Zusammenfassung
Die eiweißreiche Kost der Wohlstandsgesellschaften führt durch höhere Calcium-, Harnsäure- und Oxalatausscheidungen über den Urin dazu, dass Harnsteine in diesen Ländern ein häufiges Krankheitsbild darstellen. Weitere Ursachen sind insbesondere in pathologisch veränderten Stoffwechselvorgängen (z.B. Hyperparathyreoidismus) zu finden. Das potenziell äußerst schmerzhafte Krankheitsbild macht sich durch Koliken entlang des gesamten Urogenitaltraktes bemerkbar. Einen wegweisenden Befund stellt die Hämaturie dar. Neben der symptomatischen Therapie mit Analgetika steht die Rezidivprophylaxe im Vordergrund. Günstig ist grundsätzlich eine reichliche Flüssigkeitszufuhr sowie die Anpassung der Ernährung. Bleibt ein spontaner Steinabgang aus oder ist er aufgrund der Größe oder Lage des Konkrements unwahrscheinlich, so ist eine interventionelle Steintherapie notwendig.
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Definition
- Urolithiasis (Harnsteine) können im gesamten Urogenitaltrakt lokalisiert sein:
- Nephrolithiasis (mit Unterscheidung von Nierenbecken-, Nierenkelch- und Nierenausgusssteinen): Niere
- Ureterolithiasis: Harnleiter
- Zystolithiasis: Harnblase
- Urethralithiasis: Harnröhre
Epidemiologie
- Häufigkeitsgipfel: 30.–60. Lebensjahr
- Geschlecht: ♂ > ♀
- Lebenszeitprävalenz: ∼5% der deutschen Bevölkerung
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Klassifikation
Harnsteine - Vereinfachter Überblick
Ätiologie | Prozentualer Anteil | Spezielle Maßnahmen / Prophylaxe | Röntgenpositivität | ||
---|---|---|---|---|---|
Alkalisierung des Harns | Ansäuerung des Harns | ||||
Calciumoxalatsteine |
| ca. 75% | ✓ | – | ✓✓ |
Struvitsteine | ca. 10% | – | ✓ | ✓ | |
Harnsäuresteine | ca. 5–10% | ✓ | – | – | |
Calciumphosphatsteine | zusammen <5% | – | ✓ | ✓✓ | |
Zystinsteine |
| ✓ | – | ✓ | |
Xanthinsteine |
| – | – | – |
Calciumoxalatsteine
- Häufigkeit: Ca. 75% aller Steine
- Formen
- Calciumoxalat-Monohydrat-Steine (auch „Whewellit“ genannt)
- Calciumoxalat-Dihydrat-Steine (auch „Weddellit“ genannt)
- Ätiologie
- Hyperkalzämie, Hyperoxalurie, oxalatreiche Ernährung (Kakao, Nüsse, Rhabarber, rote Bete, Spinat)
- Erkrankungen mit Gallensäureverlust (z.B. Morbus Crohn, Kurzdarmsyndrom)
- Prophylaxe
- Behandlung der Hyperkalzämie
- Anpassung der Ernährung
- Alkalisierung des Harns: Alkalicitrate, z.B. Kaliumnatriumhydrogencitrat oder Natriumbicarbonat → Aufhebung der Säurestarre
- Ggf. Magnesium , ggf. Thiazide
- Für Dosierungen und genaues Vorgehen siehe auch: Calciumoxalatsteine - Nachsorge
Struvitsteine (Magnesiumammoniumphosphat/Tripelphosphatsteine)
- Häufigkeit: Ca. 10% aller Steine
- Ätiologie: Harnwegsinfekte, bevorzugt durch Urease-bildende Keime (v.a. Proteus-Infektionen, selten Klebsiella, Pseudomonas und Staphylokokken)
- Urease-produzierende Keime führen zur Alkalisierung des Harns (pH >7) und zur Erhöhung der Ammoniumkonzentration im Harn
- Wird das Löslichkeitsprodukt der drei steinbildenden Ionen (Magnesium Mg2+, Ammonium NH4+, Phosphat PO43−) überschritten: Bildung von Struvitsteinen
- Prophylaxe
- Eradikation des Harnwegsinfekts durch antibiogrammgerechte Therapie
- Ansäuern des Harns (mit Methionin)
- Identifikation von möglichen Abflussstörungen und frühzeitige Steinentfernung
- Für Dosierungen und genaues Vorgehen siehe auch: Struvitsteine - Nachsorge
Einerseits provozieren Harnwegsinfekte die Entstehung von Struvitsteinen, andererseits erhöhen Harnsteine wiederum das Risiko für Harnwegsinfekte. Es gilt diesen Teufelskreis zu durchbrechen!
Harnsäuresteine (Urat)
- Häufigkeit: Ca. 5–10% aller Steine
- Ätiologie: Hyperurikämie (begünstigt bei adipösen Patienten)
- Therapie bzw. Prophylaxe
- Alkalisierung des Harns über mehrere Wochen (orale „Chemolitholyse“) zur Auflösung: Alkalicitrate, z.B. Kaliumnatriumhydrogencitrat oder Natriumbicarbonat → Aufhebung der Säurestarre
- Allopurinol
- Für Dosierungen und genaues Vorgehen siehe auch: Harnsäuresteine - Nachsorge
Urikosurika (z.B. Benzbromaron) bewirken eine vermehrte Harnsäureausscheidung und verstärken somit die Steinbildung!
Weitere seltenere Steine
- Calciumphosphatsteine
- Ätiologie
- Formen
- Brushitsteine
- Carbonatapatitsteine
- Prophylaxe: Behandlung der Hyperkalzämie, ggf. bei Carbonatapatitsteinen Ansäuern des Harns (mit Methionin) , ggf. Thiazide
- Für Dosierungen und genaues Vorgehen siehe auch: Calciumphosphatsteine - Nachsorge
- Zystinsteine
- Definition: Autosomal-rezessiv vererbte Rückresorptionsstörung von Aminosäuren (u.a. Zystin)
- Ätiologie: Zystinurie
- Klinik: Rezidivierende Nierensteine bereits im Kindesalter
- Diagnostik: Nitroprussidprobe (Zyanid-Nitroprussid-Probe)
- Prophylaxe: Alkalisierung des Harns (Alkalicitrate oder Natriumbicarbonat, z.B. Kaliumnatriumhydrogencitrat)
- Für Dosierungen und genaues Vorgehen siehe auch: Zystinsteine - Nachsorge
- Xanthinsteine
- Ätiologie: Genetischer Defekt der Xanthinoxidase oder iatrogen
- Prophylaxe
- Purinarme Kost
- Hohe Flüssigkeitsaufnahme
- Medikamentös induzierte Steine
-
Steinbildung durch Kristallisation des Wirkstoffs im Harn
- Aciclovir, Indinavir, Sulfonamide, Allopurinol, Aminopenicilline, Ceftriaxon, Fluorchinolone
- Steinbildung durch nachteilige Auswirkung auf die Urinzusammensetzung
- Acetazolamid, Ascorbinsäure, Furosemid, Topiramat, Vitamin-D-Präparate, Einnahme von Calcium-, Magnesium- und Aluminiumsalzen
-
Steinbildung durch Kristallisation des Wirkstoffs im Harn
Symptomatik
- Beginn der Symptome häufig nach Übertritt des Steines in den Ureter
- Allgemein
- Unruhiger Patient
- Ggf. Makrohämaturie
- Fieber, Dysurie, ggf. Schüttelfrost: Dringender Verdacht auf komplizierte Harnwegsinfektion!
- Abdominelle Symptomatik
-
Kolikartige Schmerzen (Flanke und Abdomen)
- Mögliche Schmerzausstrahlung in Unterbauch, Leiste, Labien oder Hoden
- Ggf. klopfschmerzhafte Nierenlager
- Übelkeit und Erbrechen
- Paralytischer Subileus möglich (reflektorisch)
-
Kolikartige Schmerzen (Flanke und Abdomen)
Je nach Lage des Steins kann sich eine Urolithiasis wie eine Hodentorsion, aber auch wie eine Appendizitis präsentieren!
Diagnostik
Erstmaßnahmen bei akuter Kolik
- Anamnese und körperliche Untersuchung insb. Nierenklopfschmerz
- Abnahme einer Urin- und Blutprobe
- Sonografie und bei fortbestehendem V.a. Urolithiasis: Beginn einer Schmerztherapie
- CT (nativ): Vor allem bei Urosepsis, Fieber oder bei Einzelniere (zur sofortigen Diagnosesicherung)
- Ggf. Röntgendiagnostik (Röntgeneigenschaften des Steins)
Basisdiagnostik bei Urolithiasis
- Anamnese, insb. Urolithiasis in der Vorgeschichte, Risikofaktoren, Ernährung, Medikamentenanamnese
- Körperliche Untersuchung, insb. Nierenklopfschmerz
- Labordiagnostik
-
Urindiagnostik
- U-Stix mit Erythrozyten (Mikrohämaturie), Leukozyten und Nitrit (Harnwegsinfektion), pH-Wert
- Urinsediment und -kultur
-
Blutabnahme
- Kleines Blutbild
- Serum: Kreatinin, Harnsäure, (ionisiertes) Kalzium, Natrium, Kalium, GFR, CRP
- Blutgerinnung (partielle Thromboplastinzeit und INR) wenn Intervention wahrscheinlich
- BGA
- Steinanalyse bei Urolithiasis: Anleitung zur Urinfilterung für Asservierung [1]
-
Urindiagnostik
- Zusätzlich bei unbekannter Steinart
- Urin-pH-Tagesprofil
- Mikroskopie des Harnsediments (Kristallnachweis)
- Bildgebung (Nativ-CT oder Ausscheidungsurogramm)
Bildgebung
Ohne Kontrastmittel
- Indikation: Obligat bei V.a. Urolithiasis
- Zielsetzung
- Nachweis oder Ausschluss eines Steins
- Beurteilung von Größe und Lokalisation des Steins
- Einschätzung der anatomischen Verhältnisse und eventueller Komplikationen (insb. Stauung) oder Differenzialdiagnosen
- Methoden
- Sonografie (Methode der 1. Wahl)
- Durchführung
- Lagerung: Rückenlage, Hände unter dem Kopf
- Sonden: Sektoren- und Konvexschallköpfe (3,5–5 MHz)
- Flankenschnitt: Längsdarstellung der Niere; anschließend Drehung um 90° für Querdarstellung
- Doppler- und Duplexsonografie
- Befunde
- Nierensteine: Echoreich, echofreier Schallschatten
-
Harnleitersteine: Nahe der Blase und nahe der Niere gelegene Konkremente darstellbar, indirekte Hinweise im Sinne einer Stauung
- Doppler- und Duplexsonografie: Verminderte Urinjets in die Harnblase mit erhöhtem Resistance-Index
- Dokumentation: Ektasiegrad, Konkremente (inkl. Größe), Parenchymdicke, andere Nierenpathologien
- Durchführung
- CT (nativ)
- Weiterführende Diagnostik bei V.a. Harnleitersteine (Standardmethode)
- Konkremente fast aller Zusammensetzungen in allen Abschnitten darstellbar
- Konventionelles Röntgen (Abdomenübersichtsaufnahme)
- Indikation
- Steindiagnostik (Feststellung der Röntgeneigenschaft)
- Nachkontrolle bei röntgendichten Konkrementen
- Befunde
- Röntgenpositiv: Calciumhaltige Steine (Calciumoxalatsteine, Calciumphosphatsteine}
- Schwach röntgenpositiv: Struvitsteine, Zystinsteine
- Röntgennegativ: Harnsäuresteine, Xanthinsteine, Indinavirsteine
- Indikation
- Sonografie (Methode der 1. Wahl)
Calciumhaltige Steine sind im konventionellen Röntgen gut sichtbar!
Mit Kontrastmittel
- Ziel: Darstellung des Hohlsystems
- Methoden und Indikationen
- Kontrastmittel-CT: Zur Interventionsplanung
- Retro/antegrade Ureterpyelografie: Vor Harnableitung, bei Kontrastmittelallergie oder bei eingeschränkter Nierenfunktion (Kontraindikation: Infektnachweis)
- Ausscheidungsurogramm (intravenöse Urografie): Vor Harnableitung; Kontraindikation: Kontrastmittelallergie oder akute/chronische Nierenschädigung
Die Sonografie ist bei Verdacht auf Urolithiasis auch in der Akutsituation die Untersuchungsform der ersten Wahl. Bei unklaren Befunden oder Verdacht auf Harnleitersteine kann eine CT-Untersuchung im Anschluss durchgeführt werden!
Steinanalyse bei Urolithiasis
- Indikation: Immer bei Nieren- oder Harnleiterstein (auch bei Rezidiv),
- Asservierung: Über Urinausscheidung und Auffangen mittels Sieb
- Labortechnische Analyse über
- Infrarotspektroskopie
- Röntgendiffraktionsanalyse
- Polarisationsmikroskopie
Risikostratifizierung der Urolithiasis
- Indikation: Alle Patienten mit einer Urolithiasis
- Einteilung: Niedrig- und Hochrisikogruppe
- Kriterien für die Einordnung in die Hochrisikogruppe (ein Kriterium ausreichend)
- Allgemein
- Urolithiasis bei Kindern und Jugendlichen
- Positive Familienanamnese
- Bestimmte Steinarten (Brushitsteine (calciumphosphathaltig), Struvitsteine, Harnsäuresteine und harnsäurehaltige Steine)
- Einzelniere
- Mit Urolithiasis assoziierte Erkrankungen
- Hyperparathyreoidismus und Sarkoidose (aufgrund einer Hyperkalzämie)
- Metabolisches Syndrom
- Nephrokalzinose
- Polyzystische Nierenerkrankung
- Chronische gastrointestinale Erkrankungen, u.a.
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- Zustände der Malabsorption (z.B. Zöliakie, ggf. auch nach bariatrischer Chirurgie)
- Rückenmarksverletzung, neurogene Blase
- Genetische Ursachen, u.a.
- Cystinurie
- Primäre Hyperoxalurie
- Renale tubuläre Azidose
- Mukoviszidose
- Xanthinurie
- Anatomische Anomalien (Harnabflusstörungen)
- Tubuläre Ektasie
- Subpelvine Harnleiterstenose
- Kelchdivertikel oder -zyste
- Ureterstriktur
- Vesikoureteraler Reflux bis in die Niere
- Hufeisenniere
- Ureterozele
- Umweltfaktoren
- Bleibelastung
- Cadmiumbelastung
- Allgemein
- Metaphylaxe
- Niedrigrisikogruppe: Allgemeine Harnsteinmetaphylaxe
- Hochrisikogruppe: Spezifische Harnsteinmetaphylaxe bei Hochrisiko-Patienten
Erweiterte Diagnostik bei Hochrisikopatient:innen
Blutabnahme
- Bei Calciumoxalat- und Calciumphosphatsteinen: Parathormon im Serum (bei gleichzeitig vorliegender Hyperkalzämie im Serum, siehe auch: Basisdiagnostik bei Urolithiasis)
Urin-pH-Tagesprofil [2]
- Prinzip: Mindestens 4x/Tag Bestimmung des pH-Werts aus Einmalurin und Dokumentation der Werte nach Bedarf
- Indikation
- Diagnostisch: Basisdiagnostik bei Urolithiasis bei Hochrisikopatient:innen
- Therapeutisch: Fortlaufend zur Therapiesteuerung bei Einnahme alkalisierender bzw. ansäuernder Substanzen
Sammelurindiagnostik [2]
- Prinzip: Bestimmung der Tagesausscheidung steinfördernder bzw. die Steinbildung verhindernder Bestandteile im 24-h-Sammelurin unter Alltagsbedingungen
- Durchführung: Mind. zweimalig
- Indikation
- Als Erstdiagnostik: Bei Hochrisikopatienten
- Zur Therapiekontrolle: 3–6 Monate nach Intervention
- Nach Therapieerfolg: Jährlich
- Ideale Voraussetzungen
- Infektfreiheit des Harnabflusstraktes
- Steinfreiheit mit mindestens 3-wöchigem Intervall nach letztmaliger Intervention
- Absprache mit dem untersuchenden Labor über Sammelmodalitäten und spezielle Anforderungen der Probenlagerung und des Probentransports
Leitbefunde in der Sammelurindiagnostik [2]
Parameter im Sammelurin | Grenzwerte | Diagnostische Verwertbarkeit |
---|---|---|
pH-Wert | konstant >5,8 | Hinweis auf renal-tubuläre Azidose |
konstant >7 | Hinweis auf (chronische) Harnwegsinfektion | |
konstant ≤5,8 | Hinweis auf sog. „Säurestarre“ | |
Spezifisches Gewicht | >1,010 | Hinweis auf unzureichende Trinkmengen |
Kreatinin | 7–13 mmol/d | Störung der Nierenfunktion |
13–18 mmol/d (Männer) | Sammelfehler | |
Calcium | >5 mmol/d | Relevante Hyperkalzurie, Metaphylaxe gerechtfertigt |
≥8 mmol/d | Manifeste Hyperkalzurie | |
Oxalat | >0,5 mmol/d | Generell: Hyperoxalurie |
0,45–0,85 mmol/d | Milde Hyperoxalurie | |
≥1 mmol/d | Wahrscheinlich primäre Hyperoxalurie | |
Harnsäure | >4 mmol/d | Hyperurikosurie |
Citrat | <1,7 mmol/d | Hypocitraturie |
Magnesium | <3 mmol/d | Hypomagnesiurie |
Anorganisches Phosphat | >35 mmol/d | Hyperphospahturie |
Ammonium | >50 mmol/d | Hyperammonurie |
Zystin | >0,8 mmol/d | Zystinurie |
Differenzialdiagnosen
- Darmerkrankungen (Appendizitis, Divertikulitis u.a.)
- Gynäkologische Erkrankungen (Adnexitis, Extrauteringravidität u.a.)
- Ausstrahlung der Schmerzen sehr variabel, daher theoretisch alle Ursachen eines akuten Abdomens
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Schmerztherapie bei Urolithiasis und akuter Kolik
- Metamizol i.v. (1. Wahl bei starken Schmerzen)
- Diclofenac (bei normaler Nierenfunktion)
- Paracetamol (Alternative zu Metamizol und Diclofenac, insb. in Schwangerschaft) i.v.
- Opioide (bei Versagen von Nicht-Opioiden , keine spasmolytische Wirkung, im Vergleich jedoch mehr unerwünschte Wirkungen)
- Veraltet: Butylscopolamin
- Das Spasmolytikum sollte gemäß Leitlinie aufgrund fehlender Wirkung auf den Nierendruck nicht (mehr) eingesetzt werden
Konservative Therapie
- Ziel: Spontaner Steinabgang unter regelmäßiger Kontrolle
- Indikation: Uretersteine bis 7 mm mit komplikationslosem Verlauf
- Maßnahmen
- Schmerztherapie, siehe Schmerztherapie bei akuter Nierenkolik
- Supportive medikamentöse Therapie für Spontanabgang (Medical Expulsive Therapy, MET): Alphablocker im Off-Label Use (z.B. Tamsulosin ) oder Nifedipin (Off-Label Use)
- Erhöhung der Trinkmenge [3]
- Körperliche Bewegung [3]
- Regelmäßige Verlaufskontrollen (alle 1–2 Wochen) mit Fokus auf
- Schmerzmittelbedarf
- Zeichen einer Infektion
- Adäquaten Harntransport
- Active Surveillance
- Indikation: Asymptomatischer Verlauf ohne Indikation zur Intervention oder Patientenwunsch
- Maßnahmen: Jährliche klinische Untersuchung und Bildgebung (CT-nativ oder Sonografie)
Interventionelle Therapie (Steinentfernung bei Urolithiasis) [2]
- Allgemeine Indikationen
- Niedrige Wahrscheinlichkeit eines Spontanabgangs
- Ausgeschöpfte Analgesie
- Anhaltende Obstruktion
- Voraussetzung
- Ausschluss oder resistenzgerechte antibiotische Anbehandlung einer Harnwegsinfektion
- Bei klinisch signifikanter Infektion und Obstruktion: Mehrtägige Harnableitung vor Intervention [2]
Harnableitung
- Indikation
- Frustrane konservative Therapie
- Hochgradige Obstruktion mit Harnstauungsniere oder postrenaler akuter Nierenfunktionseinschränkung
- Infizierte Harnstauungsniere
- Verfahren
- Harnleiterschienung: Retrograde Harnleiterspiegelung (Ureterorenoskopie) und Einlage eines Doppel-J-Katheters
- Perkutane Nephrostomie
- Antibiotische Therapie: Bei infizierter Harnstauungsniere
Ureterorenoskopie (URS) mit Steinentfernung
- Indikation: Weit, insb. Steingrößen ≤2 cm
- Präoperatives Management: Wenn möglich Antikoagulation (inkl. Thrombozytenaggregationshemmern) absetzen
- Durchführung
- Retrograde Harnleiterspiegelung
- Entfernung der Steine (kleine am Stück, große nach Laserlithotripsie)
- Einlage einer temporären Harnleiterschiene (Doppel-J-Katheter) bei komplizierten Eingriffen
- Perioperative Antibiotikaprophylaxe je nach Risikokonstellation
- Ggf. supportive Therapie mit Alphablockern im Off-Label Use
- Komplikationen, u.a.
Perkutane Nephrolithotomie (auch perkutane Nephrolitholapaxie, PCNL)
- Indikation: Große Harnsteine >2 cm
- Durchführung
- Punktion eines Nierenbeckenkelchs unter sonografischer oder röntgenologischer Kontrolle (Durchleuchtung)
- Einführen eines starren Drahtes und Bougierung des Punktionskanals
- Einführen des Endoskops und Desintegration der Steine mit Bergung der Fragmente (mittels Körbchen)
- Ggf. Anlage einer perkutanen Nephrostomie (bei komplizierten Eingriffen)
- Perioperative Antibiotikaprophylaxe
- Komplikationen, u.a.
- Perioperatives Fieber
- Blutungen
- Urinextravasation
- Pleuraläsion
- Darmverletzungen
Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) [2]
- Indikation: Fast alle Harnsteine, je kleiner, desto höhere Steinfreiheitsraten
- Die Erfolgsrate wird u.a. durch Adipositas, sehr harte Steine sowie anatomische Engen/Abflussstörungen distal des Steins negativ beeinflusst
- Kontraindikationen
- Blutgerinnungsstörung (auch durch Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmer )
- Schwangerschaft
- Lokales Aneurysma
- Harnwegsinfektion
- Nephrokalzinose
- Unbehandelter Hypertonus
- Abflussstörung distal des Steins
- Pankreatitis
- Durchführung
- Adäquate Analgesie (Vermeidung von verstärkter Atembewegung unter Schmerzen)
- Antibiotikaprophylaxe bei Bakteriurie, Infektsteinen oder einliegendem Fremdmaterial
- Schallwellen unter Röntgen- oder Ultraschallkontrolle auf den Stein ausrichten
- Stoßwellenfrequenz von 1–1,5 Hz führt zur Desintegration der Steine
- Additive Maßnahmen anwenden: Ggf. Perkussion, Vibration, Trendelenburg-Lagerung, forcierte Diurese
- Bildgebung zur Kontrolle
- Ggf. supportive Therapie mit Alphablockern im Off-Label Use
- Komplikationen
- ESWL bei Kindern: Besserer Therapieerfolg (= höhere Steinfreiheitsraten) als bei Erwachsenen
Offene und laparoskopische Ureterolithotomie
Nachsorge nach Intervention
- Asymptomatische Patient:innen: Ultraschallkontrolle innerhalb von 3 Monaten
- Symptomatische Patient:innen oder V.a. Residualfragmente: Low-Dose nativ-CT
- Bei ESWL: Nach 6–12 Wochen
Sowohl nach konservativer als auch nach operativer Therapie sind radiologische Verlaufskontrollen indiziert!
Situatives Vorgehen je nach Indikation [2]
- Vorgehen bei Harnleitersteinen
- Ureterorenoskopie (URS): Eher bei größeren Konkrementen (>10 mm) und bei mittleren sowie distalen Konkrementen
- Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL): Eher bei kleinen proximalen Konkrementen (<10 mm)
- Offene und laparoskopische Ureterolithotomie : Anwendung bei sehr großen Harnleitersteinen
- Vorgehen bei Nierensteinen
- Ureterorenoskopie (URS): Steine ≤20 mm (auch bei Unterpolsteinen)
- Perkutane Nephrolithotomie (PCNL): Methode der 1. Wahl bei Steinen >20 mm (auch bei Unterpolsteinen mit einer Größe >10 mm)
- Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL): Steine ≤20 mm (außer Unterpolsteine)
Harnsteinmetaphylaxe
Allgemeine Harnsteinmetaphylaxe
- Für Harnstein-spezifische Informationen: Spezifische Harnsteinmetaphylaxe bei Hochrisiko-Patienten
- Reichlich Flüssigkeitszufuhr: Mindestens 2,5 L pro Tag
- Keine zuckergesüßten Softdrinks
- Spezifisches Gewicht in Urindiagnostik sollte <1,010 kg/L sein
- Ernährung kochsalzarm, ausgewogen und ballaststoffreich
- Möglichst reduzierte Oxalatzufuhr (Ernährungsberatung sinnvoll)
- Proteinzufuhr 0,8–1,0 g/kgKG/d
- Gewichtsreduktion bei Übergewicht anstreben
- Regelmäßige körperliche Aktivität
- Ggf. stressabbauende Maßnahmen
- Nach Steintherapie
- Asymptomatische Patienten: Ultraschallkontrolle innerhalb von 3 Monaten
- Symptomatische Patienten oder V.a. Residualfragmente: CT-Verlaufskontrolle (nativ) möglich
- Therapieerfolg der ESWL mittels Bildgebung (Röntgen bei schattengebenden Konkrementen innerhalb von 3 Monaten) prüfen
Spezifische Harnsteinmetaphylaxe bei Hochrisiko-Patient:innen
Allgemein
- Kontrolluntersuchungen
- Basisdiagnostik bei Urolithiasis
- Sammelurindiagnostik (zweimalig): Nach Einleitung therapeutischer Maßnahmen zur Metaphylaxe kann der Effekt auf den zu beeinflussenden Parameter bei Bedarf objektiviert werden
- Urin-pH-Tagesprofil: Durch Selbstkontrolle der betroffenen Person (Urin-pH-Tagesprofil) durchgeführt und dokumentiert
- Calciumoxalat- und Calciumphosphatsteine: Bestimmung des Parathormons bei Hyperkalzämie (Ausschluss Hyperparathyreoidismus)
- Ansäuerung als Therapieprinzip: L-Methionin als 1. Wahl [2]
- Alkalisierung des Urins: Alkalicitrate als 1. Wahl, alternativ Natriumhydrogencarbonat-Präparate (bei Nierenfunktionsstörung oder Elektrolytstörungen)
Calciumoxalatsteine - Nachsorge
- Bei Hyperkalzurie
- >5 mmol/d : Alkalicitrate oder Natriumhydrogencarbonat
- ≥8 mmol/d : Zusätzlich Thiazide
- Bei Hypozitraturie: Alkalicitrate
- Bei Hyperoxalurie: Diätetische Restriktion von Oxalat, Magnesiumsubstitution , ausreichende Calciumzufuhr
- 0,5–1,0 mmol/d: Alkalicitrate
- >1 mmol/d (primäre Hyperoxalurie): Pyridoxin
- Bei Hyperurikosurie: Alkalicitrate
- Zusätzlich Allopurinol
Calciumphosphatsteine - Nachsorge
- Brushitsteine: Bei Hyperkalzurie >8 mmol/d: HCT
- Karbonatapatitsteine
- Bei Hyperkalzurie
- >5 mmol/d : Alkalicitrate bzw. Natriumhydrogencarbonat
- >8 mmol/d : Alkalicitrate bzw. Natriumhydrogencarbonat und HCT
- Bei pH kontinuierlich >5,8
- Differentialdiagnostik und -therapie von Harnwegsinfektion und renal-tubulärer Azidose
- L-Methionin mit pH-Ziel 5,8–6,2
- Hyperkalzämie: Ausschluss Hyperparathyreoidismus [2]
- Bei Hyperkalzurie
Harnsäuresteine - Nachsorge
- Ernährung: Reduzierung von tierischem Eiweiß [2]
- Bei pH anhaltend <5,8
- Alkalicitrate bzw. Natriumhydrogencarbonat oder Natriumbicarbonat, Therapiesteuerung nach Urin-pH
- Zur Metaphylaxe: Ziel-pH 6,5–6,8
- Zur Chemolitholyse: Ziel-pH 7,0–7,2
- Alkalicitrate bzw. Natriumhydrogencarbonat oder Natriumbicarbonat, Therapiesteuerung nach Urin-pH
- Bei Hyperurikosurie >4 mmol/d: Allopurinol, Dosierung abhängig vom Vorliegen einer Hyperurikämie
- Keine Hyperurikämie: Allopurinol
- Bei Hyperurikämie: Allopurinol
Ammoniumuratsteine - Nachsorge
- Bei pH >6,5
- Ausschluss Harnwegsinfekt, ggf. antibiotische Therapie zur Infektsanierung
- Bei fehlendem Infekt: L-Methionin mit Ziel-pH 5,8–6,2
- Bei Hyperurikosurie: Allopurinol
Struvitsteine - Nachsorge (Magnesium-Ammonium-Phosphatsteine)
- Infektsanierung vorrangig: Ggf. ist auch die Durchführung einer antibiotischen Prophylaxe zu erwägen
- Bei Rezidiven trotz Infektfreiheit: L-Methionin mit Ziel pH 5,8–6,2
Zystinsteine - Nachsorge
- Hohe Trinkmenge: Eine Urinproduktion von 3,5 L täglich sollte sichergestellt sein, bei Kindern wird eine Trinkmenge von etwa 1,5 L/m2 KOF empfohlen
- Alkalisierung des Urins: Alkalizitrat oder Natriumhydrogencarbonat mit Ziel-pH >7,5
- Nach Zystinausscheidung
- <3 mmol/d: Tiopronin nur bei Rezidiven unter den oben genannten Maßnahmen
- >3 mmol/d: Tiopronin
Metaphylaxe seltener Steinformen [2]
- Dihydroxyadenin-Steine
- Trinkmenge von 3,5–4,0 L täglich
- Purinarme Kost
- Verringerung der Dihydroxyadenin-Ausscheidung durch Allopurinol
- Xanthinsteine: Purinarme Kost und hohe Trinkmenge (>3 L/d)
Komplikationen
- Harnwegsinfektion mit Fieber und der Gefahr der Pyelonephritis und Urosepsis
- Harnstauung mit möglicher Infektion des gestauten Urins (infizierte Harnstauungsniere)
- Fornixruptur
- Definition: Einreißen des Nierenbeckens durch Druckerhöhung im Kelchsystem mit Austritt von Urin (sog. Urinom)
- Diagnostik: Steinnachweis sowie retroperitoneale, perirenale Flüssigkeitsansammlung in der Abdomen-CT
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Studientelegramme zum Thema
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- Studientelegramm 306-2025-3/4: Hydrochlorothiazid: NOSTONE and no bone
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Meditricks
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Urolithiasis
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N20.-: Nieren- und Ureterstein
- Exklusive: Mit Hydronephrose (N13.2)
- N20.0: Nierenstein
- Nephrolithiasis o.n.A.
- Nierenausgussstein
- Nierenkonkrement oder -stein
- Parenchymstein
- N20.1: Ureterstein
- N20.2: Nierenstein und Ureterstein gleichzeitig
- N20.9: Harnstein, nicht näher bezeichnet
- N21.-: Stein in den unteren Harnwegen
- Inklusive: Mit Zystitis und Urethritis
- N21.0: Stein in der Harnblase
- Blasenstein
- Stein in Blasendivertikel
- Exklusive: Nierenausgussstein (N20.0)
- N21.1: Urethrastein
- N21.8: Stein in sonstigen unteren Harnwegen
- N21.9: Stein in den unteren Harnwegen, nicht näher bezeichnet
- N22.-:* Harnstein bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- N22.0*: Harnstein bei Schistosomiasis [Bilharziose] (B65.0†)
- N22.8*: Harnstein bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
- N23: Nicht näher bezeichnete Nierenkolik
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.