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Maligne Hyperthermie

Letzte Aktualisierung: 10.9.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die maligne Hyperthermie (MH) ist eine hereditäre Myopathie mit gestörter Calciumhomöostase der Skelettmuskulatur. Typischerweise verläuft sie subklinisch, d.h. im normalen Alltag der Betroffenen treten keine Symptome auf. Unter einer Allgemeinanästhesie jedoch können bestimmte Triggersubstanzen (volatile Anästhetika und Succinylcholin) durch einen Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration eine MH-Krise auslösen. Diese äußert sich durch Kontraktionen der Skelettmuskulatur, eine hyperkatabole Stoffwechselentgleisung mit vermehrter CO2-Produktion und einen – meist zeitverzögerten – Temperaturanstieg. Intraoperative MH-Krisen sind zwar insg. selten, zählen jedoch zu den schweren Narkosezwischenfällen und können unbehandelt in bis zu 80% der Fälle letal verlaufen.

Der Kenntnis möglicher und gesicherter Zusammenhänge bei MH-Disposition sowie des entsprechenden perioperativen Managements bei MH-Disposition kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Eine triggerfreie Allgemeinanästhesie ermöglicht es, die meisten Zwischenfälle zu vermeiden.

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Epidemiologietoggle arrow icon

  • Prävalenz der genetischen Disposition: Gering, in Deutschland ca. 1:2.000–1:3.000 [1]
  • Inzidenz schwerer MH-Krisen: Angaben schwanken zwischen 1:10.000 und 1:250.000 durchgeführten Allgemeinanästhesien [1]
    • 50% der Fälle bei Kindern und Jugendlichen <12 Jahren
    • >
    • Auftreten oft erst nach mehrfacher Exposition mit Triggersubstanzen

Unauffällige Vornarkosen schließen eine Disposition zur malignen Hyperthermie nicht sicher aus!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Voraussetzungen einer malignen Hyperthermie

Es gibt zwei Voraussetzungen für das klinische Auftreten einer malignen Hyperthermie: Die genetische Disposition und die Zufuhr von Triggersubstanzen!

Assoziierte Erkrankungen [2][3]

Etwa die Hälfte der Patienten mit einer Disposition zur MH zeigt muskuläre Pathologien. Viele dieser Veränderungen sind jedoch unspezifisch. Im Zweifel sollte eine triggerfreie Allgemeinanästhesie durchgeführt werden. Die Anwendung von Muskelrelaxanzien bei Pathologien der neuromuskulären Übertragung erfordert unabhängig von einer MH-Disposition besondere Sorgfalt.

MH-Disposition: Mögliche und gesicherte Zusammenhänge
MH-Disposition Erkrankung
Nachgewiesen
Nicht nachgewiesen
Legende

1 Kein Einsatz von Succinylcholin oder Inhalationsanästhetika trotz fehlender MH-Disposition

2 Kein Einsatz von Succinylcholin , Verwendung von Inhalationsanästhetika prinzipiell möglich

3 Einsatz von Succinylcholin und Inhalationsanästhetika prinzipiell möglich (ggf. Dosisanpassung erforderlich)

Bei Erkrankungen mit nachgewiesener MH-Disposition dürfen keine MH-Triggersubstanzen eingesetzt werden!

Der Einsatz von MH-Triggersubstanzen kann auch bei Erkrankungen ohne nachgewiesene MH-Assoziation kontraindiziert sein!

Triggersubstanzen einer malignen Hyperthermie

Eindeutige Triggersubstanzen

Kritische Wirkstoffe und Medikamente

Für die oft schwierige Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern siehe auch: Maligne Hyperthermie - Differenzialdiagnosen!

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Pathophysiologietoggle arrow icon

Die glatte Muskulatur und Herzmuskulatur sind nicht betroffen!

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Symptomatiktoggle arrow icon

Einteilung nach klinischer Symptomatik [1]

  • Abortive Form: Nur ein oder wenige Symptome, geringe Ausprägung
  • Moderate Form: Mehrere Symptome, moderate Ausprägung
  • Fulminante MH-Krise: Volle Ausprägung zahlreicher Symptome, rascher Verlauf

Frühzeichen [1][2][10][11]

Bei der maschinellen Beatmung gilt der endexspiratorische CO2-Anstieg als spezifisches Frühzeichen einer MH-Krise! [11]

Spätzeichen [1]

Die Hyperthermie zählt i.d.R. zu den Spätzeichen der malignen Hyperthermie. Bei fulminanten Verläufen kann sie jedoch bereits frühzeitig auftreten!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Bei Verdacht auf eine maligne Hyperthermie muss eine frühzeitige Entnahme von Blutproben erfolgen, sowohl zur Diagnosesicherung als auch zur Bewertung des Verlaufs! [1]

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Die abzuwägenden Differenzialdiagnosen unterscheiden sich je nach Setting erheblich (intraoperatives, intensiv- oder notfallmedizinisches Auftreten)!

Gegenüberstellung der Symptomkonstellationen wichtiger Differenzialdiagnosen [14]
Maligne Hyperthermie Serotoninerges Syndrom Malignes neuroleptisches Syndrom
Symptome Temperaturanstieg
Rigor
Tachykardie
Tachypnoe
Hämodynamische Veränderungen
Verhaltensänderung (✓)
Bewusstseinsstörungen (✓)
Kloni
Tremor (✓)
Hyperreflexie
Laborchemische Veränderungen CK-Anstieg
Myoglobinurie
Rhabdomyolyse
Hyperkapnie
Leukozytose
Weitere Merkmale Rasche Progredienz

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Sofortmaßnahmen [1]

Dosierungsbeispiele für Dantrolen (Kinder und Erwachsene)
Körpergewicht Erforderliche Wirkstoffmenge Korrespondierendes Volumen
≤48 kg 3 kg
  • 7,5 mg
  • 1,4 mL
6 kg
  • 15 mg
  • 2,8 mL
12 kg
  • 30 mg
  • 5,6 mL
24 kg
  • 60 mg
  • 11,3 mL
48 kg
  • 120 mg
  • 22,6 mL
49–96 kg 72 kg
  • 180 mg
  • 33,9 mL
96 kg
  • 240 mL
  • 45,2 mL
≥97 kg 120 kg
  • 300 mg
  • 56,5 mL
144 kg

Entscheidend für die Prognose ist die sofortige Gabe von Dantrolen! Unter adäquater Behandlung liegt die Letalität bei <10%, ohne angemessene Therapie dagegen bei ca. 80%! [1]

Erweiterte Maßnahmen [1]

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Präventiontoggle arrow icon

Primärprävention

  • Detektion von Risikopatienten und Diagnostik bei Verdacht auf MH
  • Durchführung einer triggerfreien Allgemeinanästhesie
  • Kritische Wirkstoffe und Medikamente vermeiden
  • Adäquate postoperative Überwachung

Sekundärprävention [1]

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Risikoeinschätzung und Screeningtoggle arrow icon

Detektion von Risikopatienten [17][18]

Diagnostik bei möglicher MH-Disposition

Die Labordiagnostik liefert nur Hinweise, ein gezieltes Screening existiert nicht. Auffälligkeiten in Anamnese und Laborbefunden können jedoch eine weiterführende Diagnostik rechtfertigen!

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Anästhesie bei MH-Dispositiontoggle arrow icon

Präoperatives Management bei MH-Disposition

Präoperative Optimierung [18]

  • Stress vermeiden
  • Prophylaxe mit Dantrolen i.d.R. nicht indiziert
  • Postoperative Überwachung: Intensivplatz freihalten

Stress kann möglicherweise eine maligne Hyperthermie bei entsprechender Disposition auslösen und sollte perioperativ vermieden werden!

Technische Vorbereitung [15][17][18]

Intraoperatives Management bei MH-Disposition

Perioperative Überwachung

Narkoseverfahren [2][17][18][20]

Triggerfreie Allgemeinanästhesie
Substanzklasse Medikament

Lokalanästhetika

Opioide

Hypnotika

Muskelrelaxantien

Katecholamine

Cholinesterasehemmer

Parasympatholytika

Selten: Inhalationsanästhetika
Legende ✓ = Triggerfreies Medikament

Postoperatives Management bei MH-Disposition

  • Überwachung [17][18]
    • Kleinere Eingriffe: 4–6 h
    • Größere Eingriffe: 24 h auf einer Überwachungsstation
  • Laborkontrollen: Unmittelbar nach Narkoseende und 6 h postoperativ
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Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Dantrolen

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • T88.-: Sonstige Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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