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Hirnabszess

Letzte Aktualisierung: 21.2.2023

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Ein Hirnabszess entsteht aus einer lokal begrenzten Entzündung des Hirnparenchyms (Herdenzephalitis) durch Abkapselung. Ursächlich kann eine Vielzahl von Erregern sein. Meist handelt es sich um Bakterien; es können aber auch Infektionen mit Pilzen, Protozoen oder Würmern ätiologisch relevant sein. Die Erreger gelangen durch lokale Fortleitung (etwa bei Sinusitis oder Otitis), hämatogen (etwa bei infektiösen Endokarditiden) oder bei Traumata in das Hirnparenchym. Je nach Ort und Ausdehnung des Abszesses können Kopfschmerzen, Fieber und fokal-neurologische Defizite auftreten. Als typischer Befund zeigt sich in der Bildgebung des Kopfes durch die Abszesskapsel eine ringförmige Kontrastmittelanreicherung. Der Hirnabszess wird in der Regel operativ und mittels antibiotischer Mehrfachkombination behandelt.

  • Selten [1]
  • Inzidenz: 0,3–1,3 Fälle/100.000 Einwohner pro Jahr
  • Geschlecht: > (1:0,7)
  • Alter: In jedem Lebensalter möglich, mittleres Alter etwa 35 Jahre

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Meist wird die Symptomatik durch die raumfordernde Wirkung des Abszesses bestimmt! Fieber tritt nur bei etwa der Hälfte der Patienten auf!

Anamnese

Bildgebung

MRT

CT

  • Typischer Befund: Zentral hypodense (nekrotische) Läsion mit ringförmiger Kontrastmittelaufnahme, umgeben von hypodensem Ödem
Hirnabszess - Stadienabhängigkeit der CT-Bildgebung (in MRT ähnlich)
Frühes Zerebritis-Stadium
  • Befund hypodens, unscharf begrenzt
  • Keine oder geringe diffuse KM-Anreicherung
Spätes Zerebritis-Stadium
  • Befund hypodens, zentral hypodenseres Areal
  • Unscharf begrenzte ringförmige KM-Anreicherung
  • Hypodenses Perifokalödem, ggf. mit raumfordernder Wirkung
Frühes Kapselstadium
  • Befund hypodens
  • Scharf begrenzte ringförmige KM-Anreicherung (Kapsel)
  • Hypodenses Perifokalödem, ggf. mit raumfordernder Wirkung
Spätes Kapselstadium
  • Befund zentral hypodens, Kapsel als leicht hyperdenser Ring (bereits nativ)
  • Scharf begrenzte ringförmige KM-Anreicherung
  • Perifokalödem rückläufig

Erregerdiagnostik [2]

Weitere Diagnostik

  • Serum
  • Liquor
    • Keine Routinediagnostik, Befunde häufig unspezifisch
    • Bei raumfordernden Läsionen: Lumbalpunktion kontraindiziert (Herniationsgefahr!)
    • Ggf. sinnvoll zur Erregerdiagnostik bei Begleitmeningitis oder Abszessruptur ins Liquorsystem
  • EEG: Ggf. Herdbefund

Fokussuche

Hirnabszess - Entwicklungsstadien

  1. Frühe Zerebritis (ca. Tag 1–3 nach Infektion)
    • Fokal vorgeschädigtes Hirnparenchym (etwa mikrovaskuläre Läsion) obligat für Abszessentwicklung
    • Übertritt von Erregern (meist Bakterien) aus geschädigten Gefäßen ins Parenchym
    • Akkumulation von neutrophilen Granulozyten mit lokaler Entzündung und Ödembildung, in geringerem Maße auch nekrotische Areale
  2. Späte Zerebritis (ca. Tag 4–9 nach Infektion)
  3. Frühes Kapselstadium (ca. Tag 10–13 nach Infektion)
    • Neovaskularisation
    • Kollagenfasern: Ausbildung einer dünnen vaskularisierten Kapsel (in Bildgebung: KM-Aufnahme!)
  4. Spätes Kapselstadium (ca. ≥14 Tage nach Infektion)
    • Typische Abszesskonfiguration mit

Andere raumfordernde Prozesse mit ringförmiger KM-Anreicherung in der CT

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

  • In der Regel operative und antibiotische (ggf. auch antimykotische) Therapie des Hirnabszesses
    • Indikation für alleinige Antibiotikatherapie
      • Frühstadium ohne Abkapselung (Zerebritis)
      • Multiple tief gelegene und/oder kleine Abszesse (keine Raumforderung/Liquorabflussstörung)
  • Behandlung des primären Infektionsfokus

Operative Therapie

  • Ziele
    • Erregerdiagnostik
    • Reduktion der Raumforderung
  • Methoden

Medikamentöse Therapie

Hirnabszess ambulant erworben – Antibiotische Therapie

Hirnabszess nosokomial oder posttraumatisch erworben – Antibiotische Therapie

Hirnabszess nach Organtransplantation oder Chemotherapie – Antibiotische Therapie

Antimykotische Therapie von Hirnabszessen

Therapie des Amöbenhirnabszesses [5]

Therapie von Komplikationen

  • Letalität: Etwa 10–15% [1]
  • Ein Drittel der Überlebenden mit residuellen Beschwerden
  • Prognostische Faktoren für schlechteres Outcome

G06.-: Intrakranielle und intraspinale Abszesse und Granulome

G07*: Intrakranielle und intraspinale Abszesse und Granulome bei anderenorts klassifizierten Krankheiten

Sonstiges

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Scheld et al.: Infections of the Central Nervous System. 4. Auflage Lippincott Williams & Wilkins 2014, ISBN: 978-1-451-17372-7 .
  2. Brouwer et al.: Clinical characteristics and outcome of brain abscess In: Neurology. Band: 82, Nummer: 9, 2014, doi: 10.1212/WNL.0000000000000172 . | Open in Read by QxMD .
  3. S1-Leitlinie Candida-Infektionen, Diagnostik und Therapie. Stand: 8. Juli 2016. Abgerufen am: 16. November 2016.
  4. S1-Leitlinie Hirnabszess. Stand: 1. März 2016. Abgerufen am: 16. November 2016.
  5. Petri, Haque: Entamoeba histolytica brain abscess. Elsevier 2013, ISBN: 978-0-444-53490-3 , p. 147-152.
  6. Brandt et al.: Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 6. Auflage Kohlhammer 2012, ISBN: 3-170-21674-0 .
  7. Moskopp, Wassmann: Neurochirurgie. Schattauer 2014, ISBN: 978-3-794-52442-6 .
  8. McCarthy et al.: Mold Infections of the Central Nervous System In: New England Journal of Medicine. Band: 371, Nummer: 2, 2014, doi: 10.1056/NEJMra1216008 . | Open in Read by QxMD .
  9. Brouwer et al.: Brain Abscess In: New England Journal of Medicine. Band: 371, Nummer: 5, 2014, doi: 10.1056/NEJMra1301635 . | Open in Read by QxMD .
  10. Paulus et al.: Neuropathologie. 3. Auflage Springer 2012, ISBN: 978-3-642-02323-1 .