Abstract
Die Sinusitis ist eine häufige entzündliche Veränderung der Nasennebenhöhlenschleimhaut, die meist von einer Entzündung der Nasenhöhle begleitet wird (Rhinosinusitis). In der Regel heilt sie spontan aus; hält die Erkrankung hingegen länger als 12 Wochen an, ist sie definitionsgemäß als chronisch zu bezeichnen. Leitsymptome sind eitriges Nasenlaufen und bewegungsabhängige Gesichtsschmerzen (v.a. beim Beugen des Körpers nach vorne). Viren sind die häufigsten Auslöser, weshalb nur bei heftigem Krankheitsverlauf mit Verdacht auf bakterielle Sekundärinfektion eine Antibiotikatherapie sinnvoll ist. Nur in Ausnahmefällen kann bei chronischen Verläufen eine chirurgische endoskopische Intervention notwendig sein.
Definition
- Einteilung nach beteiligten Strukturen
- Sinusitis: Entzündung der Schleimhaut einer Nasennebenhöhle
- Pansinusitis: Entzündung mit Beteiligung aller Nasennebenhöhlen einer Seite
- Rhinosinusitis: Gleichzeitige Entzündung der Schleimhäute der Nase und der Nasennebenhöhlen
- Einteilung nach Verlauf
- Akute (Rhino‑)Sinusitis (ARS): Symptomatische Entzündung der Nasennebenhöhle für ≤12 Wochen (mit vollständigem Abklingen der Symptome)
- Rezidivierende akute Rhinosinusitis (rez. ARS): Mindestens 4 Episoden einer akuten Rhinosinusitis innerhalb von 12 Monaten, zwischen Episoden vollständiges Abklingen der Symptome
- Chronische (Rhino‑)Sinusitis (CRS): Symptomatische Entzündung der Nasennebenhöhle >12 Wochen (ohne vollständiges Abklingen der Symptome)
- Ohne nasale Polypen (CRSsNP)
- Mit nasalen Polypen (CRScNP)
Epidemiologie
- Prävalenz: Sehr hoch
- Erwachsene: Am häufigsten ist der Sinus maxillaris betroffen
- Kinder: Altersabhängige Verteilung [1]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger
- Meist Viren (Rhino-, Corona-, Influenza- und Parainfluenzaviren)
- Bakterien (teils als Sekundärinfektion): Insbesondere Pneumokokken oder Haemophilus influenzae, seltener Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes oder Moraxella catarrhalis
- Selten: Pilze (Aspergillus fumigatus, siehe: Aspergillose)
- Risikofaktoren
- Rhinitis: Fortleitung der Erreger aus der Nasenhöhle über kommunizierende Schleimhäute in die Nebenhöhlen
- Dentogener Infekt: Führt v.a. zu einer einseitigen Sinusitis maxillaris
- Alle Ventilationsstörungen der Nasennebenhöhlen
- Hypertrophie der Nasenmuscheln, Nasenpolypen, Nasenseptumdeviation
- Concha bullosa: Luftansammlung in einer Nasenmuschel (anatomische Variante)
- Haller-Zelle: Im Orbitaboden angelegte Cellula ethmoidalis (anatomische Variante)
- Prädisponierende Erkrankungen
- Allergische Rhinitis
- Asthma bronchiale
- Analgetikaintoleranz (siehe: chronisch-polypöse Sinusitis)
Pathophysiologie
- Akute Rhinosinusitis: Nasale Infektion → Schleimhautschwellung → Störung von Sekretabfluss und Ventilation der Nasennebenhöhlen, insb. durch Verlegung des ostiomeatalen Komplexes → Ausbreitung der Entzündung und Begünstigung von Sekundärinfektionen
- Ggf. durch anatomische Varianten insb. der lateralen Nasenwand begünstigt
- Chronische Rhinosinusitis: Sowohl Entzündung als auch Umbau-Prozesse der Nebenhöhlenschleimhaut
- Chronische Rhinosinusitis ohne nasale Polypen (CRSsNP): Fibrose der Nasenschleimhaut
- Chronische Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRScNP): Ödementwicklung
- Für die Anatomie der Nasennebenhöhlen siehe auch: Nasennebenhöhlen (= Sinus paranasales)
Symptome/Klinik
- Akute Rhinosinusitis
- Leitsymptom: Gesteigerte eitrige Nasensekretion und retronasale Sekretion
- Verstopfung und Engegefühl der Nase
- Riechstörung
- Allgemeines Krankheitsgefühl, evtl. Fieber
- Sinusitis maxillaris und frontalis: Gesichtsschmerz mit Druckgefühl in der betroffenen Nasennebenhöhle (in der Kiefer- bzw. Stirnhöhle)
- Sinusitis ethmoidalis: Schmerzen im Bereich der Nasenwurzel oder zwischen den Augen
- Sinusitis sphenoidalis: Dumpfer Druckschmerz in der Mitte des Schädels
- Chronische Rhinosinusitis
- Wie bei akuter Rhinosinusitis, jedoch häufig schwächer ausgeprägt und/oder weniger charakteristisch
Diagnostik
Diagnosestellung nach Verlaufsform
- Akute Rhinosinusitis: In der Regel klinisch (Anamnese, körperliche Untersuchung), ggf. Rhinoskopie, CRP und/oder BSG nur bei starken Schmerzen
- Rezidivierende akute Rhinosinusitis: Zusätzlich nasale Endoskopie, mindestens aber Rhinoskopie, zur Identifikation möglicher Ursachen; CRP und/oder BSG nur bei starken Schmerzen
- Chronische Rhinosinusitis: Zusätzlich nasale Endoskopie und Schnittbildgebung (vorzugsweise low-dose CT der Nasennebenhöhlen), keine laborchemischen Verfahren routinemäßig indiziert
Bei der akuten und rezidivierenden akuten Rhinosinusitis ist i.d.R. keine(!) Bildgebung indiziert!
Untersuchungsmethoden
- Körperliche Untersuchung
- Klopfschmerzhaftigkeit über Kiefer- und Stirnhöhle (bei Sinusitis maxillaris bzw. frontalis)
- Ggf. Gesichts- und/oder Kopfschmerzen beim Vornüberbeugen verstärkt
- Rhinoskopie (Untersuchung des vorderen Nasenabschnitts mit Nasenspekulum)
- Labordiagnostik
- Entzündungsparameter: CRP und/oder BSG ggf. erhöht
- Weitergehende Labordiagnostik: Routinemäßig nicht indiziert, ggf. bei Verdacht auf systemische Grunderkrankungen
- Mikrobiologische Diagnostik: Keine Routine, optional zur kalkulierten antibiotischen Therapie bei:
- Therapierefraktären Verläufen
- Immunsupprimierten Patienten
- Apparative Diagnostik
- Nasenendoskopie (Untersuchung des vorderen und hinteren Nasenabschnitts)
- CT der Nasennebenhöhlen in low-dose-Technik (Verdichtung des Weichteilgewebes der betroffenen Nasennebenhöhlen)
- MRT: Zusatzuntersuchung bei V.a. Tumoren der Nasennebenhöhlen oder intrakraniellen Komplikationen
- Ggf. Sonographie: Hinweis auf Sekretspiegel, vor allem im Sinus maxillaris
- Nasennebenhöhlen-Röntgenaufnahme (NNH): Transparenzminderung des Sinus, Darstellung von Sekretspiegeln
- Allergologische Testung: Keine Routine, aber zu erwägen bei:
- Rezidivierenden Verläufen ungeklärter Genese
- Anamnestischen oder klinischen Hinweisen auf allergische Genese
Therapie
Therapie der akuten Sinusitis [2]
- Pflanzliche Sekretolytika (z.B. Cineol-haltige Kapseln oder Myrtenöl-haltige Kapseln )
- Abschwellende Nasentropfen oder -sprays wirken beschwerdelindernd (z.B. Xylometazolin )
- Antibiotikatherapie bei akuter Sinusitis: Eine generelle Antibiotikagabe ist nicht sinnvoll!
- Indikationen
- Starke Schmerzen in Verbindung mit Fieber >38,3°C oder hohen Entzündungswerten
- Drohende Komplikationen
- Patienten mit ausgeprägten Komorbiditäten (insb. COPD) oder unter Immunsuppression. Für die Antibiotikawahl siehe: Antibiotikatherapie bei ausgeprägter Sinusitis
- Mittel der Wahl: Amoxicillin
- Antibiotikatherapie bei ausgeprägter Sinusitis oder Risikofaktoren wie Immunsuppression
- Aminopenicillin und ß-Laktamase-Inhibitor wie Sultamicillin
- Alternativ: Cefuroxim
- Bei zahlreichen Risikofaktoren und der Notwendigkeit einer intravenösen Applikation [3]
- Ampicillin/Sulbactam oder
- Ceftriaxon ggf. + Clindamycin
- Indikationen
- Ggf. Analgetika, z.B.
- Paracetamol
- Ibuprofen , gleichzeitige Einnahme eines Protonenpumpenhemmers wie Pantoprazol erwägen
- Ggf. topisch nasale Steroide wie z.B. Mometason-haltige Sprays
Therapie der chronischen Sinusitis
- Glucocorticoid-Nasensprays wirken heilungsfördernd, z.B. Mometason-haltige Sprays
- Ggf. Antibiotika: Mittel der Wahl sind Aminopenicilline und Betalaktamaseinhibitoren wie Sultamicillin oder Cephalosporine der 2. Generation, z.B. Cefuroxim
- Ggf. minimalinvasive endoskopische Operation
Bei einem Eingriff im Sinus sphenoidalis ist eine Verletzung der A. carotis interna möglich!
Komplikationen
-
Ausbreitung der eitrigen Entzündung in benachbarte Strukturen
-
Orbitaödem, Orbitaphlegmone
- Insbesondere bei Sinusitis ethmoidalis im Kindesalter
- Klinik: Schmerzhafter Exophthalmus, Lidrötung
- Stirnbeinosteomyelitis
- Klinik: Teigige Schwellung, Fieber, Schmerzen
- Therapie: Antibiotische Therapie und operative Sanierung
- Meningitis
- Intrazerebrale Abszesse
- Sinusvenenthrombose
-
Orbitaödem, Orbitaphlegmone
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Akute Rhinosinusitis: Hohe Spontanheilungsraten (>50% nach 1 Woche, >90% nach 4 Wochen) [2]
- Chronische Rhinosinusitis: Häufig langwierige Verläufe, teilweise mit Einschränkungen der Lebens- und Schlafqualität
Verlaufs- und Sonderformen
Polyposis nasi et sinuum (Chronisch-polypöse Sinusitis)
- Definition: Chronisch eosinophile Rhinosinusitis mit multiplen Nasenpolypen
- Risikofaktoren
- Mukoviszidose
- Assoziiert mit Asthma bronchiale und Analgetikaintoleranz (dann als Samter-Trias oder Morbus Widal bezeichnet)
- Symptome
- Sekretabfluss über den Rachen
- Häufig Störung des Geruchssinns (Hyposmie bis Anosmie)
- Sonderform: Choanalpolyp
- Besondere Form eines meist isolierten, weichen Nasenpolypen; Entstehungsort ist die Schleimhaut der Kieferhöhle (selten aus den Siebbeinzellen); er wächst über den mittleren Nasengang in den Nasopharynx hinein
- Therapie der Wahl ist eine endoskopische, komplette Entfernung
- Differentialdiagnose:
- Diagnostik
- Labor: Eosinophilie
- Nasenendoskopie
- Graue polypöse Schleimhauthypertrophie
- Insbesondere bei einseitiger Polyposis nasi: Ausschluss eines Tumors durch Biopsie
- Therapie
- Systemische und lokale Glucocorticoide
- Resektion der Polypen, ggf. Pansinusoperation
- Hohe Rezidivneigung
Primäre ziliäre Dyskinesie (PCD)
- Definition: Autosomal-rezessiv vererbte Störung des mukoziliären Transports
- Symptome
- Bronchiektasen
- Chronische Sinusitis und Nasenpolypen
- ♀: Häufig ektope Schwangerschaften
- ♂: Häufig Infertilität durch verminderte Spermienmotilität
- PCD mit Situs inversus (ca. 40–50% der Fälle): Kartagener-Syndrom
Patienteninformationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2021
- J01.-: Akute Sinusitis
- Inklusive: Abszess, Eiterung, Empyem, Entzündung, Infektion, akut, (Nasen‑) Nebenhöhlen
- Exklusive: Sinusitis, chronisch oder o.n.A. (J32.‑)
- J01.0: Akute Sinusitis maxillaris
- Akute Kieferhöhlenentzündung
- J01.1: Akute Sinusitis frontalis
- J01.2: Akute Sinusitis ethmoidalis
- J01.3: Akute Sinusitis sphenoidalis
- J01.4: Akute Pansinusitis
- J01.8: Sonstige akute Sinusitis
- Akute Sinusitis mit Beteiligung von mehr als einer Nasennebenhöhle, ausgenommen Pansinusitis
- J01.9: Akute Sinusitis, nicht näher bezeichnet
- J32.-: Chronische Sinusitis
- Inklusive: Abszess, Eiterung, Empyem, Infektion, (chronisch) (Nasen‑) Nebenhöhlen
- Exklusive: Akute Sinusitis (J01.‑)
- J32.0: Chronische Sinusitis maxillaris
- Kieferhöhlenentzündung (chronisch), Sinusitis maxillaris o.n.A.
- J32.1: Chronische Sinusitis frontalis
- Sinusitis frontalis o.n.A.
- J32.2: Chronische Sinusitis ethmoidalis
- Sinusitis ethmoidalis o.n.A.
- J32.3: Chronische Sinusitis sphenoidalis
- Sinusitis sphenoidalis o.n.A.
- J32.4: Chronische Pansinusitis
- Pansinusitis o.n.A.
- J32.8: Sonstige chronische Sinusitis
- Sinusitis (chronisch) mit Beteiligung von mehr als einer Nasennebenhöhle, ausgenommen Pansinusitis
- J32.9: Chronische Sinusitis, nicht näher bezeichnet
- Sinusitis (chronisch) o.n.A.
- J33.-: Nasenpolyp
- Exklusive: Adenomatöse Polypen (D14.0)
- J33.0: Polyp der Nasenhöhle
- Polyp: Choanal-, nasopharyngeal
- J33.1: Polyposis nasalis deformans
- Woakes-Syndrom oder Ethmoiditis
- J33.8: Sonstige Polypen der Nasennebenhöhlen
- Polyp, Polyposis: Nasennebenhöhlen, Sinus ethmoidalis, Sinus maxillaris, Sinus sphenoidalis
- J33.9: Nasenpolyp, nicht näher bezeichnet
- J34.-: Sonstige Krankheiten der Nase und der Nasennebenhöhlen
- Exklusive: Ulcus varicosum des Nasenseptums (I86.88)
- J34.0: Abszess, Furunkel und Karbunkel der Nase
- Nekrose, Phlegmone, Ulzeration, Nase oder Nasenseptum
- J34.1: Zyste oder Mukozele der Nase und der Nasennebenhöhle
- J34.2: Nasenseptumdeviation
- Verbiegung oder Subluxation des Nasenseptums (erworben)
- J34.3: Hypertrophie der Nasenmuscheln
- J34.8: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Nase und der Nasennebenhöhlen
- Perforation des Nasenseptums o.n.A., Rhinolith
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2021, DIMDI.