Abstract
Bei der Osteoporose kommt es durch einen Mangel an Knochenmasse zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Knochenbrüchen, was wiederum zu einer wesentlich erhöhten Morbidität und Mortalität im Alter beiträgt. Bei Frauen gehört zu den prädisponierenden Faktoren eine Verstärkung des physiologischen, altersbedingten Knochenschwunds durch den veränderten Hormonhaushalt nach der letzten Regelblutung. Weiterhin wird der Knochenmangel durch fehlende Belastung (z.B. Bettlägerigkeit oder träges Verhalten) oder die chronische Einnahme von Glucocorticoiden begünstigt oder verursacht.
Diagnostisch kommt eine Knochendichtemessung zum Einsatz, während pathologische Frakturen durch die übliche radiologische Bildgebung (Röntgen, Computertomographie) festgestellt werden. Als Prophylaxe kann die Einnahme von Calcium und Vitamin D helfen, wobei vermehrte körperliche Bewegung dem Aufbau von Knochenmasse dient. Zur Therapie der manifesten Osteoporose sind Bisphosphonate Mittel der Wahl, die durch Hemmung der Knochensubstanz-abbauenden Zellen (Osteoklasten) die Rate an Frakturen signifikant mindern.
Definition
- Osteoporose
- Unzureichende Knochenfestigkeit
- Materialschwund an organischem (Kollagen, Proteoglykane) und anorganischem Anteil (Mineralien, vor allem Calcium) des Knochens gleichermaßen
- Osteopenie: Vorstufe der Osteoporose
- T-Score: Durch Densitometrie gemessene Standardabweichung vom Mittelwert der maximalen Knochendichte eines gesunden 30-jährigen Menschen
- Osteopenie: T-Score 1 bis 2,5 Standardabweichungen unter der Norm (T-Score –1 bis >–2,5 Standardabweichungen)
- Osteoporose: T-Score mehr als 2,5 Standardabweichungen unter der Norm (T-Score ≤–2,5 Standardabweichungen)
- Manifeste Osteoporose: T-Score mehr als 2,5 Standardabweichungen unter der Norm + Fraktur (T-Score ≤−2,5 Standardabweichungen + Fraktur)
Von der Osteoporose ist die Osteomalazie abzugrenzen, die durch eine verminderte Mineralisation der Knochen gekennzeichnet ist.
Epidemiologie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Primäre Osteoporose (ca. 90%)
- Typ I: Postmenopausale Osteoporose
- Typ II: Senile Osteoporose
-
Idiopathische Osteoporose
- Idiopathische juvenile Osteoporose
- Idiopathische Osteoporose junger Erwachsener
- Sekundäre Ursachen (ca. 10%)
- Medikamentös/iatrogen: Vor allem systemische Langzeittherapie mit Glucocorticoiden
- Weiterhin: Langzeittherapie mit Protonenpumpenhemmern, Antiepileptika, Aromatasehemmern, Heparin
- Immobilisation
- Endokrin/Metabolisch: Hypercortisolismus, Hypogonadismus, Essstörungen
- Toxisch: Cadmium
- Medikamentös/iatrogen: Vor allem systemische Langzeittherapie mit Glucocorticoiden
- Risikofaktoren
- Alkoholabusus
- Starker Nikotinabusus
- Frühe Menopause
Die Cushing-Schwelle bei einer Dauertherapie mit Glucocorticoiden beträgt 7,5 mg Prednisolonäquivalent/Tag!
Pathophysiologie
- High-turnover-Osteoporose: Gesteigerter Knochenabbau führt zum Verlust von Knochensubstanz
- Low-turnover-Osteoporose: Verringerter Knochenstoffwechsel führt zum Verlust von Knochensubstanz
Symptome/Klinik
- Frühsymptom: Diffuse Rückenschmerzen
- Später: Kyphosierung der BWS mit Rundrückenbildung (Gibbus) und Minderung der Körpergröße
- Pathologische Frakturen
- Lokalisation
- Senile Osteoporose → Frakturen von Oberschenkelhals, subkapitalem Humerus und distalem Radius (trabekuläre und kortikale Schädigung)
- Postmenopausale Osteoporose → Wirbelkörpereinbrüche (vor allem trabekuläre Schädigung)
- Lokalisation
Diagnostik
Anamnese und körperliche Untersuchung
- Zeitpunkt der Menopause, Bewegung, Medikamentenanamnese (z.B. Glucocorticoide)
- Verlust der Körperhöhe → Regelmäßiges Messen
- Tannenbaumphänomen: Charakteristische Hautfalten des Rückens, die durch die Abnahme der Körperhöhe entstehen
Laboruntersuchungen [1]
- Blutbild und Entzündungsparameter
- Elektrolyte und Proteine
- Alkalische Phosphatase: Normwertig bis leicht erhöht
- Serumcalcium und Serumphosphat
- Kreatinin
- γ-GT
- Ggf. Vitamin D
- Siehe auch: Laborkonstellation Knochenerkrankungen
- Hormondiagnostik
- TSH
- Ggf. Testosteron bei Männern
- Urin: „Crosslinks“↑ (gemessen wird Desoxypyridinolin)
Apparative Diagnostik
- Osteodensitometrie
-
Dual X-ray-Absorptiometry (DXA): Messung der Knochenflächendichte in g/cm2
- LWS, Femur (gesamt) und Femurhals werden vermessen
- Vorliegen einer Osteoporose bei T-Score ≤−2,5 Standardabweichungen
- Quantitative Computertomographie (QCT): Messung der echten physikalischen Dichte in g/cm3
-
Dual X-ray-Absorptiometry (DXA): Messung der Knochenflächendichte in g/cm2
- Konventionelles Röntgen in 2 Ebenen
- Vermehrte Strahlentransparenz erst ab Verlust von 30% der Knochenmasse sichtbar
- Verschmälerung der Kortikalis
-
Rarefizierung der Trabekel: Schwund der Spongiosabälkchen im Zentrum des Wirbelkörpers
- Vertikal „gestreifte“ Wirbelkörper
- Rahmenstruktur mit Betonung der Deck- und Bodenplatte der Wirbelkörper
-
Wirbelkörperfrakturen
- Fischwirbel, Keilwirbel und Plattwirbel
Differentialdiagnosen
- Ossäre Metastasen
- Plasmozytom
- Intraossäres Hämangiom (Wirbelkörperhämangiom)
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differentialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Osteoporose- und Frakturprophylaxe
- Körperliche Aktivität: Mobilisation, Krankengymnastik, Muskelstärkung
- Ernährung
- Verzicht auf Alkohol und Nikotin
-
Ausreichende Zufuhr von Calcium und Vitamin D
- Ggf. medikamentöse Nahrungsergänzung
- Calcium (täglich 1.000–1.500 mg)
- Vitamin D3 (z.B. Cholecalciferol)
- Ggf. medikamentöse Nahrungsergänzung
- Sturzgefahr reduzieren
- Absetzen sedierender Medikamente
- Einsatz apparativer Hilfen (Gehhilfe, Rollator, etc.)
- Supportive Maßnahmen
Ohne körperliche Bewegung ist die Einnahme von Calcium und Vitamin D3 nutzlos!
Medikamentöse Therapie
- Indikation
- Osteoporotische Wirbelkörperfraktur bei T-Wert ≤ −2,0
- Niedrige Knochendichte und hohes Lebensalter
- Indikationserweiterung bei Vorliegen von weiteren Risikofaktoren
- Therapie der postmenopausalen Osteoporose
- Klasse-A-Medikamente
- Bisphosphonate: Minderung des Knochenabbaus durch Hemmung der Osteoklasten (z.B. Alendronat) → Minderung von vertebralen und extravertebralen Frakturen.
- Strontiumranelat: Steigert den Knochenaufbau, hemmt den Abbau
- Raloxifen: Selektiver Östrogenrezeptor-Modulator (SERM)
- Wirkt auf den Knochenstoffwechsel wie Östrogene (Hemmung des Knochenabbaus)
- Senkt das Risiko für Wirbelkörperfrakturen (und Mammakarzinome)
- Erhöhtes Thromboembolie- und Thromboserisiko (tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie oder retinale Venenthrombose)
- Parathormon-Analoga: Führt zur Steigerung der Resorption von Calcium sowie zur Ausscheidung von Phosphat in der Niere und stimuliert die Synthese von Vitamin D3
- Teriparatid: Anwendungsdauer auf max. 24 Monate begrenzt .
- Östrogene: Nur bei Unverträglichkeit oder Kontraindikationen gegenüber anderen Medikamenten und nur unter sorgfältiger individueller Abwägung
- I.d.R. in Kombination mit Gestagenen
- Kontraindikationen: Mammakarzinome, koronare Herzkrankheit, tiefe Beinvenenthrombose
- Klasse-A-Medikamente
Bisphosphonate sollten morgens und mindestens 30 Minuten vor dem Essen (Verhindern der Komplexbildung mit Calcium) mit reichlich Leitungswasser in aufrechter Körperhaltung (Verhindern von Ösophagitis) eingenommen werden!
- Weitere Medikamente
- Fluoride: Wirken stimulierend auf Osteoblasten
- Calcitonin: Osteoklastenhemmung, antiresorptiv
- Denosumab
- Wirkweise: Monoklonaler Antikörper gegen RANKL (Ligand des Osteoklastenrezeptors) : Störung der Kommunikation zwischen Osteoblasten und Osteoklasten
- Indikation (seit 2010 zugelassen)
- Postmenopausale Osteoporose
- Erhöhtes Frakturrisiko bei Prostatakarzinom unter Androgendeprivation
- Nebenwirkungen: Lebensgefährliche Hypokalzämien, Kieferosteonekrosen
- Osteoporose des Mannes: Bisphosphonate, Teriparatid
- Glucocorticoid-induzierte Osteoporose: Bisphosphonate, Teriparatid
Nach osteoporosetypischen Frakturen soll bei älteren Patienten i.d.R. eine spezifische Osteoporosetherapie eingeleitet werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie)
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 133-2020-1/3: Inzidenz osteoporotischer Frakturen: Entwicklungen aus 40 Jahren
- Studientelegramm 76-2019-2/3: Harte Nebenwirkungen und weiche Knochen: FDA erteilt Zulassung für Romosozumab bei Osteoporose
- Studientelegramm 47-2018-3/3: Bisphosphonate in der Therapie der Osteopenie
- Studientelegramm 18-2018-3/3: Prävention von osteoporotischen Frakturen - SCOOP
- Studientelegramm 04-2017-1/3: Romosozumab zur Frakturprophylaxe bei Frauen mit Osteoporose
- Studientelegramm 02-2017-2/4. Kosten-Wirksamkeits-Analyse zur Prävention von Skelettkomplikationen beim metastasierten Mamma-Ca
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Patienteninformationen
SOP (Standard Operating Procedure)
In den Ergänzungen dieser Sektion können individuelle SOPs eingefügt werden. Diese Sektion ist über die AMBOSS-Suchfunktion mittels dem Begriff „SOP Osteoporose“ unmittelbar auffind- und ansteuerbar.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
M80.-: Osteoporose mit pathologischer Fraktur
- Inklusive: Osteoporotische Wirbelkörperkompression und Keilwirbel
- Exklusive: Keilwirbel o.n.A. (M48.5‑), Pathologische Fraktur o.n.A., (M84.4‑) Wirbelkörperkompression o.n.A. (M48.5‑)
- M80.0-: Postmenopausale Osteoporose mit pathologischer Fraktur [0–9]
- M80.1-: Osteoporose mit pathologischer Fraktur nach Ovarektomie [0–9]
- M80.2-: Inaktivitätsosteoporose mit pathologischer Fraktur [0–9]
- M80.3-: Osteoporose mit pathologischer Fraktur infolge Malabsorption nach chirurgischem Eingriff [0–9]
- M80.4-: Arzneimittelinduzierte Osteoporose mit pathologischer Fraktur [0–9]
- M80.5-: Idiopathische Osteoporose mit pathologischer Fraktur [0–9]
- M80.8-: Sonstige Osteoporose mit pathologischer Fraktur [0–9]
- M80.9-: Nicht näher bezeichnete Osteoporose mit pathologischer Fraktur [0–9]
M81.-: Osteoporose ohne pathologische Fraktur
- Exklusive: Osteoporose mit pathologischer Fraktur (M80.‑)
- M81.0-: Postmenopausale Osteoporose [0–9]
- M81.1-: Osteoporose nach Ovarektomie [0–9]
- M81.2-: Inaktivitätsosteoporose [0–9]
- Exklusive: Sudeck-Knochenatrophie (M89.0‑)
- M81.3-: Osteoporose infolge Malabsorption nach chirurgischem Eingriff [0–9]
- M81.4-: Arzneimittelinduzierte Osteoporose [0–9]
- M81.5-: Idiopathische Osteoporose [0–9]
- Idiopathische juvenile Osteoporose
- M81.6-: Lokalisierte Osteoporose [Lequesne] [0,5–7,9]
- Transitorische Osteoporose
- Exklusive: Sudeck-Knochenatrophie (M89.0‑)
- M81.8-: Sonstige Osteoporose [0–9]
- Senile Osteoporose
- M81.9-: Osteoporose, nicht näher bezeichnet [0–9]
M82.-:* Osteoporose bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- M82.0-:* Osteoporose bei Plasmozytom (C90.0-†) [0–9]
- M82.1-:* Osteoporose bei endokrinen Störungen (E00–E34†) [0–9]
- M82.8-:* Osteoporose bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten [0–9]
Lokalisation der Muskel-Skelett-Beteiligung
- 0 Mehrere Lokalisationen
- 1 Schulterregion
- 2 Oberarm
- 3 Unterarm
- 4 Hand
- 5 Beckenregion und Oberschenkel
- 6 Unterschenkel
- 7 Knöchel und Fuß
- 8 Sonstige
- 9 Nicht näher bezeichnete Lokalisation
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.