Zusammenfassung
Die Prostatitis ist eine multifaktorielle Erkrankung mit häufig unbekannter Ätiologie. Bei der akuten und chronischen bakteriellen Prostatitis kann i.d.R. E. coli nachgewiesen werden, wohingegen beim chronisch pelvinen Schmerzsyndrom (CPPS) definitionsgemäß kein Erreger nachgewiesen werden kann. Wie es spontan zur Keimaszension in die Prostata kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Die Entzündung der Prostata kann entweder akut mit Fieber, Schüttelfrost und Defäkationsschmerzen einhergehen oder auch chronisch verlaufen. Hierbei ist eine Bandbreite von einzelnen Befundkonstellationen möglich, die eine interdisziplinäre Behandlung notwendig machen. Die Diagnose wird sowohl klinisch als auch laborchemisch gestellt (PSA-Erhöhung, Keimnachweis). Therapeutisch steht eine adäquate antibiotische Therapie im Vordergrund, während bei einem chronischen Verlauf u.a. desobstruierende und anticholinerge Medikamente ergänzt werden.
Ätiologie
Pathogenese
- Akute und chronische Prostatitis: Keimaszension durch den Harntrakt (v.a. E. coli und weitere Enterobacteriaceae, Enterokokken, seltener auch Mykobakterien und andere Bakterien; ggf. Gonokokken oder Chlamydia trachomatis)
- Chronisches pelvines Schmerzsyndrom (CPPS): Kein Erreger nachweisbar
Risikofaktoren [1]
- Blasenentleerungsstörungen
- Manipulationen am Urogenitaltrakt (z.B. Dauerkatheter, Operationen, Prostatamanipulationen)
- Intraprostatischer Reflux
- Phimose
- Harnwegsinfektionen
- (Ungeschützter) Analverkehr
Klassifikation
Prostatitis – Klassifikation der National Institutes of Health (NIH) [1]
Prostatitis – Klassifikation der National Institutes of Health | ||
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I | Akute Prostatitis |
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II | Chronische Prostatitis |
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III |
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IV | Asymptomatische Prostatitis |
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Symptomatik
Akute bakterielle Prostatitis
- Perineale Schmerzen, Schmerzen bei der Defäkation
- Fieber, Schüttelfrost
- Dysurische, pollakisurische Beschwerden, ggf. Harnverhalt
- Komplikationen: Prostataabszess, Urosepsis
Chronische bakterielle Prostatitis
- Schmerzen
- Miktionsbeschwerden
- Erektile Dysfunktion
Chronisches pelvines Schmerzsyndrom
- Siehe: CPPS des Mannes
Asymptomatische Prostatitis
- Klinische Beschwerdefreiheit
Diagnostik
Klinische Chemie
- Urindiagnostik: Urin-Stix, Urinsediment und Urinkultur zur Keimbestimmung
- Blutuntersuchung: Entzündungsparameter, PSA↑
- Blutkultur: Bei Fieber >38,5 °C oder V.a. Urosepsis
- Bei chronischer Prostatitis
- Abstriche der Harnröhre zum Ausschluss einer Chlamydieninfektion
- 4-Gläser-Probe (nach Meares und Stamey): Bestimmung der Lokalisation einer Infektion durch Kulturen unterschiedlicher Urinportionen
- 1. Portion (Anfangsurin, erste 10–20 mL): Urethra
- 2. Portion (Mittelstrahlurin): Blase, obere Harnwege
- 3. Portion (Prostataexprimat, während Prostatamassage ): Prostata
- 4. Portion (Exprimaturin, nach Prostatamassage): Prostata
- Alternativ: 2-Gläser-Probe (nur Mittelstrahlurin + Exprimaturin nach Prostatamassage) [1][2]
Digital rektale Untersuchung
-
Teigig weiche, ggf. vergrößerte und stark druckschmerzhafte Prostata
Apparative Diagnostik
- Sonografie
- Restharnbestimmung
- Ggf. Transrektaler Ultraschall
- Ggf. Biopsie
Therapie
Therapie der akuten Prostatitis (Kategorie I nach Prostatitis-Klassifikation) [1][3]
- Vor Therapiebeginn unbedingt Antibiotika-Anamnese durchführen
- Bei leichtem Verlauf: Fluorchinolone der Gruppe II oder III (z.B. Ciprofloxacin ), ggf. im Verlauf Umstellung auf resistenzgerechte orale Therapie
- Bei schwerem Verlauf
- Kalkulierte i.v.-Antibiotikatherapie für 3–7 Tage (z.B. Breitspektrum-Penicillin, Cephalosporin der Gruppe III) [3]
- Bei klinischer Besserung: Umstellung auf resistenzgerechte orale Therapie (Fluorchinolone: Mittel der 1. Wahl) und Fortführung für 2–4 Wochen
- Weitere Maßnahmen
- Bei Restharn und Fieberpersistenz: Einlage eines suprapubischen Dauerkatheters zur Harnableitung
- Analgetika
- Ggf. Bettruhe und Volumentherapie
- Ggf. Macrogol zur Stuhlregulation
Therapie der chronifizierenden Prostatitiden (Kategorie II–IV nach Prostatitis-Klassifikation) [1]
- Interdisziplinäre Behandlung – Mögliche Maßnahmen
- Adäquate Antibiotika-Therapie nach Resistogramm für mind. 4–6 Wochen
- Gabe von Medikamenten für eine erleichterte Miktion
- Anticholinergika
- Antidepressive Therapie
- NSAR
- Probatorische Gabe von Phytotherapeutika
- ESWL der Prostata (experimentell)
Komplikationen
- Granulomatöse Prostatitis
- Tastbefund wie bei Prostatakarzinom, jedoch Befund entzündlicher Genese
- Diagnose nur histologisch zu stellen (Stanzbiopsie erforderlich)
- Prostataabszess
- Antibiotische Therapie wie bei der Prostatitis
- ≥1 cm: Entlastung durch perineale Punktion, perineale Drainage oder transurethrale Resektion
- Mikrobiologische Untersuchung des Materials
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Chronisches pelvines Schmerzsyndrom des Mannes
- Definition: Chronische und/oder rezidivierende Schmerzen im Bereich des Beckens für mind. 3 Monate, assoziiert mit sexuellen Störungen, psychosozialer Beeinträchtigung und Miktionsbeschwerden
- Epidemiologie: Ca. 5–8% aller Männer
- Ätiologie: Multifaktoriell mit muskulärer und viszeraler Hyperalgesie und häufig nach (rezidivierenden) Infektionen (bspw. akute Prostatitis) [4]
- Symptome
- (Perineale) Schmerzen
- Muskuläre Verspannungen, Krämpfe
- Dysurie, Schmerzen bei der Ejakulation
- Miktionsbeschwerden
- Sexuelle Dysfunktion
- Häufige Komorbiditäten: Angststörungen, Depression
- Differenzialdiagnosen
- Erkrankungen des inneren/äußeren Genitals, der Urethra und der Harnblase
- Erkrankungen des Kolons/Rektums
- Fibromyalgie
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- Chronisches Fatigue-Syndrom
- Diagnostik: Ausschlussdiagnose!
- Ausführliche Anamnese
- Validierter Fragebogen zur Erhebung der Symptome: NIH-Chronic Prostatitis Symptom Index (NIH-CPSI)
- Klinische Untersuchung, inkl. Untersuchung des Beckenbodens (Schmerzpunkte)
- 4-Gläser-Probe, alternativ: 2-Gläser-Probe (Ausschluss einer bakteriellen Entzündung)
- Ggf. weiterführende Untersuchungen je nach Beschwerdebild (bspw. bildgebende Verfahren, Urodynamik, Zystoskopie)
- Klassifikation anhand der UPOINTS-Klassifikation
- Einteilung der Betroffenen in Domänen (anhand ihrer Symptome)
- Je mehr Domänen und je schwerer die Symptome, desto höher die Beeinträchtigung der Lebensqualität
- Ermöglicht individuell strukturierte, multimodale Therapie
UPOINTS-Klassifikation des chronisch pelvinen Schmerzsyndroms [1][2] | ||
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Domäne | Symptome/Klinik (Beispiele) | Mögliche Therapieoptionen |
U (Urinary) |
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P (Psychosocial) |
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O (Organ-specific) |
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I (Infection) |
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N (Neurologic) |
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T (Tenderness) |
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S (Sexual Dysfunction) |
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- Therapie [1]
- Siehe: Therapie der somatoformen Störung
- Aufklärung über das Krankheitsbild
- Beschwerden ernst nehmen und mit Empathie begegnen
- Definition von realistischen Therapiezielen
- Individuelle Therapie nach UPOINTS-Klassifikation
- Prognose
- Bei 60%: Keine Beschwerden mehr nach 6 Monaten
- Bei 20%: Variabler Verlauf
- Bei 20%: Chronifizierung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N41.-: Entzündliche Krankheiten der Prostata
- N41.0: Akute Prostatitis
- N41.1: Chronische Prostatitis
- N41.2: Prostataabszess
- N41.3: Prostatazystitis
- N41.8: Sonstige entzündliche Erkrankungen der Prostata
- N41.9: Entzündliche Krankheit der Prostata, nicht näher bezeichnet
- Prostatitis o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.