Abstract
Die infektiöse Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber) wird durch die zu den humanen Herpes-Viren gehörenden und hochkontagiösen Epstein-Barr-Viren (EBV) übertragen. Nach einer Inkubationszeit von einer oder mehreren Wochen kommt es zu einer fieberhaften Angina tonsillaris mit weiß-gräulichen Belägen, einer generalisierten Lymphknotenschwellung und häufig auch zu einer Splenomegalie. Im Blutbild findet sich eine Lymphozytose und im Blutausstrich aktivierte mononukleäre Lymphozyten, die auch Pfeiffer-Zellen genannt werden. Die Therapie ist rein symptomatisch. Zu bedenken ist dabei (zumal häufig die Fehldiagnose der bakteriellen Angina tonsillaris gestellt wird), dass die Gabe von Amoxicillin bzw. Ampicillin zu einem Arzneimittelexanthem führen kann. Komplikationen sind zwar selten, die Epstein-Barr-Viren werden aber mit zahlreichen Malignomen (Morbus Hodgkin, Burkitt-Lymphom, etc.) und chronischer Fatigue in Verbindung gebracht.
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Epidemiologie
- Weltweite Durchseuchung von >30-Jährigen mit Epstein-Barr-Viren: ca. 80–95%
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger
- Infektionsweg
- Die infektiöse Mononukleose ist über den Speichel hochinfektiös (auch noch Wochen nach Beginn der Symptome)
- Infektiöser Speichel („Kissing-Disease“)
- Die infektiöse Mononukleose ist über den Speichel hochinfektiös (auch noch Wochen nach Beginn der Symptome)
Symptome/Klinik
- Inkubationszeit: 1–7 Wochen
- Leitsymptome
- Fieberhafte Angina tonsillaris (gerötete und, manchmal asymmetrisch, vergrößerte Tonsillen [1] mit weiß-gräulichen konfluierenden Belägen ) oder Pharyngitis
- Generalisierte Lymphknotenschwellungen [2]
- Im Kleinkindesalter verläuft die Infektion dagegen meist asymptomatisch
- Organbeteiligung
- In ca. 50% Splenomegalie
- Ggf. Hepatomegalie und Hepatitis mit Entwicklung eines Ikterus
- Ggf. exanthematische Form (ca. 3% der Fälle)
- Petechiales Enanthem am harten Gaumen; zusätzliches Exanthem (feinfleckig-makulopapulös) am Stamm möglich
- Selten können weitere Organe (bspw. Herz, Nieren, ZNS, Gelenke) beteiligt sein
- Verlauf: Häufig ausgeprägte Fatigue (Abgeschlagenheit) über mehrere Wochen
Unter einer Therapie mit Aminopenicillinen (bspw. aufgrund einer Fehldiagnose) kann sich bei infektiöser Mononukleose ein Arzneimittelexanthem entwickeln!
Bei einer Splenomegalie kann es auch immer zu einer lebensbedrohlichen Milzruptur kommen!
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose einer infektiösen Mononukleose wird meist klinisch gestellt und kann im Blutbild untermauert werden. Zur Diagnosesicherung dient die Serologie. [3]
- Blutbild: Lymphozytose (absolut oder relativ) mit atypischen reaktiven CD8+-T-Lymphozyten (im maschinellen Differenzialblutbild) bzw. Virozyten (Pfeiffer-Zellen) im Blutausstrich
- Klinische Chemie: Häufig LDH- und Transaminasen-Erhöhung (bei hepatischer Beteiligung)
- Serologie (Goldstandard)
- Bedeutung: Bestätigungsdiagnostik, Differenzierung akuter bzw. zurückliegender EBV-Infektion
- Antikörperprofil
- Antikörper gegen Viruskapsidantigen (VCA) = Anti-VCA (IgG, IgM)
- Antikörper gegen Epstein-Barr-Virus-Nuclear-Antigen 1 (EBNA-1) = Anti-EBNA-1 (IgG)
- Antikörper gegen Early Antigen (EA) = Anti-EA (IgG)
- Methoden: Immunfluoreszenz, Enzymimmunoassay oder Western Blot
- Interpretation
- Primärinfektion: Anti-VCA-IgM (in 10% nicht nachweisbar), Anti-VCA-IgG und Anti-EA-IgG positiv, Anti-EBNA-1-IgG negativ
- Durchgemachte Infektion: Anti-VCA-IgG und Anti-EBNA-1-IgG (in 5% nicht nachweisbar) positiv, Anti-VCA-IgM und Anti-EA-IgG negativ
- Reaktivierung oder chronisch aktive Infektion: Anti-VCA-IgG und Anti-EA-IgG positiv (sehr hohe Titer), Anti-VCA-IgM und Anti-EBNA-1-IgG ggf. positiv
- Ausschluss EBV-Infektion: Alle Antikörper negativ
- EBV-Schnelltest: Nachweis heterophiler IgM-Antikörper im Serum (durch Agglutinationstest) [4][5]
- Methoden: Paul-Bunnell-Test (Agglutination von Schafserythrozyten), modifizierter Agglutinationstest (größere Anzahl von Antigenen eingesetzt)
- Vorteil: Rasch verfügbarer Befund, kostengünstig [6]
- Nachteil: Geringe Sensitivität (insb. bei jüngeren Kindern ) und Spezifität
- Direkter Erregernachweis: Untergeordnete Bedeutung [3][4]
- Quantitative PCR: Bei unklarer Antikörperkonstellation sowie bei schwerer Immundefizienz
- Virusanzucht: Aufwendig und langwierig, kein Standardverfahren
- Bildgebung: Sonografie der Leber und Milz (zur Verlaufsbeobachtung bei Hepato-/Splenomegalie)
Pathologie
Lymphknoten-Histologie
- „Bunte Pulpahyperplasie“: Aktivierung T-lymphozytärer Areale mit Bildung zahlreicher Blasten („Rasen von Blasten“) und vermehrt Apoptosen [7]
- Interfollikuläre T-Zone verbreitert
- Hochendotheliale postkapilläre Venolen vermehrt → Verstärkte Rezirkulation der Lymphozyten
- Stimulation der Lymphozyten (imponieren vergrößert)
- Massive Lymphoblasten- und Makrophageninfiltration
- Destruktion der Lymphfollikel-Architektur
Differenzialdiagnosen
- Bakterielle Angina tonsillaris
- Diphtherie
- Angina Plaut Vincenti
- CMV-Infektion
- Hepatitis durch Hepatitisviren
- Akute HIV-Infektion
- Akute Leukämie
- Bei unklarer Infektsymptomatik siehe: Diagnostik bei Lymphknotenschwellung
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Symptomatische Therapie
- Körperliche Schonung
- Gabe von Flüssigkeit (ggf. i.v.)
-
Analgesie und Antipyrese (z.B. Ibuprofen)
- Keine Gabe von ASS oder Paracetamol !
Komplikationen
Bei immunkompetenten Patienten
Komplikationen sind zwar selten, aber schwerwiegend:
- Innere Organe
- Milzruptur bei Splenomegalie
- Nierenversagen
- Peri-/Myokarditis
- Nervensystem
- Blut: Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH)
- Chronifizierung der EBV-Infektion (vor allem im asiatischen Raum)
Bei immunsupprimierten Patienten
- Pneumonie (vor allem interstitiell)
- Otitis media (vor allem bei HIV-infizierten Kindern)
Assoziierte Malignome
- Transplantationsassoziierte B-Zell-Lymphome (Post-transplant lymphoproliferative disorder (PTLD))
- EBV-Reaktivierung bei massiver Immunsuppression
- Schlechte Prognose
- Therapie: Vorrangig durch Reduktion der Immunsuppression
- Burkitt-Lymphom (Non-Hodgkin-Lymphom)
- Nasopharynxkarzinom
- Morbus Hodgkin
- Orale Haarleukoplakie bei HIV-Patienten (benigne)
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Infektiöse Mononukleose
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- B27.-: Infektiöse Mononukleose
- Inklusive:
- Mononucleosis infectiosa
- Monozytenangina
- Pfeiffer-Drüsenfieber
- B27.0: Mononukleose durch Gamma-Herpesviren
- Mononukleose durch Epstein-Barr-Viren
- B27.1: Mononukleose durch Zytomegalieviren
- B27.8: Sonstige infektiöse Mononukleose
- B27.9: Infektiöse Mononukleose, nicht näher bezeichnet
- Inklusive:
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.