ambossIconambossIcon

Osteomyelitis

Letzte Aktualisierung: 24.6.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Entzündungen des Knochenmarks (Osteomyelitis) und Knochengewebes (Osteitis) gelten als diagnostische und therapeutische Herausforderung und werden meist interdisziplinär behandelt. Sie können endogen auf dem hämatogenen Infektionsweg oder exogen durch direkte Keiminokulation infolge einer Verletzung oder OP entstehen. Eine hämatogene Ausbreitung ist bei Kindern häufig und tritt oft im Bereich der unteren Extremität auf; bei Erwachsenen ist diese Form eher selten und v.a. im Bereich der Wirbelsäule lokalisiert (Spondylodiszitis). Die bakterielle Osteomyelitis kann einen akuten oder einen chronischen Verlauf haben. Diese Formen unterscheiden sich sowohl in der Symptomatik als auch in der Therapie, haben aber eine ähnliche Diagnostik.

Im Folgenden wird der Fokus auf der hämatogenen (endogenen) Osteomyelitis der langen Röhrenknochen liegen. Für hämatogene Infektionen im Bereich der Wirbelsäule siehe: Spondylodiszitis.

Für detaillierte Informationen zur exogenen Osteomyelitis siehe:

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Definitiontoggle arrow icon

  • Osteomyelitis: Entzündung des Knochenmarks
  • Osteitis: Entzündung des Knochens
  • Periostitis: Entzündung des Periosts
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Ätiologietoggle arrow icon

Infektionsweg [2]

  • Endogene Osteomyelitis: Hämatogene Ausbreitung
  • Exogene Osteomyelitis: Direkte oder lymphogene Ausbreitung
    • Direkte externe Inokulation (meist iatrogen), bspw. bei offener Fraktur oder nach OPs
    • Per continuitatem, bspw. bei diabetischen oder vaskulären Ulzera
    • Häufigster Infektionsweg bei Erwachsenen (bis zu 80% der Fälle) [3][4]

Für Risikofaktoren der Osteomyelitis siehe: Cierny-Mader-Klassifikation!

Erreger [5]

In bis zu 75% aller Osteomyelitisfälle (endogen und exogen) kann eine Staphylococcus-Spezies nachgewiesen werden! [6]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Pathophysiologietoggle arrow icon

Anatomische Grundlagen

  • Altersabhängige Durchblutung der langen Röhrenknochen [7][8]
    • Kleinkinder <18 Monate: Transphyseale Anastomosen vorhanden
    • Kinder >18 Monate bis Wachstumsabschluss: Keine Gefäße überqueren die Wachstumsfuge
    • Nach Wachstumsabschluss: Gefäße von der Metaphyse bis in die Epiphyse reichend
  • Gefäßsystem eines Knochens beim Erwachsenen [9][10]
    • A. nutricia
    • Transkortikale Kapillaren
    • Venöser Abfluss: Sinus des Knochenmarks und transkortikale Venen

Biofilm [6][11]

  • Definition: Dreidimensionale Struktur aus einer polymeren Matrix mit bakteriellen Kolonien
  • Entstehung
    • Adhärenz von Bakterien → Proliferation und Produktion einer Matrix (sog. extrazelluläre polymere Substanz)
    • Reifung des Biofilms: Komplexe dreidimensionale Struktur mit Kanälen und eingebetteten bakteriellen Kolonien
    • Proliferation der Erreger → Freisetzung und hämatogene Streuung
  • Funktion
    • Schutz vor körpereigener Immunantwort, Antibiotikum und vor Scherkräften
    • Konzentration von Nährstoffen
    • Zerstörung von Knochensubstanz

Pathomechanismus [8][12][13]

Eine hämatogene Osteomyelitis beginnt häufig im Bereich der Metaphyse! [8]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Klassifikationtoggle arrow icon

Cierny-Mader-Klassifikation [13][14]

  • Zweischrittige Beurteilung zur Festlegung des Stadiums
    • 1. Schritt: Beurteilung des Befallsmusters
    • 2. Schritt: Beurteilung des Allgemeinzustands der betroffenen Person [4][5][15]
  • Ergebnis: Insg. 12 Stadien möglich
    • Stadium = Befallsmuster (Typ) + klinische Einteilung (Klasse)
    • Beispiel: Stadium 4A = Diffuse Osteomyelitis bei einer sonst gesunden Person ohne Risikofaktoren
    • Keine Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Osteomyelitis
Lokalisation des Befallsmusters
Typ Beschreibung
Typ 1
  • Medulläre Osteomyelitis
Typ 2
  • Oberflächliche Osteomyelitis
Typ 3
  • Lokalisierte Osteomyelitis
Typ 4
  • Diffuse Osteomyelitis
Klinische Einteilung der betroffenen Person
Klasse Beschreibung Beispiele
Klasse A
  • Keine Risikofaktoren
  • Gutes Immunsystem
  • Gute Vaskularität der betroffenen Region
Klasse B BL
  • Lokale Risikofaktoren
  • Weichgewebeverletzung
  • Offene Fraktur
  • Vor-OP
  • Durchblutungsstörung
BS
  • Systemische Risikofaktoren
  • Mangelernährung
  • Immunsuppression
  • Chronische Vorerkrankungen
  • I.v. Drogenabusus
BLS
  • Lokale und systemische Risikofaktoren
  • Siehe Beschreibung von BL und BS
Klasse C
  • Kontraindikation für chirurgische Therapie
  • Schwere Vorerkrankung
  • Kaum Einschränkungen durch Osteomyelitis vorhanden
  • Chirurgische Behandlung wäre schädlicher als Osteomyelitis selbst
Stadium = Typ + Klasse, bspw. Osteomyelitis Stadium 3BS

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Symptomatiktoggle arrow icon

Akute Osteomyelitis [5][15][16]

  • Symptombeginn: Akut bis subakut
  • Symptomdauer: <2 Wochen
  • Lokaler Befund
    • Schmerzen: Häufig eher stechend, klopfend
    • Schwellung, Rötung oder Überwärmung
    • Bewegungs- und Funktionseinschränkung
    • Druckschmerz
  • Systemische Anzeichen: B-Symptomatik wie bspw. Fieber, Abgeschlagenheit, ggf. Sepsis

Chronische Osteomyelitis [5][15]

  • Symptombeginn: Meist schleichend
  • Symptomdauer: Meist >4 Wochen
  • Lokaler Befund
    • Schmerzen: Häufig eher dumpf, in Ruhe auftretend
    • Schwellung, Rötung oder Überwärmung
    • Bewegungs- und Funktionseinschränkung
    • Druckschmerz
    • Fistel
    • Pus
  • Systemische Anzeichen: Meist nicht vorhanden

Das Fehlen einer (lokalen) Symptomatik schließt eine Osteomyelitis nicht aus!

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

Brodie-Abszess [17][18]

Osteomyelitis sclerosans [19]

  • Definition: Sonderform der chronischen Osteomyelitis
  • Lokalisation: Meist lange Röhrenknochen der unteren Extremität
  • Symptomatik
    • Schleichender Beginn
    • Meist unspezifische Schmerzen
    • Ggf. Schwellung oder Knochendeformation
    • Selten Fistelbildung
  • Diagnostik: Typischer radiologischer Befund
  • Therapie
    • Meist operative Infektsanierung [20]
    • Häufig Kombination mit revaskularisierenden Verfahren
    • Ggf. Resektion des betroffenen Segments notwendig
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Diagnostiktoggle arrow icon

Diagnostischer Algorithmus bei V.a. Osteomyelitis

Diagnostischer Algorithmus bei V.a. Osteomyelitis [5][15][16]
Schritt Indikation bzw. Ziel Maßnahme
1. Anamnese und klinische Untersuchung
  • Klinischer Anfangsverdacht
  • Lokaler Befund
  • Systemische Krankheitsanzeichen
2. Laboruntersuchung
3. Blutkultur (vor Antibiotikatherapie!)
  • Erregernachweis bei hämatogener Streuung
  • 3× Abnahme
4. Bildgebung
  • Ausschluss von Differenzialdiagnosen
  • Nachweis von knöchernen Veränderungen
  • Ausgangsuntersuchung: Konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen
  • Nachweis von Knochenmarködem
  • Nachweis von Abszess oder Weichgewebeveränderungen
5. Diagnosesicherung
  • Bestätigung der Verdachtsdiagnose bzw. dringender Verdacht auf Osteomyelitis
  • Zusammenschau aus klinischer Untersuchung, Labordiagnostik und Bildgebung
6. Biopsie
  • Erregernachweis zur spezifischen Antibiotikatherapie
  • Offene Biopsie
  • CT-gestützte Biopsie

Anamnese [5][15][16]

Körperliche Untersuchung [5][15][16]

Labordiagnostik [5][15][16]

Bildgebung

  • Indikation: Klinischer V.a. Osteomyelitis
  • Durchführung
    • Ausgangsuntersuchung: Konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen
    • Diagnosesicherung: MRT mit KM
Auswahl bildgebender Verfahren zur Diagnostik einer Osteomyelitis [8][22]
Verfahren Typische Indikationen Durchführung Mögliche Befunde Bemerkungen
Konventionelle Röntgenaufnahme
  • Ausgangsuntersuchung
  • Verlaufsbeurteilung
  • Niedrige Sensitivität, variable Spezifität
  • Schwierige Abgrenzung zu degenerativen und/oder malignen Veränderungen
  • Unzureichende Beurteilung des Weichgewebes
Sonografie
  • Darstellung eines Gelenkergusses
  • Gelenkerguss
  • Subperiostaler Abszess
  • Periostreaktion
  • Weichgewebeabszess
MRT [7]
  • Diagnosesicherung
CT
  • OP-Planung
  • Alternative zur MRT bei Kontraindikationen
Skelettszintigrafie
  • Keine Primärdiagnostik
  • Ergänzend bei unklarem Befund im MRT oder unbekannter Lokalisation
  • Suche nach weiteren ossären Infektionsherden
  • Keine Verlaufsdiagnostik
  • Kombination mit MRT oder CT möglich
  • Biologische Aktivität eines Prozesses
  • Osteomyelitische Herde
  • Hohe Sensitivität bei niedriger Spezifität
  • Zu Beginn (<24 h) und bei lokaler Ischämie: Falsch-negativer Befund
  • Unterscheidung von degenerativen und entzündlichen Veränderungen möglich
  • Unterscheidung zwischen entzündlichen und malignen Prozessen nicht immer möglich
PET
  • Keine Primärdiagnostik
  • Ergänzend bei unklarem Befund im MRT oder unbekannter Lokalisation
  • Suche nach weiteren ossären Infektionsherden
  • Biologische Aktivität eines Prozesses: Aufnahme in Entzündungszellen
  • Osteomyelitische Herde
  • Hohe Sensitivität bei niedriger Spezifität
  • Unterscheidung zwischen entzündlichen und malignen Prozessen nicht immer möglich

Bei der akuten Osteomyelitis fehlen häufig konventionell-radiologisch erkennbare Veränderungen!

Osteomyelitis-Score zur Diagnosesicherung

Osteomyelitis-Score [23]
Diagnostikum Befunde Punkte
MRT
  • Typische Befunde machen die Diagnose einer Osteomyelitis sehr wahrscheinlich
  • +1
  • Unspezifische Veränderungen sprechen für postoperative Veränderungen oder eine posttraumatische Stressreaktion
  • Kein Ausschluss einer Osteomyelitis möglich
  • 0
  • Keine knöchernen Veränderungen
  • Keine Osteomyelitis-typischen Befunde
  • -1
Mikrobiologie
  • Nachweis eines Pathogens im Knochen
  • +1
  • Nachweis eines Pathogens im Weichgewebe
  • 0
  • Kein Nachweis eines Pathogens
  • -1
Histopathologie
  • +1
  • Granulationsgewebe im Weichgewebe
  • 0
  • Kein Nachweis von Granulationsgewebe
  • -1
Auswertung: ≥2 Punkte = Osteomyelitis sehr wahrscheinlich; 1 Punkt = Osteomyelitis kann nicht ausgeschlossen werden; ≤0 Punkte = Osteomyelitis sehr unwahrscheinlich
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Therapietoggle arrow icon

Allgemeines [5][24]

Ziel jeder Therapie ist der Erhalt oder die Wiederherstellung von Funktionalität und Mobilität der betroffenen Region!

Antibiotikatherapie [5][24][25]

Falls möglich, sollte die Antibiotikatherapie erst nach dem Keimnachweis beginnen!

Eine akute Osteomyelitis erfordert einen sofortigen Therapiebeginn, bei einer chronischen Osteomyelitis kann meistens das Ergebnis der mikrobiologischen Untersuchung abgewartet werden!

Konservative Therapie [5]

  • Indikation
  • Durchführung: Immer begleitend zur Antibiotikatherapie
    • Ruhigstellung
    • Kein Therapieansprechen nach 1 Woche: Re-Evaluation und ggf. operative Therapie erwägen

Eine konservative Therapie der chronischen Osteomyelitis ist nur im Rahmen einer suppressiven Behandlung indiziert!

Operative Therapie [4][5]

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Komplikationentoggle arrow icon

Allgemeine Komplikationen

Operative Komplikationen

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Osteomyelitis im Kindes- und Jugendaltertoggle arrow icon

Epidemiologie [30]

Ätiologie [17][32]

Symptomatik [17][32]

Bei jedem Fieber unklarer Genese im Wachstumsalter muss eine Osteomyelitis ausgeschlossen werden!

Diagnostik [17]

  • Labordiagnostik
    • CRP , BSG↑, Leukozytenanzahl↑
    • Venöse Blutkulturen
      • Abnahme 3× innerhalb von 90 min (insb. während eines Fieberschubs sinnvoll)
      • Erfolgsquote ca. 40%
    • PCR bei V.a. Kingella kingae
  • Biopsie: Insb. bei bisher fehlendem Erregernachweis
  • Bildgebung
    • Konventionelle Röntgenaufnahme: Insb. zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen und zur Verlaufskontrolle
    • MRT mit KM: Goldstandard
    • Ggf. Sonografie
  • Siehe auch: Diagnostik der Osteomyelitis

Die Bestimmung des verursachenden Keimes ist essenziell für eine zielgerichtete Antibiotikatherapie, gelingt mittels Blutkultur aber in weniger als der Hälfte der Fälle!

Therapie

In den meisten Fällen ist ein konservatives Vorgehen erfolgreich!

Antibiotikatherapie

Altersspezifisches Keimspektrum und Antibiotikatherapie der akuten hämatogenen Osteomyelitis bei Kindern

Altersgruppe Typische Erreger [17] Empfohlene empirische Antibiotikatherapie (i.v. Gabe) [32]
Neugeborene
Säuglinge <1 Jahr
Kinder 1–5 Jahre
Kinder >5 Jahre
Jugendliche ≥12 Jahre

Bei einer Prävalenz von MRSA ≥10% und clindamycinresistentem Staph. aureus ≥10% sollte die empirische Antibiotikatherapie ein gegen MRSA wirksames Antibiotikum enthalten, bspw. Vancomycin! [17]

Ein sofortiger Therapiebeginn mit i.v. Antibiotika ist notwendig, da eine Beschädigung der Wachstumsfuge gravierende langfristige Folgen haben kann!

Verlaufskontrolle

  • Laborkontrolle: Regelmäßige Bestimmung von CRP [17]
  • Radiologische Kontrolle
    • Bei Beteiligung der Epiphyse
    • Bei kompliziertem Verlauf
  • Bei Therapieversagen
    • Re-Evaluation der Antibiotikatherapie
    • Re-Evaluation einer chirurgischen Intervention
    • Ggf. multilokulärer Befall
  • Nachkontrollen: Mind. 1 Jahr bei Kindern mit kompliziertem Verlauf
Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

Icon of a lock

Anmelden oder Einloggen , um den ganzen Artikel zu lesen.

Probiere die Testversion aus und erhalte 30 Tage lang unbegrenzten Zugang zu über 1.400 Kapiteln und +17.000 IMPP-Fragen.
disclaimer Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.