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Juvenile idiopathische Arthritis

Letzte Aktualisierung: 21.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die juvenile idiopathische Arthritis ist ein Oberbegriff für rheumatische Erkrankungen des Kindes, die vor dem 16. Lebensjahr beginnen und eine Dauer der Gelenkentzündung von mindestens sechs Wochen aufweisen. Die häufigste der sieben Formen stellt die Oligoarthritis mit asymmetrischem Befall von bis zu vier Gelenken dar, wobei sehr häufig das Kniegelenk betroffen ist. In etwa der Hälfte der Fälle ist im Verlauf der vordere Augenabschnitt entzündet (Uveitis anterior), sodass regelmäßige Spaltlampenuntersuchungen durch den Ophthalmologen durchzuführen sind. Die gefürchtete systemische Arthritis (Morbus Still) geht mit hohem Fieber einher und kann die inneren Organe betreffen. Die Diagnose wird jeweils rein klinisch gestellt, wobei Laborwerte wie Entzündungsparameter, Rheumafaktoren, antinukleäre Antikörper und gegebenenfalls HLA-B27 mit beachtet werden. Therapeutisch stehen alle Medikamente zur Verfügung, die auch bei der rheumatoiden Arthritis zum Einsatz kommen können – dabei beschreiben NSAR, intraartikuläre Glucocorticoide und gegebenenfalls Methotrexat die wichtigsten Therapiebestandteile. Systemische Glucocorticoide werden allerdings wegen der Gefahr von Wachstumsstörungen möglichst vermieden.

Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

Klassifikationtoggle arrow icon

Klassifikation und Überblick über die juvenilen idiopathischen Arthritiden

  • Grundvoraussetzungen: Mindestdauer der Symptome ≥6 Wochen, Symptombeginn vor dem 16. Lebensjahr
Erkrankung

Häufigkeitsgipfel

Geschlechterverteilung

% der JIA

Definition Gelenkbefall

Extraartikuläre

Manifestationen

Labor Therapie

Oligoarthritis

Veraltet: Frühkindliche Oligoarthritis

  • 2.–4. Lebensjahr
  • >
  • Häufigste Form (ca. 50%)
  • Arthritis von ≤4 Gelenken während der ersten 6 Erkrankungsmonate
  • Extended Oligoarthritis: Arthritis von >4 Gelenken nach den ersten 6 Erkrankungsmonaten
  • BSG
  • RF negativ
  • Häufig ANA positiv

Seronegative Polyarthritis

  • 6. Lebensjahr
  • >
  • ca. 30%
  • Arthritis von ≥5 Gelenken während der ersten 6 Erkrankungsmonate
  • Symmetrisch oder asymmetrisch
  • BSG
  • RF negativ
  • ANA positiv (ca. 40%)
  • Standardtherapie mit MTX und NSAR
Seropositive Polyarthritis
  • 9.–12. Lebensjahr
  • > (10:1)
  • <10%
  • Aggressiv, symmetrisch
  • BSG
  • RF positiv
Systemische Arthritis (Morbus Still)
  • 2.–4. Lebensjahr
  • =
  • <10%
  • Polyarthritis
  • Geringeres Ansprechen auf MTX
Juvenile Psoriasis-Arthritis
  • 7.–10. Lebensjahr
  • > (2:1)
  • <10%
  • Asymmetrisch

Enthesitis-assoziierte Arthritis

Veraltet: HLA-B27-assoziierte späte Oligoarthritis

  • 9.–12. Lebensjahr
  • <
  • ca. 10%
  • Asymmetrisch
Undifferenzierte Arthritis
  • Arthritis, die entweder zu keiner oder zu mehr als einer der genannten Formen passt

*Die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Uveitis anterior steigt mit dem Vorhandensein antinukleärer Antikörper (ANA)

Diese Auflistung ist angelehnt an die von der ILAR veröffentlichten Klassifikationskriterien der juvenilen idiopathischen Arthritis. Die ausführliche Klassifikation beinhaltet zusätzlich Ausschlusskriterien für jede der einzelnen Subgruppen und würde in ihrer Gesamtausführung den hier gegebenen Rahmen sprengen.

Die im Rahmen juveniler idiopathischer Arthritiden auftretende Uveitis anterior kann insbesondere bei chronischem Verlauf mit einem äußerlich unauffälligen Auge einhergehen und daher erst in der Spaltlampenuntersuchung sicher diagnostiziert werden. Aufgrund des Erblindungsrisikos haben das ophthalmologische Screening und die Therapie dieser Komplikation somit eine besondere Bedeutung!

Pathophysiologietoggle arrow icon

Chronische Entzündungsreaktion der SynoviaHyperplasie der GelenkkapselBindegewebige Wucherung (Pannus) → Greift Knorpel an → Funktionsverlust des Gelenks

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

  • Allgemein
    • Arthritische Beschwerden
      • Gelenkschwellung oder ≥2 der folgenden Symptome: Eingeschränkte Beweglichkeit, Rötung oder schmerzhafte Bewegung und Überwärmung (= Definition einer Arthritis)
    • Morgensteifigkeit, Schonhaltung
    • Weinerlichkeit, Müdigkeit, Leistungsknick

Diagnostiktoggle arrow icon

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Generell stehen alle Medikamente zur Verfügung, die auch bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden können (siehe Rheumatoide Arthritis). Es sind aber nicht alle Medikamente bei Kindern zugelassen.

  • Standardmedikamente: NSAR, intraartikuläre Glucocorticoide und Methotrexat
  • Besonderheiten
    • Basistherapie (DMARD, disease-modifying anti-rheumatic drugs)
      • Wie bei Erwachsenen ist bei hoher Krankheitsaktivität die frühstmögliche Therapie mit Basistherapeutika wünschenswert
      • Die Auswahl des Basistherapeutikums ist individuell verschieden. Meist ist das am wenigsten toxische Methotrexat Mittel der Wahl
      • Bei nicht ausreichender Wirksamkeit ist der Einsatz von Biologicals empfohlen
    • NSAR: Indometacin hat eine sehr starke therapeutische Wirkung, aber auch relativ starke Nebenwirkungen
    • Glucocorticoide
      • Systemisch selten eingesetzt aufgrund ihrer katabolen Wirkung (Osteoporose, Wachstumsstörungen)
        • Je jünger das Kind, desto zurückhaltender sind Glucocorticoide zu verabreichen
      • Eine vorübergehende systemische Therapie ist bei schwerem Krankheitsverlauf (insbesondere Organbefall) indiziert
      • Lokal intraartikulär bei aktivierter Arthritis: Insbesondere Triamcinolon(-hexacetonid)

Die Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis sollte immer durch eine Physiotherapie begleitet werden!

Komplikationentoggle arrow icon

  • Allgemein
    • Gelenkdestruktion mit (Sub‑)Luxation
    • Temporäre Wachstumsbeschleunigung der betroffenen Seite mit asymmetrischem Längenwachstum möglich
    • Bei chronischem Verlauf Wachstumsstillstand durch vorzeitigen Epiphysenschluss
  • Systemische Arthritis (Morbus Still)

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognosetoggle arrow icon

Der Verlauf der juvenilen idiopathischen Arthritis ist individuell sehr unterschiedlich und damit sehr schwer vorauszusagen. Alle Formen können einen leichten aber auch einen schwerwiegenden Verlauf mit starken physischen Einschränkungen nehmen. Allgemein gilt: Je früher die Kinder erkranken und je länger die Entzündungsaktivität in den Gelenken anhält, desto stärker sind die Wachstumsstörungen.

Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Juvenile idiopathische Arthritis

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

  • M08.-: Juvenile Arthritis
    • Inklusive: Arthritis bei Kindern, Beginn vor Vollendung des 15. Lebensjahres, mit einer Dauer von mehr als 3 Monaten
    • Exklusive: Felty-Syndrom (M05.0‑), Juvenile Dermatomyositis (M33.0)
    • M08.0-: Juvenile chronische Polyarthritis, adulter Typ [0–9]
    • M08.1-: Juvenile Spondylitis ankylosans [0–9]
    • M08.2-: Juvenile chronische Arthritis, systemisch beginnende Form [0–9]
      • Still-Krankheit o.n.A.
      • Exklusive: Adulte Form der Still-Krankheit (M06.1‑)
    • M08.3: Juvenile chronische Arthritis (seronegativ), polyartikuläre Form
      • Juvenile chronische Polyarthritis, Oligoartikulär beginnende Form, im Verlauf polyartikulär [extended oligoarthritis]
    • M08.4-: Juvenile chronische Arthritis, oligoartikuläre Form [0–9]
      • Exklusive: im Verlauf polyartikulär [extended oligoarthritis] (M08.3)
    • M08.7-: Vaskulitis bei juveniler Arthritis [0–9]
    • M08.8-: Sonstige juvenile Arthritis [0–9]
    • M08.9-: Juvenile Arthritis, nicht näher bezeichnet [0–9]
  • M09.-*: Juvenile Arthritis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
    • Exklusive: Arthritis bei Whipple-Krankheit (M14.8-*)
    • M09.0-*: Juvenile Arthritis bei Psoriasis (L40.5†) [0–9]
    • M09.1-*: Juvenile Arthritis bei Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis] (K50.-†) [0–9]
    • M09.2-*: Juvenile Arthritis bei Colitis ulcerosa (K51.-†) [0–9]
    • M09.8-*: Juvenile Arthritis bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten [0–9]

Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Brix et al.:Arthritis as presenting manifestation of acute lymphoblastic leukemia in childrenIn: Pediatric Rheumatology. Band: 12, Nummer: Suppl 1, 2014, doi: 10.1186/1546-0096-12-s1-p60 . | Open in Read by QxMD p. P60.
  2. Lehmann et al.:MakrophagenaktivierungssyndromIn: Zeitschrift für Rheumatologie. Band: 71, Nummer: 8, 2012, doi: 10.1007/s00393-012-0987-7 . | Open in Read by QxMD p. 701-706.
  3. Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5.
  4. Kliegman et al.: Nelson Textbook of Pediatrics. 19. Auflage Elsevier 2011, ISBN: 978-1-437-70755-7.
  5. Manger, Schulze-Koops: Checkliste Rheumatologie. 4. Auflage Thieme 2012, ISBN: 978-3-131-51684-8.
  6. S2k-Leitlinie Uveitis bei juveniler idiopathischer Arthritis: Diagnostik und antientzündliche Therapie.Stand: 31. Dezember 2011. Abgerufen am: 7. November 2017.
  7. S2k-Leitlinie Juvenile Idiopathische Arthritis (JIA), Therapie.Stand: 31. Oktober 2011. Abgerufen am: 7. November 2017.

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