Zugang zu fachgebietsübergreifendem Wissen – von > 70.000 Ärzt:innen genutzt

5 Tage kostenfrei testen
Von ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.

Abort und intrauteriner Fruchttod

Letzte Aktualisierung: 20.4.2023

Abstracttoggle arrow icon

Von einem Abort oder einer Fehlgeburt spricht man, wenn eine Schwangerschaft vorzeitig mit der Geburt eines leblosen Neugeborenen endet, dessen Geburtsgewicht unter 500 Gramm liegt. Dem können u.a. hormonelle oder anatomische Schwangerschaftshemmnisse, Entwicklungsstörungen der fetoplazentaren Einheit oder äußere Einflüsse zugrunde liegen. Insb. bei einem wiederholten Spontanabort sollten diese möglichen Ursachen abgeklärt werden. Unter den verschiedenen Abortformen nimmt der Abortus imminens (drohender Abort) eine Sonderstellung ein, da dieser mittels strenger Bettruhe und medikamentöser Therapie noch aufzuhalten ist. Bei allen übrigen Formen des Fehlgeburtsgeschehens kann je nach Schwangerschaftsalter eine konservative, eine medikamentöse oder eine operative Therapie angestrebt werden. Von einer Fehlgeburt unterschieden werden die Begriffe „Tot“- und „Lebendgeburt“: Sobald ein totes Neugeborenes ein Geburtsgewicht von 500 Gramm überschreitet, gilt es als Totgeburt und muss standesamtlich beurkundet und ordnungsgemäß bestattet werden. Das gleiche Vorgehen gilt für ein lebend geborenes Kind (Lebendgeburt), welches jedoch nach der Geburt verstirbt. Die Diagnose eines in utero verstorbenen Fötus nach 24+0 SSW wird als intrauteriner Fruchttod bezeichnet. Er mündet in eine Totgeburt.

Allgemeine Begriffserklärung [1][2]

Übersicht

Abortform Bedeutung Zeichen
Abortus imminens reversibel
Abortus incipiens irreversibel
  • Symptomatik: Starke pathologische Blutungen ex utero, evtl. Unterbauchschmerzen
  • Klinische Untersuchung: Muttermund evtl. noch geschlossen (später offen)
  • Sonografie: Vitalzeichen reduziert oder fehlend bei sonografisch sichtbarem Embryo
Missed Abortion irreversibel
Abortus incompletus irreversibel
  • Symptomatik: Persistierende vaginale Blutungen ex utero, überperiodenstark, starke Schmerzen
  • Klinische Untersuchung: Muttermund geöffnet, Uterus klein und hart
  • Sonografie: Kein Embryo darstellbar, Schwangerschaftsreste darstellbar
Abortus completus irreversibel
  • Symptomatik: Vaginale, überperiodenstarke Blutung ex utero, evtl. spontanes Sistieren der Blutungen
  • Klinische Untersuchung: Muttermund geöffnet
  • Sonografie: Keine Fruchthöhle oder embryonalen Anteile darstellbar

Sonderform Abortivei

Korrelation zwischen Abortrate und Alter der Schwangeren [4][5]
Alter Wahrscheinlichkeit eines Aborts

<35 Jahre

Ca. 25%

40 Jahre

Ca. 40%

>45 Jahre

>50%

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Bei einem Großteil der Aborte bleibt die Ursache unklar. Die Wahrscheinlichkeit für einen Abort steigt mit zunehmendem Alter und der Anzahl vorangegangener Aborten (siehe auch: Prognose bei Spontanaborten).

Maternale Risikofaktoren [6]

Fetoplazentare Risikofaktoren

Iatrogene Risikofaktoren

Die klinische Symptomatik richtet sich nach der Abortform, ein Abort kann jedoch auch komplett ohne Symptome ablaufen. Mögliche Symptome sind:

Bei einer schwangeren Frau mit vaginalen Blutungen muss an einen Abort gedacht werden!

Die Diagnostik erfolgt i.d.R. anhand des Leitsymptoms einer Blutung im 1. Trimenon. Erhärtet sich der V.a. einen Abort, erfolgt die differenzialdiagnostische Abklärung der verschiedenen Abortformen. Zusätzlich sollte zwecks Klärung der Abortursache eine Infektionsdiagnostik durchgeführt werden (siehe vaginale Erregerdiagnostik).

Befunde bei unterschiedlichen Abortformen

Befund Herzaktion Sonografie Klinische Untersuchung β-HCG-Verlauf

Abortus imminens

  • Vorhanden
  • Schwangerschaftsanlage zeitgerecht darstellbar
  • Evtl. retroamniales Hämatom [7]
  • Muttermund geschlossen
  • Uterus
    • Regelrecht groß
    • Weich
  • Regelrecht ansteigend
Abortus incipiens
  • Verlangsamt/ Fehlend
  • Schwangerschaftsanlage darstellbar
  • Fruchthöhle evtl. entrundet
  • Fruchthöhle/Embryo evtl. im Bereich des isthmozervikalen Übergangs
  • Muttermund geschlossen oder geöffnet
  • Uterus
    • Regelrecht groß/klein
    • Hart oder weich
  • Regelrecht ansteigend oder abfallend
Missed abortion
  • Fehlend [8]
  • Muttermund geschlossen
  • Uterus
    • Klein
    • Hart oder weich
  • Abfallend
Abortus incompletus
  • Fehlend
  • Nur Schwangerschaftsreste darstellbar
  • Muttermund geöffnet
  • Uterus
    • Klein
    • Hart
  • Abfallend
Abortus completus
  • Fehlend
  • Muttermund geöffnet
  • Uterus
    • Klein
    • Hart
  • Abfallend

Bei jeder Schwangeren mit Blutung muss die Blutgruppe inkl. Rhesusfaktor bestimmt werden!

Abortus imminens

  • Allgemeinmaßnahmen
    • Bettruhe, evtl. unter stationären Bedingungen für die Dauer der Blutung
    • Regelmäßige Vitalitätskontrolle (mind. alle 10–12 Tage )
  • Medikamentöse Therapie [4]

Abortus incipiens, Abortus incompletus und Missed Abortion vor der 14. SSW

Abortus incipiens, Abortus incompletus und Missed Abortion nach der 14. SSW [4][14]

Bei allen Formen des Aborts bei Rhesus-negativen Patientinnen immer an die Anti-D-Prophylaxe denken!

Der Trauerprozess durch den Verlust der Schwangerschaft kann die Eltern sehr belasten und sollte nicht unterschätzt werden!

Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt nach Spontanabort(en) [2][15]
Anzahl Spontanaborte Maternales Alter in Jahren
25–29 30–34 35–39 40–44
1 Ca. 85% Ca. 80% Ca. 70% Ca. 52%
2 Ca. 80% Ca. 78% Ca. 62% Ca. 45%
3 Ca. 75% Ca. 70% Ca. 55% Ca. 32%
≥4 <65% <60% <45% <25%

Allgemeines [1][2]

  • Definition: Drei oder mehr aufeinanderfolgende Aborte vor der 20. SSW
  • Häufigkeit: 1–3% der Paare
  • Einteilung
  • Risikofaktoren: Entsprechend den allgemeinen Risikofaktoren eines Abortes

Diagnostik bei wiederholten Spontanaborten

Therapie [2]

  • Allgemeines
    • Stets empathischer Umgang mit der Patientin (und Partner:in)
    • Psychosoziale Hilfsangebote (bspw. Selbsthilfegruppen) zugänglich machen
    • Psychotherapeut:in oder Psychiater:in hinzuziehen
    • Evtl. professionelle Trauerbegleitung zugänglich machen
  • Spezielle Therapie, je nach Ursache (Auswahl)

Idiopathische wiederholte Spontanaborte [2]

  • Definition: WSA ohne Hinweise auf somatische Genese
  • Häufigkeit: 50–75% aller WSA
  • Optionen zur Abortprophylaxe: Gabe natürlichen mikronisierten Progesterons oder synthetischen Gestagens während des 1. Trimenons möglich [18][19]

Definition

Epidemiologie [21][22]

Ätiologie

Diagnostik

  • Eindeutig keine kindliche Herzaktion mittels CTG und Ultraschall nachweisbar

Prozedere [4][5][23]

Schwangerschaft mit abortivem Ausgang (O00O08)

  • Exklusive: Fortbestehen der Schwangerschaft bei Mehrlingsschwangerschaft nach Fehlgeburt eines oder mehrerer Feten (O31.1)
  • Die folgenden vierten Stellen sind bei den Kategorien O03O06 zu benutzen:
    • Hinweis: Inkompletter Abort schließt Retention von Konzeptionsprodukten nach Abort ein.
    • .0 Inkomplett, kompliziert durch Infektion des Genitaltraktes und des Beckens
      • Mit Zuständen, die unter O08.0 aufgeführt sind
    • .1 Inkomplett, kompliziert durch Spätblutung oder verstärkte Blutung
      • Mit Zuständen, die unter O08.1 aufgeführt sind
    • .2 Inkomplett, kompliziert durch Embolie
      • Mit Zuständen, die unter O08.2 aufgeführt sind
    • .3 Inkomplett, mit sonstigen und nicht näher bezeichneten Komplikationen
      • Mit Zuständen, die unter O08.3-O08.9 aufgeführt sind
    • .4 Inkomplett, ohne Komplikation
    • .5 Komplett oder nicht näher bezeichnet, kompliziert durch Infektion des Genitaltraktes und des Beckens
      • Mit Zuständen, die unter O08.0 aufgeführt sind
    • .6 Komplett oder nicht näher bezeichnet, kompliziert durch Spätblutung oder verstärkte Blutung
      • Mit Zuständen, die unter O08.1 aufgeführt sind
    • .7 Komplett oder nicht näher bezeichnet, kompliziert durch Embolie
      • Mit Zuständen, die unter O08.2 aufgeführt sind
    • .8 Komplett oder nicht näher bezeichnet, mit sonstigen und nicht näher bezeichneten Komplikationen
      • Mit Zuständen, die unter O08.3-O08.9 aufgeführt sind
    • .9 Komplett oder nicht näher bezeichnet, ohne Komplikation

Formen des Aborts

O07.-: Misslungene Aborteinleitung

  • Inklusive: Misslungene Abortinduktion
  • Exklusive: Inkompletter Abort (O03O06)
  • O07.0: Misslungene ärztliche Aborteinleitung, kompliziert durch Infektion des Genitaltraktes und des Beckens
    • Mit Zuständen, die unter O08.0 aufgeführt sind
  • O07.1: Misslungene ärztliche Aborteinleitung, kompliziert durch Spätblutung oder verstärkte Blutung
    • Mit Zuständen, die unter O08.1 aufgeführt sind
  • O07.2: Misslungene ärztliche Aborteinleitung, kompliziert durch Embolie
    • Mit Zuständen, die unter O08.2 aufgeführt sind
  • O07.3: Misslungene ärztliche Aborteinleitung mit sonstigen oder nicht näher bezeichneten Komplikationen
    • Mit Zuständen, die unter O08.3O08.9 aufgeführt sind
  • O07.4: Misslungene ärztliche Aborteinleitung ohne Komplikation
    • Misslungene ärztliche Aborteinleitung o.n.A.
  • O07.5: Misslungene sonstige oder nicht näher bezeichnete Aborteinleitung, kompliziert durch Infektion des Genitaltraktes und des Beckens
    • Mit Zuständen, die unter O08.0 aufgeführt sind
  • O07.6: Misslungene sonstige oder nicht näher bezeichnete Aborteinleitung, kompliziert durch Spätblutung oder verstärkte Blutung
    • Mit Zuständen, die unter O08.1 aufgeführt sind
  • O07.7: Misslungene sonstige oder nicht näher bezeichnete Aborteinleitung, kompliziert durch Embolie
    • Mit Zuständen, die unter O08.2 aufgeführt sind
  • O07.8: Misslungene sonstige oder nicht näher bezeichnete Aborteinleitung mit sonstigen oder nicht näher bezeichneten Komplikationen
    • Mit Zuständen, die unter O08.3O08.9 aufgeführt sind
  • O07.9: Misslungene sonstige oder nicht näher bezeichnete Aborteinleitung ohne Komplikation
    • Misslungener Abortversuch o.n.A.

O08.-: Komplikationen nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft

O34.-: Betreuung der Mutter bei festgestellter oder vermuteter Anomalie der Beckenorgane

O36.-: Betreuung der Mutter wegen sonstiger festgestellter oder vermuteter Komplikation beim Fetus

P96.-: Sonstige Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben

  1. WHO: Who: Recommended Definitions, Terminology and Format for Statistical Tables Related to The Perinatal Period And Use of A New Certificate For Cause of Perinatal Deaths In: Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica. Band: 56, Nummer: 3, 1977, doi: 10.3109/00016347709162009 . | Open in Read by QxMD p. 247-253.
  2. Diagnostik und Therapie von Frauen mit wiederholten Spontanaborten. Stand: 1. August 2022. Abgerufen am: 17. Oktober 2022.
  3. von Fournier: Gynäkologie und Geburtshilfe. Schattauer 2007, ISBN: 978-3-794-52618-5 .
  4. Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2018, ISBN: 978-3-131-07346-4 .
  5. Kainer et al.: Facharztwissen Geburtsmedizin. Urban & Fischer 2016, ISBN: 978-3-437-23752-2 .
  6. S. Gaufberg et al.: Early Pregnancy Loss in Emergency Medicine In: www.medscape.com. 2018, .
  7. Threatened Miscarriage. . Abgerufen am: 12. Dezember 2018.
  8. C. Brezinka: Tipps und Tricks im Gyn-Ultraschall: Wie sicher ist die Abortus-Diagnostik im Ultraschall? Ab wann darf man eine Schwangerschaft „aufgeben“? In: Journal für Gynäkologische Endokrinologie. Band: 8, Nummer: 1, p. 24-27.
  9. Missed Miscarriage. . Abgerufen am: 25. Januar 2019.
  10. Susanne Andreae, Peter Avelini, Melanie Berg, Ingo Blank, Annelie Burk: Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen. 2. Auflage Thieme Verlag 2008, ISBN: 978-3-131-42962-9 .
  11. Fink, Ghisu: Medikamentös oder chirurgisch? State of the Art der Abortbehandlung in der Frühschwangerschaft In: info@gynäkologie. Band: 2, 2016, doi: 10.5167/uzh-135365 . | Open in Read by QxMD .
  12. Clinical guideline: Ectopic pregnancy and miscarriage: diagnosis and initial management 2012. Stand: 1. Dezember 2012. Abgerufen am: 13. Februar 2019.
  13. Burdach et al.: Medizinische Therapie 2005/ 2006. Springer-Verlag 2006, ISBN: 978-3-540-27385-1 .
  14. S2k-Leitlinie Geburtseinleitung. Stand: 1. Dezember 2020. Abgerufen am: 22. Januar 2021.
  15. Kolte et al.: Chance of live birth: a nationwide, registry-based cohort study In: Human Reproduction. Band: 36, Nummer: 4, 2021, doi: 10.1093/humrep/deaa326 . | Open in Read by QxMD p. 1065-1073.
  16. Steck: Vorschläge für eine standardisierte Abklärung bei wiederholten spontanen Aborten In: Reproduktionsmedizin. Band: 16, Nummer: 1, 2000, doi: 10.1007/s004440050010 . | Open in Read by QxMD p. 64-65.
  17. Fachinformation Doxycylin AL 200. Stand: 15. November 2022. Abgerufen am: 24. November 2022.
  18. Coomarasamy et al.: A Randomized Trial of Progesterone in Women with Recurrent Miscarriages In: New England Journal of Medicine. Band: 373, Nummer: 22, 2015, doi: 10.1056/nejmoa1504927 . | Open in Read by QxMD p. 2141-2148.
  19. Coomarasamy et al.: Micronized vaginal progesterone to prevent miscarriage: a critical evaluation of randomized evidence In: American Journal of Obstetrics and Gynecology. Band: 223, Nummer: 2, 2020, doi: 10.1016/j.ajog.2019.12.006 . | Open in Read by QxMD p. 167-176.
  20. Devall et al.: Progestogens for preventing miscarriage: a network meta-analysis In: Cochrane Database of Systematic Reviews. Band: 2021, Nummer: 4, 2021, doi: 10.1002/14651858.cd013792.pub2 . | Open in Read by QxMD .
  21. Hirst et al.: The antepartum stillbirth syndrome: risk factors and pregnancy conditions identified from the INTERGROWTH-21st Project In: BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology. Band: 125, Nummer: 9, 2016, doi: 10.1111/1471-0528.14463 . | Open in Read by QxMD p. 1145-1153.
  22. Muin: Intrauteriner Fruchttod – unklar oder nicht ausreichend abgeklärt? In: Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilf. Band: 35, Nummer: 2, 2017, .
  23. Kühnert: Notfallsituationen in der Geburtshilfe. de Gruyter 2009, ISBN: 978-3-110-21379-9 .
  24. Kainer et al.: Facharztwissen Geburtsmedizin. Elsevier GmbH 2021, ISBN: 978-3-437-23753-9 .