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EKG

Letzte Aktualisierung: 16.8.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die Elektrokardiografie (EKG) ist ein bedeutendes Standarddiagnostikum in der Erkennung kardialer Erkrankungen. Durch Anlage externer Elektroden wird die kardiale Erregungsausbreitung abgeleitet und in Form einer charakteristischen Linie festgehalten. Zu den Beurteilungskriterien gehören Lagetyp, Frequenz und Regelmäßigkeit des Ausschlags sowie Abstände und Amplituden der einzelnen Komplexe (z.B. P-Welle, PQ-Strecke, QRS-Komplex, ST-Strecke). In diesem Kapitel erfolgt ein Überblick über die wichtigsten Beurteilungskriterien, während spezielle Befunde im Rahmen der jeweiligen Erkrankungen abgehandelt werden.

Grundlagentoggle arrow icon

  • Prinzip des EKG: Aufzeichnung von elektrischer Spannung zwischen Kardiomyozyten über einen Zeitraum
    • x-Achse: Zeit
    • y-Achse: Spannung
      • Standard-Kalibrierung: 10 mm1 mV
      • Eichzacke: Ausschlag, der durch eine Spannung von 1 mV entsteht
    • Ableitung: Messung der Spannung zwischen 2 oder mehr Elektroden
      • Entspricht der Spannung in einer bestimmten Richtung
      • Durch Wahl verschiedener Elektroden entstehen unterschiedliche Ableitungen
        • Bipolare Ableitung: Ableitung zwischen einer differenten und einer indifferenten Elektrode
        • Unipolare Ableitung: Ableitung zwischen einer differenten Elektrode und einer als Referenz dienenden Zusammenschaltung mehrerer Elektroden
    • Schreibgeschwindigkeit (Papiervorschub): Legt fest, wie viele mm auf der x-Achse einer Sekunde entsprechen
      • Standard in Deutschland für 12-Kanal-EKGs: 50 mm/s
      • Alternativ (insb. zur Überwachung und Rhythmusanalyse) und in vielen anderen Ländern: 25 mm/s
      • Praxistipp: Anhand der Kästchen des Millimeterpapiers lassen sich die Zeiten unter Beachtung der Schreibgeschwindigkeit auszählen
        • Bei 25 mm/s
          • Ein kleines Kästchen = 1 mm40 ms
          • Ein großes Kästchen = 5 kleine Kästchen = 5 mm200 ms
          • 10 große Kästchen = 50 kleine Kästchen = 50 mm2 s
        • Bei 50 mm/s
          • Kleines Kästchen = 1 mm20 ms
          • Großes Kästchen = 5 kleine Kästchen = 5 mm100 ms
          • 10 große Kästchen = 50 kleine Kästchen = 50 mm1 s

Bei der Zeitmessung im EKG muss unbedingt die Schreibgeschwindigkeit beachtet werden!

Wenn nicht explizit angegeben, kann man die Schreibgeschwindigkeit bspw. anhand der QRS-Komplexe erkennen: Sie sind normalerweise ca. 100 ms lang, passen also bei einer Schreibgeschwindigkeit von 50 mm/s ungefähr in ein großes Kästchen (5 mm).

Ableitungentoggle arrow icon

Damit EKGs vergleichbar sind, haben sich aus der Vielzahl an theoretisch möglichen Ableitungen standardisierte Kombinationen ergeben. Am bedeutendsten ist das sog. 12-Kanal-EKG.

12-Kanal-EKG

  • Definition: Standardisierte Kombination von 12 Ableitungen, die sich für die meisten klinischen Fragestellungen eignet
  • Elektroden: 9 Messelektroden plus eine Erdungselektrode → 10 Elektroden insg.
  • Praxistipp zur Anlage eines EKG: In Deutschland sind die Elektroden des 12-Kanal-EKGs standardisiert farbcodiert, sowohl bei den Extremitätenelektroden als auch bei der Brustwand beginnt man mit den „Ampelfarben“ rot, gelb, grün
    • Extremitätenelektroden: Rechter Arm rot, linker Arm gelb, linkes Bein grün, rechtes Bein (Erdungselektrode) schwarz
    • Brustwandelektroden: V1 rot, V2 gelb, V3 grün, V4 braun, V5 schwarz, V6 violett

Zur Aufzeichnung eines 12-Kanal-EKG werden inkl. der Erdung 10 Elektroden benötigt.

In der Praxis ist mit „EKG“ meist ein 12-Kanal-EKG gemeint.

Ableitungen des 12-Kanal-EKG

Bei Frauen sollten die Brustwandelektroden nicht wegen der Mammae nach unten verschoben werden! Falls die Ableitungsqualität bei korrekter Lage auf der Mamma zu schlecht ist, kann die Empfindlichkeit am Gerät erhöht werden.

3-Kanal-EKG

  • Definition: Kombination von 3 Ableitungen, die sich insb. für die Rhythmusanalyse, Überwachung und in Notfallsituationen eignet
  • Elektroden: 3 Elektroden, Position variabel
  • Ableitungen: Häufig Nutzung der Einthoven-Ableitungen

Das 3-Kanal-EKG dient primär der Rhythmusanalyse und -überwachung, die Platzierung der Elektroden ist variabel.

Spezielle Ableitungen

Zur verbesserten Ableitungsqualität bei Lungenemphysem und damit einhergehendem „Fassthorax“ können die Brustwandelektroden versuchsweise einen ICR tiefer angelegt werden!

Projektionen der Extremitätenableitungen [2]

Projektionen der Extremitätenableitungen
Ableitungen Bezeichnung Projektion
I, aVL Hohe laterale Ableitungen Hohe Seitenwand des linken Ventrikels
II, III, aVF

Inferiore (diaphragmale) Ableitungen

Inferiore Wand („Hinterwand“) des linken Ventrikels

Projektionen der Brustwandableitungen [2]

Projektionen der Brustwandableitungen
Ableitung Bezeichnung Projektion
V1 Septale Ableitungen Septum, Vorderwand linker Ventrikel
V2
V3 Anteriore Ableitungen Vorderwand linker Ventrikel, Apex
V4
V5

Tiefe linkslaterale Ableitungen

Seitenwand linker Ventrikel
V6
V7 Linksdorsale Ableitungen Hinterwand linker Ventrikel
V8
V9
V3RV6R Rechtsseitige Ableitungen Rechter Ventrikel

Befundungtoggle arrow icon

Bei der Befundung eines EKG ist es wichtig, die Befunde sowohl im Zusammenhang mit der klinischen Präsentation als auch (wenn möglich) im Vergleich zu vorherigen EKGs zu beurteilen . Es ist sinnvoll, einem festen Schema zu folgen, um alle Aspekte der elektrischen Herzaktivität zu beachten und keine Pathologie zu übersehen. Die Reihenfolge der folgenden Abschnitte zeigt ein beispielhaftes systematisches Vorgehen .

  1. Rhythmus
  2. Herzfrequenz
  3. Lagetyp
  4. Morphologie
  5. Zeiten

Rhythmusanalyse und Frequenzbestimmungtoggle arrow icon

Rhythmusanalyse

  1. Regelmäßige P-Wellen vorhanden?
  2. Folgt auf jede P-Welle ein QRS-Komplex?
  3. Normale PQ-Zeit?

Ein Sinusrhythmus liegt vor, wenn regelmäßige P-Wellen vorhanden sind, auf die immer ein QRS-Komplex folgt.

Übersicht wichtiger Herzrhythmusstörungen
Rhythmusstörung EKG-Zeichen

AV-Block II°

AV-Block III°
Vorhofflimmern
Kammerflimmern
Asystolie
  • Nulllinie: Leicht undulierende Kurve bis Linie ohne Ausschläge, keine ausgeprägten Zacken, keine erkennbare Struktur

Herzfrequenz

Die automatische Frequenzberechnung durch das EKG-Gerät ist gerade bei pathologischen EKGs unzuverlässig, sodass im Zweifel eine manuelle Bestimmung erfolgen sollte!

Bestimmung der Herzfrequenz im EKG (Rechner)

Bestimmung der Zykluslänge im EKG (Rechner)

Lagetyptoggle arrow icon

Grundlagen

Ein QRS-Vektor von 0° bedeutet, dass die elektrische Herzachse horizontal nach links zeigt, und entspricht einem Linkstyp!

Die sagittalen Lagetypen (SISIISIII-Typ und SIQIII-Typ) können Folge einer Rechtsherzbelastung wie bspw. bei einer Lungenembolie sein!

Lagetypbestimmung

Bestimmung mittels Cabrera-Kreis

  • Prinzipien
    • Ableitung mit größtem positiven Ausschlag → Herzachse zeigt ungefähr in die Richtung dieser Ableitung
    • Positiver Anteil des QRS-Komplexes ist in einer Ableitung größer als der negative Anteil („überwiegend positive Ableitung“) → Herzachse liegt auf der Hälfte des Cabrera-Kreises, in die diese Ableitung zeigt
    • Positiver Anteil des QRS-Komplexes ist in einer Ableitung kleiner als der negative Anteil („überwiegend negative Ableitung“) → Herzachse liegt auf der Hälfte des Cabrera-Kreises, in die die betrachtete Ableitung nicht zeigt
    • Ableitung mit etwa gleich großen positiven und negativen Anteilen des QRS-Komplexes → Herzachse liegt ca. im rechten Winkel zu dieser Ableitung
  • Mögliches Vorgehen
    1. Ableitung mit größtem positiven Ausschlag in der Frontalebene suchen Elektrische Herzachse entspricht ungefähr der Richtung dieser Ableitung
    2. Betrachten der anderen Ableitungen → Auf welcher Seite der in Schritt 1 gefundenen Ableitung liegt der Hauptvektor?

Vereinfachte Lagetypbestimmung

In der Praxis haben sich vereinfachte Methoden bewährt, die ohne den Cabrera-Kreis und ohne Messung auskommen. Die hier vorgestellte Methode basiert ausschließlich auf den Ableitungen I, II und III.

  1. Einteilung der Ableitungen I, II und III in überwiegend positiv („+“) und überwiegend negativ („-“)
  2. Zuordnung gemäß folgender Tabelle
Vereinfachte Lagetypbestimmung über die Einthoven-Ableitungen
Lagetyp Ableitung
I II III
Überdrehter Linkstyp (ÜLT) + - -
Linkstyp (LT) + + -
Indifferenztyp* (IT) +* + +
Steiltyp* (ST) + + +*
Rechtstyp (RT) - + +
Überdrehter Rechtstyp (ÜRT) - - /+ +

*Wenn alle Ableitungen positiv sind, gilt: I>III = Indifferenztyp, III>I = Steiltyp

Klinische Bedeutung

  • Im Laufe des Lebens physiologische Änderung des Lagetyps von rechts nach links (bis etwa +90°)
  • Verschiebung der Herzachse nach links oder rechts → Hypertrophie des entsprechenden Herzanteils möglich
  • Rechtsverschiebung oder sagittale Herzachse → Rechtsherzbelastungszeichen, bspw. bei Lungenembolie
  • Störungen der ventrikulären Erregungsausbreitung → Häufig Veränderungen der elektrischen Herzachse

Sensitivität und Spezifität von Lagetypveränderungen sind sehr gering, bei der Interpretation müssen andere Befunde einbezogen werden!