisung: Medikamentöse Akuttherapie unter Beachtung klinikinterner Standards
Antikonvulsive Therapie
- Indikation
- Intrapartal angefangene Therapie mit Magnesium
- Postpartale Präeklampsie/Eklampsie
- Prozedere
- Fortsetzen der Therapie bis zu 48 h nach der Geburt
- Bei postpartaler Präeklampsie/Eklampsie: Magnesium Therapievorschlag: Magnesiumsulfat initial 4–6 g i.v. (in 50 mL) über 15–20 min, Erhaltungsdosis 1 g/h
Weitere Maßnahmen
- Thromboseprophylaxe im Wochenbett
- Förderung der Mutter-Kind-Bindung , insb. auch Stillen und Laktation
Postpartale Komplikationen
Vorgehen bei Entlassung
- Allgemein: Siehe auch Management bei Entlassung von der Wöchnerinnenstation
- Spezifisch bei hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen
- Ausführliche Beratung und Information, insb. über
- Verlauf
- Wiederholungs- und Langzeitrisiken
- Notwendige Medikation
- Nachsorgeuntersuchungen und Kontrollen
- Anleitung zur Blutdruckselbstmessung
- Ausführliche Beratung und Information, insb. über
Management nach stationärer Entlassung
- Blutdruckkontrolle
- Selbstmessung durch Patientin für mind. 12 Wochen
- Regelmäßige ärztliche Kontrollen
- Antihypertensive Therapie
- Dosisanpassung bei RR ≤140/90 mmHg möglich
- Ausschleichen der Medikation i.d.R. bis zur 6.–12. Woche möglich
- Bei ausbleibender Normalisierung des Blutdrucks: Weiterführende Diagnostik der arteriellen Hypertonie
- Gynäkologische Nachkontrolle nach Geburt
Langfristiges Management (ab 3 Monate bis 6 Monate postpartal)
- Internistische Abklärung und Beratung
- Ausschluss anderer, sekundärer Ursachen der Hypertonie/Komplikationen
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Verlauf (ca. alle 5 Jahre)
- Prozedere bei Folgeschwangerschaft
- Siehe auch: Präeklampsie-Screening
- Mögliche Langzeitfolgen und -risiken
- Hypertensive Schwangerschaftserkrankung in Folgeschwangerschaft
- Kardiovaskuläre Erkrankungen bei Mutter und Kind
Komplikationen
Eklampsie
- Kurzbeschreibung: Im Rahmen einer Schwangerschaft auftretende, tonisch-klonische Krampfanfälle, wobei andere Ursachen für einen Krampfanfall ausgeschlossen werden müssen; häufige Assoziation mit einer Präeklampsie
- Epidemiologie
- Bei 0,1% aller Schwangerschaften
- Bei ca. 0,5–3% aller Präeklampsien
- Klinik
- Kopfschmerzen und Sehstörungen
- Übelkeit und Erbrechen
- Hyperreflexie bis hin zu generalisierten tonisch-klonischen Krämpfen für ca. 1 min
- Diagnostik
- RR systolisch >180 mmHg
- Neurologische Untersuchung → Hyperreflexie
- Differenzialdiagnosen
- ZNS-Pathologien (bspw. Neoplasie, zerebrovaskuläre Gefäßanomalie)
- Exazerbation einer vorbestehenden Erkrankung (thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom
- Hypoglykämie (bspw. im Rahmen eines Diabetes mellitus)
- Intoxikation
- Infektion
- Trauma
- Therapie
Kopfschmerzen und Sehstörungen sind Warnsymptome für einen eklamptischen Anfall!
In einigen Fällen kann ein eklamptischer Anfall auch noch nach der Entbindung auftreten!
HELLP-Syndrom
Es ist ungeklärt, ob das HELLP-Syndrom ein eigenständiges Krankheitsbild oder eine Komplikation der schwangerschaftsinduzierten Hypertonie bzw. Präeklampsie ist. Nach ICD-10 wird das HELLP-Syndrom als Verlaufsform der Präeklampsie behandelt.
- Siehe hierzu auch
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Beim Vollbild einer Eklampsie liegt die mütterliche Letalität bei 5%; im Falle eines Status epilepticus sogar bei 40%
- Die perinatale Letalität für das Kind ist bei Komplikationen der Hypertonie-induzierten Schwangerschaftserkrankungen bzw. beim HELLP-Syndrom insg. auf 30% erhöht
Prävention
Präeklampsie-Screening [6][7][16][17]
Beim Präeklampsie-Screening im ersten Trimenon handelt es sich um ein kombiniertes Screening, welches biochemische, biophysikalische Einflussgrößen sowie anamnestische Faktoren berücksichtigt und mithilfe spezieller Algorithmen (siehe: Tipps & Links) über 90% der Schwangeren identifizieren kann, welche im Verlauf eine Early-Onset-Präeklampsie entwickeln. Zur Prädiktion einer Late-Onset-Präeklampsie ist das Screening nicht geeignet. Die Untersuchung wird nicht von der Krankenkasse bezahlt. [6][16]
- Zeitpunkt: 11.–14. SSW
- Klinische/anamnestische Befunde: Siehe Risikofaktoren für die Entwicklung einer Präeklampsie
- Doppler-Sonografie: Pulsationsindex (PI) der Aa. uterinae erhöht (siehe auch: Doppler-Sonografie in der Schwangerschaft)
- Biochemische Marker
Im zweiten und dritten Trimenon erfolgt das Screening im Rahmen der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft. Dabei wird u.a. der Blutdruck gemessen und der Urin auf eine Proteinurie untersucht. Ein darüber hinausgehendes Screening wird nicht empfohlen. Bei V.a. eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
- Geburtshilfliche Doppler-Sonografie der A. uterina
- Ggf. Bestimmung angiogener Faktoren, insb. sFlt-1/PlGF-Quotient
Prophylaxe
- Indikation [7]
- Schwere Präeklampsie in der Anamnese
- Positives Präeklampsie-Screening im 1. Trimenon
- Zeitpunkt
- Medikament: ASS
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 214-2022-1/3: CHAP - frühzeitige Therapie der arteriellen Hypertonie bei Schwangeren vorteilhaft!
- Studientelegramm 213-2022-2/3: Vorschau auf den ACC-Kongress
- Studientelegramm 201-2022-3/3: Hypertonie in der Schwangerschaft: Neues AHA-Dokument, alte Fragen
- Studientelegramm 123-2020-3/3: AHA-Empfehlungen zur antihypertensiven Therapie bei Schwangeren
- Studientelegramm 44-2018-1/3: Bluthochdrucktherapie in der Schwangerschaft
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- O10.-: Vorher bestehende Hypertonie, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- Inklusive: Aufgeführte Zustände mit vorher bestehender Proteinurie
- Exklusive: Aufgeführte Zustände mit aufgepfropfter Präeklampsie (O11)
- O10.0: Vorher bestehende essentielle Hypertonie, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- Jeder Zustand in I10 als Betreuungsgrund während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes
- O10.1: Vorher bestehende hypertensive Herzkrankheit, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- Jeder Zustand in I11.- als Betreuungsgrund während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes
- O10.2: Vorher bestehende hypertensive Nierenkrankheit, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- Jeder Zustand in I12.- als Betreuungsgrund während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes
- O10.3: Vorher bestehende hypertensive Herz- und Nierenkrankheit, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- Jeder Zustand in I13.- als Betreuungsgrund während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes
- O10.4: Vorher bestehende sekundäre Hypertonie, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- Jeder Zustand in I15.- als Betreuungsgrund während der Schwangerschaft, der Geburt oder des Wochenbettes
- O10.9: Nicht näher bezeichnete, vorher bestehende Hypertonie, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompliziert
- O11: Chronische Hypertonie mit aufgepfropfter Präeklampsie
- Inklusive: Aufgepfropfte Präeklampsie mit:
- Hypertonie o.n.A.
- vorher bestehender Hypertonie
- Pfropf-Präeklampsie
- Unter O10.- aufgeführte Zustände, kompliziert durch Präeklampsie
- Inklusive: Aufgepfropfte Präeklampsie mit:
- O13: Gestationshypertonie [schwangerschaftsinduzierte Hypertonie]
- Inklusive: Schwangerschaftsbedingte (transiente) Hypertonie o.n.A.
- O14.-: Präeklampsie
- Exklusive: Pfropf-Präeklampsie (O11)
- O14.0: Leichte bis mäßige Präeklampsie
- O14.1: Schwere Präeklampsie
- O14.2: HELLP-Syndrom
- Kombination von Hämolyse, erhöhten Leberenzymen und verminderter Thrombozytenzahl
- O14.9: Präeklampsie, nicht näher bezeichnet
- O15.-: Eklampsie
- Inklusive: Eklampsie mit schwangerschaftsinduzierter oder vorher bestehender Hypertonie; Krämpfe, die bei den unter O10-O14 und O16 aufgeführten Zuständen auftreten
- O15.0: Eklampsie während der Schwangerschaft
- O15.1: Eklampsie unter der Geburt
- O15.2: Eklampsie im Wochenbett
- O15.9: Eklampsie, bei der der zeitliche Bezug nicht angegeben ist
- Eklampsie o.n.A.
- O16: Nicht näher bezeichnete Hypertonie der Mutter
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.