Abstract
Das Auge ist ein äußerst sensibles Organ, das für den Menschen von außerordentlicher Bedeutung ist. Anatomisch ist es relativ gut geschützt, da es durch die knöcherne Orbita und die Lider allseitig ummantelt wird. Dennoch kann es zu Verletzungen (z.B. durch Prellung, Perforation, Verätzung) kommen, die die Sehfähigkeit lang- und kurzfristig massiv einschränken können. Im Folgenden sind einige typische Verletzungsfolgen dargestellt. Eine besondere Bedeutung haben hierbei Verätzungen, da die schnellstmögliche Durchführung von Erstmaßnahmen – ausgiebige Spülung des Auges – das Augenlicht des Patienten ggf. erhalten kann. Jeder (auch nicht-augenärztlich tätige) Arzt sollte dies beherrschen.
Contusio bulbi (Prellung)
- Mögliche Folgen einer Prellung
- Frühfolgen: Berlin-Ödem (siehe unten), Netzhautablösung, Iridodialyse, Linsenluxation, Hyposphagma, Bulbusruptur, Hyphäma , Ausriss des Sehnerven (Avulsio nervi optici)
- Spätfolgen: Netzhautablösung, Glaukom, Kontusionskatarakt
- Insbesondere aufgrund der Gefahr der Netzhautablösung lebenslange augenärztliche Kontrollen erforderlich
- Diagnostik: Insbesondere sorgfältige Untersuchung des Fundus
- Therapie: Je nach Verletzungsmuster, ggf. Ruhigstellung (binokularer Verband)
Berlin-Ödem
- Definition: Kontusionsödem von Makula und Netzhaut (Contre-coup-Stelle) durch eine Contusio bulbi
- Funduskopie: Schwellung und weißliche Trübung von Makula und umgebender Netzhaut sowie evtl. Blutungen
- Therapie: Therapieversuch mit Glucocorticoiden möglich
- Prognose/Komplikationen: Vollständige Rückbildung möglich, aber auch dauerhafte starke Visuseinschränkung durch Entstehung eines zystoiden Makulaödems mit konsekutivem Makulaschichtloch möglich
Bei zusätzlich erniedrigtem Augeninnendruck muss stets auch an eine mögliche Bulbusruptur gedacht werden. Besteht dieser Verdacht, muss eine sofortige Einweisung in eine Augenklinik zur eventuellen operativen Behandlung erfolgen!
Orbitabodenfraktur
- Morphologie: Bei einer Fraktur der Orbita ist häufig isoliert der Orbitaboden betroffen (Orbitabodenfraktur, „Blow-Out-Fraktur“), seltener sind Frakturen von medialer Orbitawand oder Orbitadach
- Verletzungsmechanismus: Frontale Gewalteinwirkung von außen auf den Bulbus bzw. die Orbita (z.B. Faustschlag, Tennisball, etc.)
- Klinik
- Monokelhämatom
- Enophthalmus
- Stufenbildung am Orbitarand
- Einklemmung von Augenmuskeln, meist des M. rectus inferior mit Bulbusbewegungseinschränkung und blickrichtungsabhängigen Doppelbildern
- Sensibilitätsausfall im vom N. infraorbitalis versorgten Bereich
- Bei Fraktur der medialen Orbitawand bzw der Siebbeinzellen: Orbita- und Lidemphysem
- Diagnostik: CT / Röntgen
- Hämatosinus
- Darstellung von prolabiertem Orbitainhalt (z.B. Fett, Bindegewebssepten, selten M. rectus inferior) in die Nasennebenhöhlen; stellt sich radiologisch als „hängender Tropfen“ dar
- Therapie
- Konservativ
- Chirurgisch (insbesondere wenn Doppelbilder oder Bulbusmotilitätsstörungen bestehen)
Perforierende Verletzungen
- Verletzungsfolgen: Alle Folgen einer Prellung möglich (siehe oben), zusätzlich hohes Infektionsrisiko (insbesondere bei intraokularem Fremdkörper)
- Diagnostik
- Genaue Untersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts (Spaltlampe, Funduskopie)
- Stets Ausschluss eines intraokularen Fremdkörpers (ggf. Bildgebung wie Sonographie, Röntgen, CT)
- Therapie: Je nach Verletzungsmuster
- Bei intraokularem Fremdkörper: Operative Entfernung (z.B. Vitrektomie)
- Antibiotische Therapie
- Komplikation: Sympathische Ophthalmie: Beidseitige Panuveitis als Folge perforierender Verletzungen oder (selten) intraokularer Operationen → Beidseitige Erblindung möglich
Verätzung
- Definition: Verätzung des Auges mit Säuren oder Laugen
- Klinik
- Starke Schmerzen
- Visusminderung
- Blepharospasmus
- Therapie
- Sofortige ausgiebige Spülung!
- Notfallmäßige Einlieferung in eine Augenklinik
- Bei schmerzbedingtem Blepharospasmus: Applikation von Lokalanästhetika zum Öffnen der Augen
- Mechanische Entfernung von z.B. Kalkspritzern am ektropionierten Auge
- Antibiotische Augentropfen (Zur Verhinderung von Superinfektionen)
- Glucocorticoide (Hemmung der Entzündungsreaktion)
- Ggf. Peritomie bei stark ausgeprägtem Bindehautödem (Chemosis)
- Ggf. Therapie der Komplikationen (z.B. Keratoplastik)
- Komplikationen
- Vernarbung und Trübung der Hornhaut
- Vaskularisation der Hornhaut
- Symblepharon
- Erblindung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
S02.-: Fraktur des Schädels und der Gesichtsschädelknochen
- S02.3: Fraktur des Orbitabodens
- Blow-out-Fraktur
- Exklusive: Orbita o.n.A.(S02.8); Orbitadach (S02.1)
S05.-: Verletzung des Auges und der Orbita
- Exklusive: Fraktur von Knochen der Orbita (S02.1, S02.3, S02.8); Oberflächliche Verletzung des Augenlides (S00.1–S00.2); Offene Wunde des Augenlides und der Periokularregion (S01.1); Verletzung: N. oculomotorius [III. Hirnnerv] (S04.1), Sehnerv [II. Hirnnerv] (S04.0)
- S05.0: Verletzung der Konjunktiva und Abrasio corneae ohne Angabe eines Fremdkörpers
- S05.1: Prellung des Augapfels und des Orbitagewebes
- S05.2: Rissverletzung und Ruptur des Auges mit Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
- S05.3: Rissverletzung des Auges ohne Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
- Rissverletzung des Auges o.n.A.
- S05.4: Penetrierende Wunde der Orbita mit oder ohne Fremdkörper
- S05.5: Penetrierende Wunde des Augapfels mit Fremdkörper
- S05.6: Penetrierende Wunde des Augapfels ohne Fremdkörper
- Penetrierende Augenverletzung o.n.A.
- S05.7: Abriss des Augapfels
- Traumatische Enukleation
- S05.8: Sonstige Verletzungen des Auges und der Orbita
- Verletzung des Ductus nasolacrimalis
- S05.9: Verletzung des Auges und der Orbita, nicht näher bezeichnet
- Verletzung des Auges o.n.A.
T15.-: Fremdkörper im äußeren Auge
- Exklusive: Fremdkörper in perforierender Verletzung: Orbita und Augapfel (S05.4–S05.5), Orbita und Augapfel, verblieben (alt) (H05.5, H44.6–H44.7), Verbliebener Fremdkörper im Augenlid (H02.8)
- T15.0: Fremdkörper in der Kornea
- T15.1: Fremdkörper im Konjunktivalsack
- T15.8: Fremdkörper an sonstigen und mehreren Lokalisationen des äußeren Auges
- Fremdkörper im Punctum lacrimale
- T15.9: Fremdkörper im äußeren Auge, Teil nicht näher bezeichnet
T26.-: Verbrennung oder Verätzung, begrenzt auf das Auge und seine Anhangsgebilde
- T26.0: Verbrennung des Augenlides und der Periokularregion
- T26.1: Verbrennung der Kornea und des Konjunktivalsackes
- T26.2: Verbrennung mit nachfolgender Ruptur und Destruktion des Augapfels
- T26.3: Verbrennung sonstiger Teile des Auges und seiner Anhangsgebilde
- T26.4: Verbrennung des Auges und seiner Anhangsgebilde, Teil nicht näher bezeichnet
- T26.5: Verätzung des Augenlides und der Periokularregion
- T26.6: Verätzung der Kornea und des Konjunktivalsackes
- T26.7: Verätzung mit nachfolgender Ruptur und Destruktion des Augapfels
- T26.8: Verätzung sonstiger Teile des Auges und seiner Anhangsgebilde
- T26.9: Verätzung des Auges und seiner Anhangsgebilde, Teil nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.