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Perikarderguss und Perikardtamponade

Letzte Aktualisierung: 23.9.2022

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Der Begriff Perikarderguss bezeichnet eine Flüssigkeitsansammlung im Raum zwischen der Lamina parietalis des Perikards und dem auf dem Herzen aufliegenden Epikard (Lamina visceralis des Perikards). Perikardergüsse können aus unterschiedlichsten Gründen (z.B. postoperativ, rheumatologisch oder bei infektiöser Perikarditis) auftreten und sich akut oder chronisch entwickeln. Eine schnelle und zuverlässige Methode, um einen Perikarderguss nachzuweisen, ist die Echokardiografie. Therapeutisch steht beim Perikarderguss die Behebung der Ursache im Vordergrund.

Die wichtigste Komplikation eines Perikardergusses ist eine Perikardtamponade. Sie entsteht, wenn der Erguss die diastolische Füllung des Herzens behindert und ein Herz-Kreislauf-Stillstand droht. Therapeutisch wichtig ist dann eine schnelle Entlastung des Herzens, i.d.R. mittels einer sonografisch gesteuerten Punktion.

Für das Notfallmanagement der Perikardtamponade siehe: Perikardtamponade - AMBOSS-SOP

  • Flüssigkeitsansammlung >50 mL im Perikardspalt
  • Klassifikation nach
    • Zeitverlauf (akut, subakut oder chronisch )
    • Volumen (mild, mittelgradig oder groß)
    • Lokalisation (lokalisiert oder generalisiert)
    • Zusammensetzung
    • Hämodynamischer Relevanz

Die Ätiologie unterscheidet sich je nach Zusammensetzung des Perikardergusses. In ca. der Hälfte der Fälle bleibt die Ursache aber unklar (idiopathisch). [1]

Blutiger Erguss (Hämatoperikard)

Seröser Erguss

Exsudat

Transsudat

Sonderformen

Viele Perikardergüsse bleiben asymptomatisch und zeigen sich als Zufalls-/Nebenbefund z.B. im Rahmen eines Röntgen-Thorax. Symptomatische Perikardergüsse können sich mit milden und relativ unspezifischen Symptomen zeigen, sich aber andererseits bei Entwicklung einer Perikardtamponade auch als hochakuter Notfall präsentieren.

Symptomatik des (chronischen) Perikardergusses [1][3][4]

Anamnese

  • Erfragen typischer Symptome
  • Ätiologische Hinweise, bspw.:
    • Vorangegangene Operation? Stattgehabtes Trauma?
    • Hinweise auf maligne Grunderkrankung oder Tuberkulose?
    • Vorerkrankungen?

Körperliche Untersuchung [1][3]

Viele Perikardergüsse bleiben in der körperlichen Untersuchung unauffällig. Bei Zeichen für eine Tamponierung des Herzens handelt es sich aber um einen Notfall. Neben der Diagnosestellung steht hier insb. die Früherkennung eines drohenden obstruktiven Schocks im Vordergrund.

Echokardiografie [1][3]

Typische Befunde [1][5]

  • Ergussdarstellung
    • Perikard: Echoreiche, helle Linie
    • Ergussnachweis
    • Ergussvolumen [3]
      • Messung des echoarmen Flüssigkeitssaums am Ende der Diastole [6]
      • Mild: <1 cm Ergussbreite (entspricht ca. 100 mL)
      • Mittelgradig: 1–2 cm (entspricht ca. 500 mL)
      • Groß: >2 cm (entspricht ca. >500 mL)
    • Lokalisation des Ergusses
      • I.d.R. zunächst retrokardial [6]
      • Mit zunehmender Ergussmenge auch präkordial, das Herz umschließend
      • Insb. nach herzchirurgischen Eingriffen auch lokalisierte Ergüsse möglich [2][7]
    • Zusammensetzung des Ergusses
  • Beurteilung der hämodynamischen Relevanz (Echokardiografische Zeichen der Perikardtamponade)
    • Kollaps des rechten Vorhofs in der späten Diastole (sehr sensitives Frühzeichen)
    • Kollaps des rechten Ventrikels in der frühen Diastole (Spätzeichen) [6]
    • Selten: Kollaps linker Vorhof/Ventrikel [6][8]
    • Swinging-Heart-Phänomen: Bei hoher Ergussmenge kommt es zur erhöhten Beweglichkeit des Herzens, das dann mit jedem Herzschlag stark hin- und herpendelt
    • Verminderte Ejektionsfraktion
    • Verminderte und abnormale Wandbewegungen
    • Abnorme atemabhängige Septumbewegung [6][9]
    • Stauung der V. cava inferior [6]
      • Durchmesser erhöht (≥2 cm)
      • Atemvariabilität eingeschränkt bzw. aufgehoben [6]
    • Doppleruntersuchung
      • Erhöhte Atemvariabilität der Flussgeschwindigkeiten über den Herzklappen [6][7][8]
      • Blutfluss in den Pulmonalvenen: Abnahme des Einstroms bei Inspiration, Zunahme bei Exspiration
      • Blutfluss der Venae hepaticae: Reduzierter diastolischer Blutfluss (bis hin zur exspiratorischen Flussumkehr) [6]
  • Ggf. spezifische Befunde je nach Ursache

Ein Perikarderguss bzw. eine Herzbeuteltamponade kann schnell und vergleichsweise sicher mittels Echokardiografie nachgewiesen werden!

Die Beurteilbarkeit der Doppler-Echokardiografie ist bei mechanisch beatmeten Patienten eingeschränkt! [7]

EKG [1][3]

Konventionelles Röntgen

Trotz radiologisch normaler Herzschattenform kann ein hämodynamisch relevanter Erguss vorliegen! [2]

Computertomografie (CT) [2]

  • Bedeutung
  • Vorteile
    • Erleichterte Lokalisation atypischer Ergüsse und chronischer Perikarditiden
    • Unterscheidung hämorrhagischer/seröser Erguss
    • Mitbeurteilung von umgebenden Strukturen
  • Computertomografische Zeichen einer Tamponierung [6]

Kardio-MRT [6]

  • Bedeutung: Bildgebung der 2. Wahl
    • Nicht einsetzbar bei hämodynamisch instabilen Patienten
    • Eingeschränkte Anwendbarkeit bei deutlich symptomatischen Patienten (aufgrund der langen Untersuchungsdauer)
  • Vorteile
    • Ähnlich CT
    • Zusätzlich: Entzündungsgeschehen darstellbar

Labordiagnostik

Diagnostische Perikardpunktion

  • Indikation

Eine rein diagnostische Perikardpunktion bedarf aufgrund der möglichen schweren Komplikationen eine genaue Risiko-Nutzen-Abwägung!

Konservative Therapie

  • Kausale Therapie nach zugrundeliegender Ursache, bspw.
    • Antibiotikatherapie bei bakteriell infiziertem Perikard
    • Immunsuppressive Therapie bei zugrundeliegender Autoimmunerkrankung
    • Onkologische Therapie bei zugrundeliegendem Malignom

Therapeutische Perikardpunktion [1][11][12]

Operative Therapie [1][11]

Definition [6][8][12]

Pathophysiologie

  • Entstehung: Volumenzunahme des Ergusses + geringe Elastizität des Perikards → Druckanstieg in der Perikardhöhle [2] [4]
  • Hämodynamische Folgen
  • Faktoren, von denen die Entwicklung einer Herzbeuteltamponade abhängt [2]
    • Perikarddehnbarkeit in Abhängigkeit von Geschwindigkeit der Ergussbildung
    • Volumen des Ergusses
    • Vorbestehende perikardiale Pathologie [6]
    • Vorbestehende kardiale Pathologie [1] [1][7]

Symptomatik [1][2][3]

Die Beck-Trias für die Kardinalsymptome der Perikardtamponade besteht aus: arterieller Hypotension, Einflussstauung mit ZVD-Erhöhung und „leisem Herz“!

Niedrigdrucktamponade: Eine vorbestehende Hypovolämie (bspw. durch erhöhte Blutverluste im Rahmen eines Traumas, exzessive Diuretikatherapie oder Hämodialyse) kann trotz Einflussstauung und Erhöhung des intraperikardialen Drucks mit nur mäßigem ZVD-Anstieg einhergehen und so die klassische Symptomatik der Beck-Trias verschleiern! [2]

Diagnostik

Therapie

  • Akuttherapie
    • Hämodynamisch instabile Patienten: Notfallmäßige Entlastung (i.d.R. durch Perikardpunktion, in Sonderfällen operativ) [12][14]
    • Hämodynamisch stabile Patienten: Ggf. zunächst kausale Therapie und/oder verzögerte Entlastung [6]
  • Nach Stabilisierung: Möglichst gezielte Behandlung der Ursache des Perikardergusses
  • Für das Notfallmanagement der Perikardtamponade siehe: Perikardtamponade - AMBOSS-SOP
  • I30.-: Akute Perikarditis
    • Inklusive: Akuter Perikarderguss
  • I31.-: Sonstige Krankheiten des Perikards
    • I31.3: Perikarderguss (nichtentzündlich)
      • Chyloperikard

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. De Carlini, Maggiolini: Pericardiocentesis in cardiac tamponade: indications and practical aspects In: E-Journal of Cardiology Practice. Band: 15, No. 19, 2017, .
  2. Hoit: Pericardial Effusion and Cardiac Tamponade in the New Millennium In: Current Cardiology Reports. Band: 19, Nummer: 7, 2017, doi: 10.1007/s11886-017-0867-5 . | Open in Read by QxMD .
  3. Mekontso Dessap, Chew: Cardiac tamponade In: Intensive Care Medicine. Band: 44, Nummer: 6, 2018, doi: 10.1007/s00134-018-5191-z . | Open in Read by QxMD p. 936-939.
  4. Burchardi et al.: Die Intensivmedizin. 11. Auflage. Auflage Springer 2011, ISBN: 978-3-642-16929-8 .
  5. Renz-Polster et al.: Basislehrbuch Innere Medizin. Elsevier 2008, ISBN: 978-3-437-41053-6 .
  6. ESC (European Society of Cardiology), Adler et al.: Guidelines for the diagnosis and management of pericardial diseases In: European Heart Journal. Band: 36, Nummer: 42, 2015, doi: 10.1093/eurheartj/ehv318 . | Open in Read by QxMD p. 2921-2964.
  7. McCanny, Colreavy: Echocardiographic approach to cardiac tamponade in critically ill patients In: Journal of Critical Care. Band: 39, 2016, doi: 10.1016/j.jcrc.2016.12.008 . | Open in Read by QxMD p. 271-277.
  8. Herold: Innere Medizin 2017. Herold 2016, ISBN: 3-981-46606-3 .
  9. Truhlář et al.: European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 4: Cardiac arrest in special circumstances In: Resuscitation. Band: 95, 2015, doi: 10.1016/j.resuscitation.2015.07.017 . | Open in Read by QxMD p. 148-201.
  10. Gergmann et al.: Diagnose des Perikardergusses mit der ein- und zweidimensionalen Echokardiographie In: Ultraschall in der Medizin. Band: 2, Nummer: 1, 2008, doi: 10.1055/s-2007-1010036 . | Open in Read by QxMD .
  11. Bodson et al.: Cardiac tamponade In: Current Opinion in Critical Care. Band: 17, Nummer: 5, 2011, doi: 10.1097/mcc.0b013e3283491f27 . | Open in Read by QxMD p. 416-424.
  12. Schuster, Trappe: EKG-Kurs für Isabel. 5. Auflage. Auflage Georg Thieme Verlag 2009, ISBN: 978-3-131-27285-0 .
  13. Perikarderkrankungen. Stand: 13. Juni 2015. Abgerufen am: 19. Juli 2018.
  14. Frimmel: Klinische Notfälle griffbereit. 3. Auflage. Auflage Schattauer 2016, ISBN: 978-3-794-53187-5 .
  15. Siewert: Chirurgie. 8. Auflage Springer 2006, ISBN: 978-3-540-30450-0 .
  16. Dirks: Die Notfallmedizin. Auflage 1. Auflage Springer 2007, ISBN: 978-3-540-25608-3 .