Zusammenfassung
Die nicht-invasive Beatmung (NIV) bezeichnet eine maschinelle Unterstützung der Spontanatmung ohne invasiven Atemwegszugang wie Endotrachealtubus oder Trachealkanüle. Sie wird über dicht sitzende NIV-Masken oder andere Interfaces wie Beatmungshelme appliziert, meist in Form einer synchronisierten druckunterstützten Beatmung. Ziel ist die Vermeidung einer invasiven Beatmung bei insuffizienter Spontanatmung. Eine NIV soll die Vorteile einer invasiven Beatmung ermöglichen, ohne die damit verbundenen Risiken einzugehen und ist besonders effektiv zur Behandlung der hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz.
Indikationen zur Akuttherapie sind v.a. AECOPD, kardiales Lungenödem, Pneumonie und ausgewählte ARDS-Fälle. Die Langzeittherapie kommt insb. bei COPD, neuromuskulären Erkrankungen und Obesitas-Hypoventilationssyndrom infrage. Weitere Einsatzgebiete sind schwieriges Weaning, Postextubationsphase und palliative Atemunterstützung. Eine Anwendung soll frühzeitig begonnen werden bei klarer Indikation und fehlenden Kontraindikationen für NIV sowie vorhandener Expertise und adäquater technischer Ausstattung. Im Akutsetting erfolgt sie meist auf der Intensivstation, bei der Langzeittherapie steht die häusliche Anwendung im Vordergrund.
Dieses Kapitel behandelt primär die NIV bei Erwachsenen. Für pflegerische Inhalte siehe: Pflege bei nicht-invasiver Beatmung.
Grundlagen der NIV
Definition [1]
- Grundprinzip: Maschinelle Unterstützung der Spontanatmung über einen nicht-invasiven Atemwegszugang
- Applikationswege
- Dicht sitzende Atemmaske: Nasenmaske, Mundmaske, Mund-Nasen-Maske, Vollgesichtsmaske oder
- Andere Interfaces: Beatmungshelm, Nasal Prongs und Nasal Pillows
- Beatmungsform: Meist synchronisierte, druckunterstützte Beatmung mit PEEP
Voraussetzungen zur NIV [2]
- Behandelte Person
- Kooperationsfähigkeit erhalten
- Spontanatmung vorhanden
- Schutzreflexe erhalten
- Ausreichende Vigilanz
- Keine absolute Kontraindikation für NIV vorhanden
- Medizinisches Personal
- Gut geschultes Team mit ausreichender Erfahrung und Kenntnis des Verfahrens
- Engmaschige Überwachung der Vitalparameter und Blutgaswerte
- Adäquate technische Ausrüstung
- Unmittelbare Intubationsbereitschaft (in Akutsituationen)
Vor- und Nachteile der NIV [1][2]
- Vorteile im Vergleich zur invasiven Beatmung
- Deutlich geringeres Risiko für ventilationsassoziierte Pneumonie
- Keine oder nur geringe Sedierung erforderlich
- Keine Verletzungen oder Schäden von Trachea und Kehlkopf
- Oft intermittierende Anwendung möglich
- Höherer Patientenkomfort, Mobilisierung möglich
- Trinken, Essen, Sprechen und effektives Husten möglich
- Nachteile im Vergleich zur invasiven Beatmung
- Kein sicherer Aspirationsschutz
- CO2-Rückatmung möglich
- Erschwerter Zugang zu den Atemwegen
- Für weitere Nachteile siehe: Nebenwirkungen der NIV
Primäres Ziel der NIV ist die Vermeidung einer invasiven Beatmung bei insuffizienter Spontanatmung! Sie soll die Vorteile einer invasiven Beatmung ermöglichen, jedoch ohne deren potenzielle Nachteile! [2]
Wirkungsweise und Effekte der NIV [1][2]
- Vergrößerung des Lungenvolumens
- Reduktion der Atemarbeit
- Rekrutierung (potenzieller) Atelektasen
- Hämodynamische Stabilisierung
- Verbesserung der Compliance
NIV zur Therapie der respiratorischen Insuffizienz [1][2][3] | ||
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Hyperkapnische respiratorische Insuffizienz | Hypoxämische respiratorische Insuffizienz | |
Pathophysiologie |
|
|
Leitwert |
| |
Effekte der NIV |
|
|
Indikation
Respiratorische Insuffizienz
- Einteilung nach Verlauf
- Einteilung nach Blutgaswerten
Akute respiratorische Insuffizienz [2][4]
- Hyperkapnische akute respiratorische Insuffizienz
- AECOPD [5]
- pH-Wert <7,3: Individuelle Entscheidung
- pH-Wert 7,3 bis <7,35: NIV gilt als Goldstandard
- pH-Wert ≥7,35: Nur im Einzelfall
- Asthma bronchiale
- Obesitas-Hypoventilationssyndrom
- Neuromuskuläre Erkrankungen
- Thorakorestriktive Erkrankungen
- Zystische Fibrose
- Interstitielle Lungenerkrankungen
- AECOPD [5]
- Hypoxämische akute respiratorische Insuffizienz
- Kardiale Ursache: Kardiales Lungenödem
- Nicht-kardiale Ursachen
- Mildes (bis moderates) ARDS
- Pneumonie (CAP), insb. bei COVID-19 [6]
- Interstitielle Lungenerkrankungen
- Trauma und/oder Verbrennung
- Unabhängig von der Form: Vermeidung einer Intubation bei akuter respiratorischer Insuffizienz, bspw. bei
- Immunsuppression
- Do-Not-Intubate-Anordnung
Klinische Anzeichen für eine akute respiratorische Insuffizienz [7] | |
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Parameter | |
Körperliche Untersuchung |
|
Diagnostik |
NIV wird in erster Linie bei Erkrankungen eingesetzt, die zum Versagen der Atempumpe führen (hyperkapnische respiratorische Insuffizienz). Bei der hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz ist sie weniger effektiv! [2]
Bei der akuten hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mit einem pH-Wert <7,35 soll nach Ausschluss von Kontraindikationen bevorzugt eine NIV erfolgen! [2]
Chronische respiratorische Insuffizienz [3]
- COPD
- Neuromuskuläre Erkrankungen
- Thorakorestriktive Erkrankungen
- Obesitas-Hypoventilationssyndrom
Postextubationsphase nach Langzeitbeatmung und Weaning [1][2]
- Frühe Extubation bei Personen mit (noch) unerfüllten Extubationskriterien
- Vermeidung einer Re-Intubation nach primär erfolgreicher Extubation
- „Rescue-NIV“ bei hyperkapnischer akuter respiratorischer Insuffizienz
- Präventive NIV bei Z.n. invasiver Beatmung >48 h und Risikofaktoren für sekundäres Extubationsversagen
- Prolongiertes Weaning bzw. schwieriges Weaning
Perioperativ und periinterventionell [2]
- Hohes Risiko für postoperative hypoxämische akute respiratorische Insuffizienz [1]
- Endoskopische Untersuchungen und Eingriffe bei Personen mit stark eingeschränkter Lungenfunktion
- Postoperativ bei insuffizienter Spontanatmung
Präoxygenierung vor Intubation [2][7]
Prähospitale NIV-Therapie [2]
- Verdacht auf kardiales Lungenödem mit hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz
- Verdacht auf hyperkapnische akute respiratorische Insuffizienz
- Primäre NIV mit inspiratorischer Druckunterstützung anstreben
- Keine Diagnosesicherung möglich bei hyperkapnisch bedingtem Koma
- Zu beachten
- Begrenzte Diagnostik und zeitliche Ressourcen
- Vermeidung einer Hyperoxygenierung [9]
Eine NIV darf den Transport und die Reperfusionstherapie bei STEMI nicht verzögern!
Aufgrund fehlender Evidenz wird bei stumpfem Thoraxtrauma keine NIV empfohlen!
Palliativtherapie [4]
- Symptomkontrolle
- Do-Not-Intubate-Anordnung
Die Indikationsstellung beinhaltet eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung der klinischen Situation und des Patientenwillens! [4]
Kontraindikation
Absolute Kontraindikationen [2]
- Fehlende Spontanatmung
- Atemwegsverlegung [4]
- Gastrointestinale Blutung oder Ileus
- Koma infolge einer anderen Ursache als Hyperkapnie
- Schwere Mittelgesichtsverletzung [4]
- Fehlende Schutzreflexe [4][10]
Relative Kontraindikationen [2]
- Koma infolge einer Hyperkapnie
- Ausgeprägte Agitation [4]
- Ausgeprägte bronchiale Hypersekretion bzw. Sekretverhalt
- Schwere Hypoxämie oder Azidose (pH-Wert <7,1)
- Hämodynamische Instabilität
- Interface-Inkompatibilität
- Z.n. Eingriff am oberen Gastrointestinaltrakt
Bei relativer Kontraindikation ist ein Therapieversuch mit NIV nur im Einzelfall gerechtfertigt. Voraussetzungen sind ein erfahrenes Team, eine adäquate technische Ausrüstung und eine unmittelbare Intubationsbereitschaft! [2]
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Praktisches Vorgehen
Die folgenden Inhalte beziehen sich auf das Vorgehen in der Akutsituation!
Material und Medikamente
Basismaterial [4]
- Beatmungszugang (Interface): Mind. 2 Interfaces in verschiedenen Größen
- 1. Wahl: Mund-Nasen-Maske [2]
- Alternativen: Vollgesichtsmaske, Beatmungshelm , Nasenmaske , Nasal Pillows [2]
- Schlauchsystem (Ein- oder Doppelschlauch ) [7]
- Haltebänder bzw. Zuggurte zur Befestigung
- 20-mL-Spritze
- Material für die Polsterung, bspw. Kompressen, Hydrokolloidverband
- Beatmungsgerät mit NIV-Funktion
- Absaugvorrichtung
- HME-Filter
Zur NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz wird bevorzugt die Mund-Nasen-Maske eingesetzt! [2]
Die passende Größe der Maske ist entscheidend für eine effektive Anwendung! [1]
Interfaces (NIV-Masken)
Charakteristika verschiedener NIV-Interfaces [2][11][1] | ||||
---|---|---|---|---|
Mund-Nasen-Maske | Vollgesichtsmaske | Beatmungshelm | Nasenmaske | |
In Akutsituationen geeignet | ✓ | ✓ | ✓ | 0 |
Außerhalb der ITS oder IMC anwendbar | ✓ | ✓ | - | ✓ |
Schnelle Verbesserung der BGA | ✓ | ✓ | 0 | 0 |
Bei besonderer Anatomie anwendbar | - | ✓ | ✓ | - |
Längere Anwendungsdauer möglich | 0 | 0 | ✓ | 0 |
Husten und Expektoration erleichtert | - | - | 0 | ✓ |
Sprechen erleichtert | - | - | ✓ | ✓ |
Essen und Trinken möglich | - | - | - | ✓ |
Erhöhtes Aspirationsrisiko | - | 0 | ✓ | ✓ |
Risiko für Klaustrophobie | - | 0 | 0 | ✓ |
Aerophagie | 0 | 0 | 0 | ✓ |
Neigung zu Undichtigkeit (Leckage) | - | ✓ | ✓ | - |
Durchgängigkeit der Nase erforderlich | ✓ | ✓ | ✓ | - |
Hoher Gasfluss erforderlich | ✓ | ✓ | - | ✓ |
Totraumvolumen relevant vergrößert | ✓ | 0 | - [12] | ✓ |
Lärmbelästigung | ✓ | ✓ | - | ✓ |
Druckbelastung des Nasenrückens | - | ✓ | ✓ | - |
Irritation der Augen | - | 0 | 0 | - |
Legende: ✓ = Vorteil, 0 = Neutral, - = Nachteil |
Beatmungsgerät [1][4]
- Technische Voraussetzungen: Mindestanforderungen an Beatmungsgeräte zur NIV [2]
- Druckvorgabe
- Bilevel-Modus (BIPAP)
- Empfindliche Flowtriggerung
- Hoher Inspirationsflow (mind. 60 L/min)
- Backup-Frequenz (zum Apnoe-Schutz)
- Max. Inspirationsdruck ≥30 mm H2O
- Max. Atemfrequenz ≥40/min
- Diskonnektionsalarm
- Einstellbares I:E-Verhältnis
- Geräteauswahl: Je nach Setting und Indikation
- Intensivmedizinische Beatmungsgeräte
- Prinzipiell geeignet
- Voraussetzung: NIV-Modus mit Leckage-Kompensation verfügbar
- Spezielle NIV-Beatmungsgeräte
- Einfache Bedienung
- Anwendbar im häuslichen Umfeld
- Relativ klein und flexibel
- Kostengünstig
- Intensivmedizinische Beatmungsgeräte
Basismedikamente (Auswahl nach Situation und Klinikstandard) [4]
- Medikamente zur Analgosedierung [2]
- Morphin, alternativ Sufentanil oder Remifentanil
- Ggf. Propofol oder Benzodiazepine
- Notfallmedikamente, bspw. zur medikamentösen Kreislaufunterstützung
Material und Medikamente für eine endotracheale Intubation [4]
- Basismaterial und -medikamente
- Material für das Management von Atemwegskomplikationen
- Medikamente für die erweiterte Therapie und den Notfall
- Siehe auch: Endotracheale Intubation - AMBOSS-SOP
Vorbereitung
Räumlichkeit und Personal [4]
- Personal: Adäquate Betreuung sicherstellen; mind. 2 Personen in der Initialphase nötig
- Ort: Bei akuter respiratorischer Insuffizienz üblicherweise auf der Intensivstation [2]
- Abhängig vom Ausmaß der Begleiterkrankungen
- Intensivstation, insb. bei Mehrorganversagen und/oder komplizierender Begleiterkrankung
- Bei isolierter respiratorischer Insuffizienz i.d.R. Intermediate-Care-Station ausreichend
- Abhängig vom pH-Wert (bei hyperkapnischer akuter respiratorischer Insuffizienz) [2]
- pH-Wert <7,3: Intensivstation, Intermediate-Care-Station oder Notaufnahme
- pH-Wert >7,3: Ggf. Normalstation
- Abhängig vom Ausmaß der Begleiterkrankungen
- Umgebungsbedingungen
- Störfaktoren reduzieren
- Möglichst ruhige Umgebung schaffen
Bei akuter respiratorischer Insuffizienz ist ein rascher Beginn der NIV i.d.R. auf der Intensivstation erforderlich! [3]
Patientenvorbereitung [1][4]
- Lagerung: Bevorzugt Oberkörperhochlagerung (halbsitzende Lagerung ) [2]
- Aufklärung und Einwilligung
- Erklären des geplanten Vorgehens
- Umfang der Aufklärung anpassen an Situation und Zustand der Person
- Basismonitoring anschließen
- Gefäßzugänge legen
- Minimale Sedierung
- Durchführung: Bspw. Gabe von Morphin i.v. oder Propofol i.v. (fraktionierte Gabe oder mittels Spritzenpumpe)
- Alternativ Sufentanil oder Remifentanil [2]
- Ziel: Leichte Sedierung (RASS-Score 0 bis -1) [2]
- Siehe auch: Analgosedierung für elektive Diagnostik und Interventionen - AMBOSS-SOP
- Ggf. Sauerstoffgabe: Überbrückung bis zum Beginn der NIV mit High-Flow-Sauerstofftherapie bei hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz erwägen [4]
Während der gesamten Prozedur werden alle Schritte verständlich erklärt und eng mit der betroffenen Person kommuniziert! [4]
Ablauf/Durchführung
Variationen des Vorgehens [2]
- Option 1: Erst Maske aufsetzen, dann Konnektion ans Beatmungsgerät
- Option 2: Erst Konnektion ans Beatmungsgerät, dann Maske aufsetzen
- Option 3: Erst Maske aufsetzen, dann Beatmung über Beatmungsbeutel (mit Sauerstoffgabe), Konnektion ans Beatmungsgerät erst nach kardiorespiratorischer Stabilisierung
Aufsetzen der NIV-Maske [1][2]
- Durchführung durch Person 1 (meist Fachpflegekraft)
- Maske zunächst nur mit Abstand vor das Gesicht der Person halten [4]
- Langsame Annäherung der Maske an das Gesicht, von unten beginnend auf das Gesicht aufsetzen, Haltebänder lose über den Kopf legen
- Maske ohne größeren Druck auf dem Gesicht halten (manuelle Fixierung)
- Kurze Wartezeit zur Gewöhnung an die Maßnahme
- Kommunikation mit der Person und Rückversicherung: Sitz der Maske und Dyspnoe erfragen
- Bei fehlender Toleranz der Maske
- Beatmungsparameter und/oder Sitz der Maske optimieren
- Anderes Interface ausprobieren
- Bei guter Toleranz der Maske
- Fixierung mittels Haltebändern
- Leckage-Management
- Anpassung der Geräteeinstellungen an die Spontanatmung (Synchronisation)
Einstellung des Beatmungsgerätes zur NIV [1][13]
- Durchführung durch Person 2 (meist ärztliches Personal) [4]
- Beatmungsform: Druckunterstützte Beatmung , bspw. [2]
- CPAP: Bei hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz (v.a. kardiales Lungenödem) [2]
- BIPAP: Bei hyperkapnischer und ggf. hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz
- Einstellung der Beatmungsparameter: Individuell nach klinischer Situation, lokale Standards und SOPs beachten, Anpassung im Verlauf nötig!
- Unteres Druckniveau (ptief): Max. 10–15 cmH2O
- Oberes Druckniveau (phoch): Max. 20–25 cmH2O
- Inspiratorische Druckunterstützung (Pressure Support) : Initial eher niedrige Werte einstellen, im Verlauf steigern [4]
- Tidalvolumen: Nicht einstellbar, da abhängig von der Spontanatmung; jedoch wichtige Kontrollgröße zur Anpassung der inspiratorischen Druckunterstützung im Verlauf
- Mindestfrequenz („Back-up-Frequenz“): Im Falle einer Apnoe verabreicht das Gerät diese Atemfrequenz
Zur Gewöhnung sollten initial sowohl ein geringer PEEP als auch eine niedrige Druckunterstützung gewählt werden! [1][4]
Hypoxämische ARI
Beispielhafte Geräteeinstellungen zur NIV bei hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz [7] | ||
---|---|---|
Initial | Im Verlauf | |
PEEP | 5 cmH2O | 5–10 cmH2O |
FiO2 | 0,6 | Individuelle Steigerung bis 1,0 (Ziel: saO2 >92% oder paO2/FiO2 >200) |
Mindestfrequenz („Back-up-Frequenz“) | 15/min |
Hyperkapnische ARI
Beispielhafte Geräteeinstellungen zur NIV bei hyperkapnischer akuter respiratorischer Insuffizienz [7] | ||
---|---|---|
Initial | Im Verlauf | |
Inspirationsdruck (phoch) | 12 cmH2O | 16–20 cmH2O |
PEEP (ptief) | 4 cmH2O | 6 cmH2O |
FiO2 | 0,21 | |
Mindestfrequenz („Back-up-Frequenz“) | 20/min | 15/min |
Bei Hyperkapnie dürfen die Drücke nicht zu niedrig eingestellt werden! [14]
Spezielle Empfehlungen je nach Krankheitsbild [2]
- Grundsätze zur NIV bei COPD
- Hoher Inspirationsdruck 15–25 cmH2O
- Ausreichend hoher Inspirationsflow
- PEEP 3–6 cmH2O
- Rampe: ≤0,1 s [4]
- Asthma bronchiale
- Inspirationsdruck: Initial niedrig (5–7 cmH2O), schrittweise steigern bis max. 25 cmH2O
- PEEP 3–5 cmH2O
- Obesitas-Hypoventilationssyndrom
- Adäquate inspiratorische Druckunterstützung
- PEEP-Level titrieren
- I:E-Verhältnis 1:1
Monitoring und Dokumentation [1][4][15]
- Beatmungsparameter [2]
- Vigilanz, Dyspnoe, Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung
- Leckage bzw. Dichtigkeit der Maske [2]
- Blutgasanalysen (paCO2, pH-Wert, Lactat): 30, 60 und 120 min nach Beginn der NIV [2]
- Ggf. differenzialdiagnostische Abklärung [7]
- Ggf. Änderungen der Geräteeinstellungen im Verlauf
- Anpassung der Beatmungsform
- Steigerung von PEEP und Druckunterstützung
Während der Adaptationsphase ist eine konstante Betreuung zur adäquaten Überwachung des klinischen Zustands der behandelten Person nötig!
Vordergründiges Ziel der Adaptationsphase ist eine Synchronisation zwischen Spontanatmung und Beatmungsgerät! Dabei spielt das Leckage-Management eine wichtige Rolle! [2]
Erfolgskontrolle bei NIV
Ersteinschätzung [2]
- Zeitpunkt: 30–60 min nach Beginn der NIV
- Ziel: Vorläufige Beurteilung der Effektivität der Maßnahme (anhand der Erfolgskriterien der NIV )
- Konsequenz
- Bei ausreichender Effektivität: NIV fortführen
- Bei unzureichender Effektivität: Suche nach möglichen Ursachen, bspw. [15]
Entscheidung über das weitere Vorgehen [2][4]
- Zeitpunkt: 1–2 h nach Beginn der NIV
- Ziel: Unterscheidung zwischen „Respondern“ und „Non-Respondern“
- Überprüfung der Erfolgskriterien der NIV
- Überprüfung der Abbruchkriterien bei NIV
- Konsequenz
- Therapieansprechen und keine Abbruchkriterien vorhanden: NIV fortführen
- Abbruchkriterien bei NIV und/oder NIV-Versagen vorhanden: NIV beenden und unverzügliche endotracheale Intubation durchführen (außer in Palliativsituationen)
1–2 h nach Beginn der NIV muss beurteilt werden, ob ein NIV-Versagen vorliegt und/oder Abbruchkriterien vorhanden sind! [1][2][4]
Erfolgskriterien [2][4]
Erfolgskriterien der NIV | |
---|---|
Klinische Beurteilung |
|
Blutgasanalyse |
Der Anstieg des pH-Wertes innerhalb der ersten 4 h ist ein wichtiger prognostischer Marker für den Therapieerfolg der NIV! [2]
Ein stabil erhöhter paCO2 bzw. stabil reduzierter pH-Wert darf auch länger als 2 h toleriert werden, sofern sich der klinische Zustand und andere Erfolgskriterien verbessern! [2]
Abbruchkriterien [2][4]
Abbruchkriterien bei NIV | |
---|---|
Klinische Beurteilung |
|
Blutgasanalyse |
Abbruchkriterien umfassen im Wesentlichen die ausbleibende Verbesserung der Erfolgskriterien! [2]
Beendigung der NIV
- Individuelle Beobachtungsdauer: Beendigung der Akut-NIV abhängig vom klinischen Verlauf [2]
- Mögliche Kriterien [2]
Es gibt keine ausreichende Evidenz bezüglich der optimalen Dauer der NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz! [2]
Komplikationen
Nebenwirkungen der NIV [4]
- Schmerzen, Druckstellen oder -ulzera im Gesicht [1][2][7]
- Übelkeit, Erbrechen, Aspiration
- Aerophagie
- Klaustrophobie
- Leckage mit unzureichender Ventilation
- Austrocknen der Schleimhäute
- Augenirritationen bis hin zur Konjunktivitis [7]
- Bei Langzeittherapie zusätzlich: Nächtliches Aufwachen, Einschlafstörungen, Meteorismus, Nasenbluten [3]
NIV-Versagen [2]
- Definition
- Verschlechterung oder ausbleibende Verbesserung der Erfolgskriterien der NIV
- Neuauftreten einer Kontraindikation für NIV
- Risikofaktoren, siehe: Prädiktoren für NIV-Versagen
- Sonderform: NIV-Spätversagen
- Definition: Wiederauftreten einer hyperkapnischen akuten respiratorischen Insuffizienz nach >7 Tagen NIV
- Prognose: Sehr hohe Letalität von >90%
Prädiktoren für NIV-Versagen [7]
- Niedriger pH-Wert (<7,3) [1]
- Hoher pCO2-Wert
- Hohe Herzfrequenz
- Erhöhter APACHE-II-Score
- Erhöhtes BNP
- Niedriger Score gemäß Glasgow Coma Scale
- Niedriger pO2 trotz NIV
- Begleitende Komorbiditäten
- Pneumonie als Ursache der hyperkapnischen akuten respiratorischen Insuffizienz
Prädiktoren für NIV-Erfolg [1][7]
- Geschultes Personal mit klinischer Erfahrung
- Passendes Material (bspw. verschiedene NIV-Masken in mehreren Größen)
- Gute Synchronisation zwischen Beatmungsgerät und Spontanatmung
- Engmaschiges Monitoring und Kontrolle
- Geringe Leckage
- Guter Zahnstatus
- Niedriger APACHE-II-Score
- Hohe Vigilanz und Kooperationsfähigkeit
- Gute Sekretmobilisation
Das Risiko für ein NIV-Versagen bei akuter respiratorischer Insuffizienz steigt mit dem Ausmaß der Hypoxämie bzw. der respiratorischen Azidose! [15]
NIV-Intoleranz [1][2]
- Definition: Keine Akzeptanz oder fehlende Toleranz der Maske
- Mögliche Gründe: Klaustrophobie, Interface-Inkompatibilität
- Vorgehen: Alternativ High-Flow-Sauerstofftherapie oder NIV mit Beatmungshelm erwägen
Deventilationssyndrom [2][16][17]
- Definition: Erneute Verschlechterung der Dyspnoe nach Absetzen der Maske
- Mögliche Gründe: Unklarer Pathomechanismus
- Symptomatik: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Dyspnoe, ggf. kardiorespiratorische Einschränkung
- Vorgehen: Fortführung der (nächtlichen) NIV zum Erhalt der Lebensqualität